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Nr. 185
Freitag, den 9. August 1929
102. Jahrgang
Aussprache über das Saarproblem
Frankreich lehnt eine Behandlung der Saarfrage im Haag ab
TU Haag, S. August. Gestern nachmittag hat im Hotel !>er französischen Abordnung di« erste private Zusammenkunft zwischen Stresemann und Br Land stattgefunden, die hier als Vorbereitung für die Arbeiten des politischen Ausschusses der Konferenz angesehen wird.
Von bestunterrichteter französischer Seite verlautet, daß die französische Abordnung ss auf das Energischste ablehnen werde, innerhalb des Rahmens der Haager Konferenz in Besprechungen über die Saarfra-ge einzutreten. Die französische Abordnung ist der Ansicht, daß die Arbeiten der Konferenz durch die drei Punkte der Genfer Entschließung vom 16. September 1928 (Rheinlandräumung, Kommissionen, Reparationen) streng begrenzt sei. Die Saarfrage, die eine besondere Frage sei, könnte in diesem Zusammenhang nicht behandelt werden, und ihre Erörterung auf -er Haager Konferenz würde die Arbeiten nur erschweren. Di« französisch« Abordnung werde daher jeden Versuch, di« Saarfrage amt- lich zu erörtern, zurückweisen.
Es foi jedoch nicht ausgeschlossen, daß private Besprechungen zwischen Briand, Lonchenr «ud Cheron aus der eine« Seite und den deutsche« Ministern auf der andere» Seite Wer die Saarfrage stattfinden würden, ohn« daß man sich aber in irgendeiner Weise festlegen werde.
Die Regelung der Saarfrage denkt man sich auf französischer Seite jetzt in der Weise, daß in der nächsten Zeit
eine deutsch-französische Konferenz zusammentreten soll unter Beteiligung der Regierungskommission des Saargebietes. Diese Konferenz soll dann endgültig di« Saarfrage regeln. Der Zusammentritt einer derartigen Konferenz wird auf französischer Seite für September während der Versammlung des Völkerbundes gewünscht.
Ein schriftlicher Vorschlag Strefemanns zur Regelung der.
Saarfrage?
Von maßgebender Seite der französischen Abordnung wurde gestern abend die Mitteilung verbreitet, Dr. Stresemann habe der französischen Abordnung ein längeres Schriftstück über di« Regelung der Saarfrage zugesandt. Diese Aufzeichnung soll in 7 Punkten praktische Vorschläge zur endgültigen Klärung der Las Saargebiet betreffenden Fragen enthalten. Von deutscher Seite wird es vorläufig noch abgelehnt, hierzu Stellung zu nehmen.
Der Haager Vertreter des „Jntranstgeant" hatte eine Unterhaltung mit Dr. Stresemann in Schcveningen, in deren Verlauf Stresemann dem französischen Blatt zufolge folgendes erklärte: „Wenn die Konferenz mit alle« Folge« des Weltkrieges aufrSnme» will, kann die Saarfrage «icht unbeachtet gelassen werbe«. Diese Frage ist ständig Anlaß zu Reibungen zwischen Frankreich und Deutschland. Daher muß von ihr gesprochen werben. Im übrigen gibt es eine wesentliche Verbindung zwischen der Kriegsentschädigungsfrage und der Saarfrage. Wir werde« davon im politische« Ansfchnß sprechen."
Rheinlandräumung und Kontrollfrage
Scharfes Rededuell Slresemann-Briand im poliüschen Ausschuß
TU Haag, 9. Aug. Die beiden Ausschüsse der Konferenz, der politische Ausschuß unter dem Vorsitz von Henderson und der Finanzausschuß unter dem Vorsitz des belgischen Kinanzministers Hvutart sind gestern nachmittag zum erstenmal zusammengetreten. Die gestrigen Verhandlungen wiesen zwei Krisenpunkte ans. Neben den hart aufeinander geprallte» Gegensätzen zwischen den Glänbigermächten im Finanzausschuß stand ein großer Redezweikamps zwischen StresemannundBrtandinder ersten Geheimsitzung des politischen Ausschusses im Vordergrund das Interesses. Beide Minister Wen ihre gegenseitigen Auffassungen hauptsächlich zur Frage der Rhetnlandräumnng in aller Brette und Deutlichkeit dargelegt, und das Ergebnis ist, daß heute noch Auffassung gegen Auffassung steht.
