Nr. 11.
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Wr 42
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Dienstag. 17. Mr,
Bekanntmachungen aller Art finden die erfolgreichste Verbreitung.
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Amtliches
Die K. Regierung des Schwarzwaldkreises hat am 13. März 1903 die Wahl des Holzhauers Johannes Wrdner in Hcrzogswerler, Oberamts Freudenstadt, zum Schultheißen dieser Gemeinde bestätigt.
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(Nachdruck verboten.)
Wie bekannt, wird vom 1. Januar 1904 ab ein Gesetz über den Schutz dir Kinder gegen die allzulange gewerbliche Arbeit, auch im eigenen elterlichen Betriebe, in Kraft treten.
Das Prinzip, welches hierbei obwaltet, ist das allerbeste ; daß die schematische Festlegung unmöglich ist, daß Familienglück und Familicnsorgen viel mächtiger sind, als die mächtigsten Gesetz-Paragraphen, wird die Zukunft lehren. Das Gesetz über die Kinderarbeit wird niemals ganz ausgeführt werden, einfach deshalb nicht, weil kindliche Schaffensfreudigkeit. der Helle Blick für ein bescheidenes Los sich nicht in Fesseln schlagen lassen werden. Kein Gesetz und keine Polizei der Welt sind so stark, daß sie einem Kinde verbieten können, nach seinen beschränkten Fähigkeiten thätig zu sein, wenn es bemerkt, daß von der Fertigstellung der Arbeit für die Eltern eine gewisse Einnahme abhängt.
Sind zudem diese Belastungen der Kinder durch in der Regel leichte und nur in Ausnahmefällen zu weit getriebene Beschäftigung die schlimmsten? Mit Nichten! Jene bedauernswerten Kleinen, die in großen Städten von den Eltern mit in dunst- und gifterfüllten Kneipen geschleppt werden und dort auf hartem Sitz bis in die Nacht hinein oft ausüalten müssen, den dichten Tabaksqualm einatmend, allerlei häßliche Redensarten anhörend, um dann in feuchter, kalter Nachtluft ins ärmliche Bett gebracht zu werden, oft, ohne recht satt geworden zu sein, mit Uebelkeit kämpfend, an die gar nicht oder kaum erledigten Schularbeiten denkend, die sind noch weit, weit ärger dran, und keine Gesetzgebung denkt daran, für sie Paragraphen zu erlassen: Bis hierher und nicht weiter! Der elterlichen Gewalt, den sozialen Verhältnissen darf nicht Gewalt angethan werden! Aber wo fangen die an, wo hören die auf? Das Gesetz kann einen gerechten Richter schaffen, aber der mildeste, durch nichts zu beeinflussende Richter bleibt immer das Elternherz.
Aber auch diese armen Kinder sind nicht am Bösesten dran. Es kommt noch eine andere Kategorie, bei der es wirklich geboten ist, zu fragen: Muß es sein? Keine größere Liebe, als die der Eltern zu den Kindern, aber auch oft keine falscher angewandte und grausam — ja das Wort darf nicht vermieden werden — durchgeführte. Unsere Zeit will ein Drängen, ein Hinaufarbeiten nach oben, es sollen Stellung und Name errungen werden, die eine Position vor der Welt verbürgen. Oft eine Stellung, die hinter glänzen
der Außenseite viele Schattenpunkte enthält, in welcher mit Mühe und Sorgen nur den herbsten Angriffen des nüchternen Lebens widerstanden werden kann. Aber wer weiß das? Die Welt sieht nur den Giebel des Gebäudes, sie hat keine Ahnung, oder sie soll keine haben davon, was darunter sich birgt, was schlaflose Nächte verbringen heißt, ein Sorgen um tägliches Brod, ein Bild schimmernden Jammers.
