* Werli«, 29. Dez. Zum Fall Krupp will der „General-Anzeiger für Essen" erfahren haben, daß eS dem Reichstagsabgeordneten Gradnauer nicht gelang, durch seine Erhebungen auf Capri belastendes Material gegen Krupp zu finden, und daß deshalb die sozialdemokratische Reichstagsfraktion den Beschluß gefaßt habe, die ganze Sache als eine Privatangelegenheit des „Vorwärts" zu betrachten und keinerlei politische Konsequenzen daran zu knüpfen.
* Wilhelmshaven, 27. Dez. Der Mörder Matrose Kohler von der „Loreley" ist dem „Hamb. Corr." zufolge unter Bedeckung hier eingetroffen und in das Untersuchungsgefängnis eingeliefert worden. Da die Voruntersuchung abgeschlossen ist, dürfte die Aburteilung schon in nächster Zeit erfolgen.
* Das aufgelaufene deutsche Linienschiff Wittelsbach, das jetzt im Kieler Dock liegt, ist doch etwas mehr beschädigt, als anfänglich angenommen wurde. Der Schiffsboden ist in einer Länge von etwa 4 Metern eingebeult, aber nirgends durchbrochen. Dagegen ist das Ruder beschädigt und die Steuerbordschraube unbrauchbar geworden.
* Geestemüude, 28. Dez. Die soeben beendigte Herings- fang-Saison ist die ertragreichste, seit deutsche Gesellschaften sich wieder in größerem Umfange an derselben beteiligen. Der Totalfang aller deutscher Heriugsfahrzeuge (118Segel- loger, 10 Dampfer, 1 Dampsloger und 1 Motorlager) beläuft sich auf 207,059 Tonnen. Der Geldwert dieses Fanges stellt sich auf 7 Millionen Mark. Die deutsche Heringsfischerei ist also bereits zu einem beachtenswerten Faktor geworden, wenn sie auch den Konsum noch nicht entfernt decken kann. In den Vorjahren wurde mit immer etwas kleineren Flotten gefangen: 1901: 167,627 Tonnen, 1900: 120,876 Tonnen, 1899: 72,515 Tonnen, 1898: 128,759 Tonnen.
Ausländisches.
* Wie«, 29. Dez. Die „Wiener Abendpost" meldet: Wie wir hören, hat der Kaiser auf die Bitte des Erzherzogs Leopold Ferdinand dessen Verzicht aus Stellung und Rang eines Erzherzogs angenommen und demselben die erbetene Erlaubnis, künftig den bürgerlichen Namen Leopold Wölfing zu führen, erteilt. Gleichzeitig ist die Streichung des Erzherzogs aus der Liste des Goldenen Vlieses und dessen Entlassung aus dem Armeeverband angeordnet worden.
* Wudapest, 23. Dez. Ter „Pester Lloyd" meldet: Die Wiener Ausgleichs-Verhandlungen sind als gescheitert zu betrachten.
* Der Seidenfabrikant Henneberg in Zürich ist ein Deutscher. Er ist ein mehrfacher Millionär geworden, will aber nun Zürich verlassen und nach Deutschland zurück- kehren. Man erzählt sich, daß er mit der Steuerbehörde Auseinandersetzungen und daß er auch sonst noch Unannehmlichkeiten hatte. Seine Villa am Züricher See wird verkauft, ebenso die berühmte Gemäldegallerie darin. Diese hat einen Wert von einer Million und enthält Bilder erster Meister. Zwei Böcklinbilder haben allein einen Wert von 70 000 Mark. Ein Bild von Menzel soll 112 000 Mark wert sein. Im ganzen sind 115 Gemälde vorhanden.
* Genf, 29. Dez. Der Urheber des Bombenanschlags ist ein geisteskranker Italiener Namens Maschetto. Er hat die That eingestanden und erklärte, keine Mitschuldigen gehabt zu haben.
