Vslepdon Nr. 11.
Erscheint Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag müder Gratis-Beilage Der SonntagS- Gast.
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Amtliches.
Uebert ragen wurde die Bahnmeisterstelle in Nagold dem Bahnmeisteranwärter Werkmeister Frey; die erledigte Oberamtsarztstelle in Gaildorf dem Stadt- und Spitalarzt vr. Teufel in Wildbad.
Verliehen wurde der Grad eines Licentiaten: Hermann Süskind, Vikar in Pfalzgrafenweiler.
sj Die neuen Handels-Bertvags-Vevhand- lnngen.
Ein fremder Staat nach dem andern giebt seine neuen Zolltarif-Entwürfe bekannt, auf Grund deren die Besprechungen eingeleitet werden sollen. Was wir im Hinblick auf die Absicht der auswärtigen Regierungen immer betont haben, das erweist sich als vollkommen richtig. Jeder Staat trifft Fürsorge, daß er bei dem Abschluß der neuen Verträge nicht, um einen drastischen Ausdruck zu gebrauchen, übers Ohr gehauen wird. Natürlich ist ihm das nicht übel zu nehmen, aber Deutschland hatte erst recht keinen Grund, lauter Liebe zu zeigen und die Arme zur Begrüßung auszubreiten, wo man außerhalb unserer Grenzen doch recht bedeutend an sich hält.
Der Reichskanzler Graf Bülow hat den Verlauf der neuen Handels-Vertrags-Verhandlungen nicht als leicht bezeichnet, und wir glauben auch wirklich nicht, daß sie so einfach sich vollziehen werden. „Geben ist seliger als nehmen!" wird es Wohl bei keiner einzigen Regierung heißen. Aber der Reichskanzler hat doch die Ueberzeugung verkündet, daß er an eine Einigung bei schließlichem allseitigen guten Willen glaubt, wobei man dann allerdings darauf gefaßt sein muß, daß die fertigen Verträge etwas anders dreinschauen werden, als der deutsche Tarif, der vor Weihnachten zu so gewaltigem Rumor im Reichstag Anlaß gab. Daß man sich etwas unnötig erhitzte, diese Erkenntnis dürfte dämmern, wenn die Handels-Vereinbarungen klipp und klar vorliegen.
Die Vertrags-Verhandlungen werden dadurch etwas erschwert, daß bei den allermeisten Staaten zwei Seiten für die Abfassung des Vertrags prinzipiell in Betracht kommen. Der eine Gesichtspunkt geht dahin, der eigenen Industrie bei der immer mehr sich ausdehnenden und verschärfenden internationalen Konkurrenz so viel wie möglich Schutz zu gewähren, und selbst die doch gewiß mit allen Wassern gewaschenen Nord-Amerikaner sehen darin keinen Fehler, und aus der anderen Seite brauchen alle Staaten Geld, sehr viel Geld. Es wird also bei der Normierung der Zollhöhe darauf geachtet werden, daß die Sache sich auch wirklich lohnt, und für die Staatskasse das Wünschenswerte übrig bleibt.
So steht es überall, und es ist nichts als frivole Uebertreibung, wenn unsere deutsche Reichs-Verwaltung besonders scharf kritisiert wird. Außerhalb unserer Grenzen hält man es eben für angemessen, über gewisse Dinge nicht so laut zu werden, um den nationalen Kredit nicht zu schmälern. Bei uns sind die dreiprozentigen konsolidierten Staats-Anleihen keineswegs wirklich populär, während in Frankreich diese Rente das natürliche Anlage-Papier bildet. Das deutsche Reich steht nicht ungünstiger, sondern selbstverständlich günstiger da, als viele andere Staaten, und die Bereitwilligkeit, bis zu einer gewissen, unbedingt sicheren Grenze den Ausland-Bankier zu bilden, ist in den Handels- Vertrags-Verhandlungen auch noch eins von den besonderen Eisen, die wir im Feuer haben.
