Aus Stadt und Land

Calw, den 9. August 1929.

Brief aus Bad Liebenzell.

Im Knrlcben rut auch die Kirche das Ihrige, um die Kur­gäste und vor allem ihre seelischen Bedürfnisse zu befrie­digen und den vom hastenden Leben ermüdeten Menschen innerlich erneuernde Kräfte zuzusühren durch reichliche Ge­legenheiten zu stiller Sammlung und andächtiger Vertiefung. Daß dies wirklich einem dringenden Bedürfnis der Er­holungsuchenden entspricht, zeigt deutlich der auffallend starke Besuch der Gottesdienste durch die Fremden. Besonders be­liebt sind die Abendandachten am Werktag, die meistens irgendwelche kirchenmusikalische Ausgestaltung erhalten und dadurch die Wirkung der andächtigen Abendstimmung noch erhöhen. Schon der regelmäßige Chorgesang der Erholmrgs- schwestern vom Stuttgarter Diakonissenhaus meist etwa SV60 Diakonissen wirkt wohltuend und erquickend auf Herz und Gemüt und bietet nicht bloß dem Ohr, sondern auch schon dem Auge eine seltene Freude. Dazu kommen aber häufig auch noch künstlerische Solodarbietungen aus dem Kreise der Kurgäste selbst, wie in letzter Zeit das ergreifende Violinspiel von Frau Dr. Kühn-Berlin, das weiche, rein« Cellospiel von Frl. Andrö-Pforzheim und der herrliche Ge­sang von Frau Dr. Eversbusch-Schömberg, lauter Darbie­tungen, die nicht bloß hohen Kunstwert besaßen, sondern denen man es anfühlte, baß st« ganz in den Dienst der an­dächtigen Erbauung gestellt waren. Auch sonst fehlt es nicht an kirchenmusikalischen Genüssen aller Art. So ist es vor allem die neue Singbewegung, die vom Monbachtal her stets ihre Wellen hieher in den Gemeindegottesdienst trägt, um in der feiernden und anbetenden Geuieinde ihr inneres Erleben in der Singwoche jubelnd zum Ausdruck zu bringe«. Ganz von gleichem Geist beseelt war eine geistliche Abend­musik, welche ein kleiner, noch unbekannter, aber vielver­sprechender Madrigalkreis von Nagold unter der feinen Lei­tung von Musiklehrer Hatsch hier in der Stadlkirche ver­anstaltete. Was dieser gut eingefühlte und fein zusammen­gestimmte Sängerkreis an alter, polyphonischer Mufik hören ließ, war nicht bloß ein schöner musikalischer Genuß, sondern ein inneres Erleben! Nicht weniger erhebend war auch das meisterhafte Orgelspiel des leider noch viel zu wenig be­kannten Komponisten und Orgelvtrtuosen Arthur Kusterer aus Karlsruhe, der hier ebensalls Fremden und Einheimi­schen ein« abendliche Weihestunde in der Kirche bereitete, für die ihm sicherlich alle Teilnehmer herzlich dankbar wa­ren. Wiederum war es weniger die fabelhafte Technik, welche man bewundern mußte, als vielmehr die wunderbaren Töne und Stimmungen, die er der alten, mangelhaften Orgel zu entlocken verstand. Was dieser Künstler vermag und was ihn beseelt, kam nach verschiedenen Präludien und einem Pastorale von I. S. Bach erst voll zum Ausdruck tu einer Passacaglia und einer Fantasieschöpfung vom Künstler selbst. Wir möchten ihm nur wünschen, daß er sich mit seiner Kunst bald in der Oeffentlichkeit überall durchsetzt und seinem Wir- ken und Schaffen die gebührende Anerkennung zuteil wird! Daß auch die feierliche Amtseinsetzung des neuen zweiten Stadtpfarrers, G. Schilling, bisherigen Pfarrers in Helden- fingen, unter den Kurgästen große Beachtung fand, war bet der regen Teilnahme derselben am kirchlichen Gemeinde­leben nicht zu verwundern. Das Gotteshaus war an biesem Sonntag fast bis auf den letzten Platz gefüllt, als nach der durch den rhythmischen Chorgesang der Schulkinder und durch ein stimmungsvolles Cellospiel erweiterten Eingangs­liturgie, geleitet von Hauptlehrer Lautenschlager, Stadtpfar» rer Schilling zum erstenmal die Kanzel betrat und schlicht und herzlich über das Evangelium des Sonntags (Matth. 16, 2428) predigte, über den hohen Wert der Menschenfeele, und damit seiner Gemeind« gleich als rechter Seelsorger sich anbot. Dekan Rvos-Calw, welcher die Verpflichtung und Einsegnung vornahm, malte mit feinsinnig gewählten Pau­lusworten aus seinen Briefen den Zuhörern die schwere und doch so schöne Aufgabe des Seelsorgers in leuchtende« Far­ben vor Augen und nahm in seiner packenden Rede besonders Rücksicht gerade auf die hiesigen Gemeindeverhältnisse, wie auf die Anforderungen und Verantwortung eines Kurpfar­rers.Ich bin allen ein Schuldner!", darin gipfelte die z«