* Hfaris, 28. Dez. Heute früh 7flg Uhr traf die Familie Humbert hier auf dem Bahnhof der Gürtelbahn ein. Polizeibeawte erwarteten sie, unter ihnen der Chef und der Souschef der Sicherheitspolizei und der Direktor der vor- städtischen Polizei, insgesamt etwa 40 Beamte. Der Zug hielt eine kurze Zeit, während der man den Wagen, in dem sich die Gefangenen befanden, abkuppclte. Die Journalisten, die sich im Zuge befanden, und Pariser Berichterstatter eilten sofort auf den Wagen zu, aus dem die Gefangenen, um
geben von Neugierigen, ausstiegen. Eva Humbert verließ zuerst deu Wagen; es folgte Therese Humbert, beide Damen in Schwarz gekleidet. Marie Daurignac war sehr blaß und schien ganz außer Fassung zu sein. Nachdem ^auch die Männer ausgestiegen waren, begaben sich die Gefangenen nach den bereitstehenden Wagen. Die Frauen fuhren mit dem Chef der Sicherheitspolizei, die Männer mit dem Souschef. Die Wagen fuhren unter Geleit von radfahrenden Polizeibeamten sofort nach der Conciergerie, wo sie 8^ Uhr ein trafen.
* Wrüffek, 29. Dezen.ber. Giron telegraphierte nach Brüssel, er habe heute vom belgischen Zollamte die dort lagernden Kleinodien der Kronprinzessin von Sachsen empfangen.
* In den Sälen von Spaa und Hklende an der Nordsee hat schon mancher ebenso gut Geld und Leben verloren als in der Spielhölle in Monte Carlo am Mittelmeer. Vom 1. Januar ab werden nun sämtliche Spielsäle in Belgien aufgehoben. Fast in jedem größeren belgischen Bad befand sich ein solcher. Um die Bäder für den zu erwartenden Mindcrbesuch zu cutschädigen, sollen von staats- wegen 7 Millionen Franken unter sie verteilt werden. Künftig kann jeder Belgier, der Spielsäle.hält, zu Gefängnis bis zu 6 Monaten und Geldbuße bis 6000 Franken verurteilt werden. Im Rückfall giebt es das Doppelte. — Monte Carlo wird sich über diese Verminderung der Konkurrenz freuen.
Z Krstellurtgen
G auf „Aus d. Launen" können immer noch G gemacht werden. Die bereits erschienenen H Nummern, sowie der Wandkalender wer- K den nachgeliesert.
K Die Redaktion.
* Lonoou, 29. Dez. Em Telegramm aus Tanger vom 28. Dezember meldet: Infolge der unsicheren Lage sind die Missionsfrauen von Fez und Teimui nach Tanger abgereist.
* London, 30. Dez. Rach einer Washingtoner Meldung der „Morning Post" haben Deutschland und Großbritannien gestern, den 29., dem amerikanischen Staatsdepartement ihre Bedingungen für die schiedsgerichtliche Entscheidung des Venezuelastreites mitgeteilt. Dem Vernehmen nach fordere Deutschland die Zahlung von 60,000 Pfd. Sterl. und eine Entschuldigung seitens Venezuelas. Großbritannien sei bereit, auf eine Entschuldigung zu verzichten, und verlange 8000 Pfd. Sterl. Diese Summen seien als Entschädigung für die deutschen und englischen Staatsangehörigen bestimmt, die von der venezolanischen Behörde verhaftet oder anderweitig ungehörig behandelt worden sind. Beide Regierungen lehnten es ab, über diese Beleidigungen stillschweigend hinwegzugehen, da sie sie nicht nur als gegen das Völkerrecht verstoßend, sondern auch als offene Beschimpfung der Staatsgewalt zweier europäischer Mächte betrachten.
* Madrid, 29. Dez. Der König berief den Kriegsminister und den Marineminister, um mit ihnen die marokkanische Frage zu beraten. Ein Kabinettsrat ist für morgen einbe- rufen worden. Die Regierung beschloß, Truppen in Malaga, Cadiz und Algcciras aufzustellen, die bereit wären, auf die erste Benachrichtigung hin die Garnisonen von Ceuta und Melilla zu verstärken, und den Kreuzer „Jufanta Jsabella" zum Schutze der spanischen Unterthanen abzusenden. Ministerpräsident SilvelaHerklärte in einer Unterredung, der
Minister des Aeußern in Tanger halte die Lage nicht für verzweifelt, denn die Niederlage der Truppen des Sultans sei die Folge einer Ueberraschung, nicht einer ernstlichen Schlacht.
* Wew-^orL, 28. Dez. D,r frühere Präsident der Vereinigten Staaten Grover Cleveland erklärt in einem Briefe an die „World" die Monroedoktrin mache jetzt ein kritisches Stadium durch. Eine Durchbrechung derselben dürfe nicht gestattet werden. Man müsse aber nicht vergessen, daß die Mouroedoktcin nicht bezwecke, die Eintreibung gerechter Schuldforderungen zu verhindern.