Die Staats-Ausgaben wachsen überall mit der Betätigung der staatlichen Kraft und der Ausdehnung der Arbeit. Darüber werden auch gar nicht mehr viele Worte verloren, es wird beschafft, was notwendig ist. Wir wollen keineswegs das französische Prinzip empfehlen, im Handumdrehen so und so viele Millionen für eine neue Verstärkung der Wehrkraft zu bewilligen, die dem Chauvinismus schmeichelt, im Gegenteil, die Volksvertretung soll von ihrem Prüfungs- Recht einen gewissenhaften Gebrauch machen.
Darüber sind die Völker allenthalben einer Meinung, daß sie nur geringe Neigung haben, sich neue Steuern auf- legen zu lassen; das Geld soll von anderswoher kommen, und ein Brunnen, aus dem gern geschöpft wird, sind nun einmal die Zölle. Es braucht nur daran gedacht zu werden, wie auch die Engländer Brotkornzölle einführten, als der südafrikanische Krieg größere und immer größere Mittel in Anspruch nahm. In London, in Paris und in Washington giebt man wenig auf das theoretische Prinzip, die Hauptsache ist, daß die Sache praktisch lohnt. Und das hat sie in London gethan.
Es steht jedenfalls so viel fest, daß Deutschland allen Grund und alles Recht hat, darauf zu bestehen, daß nach dem Grundsätze abgeschlossen wird: Eine Hand wäscht die andere I Es unterliegt doch gar keinem Zweifel, daß die rührige, unternehmungslustige und zahlungsfähige Deutsche
Donnerstag, 5, Aeöruar.
Bekanntmachungen aller Art finden die erfolgreichste Verbreitung.
19V3.
Nation einen ganz anderen Abnehmer bildet, als etwa die Russen, Oesterreicher, Ungarn und Italiener, von kleineren Raubstaaten ganz abgesehen, und daß wir, wenn wir etwas zugestehen, dafür auch etwas verlangen können. Das Ganze ist ein riesengroßes Geschäft, welches zu Gunsten ihrer produzierenden Bevölkerung zwei Staaten abschließen, nicht etwa eine anmutige Unterhaltung, in welcher allerlei Wirtschafts- Theorieen vorgetragen werden. Aus Fordern und Bieten kommt ein Geschäft zu Stande, auch ein Handels-Vertrag. Aber wenn er fertig ist, muß er auch etwas einbringen. Uns von Andern die Zwanzig-Markstücke aus der Tasche holen zu lassen, während wir von jenem mit Silber vorlieb nehmen müssen, hat keinen großen Wert.
Tagespolitik.
Man hört oft sagen, daß die Reiterei im Heere keinen rechten Zweck mehr habe, seit die Feuerwaffen der Infanterie und Artillerie aufs äußerste vervollkommnet wurden. Ein höherer Militär tritt dieser Meinung entgegen: Zunächst liegt während der Mobilmachung der Reiterei der Grenzschutz ob, damit die Mobilmachung des bedrohten Landesteiles durchgeführt werden kann und alle auszuhebenden Mannschaften und Pferde, sowie alles brauchbare Material dem Heere zugute kommen. — Mit dem Grenzschutz verbindet sich Sicherung des Aufmarsches der Armee, besonders der Eisenbahnlinien. Deren Unbrauchbarmachung kann in ihren Folgen einer verlorenen Schlacht gleichkommen. Der Zweck der Hunderte von Millionen, die Frankreich zum Beispiel für Befestigungen an der Ostgrenze geopfert hat, ist lediglich Sicherung der Mobilmachung und des Aufmarsches. Unsere Ostgrenze, besonders Ostpreußen, liegt einem Einbruch der russischen Reiterei aber völlig offen gegenüber. Die Folgen eines solchen Einbruchs kann sich der Leser leicht ausmalen. Nur eine dem Gegner gewachsene Reiterei vermag einen solchen Einbruch abzuwehren. Daß die russische Heerführung derartiges im Kriegsfall plant, ist sicher und ergibt sich schon aus der Anhäufung der russischen Reiterei dicht an der Grenze. Vor dem Zusammenstoß der Heeresmassen liegt der Reiterei, die auf Tagemärsche voraus eilt, die strategische Aufklärung ob, nach deren Ergebnis der Feldherr seine Entschlüsse für die Operation faßt, und zugleich die Verschleierung der eigenen Absichten. Wirft uns der Gegner eine überlegene Kavallerie entgegen, die die uusrige zurückschlägt, so vermag diese ihre Aufgabe nicht zu erfüllen, der Feldherr bekommt keine Nachrichten, tappt im Dunkeln, der Gegner hat Klarheit gewonnen und handelt mit Sicherheit. Haben sich die Heere so genähert, daß eine