Herzen gehende Mahnung an Pfarrer und Gemeinde. Bei der dann nachmittags tm Gemeindehaus folgende» Begrü­ßungsfeier für die neue Pfarrfamilie gaben di« vielen Re­den auch im Namen der bürgerlichen Gemeinde wie der Filtalort« und vor allem die köstlichen Darbietungen des Jungfrauenvereins davon Zeugnis, mit welch herzlicher Freude und mit welchem Vertrauen die Gemeinde den nenen Pfarrer und seine Frau willkommen hieß.

Auch der am Sonntag darauf vom Jungfrauenverein ver­anstaltete Wohltätigkeitsverkauf, der aufs sorgfältigste vor­bereitet war und für den dieSchwarzwaldmädels" rührig unter den Kurgästen geworben halten, lockte eine Menge von Kurfremden in bas schöne Gemeindehaus, wo sie bald bet Kaffee und Kuchen sich wohl fühlten und gerne zu Gun­sten des evang. Jugendhauses in Schmie und des Gustav- Adolf-Vereins ihre Geldbeutel öffneten. Der Verkauf brachre daun auch einen Reingewinn von beinahe 700 R.^t, was die zuletzt noch Anwesenden impulsiv zu einem frohen Lobgesang drängte.

Bald wird das Kurleben hier wieder zu Ende gehen, aber viele von den Kurgästen bleiben dauernd mit der Gemeinde verbunden, kehren im nächsten Jahre gerne wieder in den Schwarzwald zurück und haben hier schon eine ziveite schön«, ruhige Heimat gefunden.

Wie wird die Ernte?

Nach den soeben im Statistischen Reichsamt zufammen- gestellten Ergebnissen der ersten Erntevorschätzung, die in diesem Jahre erstmalig schon nach dem Stand von Anfang Juli (nach den Berichten der Saatenberichterstatter über die durchschnittlichen Hektarerträge) durchgeführt worden ist, ist für das gesamte Reichsgebiet im großen und ganzen eine mittlere Getreideernte z« erwarten. Es muß jedoch hierbei berücksichtigt werden, daß das Getreide zu Anfang Juli noch allgemein auf dem Halm stand, dem Einfluß der Witterung also noch ausgesetzt war. Im einzelnen betragen di« Hektar- erträge tm Reichsdurchschnitt 1920 für Winterroggen 12,7 Dz (1028 nach der endgültigen Ermittlung 18.5 Dz), Win« terrvei-en 19.6 (22.3), Wintergerste 19.4 (26.2), Sommergerste 19.8 (21.6), Hafer 19.2 (19.9) Dz, Unter Zugrundelegung der vorstehenden Hektarerträge und der Anbanfläche würde sich bet den genannten Halmfrüchten für 1928 folgende Gesamt­menge ergeben: Winterroggen rund 8 Mill. Tonnen, Win- terweizen rund 3 Mill. Tonnen, Wintergerste 0,8 Mill. T., Sommergerste 2,6 Mill. T., Hafer 6,75 Mill. Tonnen. Im Vergleich mit dem Jahre 1928, das eine gute Ernte er­brachte, bleiben die diesjährigen Erträge nach den ersten vorläufigen Meldungen der Berichterstatter, die nach frü­heren Erfahrungen regelmäßig späteren Ergänzungen und Berichtigungen unterworfen find durchweg zurück.