Stresemann hat etwa folgendes ausgeführt: Die Besetzthaltung -eiutschen Gebietes 10 Jahre nach dem Krieg entbehre jeder moralische», rechtlichen und politischen Grundlage und stehe im Widerspruch zu dem gerade von der französischen Regierung vertretenen Gedanke» einer europäischen Solidarität. Auch mit dem Locarnopakt und Len Satzungen des Völkerbundes sei die Rheinlandbesetzung unvereinbar. Dr. Stresemann wies ferner darauf hin, daß der Versailler Vertrag eindeutig der deutschen Regierung «in Recht auf Räumung des Rheinlands gebe, nachdem Deutschland feine gesamten Verpflichtungen «eingeschränkt erfüllt habe Bittere Klage führte er darüber, daß in den 4 Jahren seit dem Abschluß des Locarnopaktes die damals gegebenen Versprechungen nicht erfüllt worden seien. Di« deutfche öffentliche Meinung sei mit Recht aufs tiefste enttäuscht. All« Ber» sprechnnge« seien bisher leere Worte geblieben. Er müsse ganz offen di« Frage stellen, ob man nun endlich ernsthaft daran gehen wollte, die Folgen -eS Weltkriegs zu liquidie- ren. Las Rheinland zu räumen, dt« ReparattonSfrage zu klären und die Grundlagen eines wirklichen Friedens und einer wirklichen Verständigung -wische« den Völkern zu schaffen. Bisher seien nur unzulänglich« Schritte getan worden. DaS Anrecht Deutschlands auf Räumung de- Rheinlands nach Art. 431 -es Versailler Vertrags sei von den alliierten Regierungen bereiis vor 2 Jahren anerkannt worben, da Deutschland völlig abgerüstet fei und die militärische Kontrolle aufgehoben wurde. Deutschland habe aber mehr noch als dies getan. Obwohl sich die deutsche Wirtschaft i« einer schwer«« Notlage befinde, habe die deutsche Regierung den Noangplan als Grundlage einer endgültig«« Rege, lnng ber Reparationsfrage angenommen. Was die Sicherhettsfrage betrifft, so wiederholte Stresemann, daß Deutschland abgerüstet sei und niemand an eine Revanche Lenke. Die Westgrenzen Deutschlands seien nicht nur freiwillig von Deutschland im Locarnovertrag anerkannt, sondern auch von England und Italien verbürgt worden. Jetzt sei die Stunde gekommen, wo die Versprechungen von Locarno in die Tat nmgesctzt werden müßten. Die Besetzthaltung deS Ltheinlandes sei keineswegs eine Bürgschaft für die Leistun
gen der deutfche« Trtkrtzahlungeu. Deutschland habe jedoch, um seinen guten Willen zu beweisen, sich im September v. I. bereit erklärt, gleichzeitig mit der Reparationsfrage auch über bie Krag« ber Räumung zu verhandeln.