Entscheidungsschlacht am folgenden oder gleichen Tage zu erwarten ist, so ist es wiederum die Aufgabe der Kavallerie, das Gefechtsseld zu erkunden. Früher bei den weit kleineren Heeren, die unter dem Großen Friedrich oft die Stärke eines heutigen Armeekorps kaum erreichten, erkundete der Feldherr selbst die feindlichen Stellungen. Bei den Millionenheeren der Gegenwart aber ist dies nicht mehr möglich, lediglich die Kavallerie kann die Nachricht schaffen. Daß in der Schlacht die Kavallerie auch mit der blanken Waffe entscheidend wirken kann, haben die preußischen Reiter bei Vionville gezeigt. Seitdem aber ihre Bewaffnung mit einem guten Karabiner erfolgt ist, dessen Wirksamkeit dem Jnfanteriegewehr kaum nachsteht, und man der Reiterei außer Kanonen auch Maschinengewehre zuteilt, ist es möglich geworden, ihr Eingreifen in die Schlacht auch mit dem Feuergewehr nach Art berittener Infanterie ins Auge zu fassen, indem sie in des Gegners Flanke oder Rücken geschickt wird, und dort, falls der Angriff mit der Lanze unmöglich ist, nach Art der Buren im letzten Kriege zum Feuergewehr greift. Die Kavallerie ist überdies von jeher die Hauptwaffe der Verfolgung gewesen und ist dies jetzt noch mehr, da sie die Karabiner hat. Ebenso deckt Kavallerie den Rückzug des Heeres nach verlorener Schlacht. Die Reiterei findet auch Verwendung, um Märsche zu verschleiern oder zur Besitznahme großer Landstrecken behufs Hinderung des Gegners an deren Ausnutzung zu seinen Zwecken und Verwertung ihrer Hilfsquellen für das eigene Heer. Nach dieser Richtung haben unsere Kavalleriedivisionen 1871 die ausgedehnteste Verwendung gefunden und längere Zeit um Paris herum das Land auf Hunderte von Kilometern besetzt, jede Annäherung der feindlichen Heere im Süd, West und Nordost zum Entsatz der Hauptstadt rechtzeitig meldend, das Belagerungsheer mit Lebensmitteln versorgend, die Heranschaffung von Material, besonders Munition, aus der Heimat sichernd. Hätten damals die Franzosen eine uns überlegene Reiterei besessen und die unselige zurückgedrängt, man wäre gezwungen gewesen, die Belagerung auch ohne verlorene Schlacht aufzuheben, und der Feldzug hätte vielleicht einen ganz anderen
Ausgang genommen. Aus allen diesen Gründen wird man also die Reiterei, trotzdem sie eine kostspielige Truppe ist, noch lange nicht zum alten Eisen Wersen.
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Man macht in der Presse den oberen Beamten oft genug den Vorwurf, daß sie nur unter sich bleiben und den geselligen Verkehr mit den kleinen Beamten und Arbeitern meiden. Jetzt zeigt der preußische Eisenbahnminister, daß er Wert darauf legt, auch diesen seinen Untergebenen persönlich näherzutreten, und er bekundet das in der denkbar freundlichsten Form, die sich ihm überhaupt darbieten konnte. Er ladet Arbeiter, nachdem er eins ihrer Feste besucht hat, zu einem Festmahl ein, das er zu Kaisers Geburtstag gab. Dank dafür erntet er aber nicht auf allen Linien. Der „Vorwärts" z. B. schreibt: „Wir haben Thränen geweint, als wir diese herrliche Begebenheit lasen; sie ist wert, sofort in alle Schullesebücher ausgenommen zu werden. Man kann es also doch in der christlichen Monarchie zu etwas bringen: Fünf schlichte Eisenbahnarbeiter haben an der Tafel der Exzellenzen an Kaisers Geburtstag gegessen! Welche Abgründe menschlicher Leutseligkeit offenbaren sich da. Zerschneidet nur das Tischtuch mit der Sozialdemokratie und Ihr werdet an einem Tischtuch mit leibhaftigen Ministern essen, etwa so wie die kleinen Beamten, die zur Festtafel bei der Ordensfeier befohlen werden. Es ist den armen Teufeln sicher zu gönnen, daß sie einmal bessere Sachen zu essen kriegten. Sozialpolitisch bedeutsamer aber wäre das Umgekehrte: wenn die Exzellenzen so oft wie möglich bei der Mittagstafel des schlichten Mannes aus der Werkstatt als Gast erschienen. Vielleicht denken sie dann ein wenig an die Wirkungen der bahnüblichen Löhne und außerdem fiele dann der peinliche Umstand fort: Proletarier als Tafeldekoration zu verwenden."