Wetter für Samstag und Sonntag.

Die Wetterlage wird jetzt vorwiegend von einem west, lichen Hochdruck beherrscht. Für Samstag und Sonntag ist zwar zeitweilig bedecktes, aber vorwiegend trockenes Wetter zu erwarten.

*

GCB Calmbach, 8. Aug. Ans der Calwer Straße stießen außerhalb des Ortes 2 Personenwagen aus offener Strecke zusammen. Personen kamen nicht zu Schaden, aber die Wa­gen wurden schwer beschädigt, einer konnte nicht einmal mehr abgeschleppt werden. Beim Rathaus überfuhr ein Döblin­ger Auto einen hiesigen Radfahrer. Im Nu lag der Rad­fahrer unter dem Auto, und wunderbarer Weise wurde er nicht verletzt. Dagegen ivurd« fei« Rad ziemlich demoliert.

Pforzheim, 8. Aug. Im benachbarten Würm verun­glückte in der Nacht zum Montag der 40jährige Taglöhner Wüst. Nachdem er um 11 Uhr schon zu Bett gegangen war, stand er noch einmal auf, um tm Hof etwas nachzusehe«. Dabei rutschte er auf der Treppe aus und brach di« Wirbel­säule. Plan fand chn tot tm Hausflur. Wüst hinterläßt eine Frau und zwei unmündig« Kinder.

SCB Pforzheim, 8. Aug. Am 6. August wurde von Holz- sammleru in einer Tannenkultur, in der Nähe des Säge­werks Feiler, «in Erhängter anfgefunden. Die Leiche dürfte schon einige Zeit im Walde gehangen haben, da sie schon stark tu Verwesung übergegangen war.

SCB Leoubcrg, 8. Aug. Von Bubenhand wurde die Fall­tür« an dem früheren Badsee au der Glems unter der Eisen­bahnbrücke geöffnet und das Wasser zum Ablaufen gebracht.' Die Wirkung war, daß die eingesetzten Fische teils abwan» derten, teils verendeten.

SCB Magstadt, OA. Böblingen, 8. Aug. Die 14jährige Tochter eines hiesigen Gastwirts wurde von einem ohne Licht fahrenden Radfahrer abends nach 9 Uhr überfahren und mit einem Schädelbruch und einer Gehirnerschütterung nach Hause verbracht. Leider gelang es nicht, den Namen des rücksichtslos davoneilenden 3ia>dsahrers festzustellen.

SCB Zuffenhausen, 8. Aug. Dem Vernehmen nach wurde der von Stuttgart hieher gegebene Gegenentwurs zu einem Eingemeindungsvertrag, nachdem er von der Kommission und dem Gemeinderat eingehend durchbcraten worden, wie­der an die Stuttgarter Verivaltung zurückgereicht unter An­schluß einiger noch abweichender Wünsche. Im allgemeine» sollen keine großen Meinungsverschiedenheiten mehr be­stehen. Durch die jetzigengroßen Ferien" dürste aber trotz, dem eine gewisse Hinauszögerung der Sache wohl entstehen.

SCB Stuttgart, 8. Aug. Vor dem Strafsenat des Ober­landesgerichts hatte sich am 6. Juli d. I. der 22 Jahre alte verheiratete und frühere Schutzpolizeibeamte Friedrich Mühlberger von Herbrechtingen OA. Heidenheim wegen Verrats militärischer Geheimnisse zu verantworten. Mühl- berger hatte sich anfangs dieses Jahres vom französischen Nachrichtendienst gegen Entgelt zur Ausspähung der wirrt- tembergischen Schutzpolizei und der Reichswehr verwenden lassen und war im Februar in Stuttgart aus frischer Tat fest» genommen morden. Durch Urteil des Strafsenats vom 6. Juli 1929 wurde er wegen eines fortgesetzten Verbrechens des versuchten Verrats militärischer Geheimnisse zu der Zuchthausstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten unter An­rechnung von 4 Monaten Untersuchungshaft sowie zum Ver­lust der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von 5 Jah­ren verurteilt.