Und bis es so weit ist! Die armen Kinder werden in ihrer Schullaufbahn verfolgt, vorwärts getrieben von der geschwungenen Peitsche elterlichen Ehrgeizes. Die künftigen großen Leute müssen schon in der Jugend, damit ein ehrfürchtiges Bewundern von Seiten Verwandter und Bekannter nie ende, einen Beweis für geniale Veranlagung abgeben. Weh' Dir, wenn Du am Wege liegen bleibst, bevor Du das Ziel erreicht hast, das ist das Leitmotiv.
Und sie keuchen vorwärts! Und eine der Leidensstationen auf ihrem Wege ist die Zeit vor Ostern, vor dem großen Versetzungs-Termin. So mancher von diesen Armen wäre so gern mit einer einfachen Laufbahn zufrieden, er würde lieber Hammer oder Hobel oder den Pflug in die Hand nehmen, als die schweren, dicken und so unendlich lehrreichen Bücher, nach welchen der Sinn ihnen ganz und gar nicht steht. Sie haben eine Einsicht, es ist das unwillkürliche Sich-Geltendmachen des Instinkts; aber die Eltern? In erklärlicher Liebe halten sie für Trägheit, was ein Aufschrei aus gemarterter Seele ist; für einen simplen Beruf soll am Ende all' das viele Geld ausgegeben sein! Ach ja, wir schaffen ideale Gesetze, aber praktisch wirklich ausreichenden Kinderschutz sichern sie nicht.
Tagespolitik.
Sachsen marschiert im Kampf gegen die Aufhebung des ß 2 des Jesuitengesetzes an der Spitze. In allen Zeitungen wird protestiert und selbst das Regierungsorgan, die Leipziger Zeitung, schreibt: „Jene aus Deutschland ausgewiesenen Mitglieder des Ordens Jesu haben satzungsgemäß die Bekehrung der sogenannten Ketzer zur Aufgabe. Sie hätten unter den 35 Millionen evangelischen Deutschen ein recht großes Wirkungsfeld. Auch ihre Lebensgrundsätze sind zu einem berüchtigten System ausgebildet worden: jene Grundsätze der Probabilität, der Willenslenkung, der Mentalreservation sind verpönte Lehrsätze. Dazu enthält die Geschichte so manches belastende Urteil über ihr Thun. Nicht ohne Grund wurden sie aus vielen katholischen Staaten (24mal) vertrieben. Nicht ohne Grund sah sich ein Papst veranlaßt, diese Orden „auszulöschen". So können wir hier nicht ohne Besorgnis und Unruhe sein. Der Puls der Gegenwart geht mit fieberhaftem Schlag, auch wir wissen, daß dies nicht Gesundheit, sondern Schwäche undKrankheil anzeigt."
Bezüglich Macedoniens steht der Abschluß eines türkisch-griechischen Vertrages unmittelbar bevor. Während die übrigen Mächte den russisch-österreichischen Reformvorschlag bezüglich Macedoniens gut geheißen haben, hat sich England in Bezug auf denselben freie Hand Vorbehalten. Es hat schlechterdings zwar zunächst keine Gegenvorschläge gemacht, wird aber, wie der englische Staatssekretär des Auswärtigen im Londoner Unterhause erklärte, die Entwickelung der Dinge genau im Auge behalten und wenn es ihm geboten erscheinen sollte, aktiv eingceifen. Verwickelungen
sind also nicht ausgeschlossen.