Deutscher Weichstag.
* Aerkirt, 3. Febr. Der Reichstag beginnt die zweite Lesung des Etats des Reichstags. Abg. Pachnicke regt eine Neuausgabe der Geschäftsordnung mit erläuternden Bemerkungen an. Abg. Singer ist der Ansicht, daß dieser Reichstag am besten die Finger von der Geschäftsordnung lasse. Abg. Bachem hebt gegenüber dem Abg. Singer hervor, daß die Mehrheit bei den Zolltarifdebatten keineswegs die Minderheit vergewaltigt habe. (Widerspruch und Lachen links.) Die damals vorgenommene Aenderung in der Geschäftsordnung hätte den Reichslag nur vor einer Terrorisierung durch die Minderheit schützen sollen. Abg. Singer bestreitet das und erklärt im Uebrigen, das Schlimmste an dem Vorgehen der Mehrheit seien nicht die Aenderungen, sondern die Handhabung der Geschäftsordnung gewesen. Nachdem noch eine Reihe von Wünschen bezüglich der Einrichtungen des Reichstags und der Stellung seiner Beamten geäußert worden ist, wird der Etat des Reichstags bewilligt. Beim Etat des Reichskanzlers bittet Abg. Spahn den Reichskanzler um Auskunft über das Schicksal der angenommenen Initiativanträge. Reichskanzler Graf Bülow erwidert, die Zustimmung des Bundesrats über den Diätenantrag des Reichstages noch nicht aussprechen zu können. Er verschließe sich den Zweckmäßigkeitsgründen nicht, die für die Einführung der Diäten sprechen. Bei den verbündeten Regierungen sei aber begreiflicherweise die Neigung zu einer so weitgehenden Aenderung der Verfassung nicht groß. Außerdem gebe es eine Reihe von Politikern, die die Gewährung von Diäten von Kompensationen abhängig machen sollten, und dafür werde der Reichstag ja nicht zu haben sein. Der Reichskanzler teilt dann mit, daß die Preußen im Bundesrat für die Aufhebung des § 2 des Jesuitengesetzes stimmen würden, wodurch einzelnen Jesuiten der ungehinderte Aufenthalt im deutschen Reiche gesichert werde. Abg. Spahn (Ctr.) hofft, daß das der Anfang der völligen Aufhebung des Jesuitengesetzes sein werde. Abg. Bass ermann legt die Notwendigkeit der Einführung von Diäten dar. Abg. Fürst Bismarck begrüßt die Ablehnung des Diätenantrages. Diäten würden nur in Verbindung mit einer organischen Revision deS Wahlrechtes gewährt werden dürfen. Die Gewährung der Diäten würde die erste Entstehung einer Parlamentarischen Bureaukratie zur Folge haben. Abg. v. Vollmar ist aus prinzipiellen Gründen für Aufhebung des Jesuitenantrages und für die Gewährung von Diäten. Abg. Dr. Barth (fr. Ver.) begründet die von ihm zum Etat des Reichskanzlers gestellte Resolution, in der eine Neueinteilung der Wahlkreise entsprechend den Verschiebungen der Bevölkerungsziffern verlangt wird. Abg. Richter hält die Einführung von Diäten für nötig. Abg. Hasse bedauert die Haltung der Regierung in der Jesuitenfrage.