Briand erwiderte etwa folgendes: Sr zweifle nicht an dem guten Willen der gegenwärtig Deutschland führenden Männer, doch gebe eS kein« Bürgschaft Wür, daß diese Männer noch lange am Ruder blieben. Niemand könne leugnen, daß in Deutschland breite Schichten und einflußreiche Parteien bestünden, die die Politik der gegenwärtigen RegWnng ablehnten und ihre bisherigen Entscheidungen nicht rnttmachten. Er, Briand, gäbe allerdings z«, daß Deutschland materiell abgerüstet habe, aber dafür sei eine sehr lange Zeit notwendig gewesen, (l) Wenn Deutschland materiell abgerüstet sei, so fei es dies noch lange nicht in moralischer Hinsicht fl) und die moralische Abrüstung sei für die Verständigung ber Völker mindestens ebenso notwendig wie die materielle. Allerdings unterließ es Briand, die sog. „moralische" Abrüstung auch für sei« eigenes Land zu fordern. Frankreich habe außerordentlich durch den Krieg gelitten,' «S habe den Weltkrieg nicht gewollt und man könne sich nicht darüber wundern, wenn das französische Volk gewisse Sicherheiten für bie Zukunft verlang«. Bon den Sicherhetten, die dom abgerüsteten Deutschland in der Mitte eines Rings von wafsenstarrenden Nachbarn zu geben wären, sprach Briand natürlich nicht. Ans diesem Grunde, so fuhr Wtand fort, habe er in Gens die Einsetzung eines Festste!» lüngs- und BergleichSanSschnsies für di« Rheinland« gefordert, in dem auch Deutschland vertreten sein solle. Man könne allerdings über dt« Aufgabe und Tätigkeit eines solchen Ausschusses verschiedener Auffassung sein, aber der Gedanke eines derartigen Ausschusses sei keineswegs abzuleh- nen. Frankreich besitze gegenwärtig zwar eine relative, aber keineswegs «in« absolute Bürgschaft für seine Sicherheit, (k) A«8 diesem Grunde könne das Rheinland «nr etappenweise, entsprechend der Annahme und Durchführung des Noung- planeS «nd der Einsetzung d«S BergleichSanSschnsies geräumt werben, s!)
Der voraussichtliche französische Antrag.
Wie dem „Temps" aus dem Haag gemeldet wird, wird Frankreich im politischen Ausschuß den Antrag stellen, die sogenannte Feststellungs- und Versöhnnngskommissivn für -ie Zeit der Dauer des Locarnovertrages ins Leben zu rufen.
Die Haltung Großbritanniens zu den Ränmungsbesprechnngen zwischen Dr. Stresemann und Briand bleibt auch weiterhin abwartender Natur. Halbamtlich wird in London bestätigt, -atz di« britische Regie, rnng jedem zwischen den beiden Staatsmännern etwa zustande kommenden Abkomme« vorbehaltlos beitreten werde.
Der Streit der Gläubiger über die Verteilung der Tributzahlungen
Erneuter schwerer Zusammenstoß Snowden-Chero«.
TU Haag, 9. Aug. Die erste geheime Si^ung des Finanz. auSschusses am Donnerstag nachmittag hat einen sehr stür-
Tages-Spiegel
Der politische Ausschuß der Haager Konferenz begann mfi der Gcneralaussprache über die Nheinlandränmuug. Zwischen Dr. Stresemann «nd Briand fand ei« Rededuell statt.
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Dr. Stresemann vertrat de« Standpunkt, daß Deutschland dnrch die Annahme des Aonngplancs nicht nur cinen politische«, sondern auch einen moralischen Anspruch ans sofortige Räumung habe.
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Die allgemeine Anssprache schloß zunächst mit der Einsctznng eines Untcrausschnsies für die technischen, mit der Räumung zusammenhängende« Frage«.
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Ueber das Saarproblem fand zwischen Dr. Direseman« und Briand eine private Aussprache statt. Frankreich weigert sich «ach wie vor, -ie Saarfrage auf dör Konferenz zu behandeln.
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Dr. Schacht sprach vor der Bcrtretcrversammlnng deS Deut» schs« Gewerkschastsbnndcs in Esse« über den Aoungpla«.
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Die zweite Etappe des Europa-Nnndslngcs führt« gestern über Marseille nach Turin, Mailand «nd Venedig. Als erster traf ei« Engländer am Zielort ein, als zweiter ei« Deutscher.
mischen Verlauf genommen. Die Vertreter Englands und Fraukreichs haben ihren Standpunkt uneingeschränkt und teils sogar unter wesentlicher Verschärfung anfrechterhalten. Die übrigen Vertreter haben die gleichen Erklärungen abgegeben wie in der Baukonferenz, doch sind sie hierbei mehr in bi« Einzelheiten -er angeblichen großen „Kriegsopfer" etngegangen, die ihr« Länder zu tragen gehabt hätten.