* Aew-Hork, 29. Dez. Castro kehrt heute von Viktoria nach Caracas zurück, um nunmehr wieder energische Maßregeln gegen die Aufständischen ins Werk zu setzen, die ihn stark bedrängen. Inzwischen wird die Lage in La Guayra und in anderen Hafenstädten bedrohlich, da es infolge des Aufhörens der Schifffahrt viele Arbeitslose giebt; auch werden ehestens die deutsche und die englische Bahnlinie ihren Betrieb einstellen und die Lebensmittel werden viel teurer. Man befürchtet Exzesse, namentlich gegen das Eigentum der Ausländer.
* La Mctoria, 29. Dez. Präsident Castro erklärte persönlich auf die Frage, ob er bereit sei, die Mächte um Entschuldigung zu bitten: General Castro hat nichts zu ent- schuldigen. Bei diesen Worten brach die Umgebung des Präsidenten in lebhafte Hochrufe aus.
* Sidney (Neuschottland), 29. Dez. Marconi erwartet die baldige Errichtung einer Station für drahtlose Telegraphie in Südafrika, womit die Marconi-Gesellschaft eine drahtlose telegraphische Verbindung aller Teile der Welt hätte.
* Der Stadtrat von Johauuesöurg hat auf Veranlassung Lord Milner's einen Entwurf für eine neue Verordnung für die Stadtverwaltung vorläufig aufgestellt. Wir geben nachstehend aus ihm die Hauptpunkte wieder: Hausinhaber und Steuerzahler sollen wahlberechtigt sein. Das Wahlrecht steht demjenigen zu, der ein besteuerbares Eigentum im Werte von 100 Pfuuo besitzt, oder ein Stück Land im Werte von 300 Pfund bewohnt, oder 24 Lstr. Miete bezahlt. Der betreffende Besitz muß 3 Monate vor Aufstellung der Wählerlisten eingetragen sein. Nur englische Unterthanen können wählen. Frauen erhalten das Stimmrecht. Bildungsanforderung für Wähler: Fähigkeit englisch oder holländisch lesen und schreiben zu können. Frauen können nicht in den Stadtrat gewählt werden.
Vermischtes.
ss Unter der Ueberschrift „Dle Weihnachtsgabe des toten Kindes" erzählen Berliner Zeitungen folgende rührende Geschichte : Ein in der Urbanstraße wohnender Restaurateur hatte vor mehreren Jahren seine Frau an der Schwindsucht verloren. Der Mann hing mit ganzer Liebe an der Heimgegangenen und an seinen beiden hübschen Kindern, von denen das ältere, eiu Mädchen, den Keim der Krankheit, an der die Mutier verstorben, in sich trug. Das zur Jungfrau herangereifte Kind hatte dem Vater eine besonders sinnige Aufmerksamkeit zum Weihnachtsfeste zugedacht und ließ das Bild der Mutter und ihr eigenes in einem Rahmen anfertigen. Am Morgen des Heiligabends machte aber ein Blntsturz dem jungen Leben ein jähes Ende. Als der Wcihnachtsbaum cuf kurze Zeit augezüudet wurde, überreichte das Mädchen in deren Aufträge dem Vater das Bild seiner Frau und seines vor wenigen Stunden rnr- storbenen Kindes .....
Handel und Verkehr.
* Stuttgart, 29. Dez. (Landesprodukt nbörse.) Mehlpreise per t00 Kiogr. inkl. Sack: Mehl Nr 0: 28 Mk. SO Pf. bis 29 Mk„ dto. Nr. 1 : 26 Mk. SO Pfg. bis 27 Mk., dto. Nr. 2: 2S Mk.bis2S Mk. SO Pf., dto. Nr. 3: 23 Mk. SO Pf. bis 24 Mk., dto. Nr. 4: 20 Mk. SO Pf. bis 21 Mk. Suppengries: 28 Mk. so bis 29 Mk. Kleie 9 Mk.
Verantwortlicher Redakteur: W. Rieker, Altensteig.
hörte bedächtig zu, sog nachdenklich an seiner langen Tabakspfeife und Paffte dann den Rauch in mächtigen Wolken vor sich hin, das graue Haupt bedauernd hin und her wiegend:
„Schade, ewig schade, daß ich keine Tochter habe."