* *
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Für die südamerikanischen Republiken hat die im Venezuela-Streit vielfach gewünschte Anwendung der Monroedoktrin zum Schutze europäischer Gläubiger begreiflicherweise etwas ungemein Sympatisches. Ein Versuch Argentiniens, schon jetzt der vielgenannten Doktrin eine feste Ausbildung nach jener Richtung zu geben, hat aber bei der Regierung der Vereinigten Staaten keine offizielle Gegenliebe gefunden. Wie aus New-A irk berichtet wird, hat der deutsche Gesandte Speck von Steraburg beim Staatsdepartement in Washington um Auskunft ersucht, wie sich die Bundesregierung zu dem argentinischen Vorschlag stelle, daß die Europäer in Südamerika nicht berechtigt sein sollen, bei Vermögensschädigungen im Handelsverkehr die Hilfe ihrer heimischen Regierungen anzurufen. Präsident Roose- velt ließ darauf durch Hay erwidern, er habe die Erörterung des argentinischen Vorschlags abgewiesen, da die Stellung der Bundesregierung bezüglich der südamerikanischen Geldverpflichtungen bekannt sei.
Deutscher: Meichstag.
* Aerkin, 14. März. Ohne wesentliche Debatte nimmt das Haus den Etat für Kiautschou an. Beim Marinetat wird die Abstimmung über die Reparaturen der „Kaiserin' Augusta" und der „Irene" wegen der schlechten Besetzung des Hauses ausgesetzt. Im Uebrigen wird der Rest des Etats nach den Vorschlägen der Kommission angenommen. Auch der von der Kommission beschlossenen Ablehnung des neuen Dienstgebäudes für das Reichs- und Marineamt stimmt das Haus zu. Es folgen Wahlprüfungen. Die Wahl des Abg. Sieg (natl.) beantragt die Kommission für ungiltig zu erklären. Abg. Bassermann (natl.) beantragt Absetzung von der Tagesordnung und bezweifelt, da sich Widerspruch dagegen erhebt, die Beschlußfähigkeit des Hauses. Der Präsident schließt sich dem Zweifel an. Montag: Novelle zur Seemannsordnung.
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* Stuttgart, 14. März. (156. Sitzung.) Der Bericht der Finanzkommisfion und die Prüfung der Staatsfinnanz-
»W Lefefrucht. M
Zwei Spiegel sind, worin sich selber schaut mit Wonne Die hohe Himmels- und die höchste Geistessonne:
Ein Spiegel ist das Meer, von keinem Sturm empört, Ein and'rer das Gemüt, von keinem Drang verstört.
Rückert.
Srn Kampf e ums Hl'ück.
Roman von Marie Widdern.
(Fortsetzung.)
„Na, dann würde ich auch keine Stunde damit zögern, dies zu thun," rief Doktor Theobald.
„Wie wär's," setzte er dann hinzu, „wenn ich trotz dec frühen Morgenstunde sofort selbst zu Frau Hasting führe und sie bäte, zu Ihnen zu kommen. Natürlich sage ich, daß Sie schwer krank sind und allerlei Wünsche an die Gattin Ihres einstigen Chefs haben. Die Dame soll — trotz ihres gefürchteten Stolzes, sehr wohlthätig sein — da wird sie gewiß ohne Verzug kommen. Und Sie können dann Ihr Gewissen erleichtern — ich bleibe im Nebenzimmer. Denn einen Zeugen müssen Ihre Bekenntnisse haben, wenn Sie dem armen Hördjr nützen wollen."
„Ja, aber —"
Der Kranke ward plötzlich wieder unschlüssig. Er fühlte sich ja nicht im Klaren darüber, ob es auch wirklich das Rechte war, was er thun sollte.
Hasting war im Grunde genommen stets ein sehr nachsichtiger Herr gewesen. Da schien es ihm denn mit einem Mal wieder recht undankbar, wenn er den Schleier von einem Geheimnis zöge, mit welchem dieser in das Grab gegangen.
Aber Doktor Theobald wußte mit bewunderungwürdiger Redegewandtheit alle Bedenken des Alten niederzukämpfen.
So kam es denn, daß sich Gottfried Gülden schon zwei
! Stunden später der jungen Gattin seines einstigen Brot- s Herrn gegenüber sah.