Alles in allem läßt sich sagen, daß in dieser ersten Sitzung die Gegensätze insbesondere zwischen England und Frankreich, die bereits zu Beginn der Konferenz zutage- getreten waren, ganz bedeutend verschärft worden sind. Der Kampfder Gläubiger st aatenum die deutschen Trtvntzahlen ist in voller Stärke entbrannt und bietet ein wenig erfreuliches Schauspiel für die internationale Oeffenttichkeit. Von einem Nachgeben ist bisher von keiner Seite etwas zu verspüren. Wie verlautet, soll die englische «nd die französische Abordnung um neue Instruktionen nach London und Paris gedrahtet haben.
Di« Haltung -er amerikanischen Regierung läßt — zwar nicht formell — darauf schließen, daß st» die englische Forderung auf Aenderung des Verteilungsschlüssels unterstützt.
„Graf Zeppelin" macht gute Fahrt
Die letzte Standortmeldnng des „Graf Zeppelin"
TU FriedrichShafen, 9. Aug. Nach einem Funkspruch von Bord des „Gras Zeppelin" befand sich das Luftschiff um 1 Uhr MEZ. auf S1,LS Grad Westläng« und 40,35 Grad Nordbreite. Das Luftschiff hält bisher die beinahe gerade West- Ostlinie ein.
Dr. Eckener gab in Äner Erklärung vor der Abfahrt der Hoffimng Ausdruck, daß es möglich sein werde, den Atlantik auf der Rückfahrt in 48 bis 50 Stunden zu überqueren. Er beabsichtige, direkten Kurs auf di« irische Küste zu nehmen «nd der großen Schiffahrtsroute zu folge«. Wenn irgend möglich, werbe er London überfliegen.
Wo beginnt bie „Weltfahrt" des „Graf Zeppelin"?
ES bestehen Unklarheiten darüber, ob der jetzt in Lake- hurst begonnen« Flug des Zeppelin auch der Beginn der sog. „Wettfahrt" ist. Diese Frage ist nur zum Teil -L be- jcchen: Für die amerikanischen Teilnehmer au dem Flug, dt« jetzt in Lakehnrst neu htnzugestiegen sind, die also nicht leWlich von Lakehurst «ach FriedrichShafen zurückfliegen, ist der jetzig« Flug bereits der Beginn der Weltreise. Für sie endet die Weltfahrt bet dem Wiedereintreffen in Lakehurst. Für alle Übrigen erst in Friedrichshafen zusteigenden Fahrgäste beginnt die Wettfahrt erst in Friedrichshafen und hört dementsprechend auch erst nach abermaliger Wiederankunft -eS Luftschiffes in FriedrichShafen auf.
Unwetterkatastrophe in Ostgalizien
TU Warfcha», v. Aug. In Ostgalizien W ein verheerendes Unwetter gewütet, das durch Hochwasser, Sturmschäden und Blitzschläge Millionenwerte zerstörte. Ein Gewitter von selten beobachteter Heftigkeit ließ in vielen Dörfern Häuser und Höfe in Flammen aufgehen. Im ganzen courden 16 Menschen tödlich vom Blitz getroffen und viele verletzt. Die Flüsse sind um nahezu vier Meter gestiegen und haben mehrere Städte «nd Ortschaften unter Wasser gesetzt, wobei viel Vieh umgekommen ist. In einigen Straßen Stanislaws erreichte die Ueberschwemmung eine Höhe von fast einem Meter. Der Orkan war so heftig, Laß er strichweise alle Bäume niedcrgemäht hat, ebenso wnrde die Ernte durch Wolkenbrüche fast völlig vernichtet.
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