wp Stuttgart, 8. Ang. Eine Neuerung erhält das Stra­ßenbild durch dt« jetzt zur Aufstellung gelangten Auto- Droschken-Ruf-Säulen, die gleichzeitig als Droschken-Halt«. stellen dienen und als solche weithin durch die Bezeichnung Taxe" und ein großes l' gekennzeichnet werden. Die Säu­le« werden ganznächtig beleuchtet. Im Innern befindet sich ein Telephon, wodurch ein noch schnelleres Herbeirusen der Droschken gewährleistet ist.

SCB Horkheim, OA. Heilbronn, 8. Aug. Gestern nach­mittag ereignete sich ein Unfall, der wiederum ein junge- Menschenleben kostete. An der Wehrftaustelle find Flaschner mit Montagearbeiten beschäftigt. Ein junger Arbeiter stürzte ans etwa 15 Meter Höhe ins alte Neckarbett und ist an de« sog. Schttzen hängen geblieben. Er ist tot aus dem Neckar gezogen worden. Bei dem Verunglückten handelt es sich um den verheirateten 23 Jahre alten Flaschner Rudolf Hart- man« aus Schwaigern. Dsr Fall ist besonders bedauerlich, da dessen Frau erst vor acht Tagen ein« Niederkunft über- standen hat.

SCB Aale«, 8. Aug. Der Gemeinderat erwarb die MS- belfabrtk von Wormser an der Gmünder Straß« für Zweck« des Arbeitsamts, das bisher tm früheren HotelHarmonie" untergebracht war. Die große Zahl der Arbeitslosen tm vorigen Winter machte die Beschaffung von andern Räum­lichketten unbedingt nötig. Das Anwesen kostet 33 500 M. und wird mit Umbau auf ca. 60 000 M. kommen. Auch äugen- blicklich ist die Zahl der Arbeitslosen h-ier nicht gering und befindet sich bereits wieder im Ansteigen.

SCB Schramberg, 8. Aug. Das gesamte Vermögen der Uhrenfabrik Lenzkirch fit an die Gebr. Junghans in Schram­berg veräußert worden. Die Fabrikation von Uhren soll eingestellt, nur die Uhrkastenschreinerei soll aufrechterhalteu bleiben. In ihrer Blütezeit beschäftigte die Uhrenfabrik Lenzkirch 500 Arbeiter, im Durchschnitt 900. Für die Uhren­kastenschreinerei werden nur SO Arbeiter benötigt.

Ans Baden, 8. Aug. Der neue steinerne Ausstchtstnr« auf dem 933 Meter hohem Brandenkopf bei -Hausach geht seiner Fertigstellung entgegen. Die feierlich« Einweihung, der der Präsident des Bad. SchrvarzwaldvereinS, Geh.-Nat Professor Dr. Seith (Freiburg) anwohnen wird, ist auf ö. und 6. Oktober ds. Js. festgesetzt.

Heimatspiele Pforzheim

auf dem Wartberg.

Beginn d«, dt»»MH«ig»» Lpielzeit am Pfingstsonntag, den 19. Mai. Di« Vor­stellungen find, jeden Sonn- und Feiertag, Nachmittag­es llhe, staL Zur Auf- führung gelang, abwechselndi

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Schauspiel von O, Eichrodt.

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Herzliche Einladung

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am Sonntag, den 11. August nachmitt. '/23 Ahr, in der Kirche Die Gemeinschaft.

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findet nächsten

Sonntag, 11. August

unter Leitung von Herrn

Pfarrer Dr. Krame» - Laugenbrand

im Dereinshans in Lalw

statt.

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(2. Kor. S, 16)

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(1. Kor. 3. 1123)

Hiezu ladet herzlich ei«

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