§ Die schöne Frau hatte freundlich an seinem Schmerzens- j lager Platz genommen und in mildem Ton gefragt, womit ! sie ihm helfen könne. Der Alte aber wand sich förmlich unter ihrer gütigen Rede und stammelte allerlei verworrenes Zeug, aus dem die Witwe absolut nicht klug werden konnte. Endlich aber nahm er gewaltsam all seinen Mut zusammen und sagte:
„Ach, gnädige Frau, eigentlich ließ ich Sie nicht meinetwegen Herbitten. Ich wollte Ihnen nur sagen, daß —>. Aber ich weiß wirklich nicht, wo ich anfangen soll, Ihnen mein Geheimnis, das ja auch das Ihres Gemahls war, zu offenbaren."
„Auch das Geheimnis meines Mannes," wiederholte Frau Emmy und sah den Alten verwundert an. Plötzlich zuckte es seltsam in dem Gesicht der jungen Witwe und sie stammelte: „Mein Gott, mir kommt ein Gedanke!" Und die Hände Gottfried Güldens erfassend, rief sie fast atemlos: „Mann, reden Sie — handelt es sich hier um — um die That, welche man seiner Zeit Werner Hördje zur Last legte?"
Der Alte neigte bejahend das schneeweiße Haupt. Dann begann er jedoch mit erhobener Stimme, daß der Lauscher im Nebenzimmer auch vernahm, was er hier offenbarte:
„Gnädige Frau wissen, daß Herr Hasting damals eine kurze Reise antrat und Werner Hördje während der Zeit derselben Procura erteilte. Das ganze Personal hat sich schier des Todes gewundert und der älteste Buchhalter wollte fast bersten vor Neid. Denn ihm stand solche Vertretung zu. Sonderbar genug erschien auch mir die Handlungsweise Ihres Herrn Gemahls, denn er haßte Werner Hördje. Das wußte Jedermann und man kannte auch den Grund. — Na das aber beiläufig: Herr Hasting reiste also
und wollte am achten Tage wiederkommen. Er hatte ja Eile, wie gnädige Frau wissen, denn Herr Gierfeldt, der andere Inhaber der Firma, lag schwerkrank darnieder. —
Wie stets, schlief ich auch während dec Abwesenheit ihres Gemahls in den Geschäftsräumen. Aber nicht wie sonst in einem ziemlich abgelegenen Kämmerchen, sondern im Hauptkomptoir, dicht neben dem Zimmer des Chefs, in dem der eiserne Geldschrank stand. Herr Hördje hatte mich ausdrücklich darum gebeten, der größeren Sicherheit des ihm anvertrauten Gutes wegen.
Drei Nächte hatte ich denn auch trotz der ungewohnten Stelle in aller Seelenruhe geschlafen. Da aber kam die vierte und da — da —"
Gülden unterbrach sich und schaute mit sichtbarer Verlegenheit in das Gesicht der jungen Frau an seinem Bette.
Die aber faßte von neuem seine Hände, sichtlich an allen Gliedern bebend, denn sie ahnte bereits, was sie nun vernehmen würde und heiser fast stieß sie hervor:
„Weiter — weiter!"
Gülden atmete schwer; und formlos — abgebrochen kam es nun über die Lippen des Alten: Wie er in dieser vierten Nacht gestört wurde. Daß zu seinem grenzenlosen Staunen auf leiser Sohle Hasting. den er doch auf der Reise glaubte, durch einen gehermen Zugang in das Comptoir der beiden Chefs getreten wäre. Ohne auf die offene Verbindungsthür zwischen dem Geheimkabinett der Herren und dem Hauptkomptoir zu achten, hatte Hasting dann den Grldschrank geöffnet und ein Päckchen Banknoten aus demselben genommen.
Geräuschlos, wie er gekommen, entfernte er sich dann wieder — oder wollte sich entfernen. Nu» aber sah er im Scheine des Mondlichtes, welches durch die vergitterten Fenster des Gemaches fiel, daß er einen Zeugen seines Thuns gehabt.