Das war eine für den Herrn Assessor recht schmeichelhafte Bemerkung, aber da sic leider keinen praktischen Rat enthielt, sah der junge Mann mißvergnügt vor sich hin. Der Amtsrat hatte bisher noch immer einen Ausweg gewußt, wenn Gerhard sich in einer Klemme au ihn gewandt hatte, und diesmal, in einer so wichtigen Angelegenheit, wußte der alte Herr nichts besseres, als sein Bedauern darüber auszusprechen, daß er eben nicht helfen könne.
„Niemand kann das mehr bedauern als ich," der Assessor legte die Zigarre ärgerlich zur Seite, „nur daß leider dieses Bedauern mir auch nicht den kleinsten Schritt vorwärts hilft."
Er machte eine Pause, um dann einige für seinen verstorbenen Oheim wenig schmeichelhafte Bemerkungen vor sich hin zu brummen. Lächerlich, wenn einer, der den Ehestand nie ausprobiert hatte, davon reden wollte, daß ein unverheirateter Mann nur ein halber Mensch sei, daß er seinem Neffen ein anderes Leben wünsche als er selbst geführt, und was dergleichen thörichte Redensarten mehr waren, mit denen der alte Herr seinen Wunsch, der seinem Neffen so außerordentlich unbequem schien, motiviert hatte.
Darauf trat ein etwas bedenkliches Schweigen zwischen den beiden Herren ein, so daß man zugeben muß, daß die Frau Amtsrat, die eben das Zimmer betrat, ihren Zeitpunkt sehr richtig gewählt hatte. Die würdige Dame strich mit einer etwas verächtlichen Handbewegung durch die Lust und schritt dann gelassen einem Fenster zu, dessen beide Flügel sie weit öffnete!
„Damit ein vernünftiger Mensch Luft schnappen kann," sagte sie mit einem tiefen Atemzuge, zog einen Lehnstuhl in
die Nähe dieses geöffneten Fensters und nahm breit und behaglich darin Platz.
Der alte Herr ließ sich durch dieses etwas demonstrative Vorgehen seiner Lebensgefährtin nicht im geringsten stören; sie hatte während der langjährigen Dauer ihrer Ehe stets unverhohlen ihren Abscheu gegen das lasterhafte Tabakrauchen zur Schau getragen, und er hatte, ebenso unverhohlen, sich auch nicht im mindesten dadurch beeinflussen lassen. Sie kamen trotz dieser kleinen Eigentümlichkeiten vortrefflich miteinander aus, und ihre beiderseitige Zuneigung litt nicht darunter. Der Armsrat wandte den Kopf ein wenig zur Seite:
„Gut, daß Du kommst, Alte, wir sprachen eben vom Heiraten, und das ist ja für Euch Weiber das interessanteste Thema, ich bedauerte lebhaft, daß wir keine Tochter haben."
Ein Schatten flog über das rundliche, wohlwollende Antlitz, das war der einzige dunkle Punkt in der Frau Amtsrat sonst so sonnigem Dasein, es war grausam vom Schicksal, daß es ihr die sehnlichst erwünschte Tochter versagt hatte, doppelt grausam, da Helmuth, der einzige Sohn, nicht davon abzubringen gewesen war, sich dem Seedienst zu widmen. Das hatte viel laute und leise Klagen gekostet, ehe die wackere Dame es gelernt hatte, sich würdevoll in das Unvermeidliche zu fügen.
„Es handelt sich nämlich," fuhr der Herr Amtsrat fort, mit offenbarem Behagen geradezu fürchterliche Dampfwolken seiner kleinen Frau entgegenwirbelnd, „es handelt sich nämlich um die Frau für unfern jungen Freund hier, die — Du kennst ja die Verhältnisse — in nächster Zeit herbeigeschafft werden muß."
Der Ausdruck mißfiel der alten Dame höchlichst, aber das Thema war an sich zu interessant, als daß sie sich Zeit genommen hätte, ihn zu rügen.
„Nun, Alte, was meinst Du dazu, welche junge Dame
aus unserem Bekanntenkreise rätst Du dem Assessor zu? Ich hatte schon an Trude Malkwitz gedacht."
„Ein Zieraffe," warf die alte Dame achselzuckend eiu.
„Oder Helene Prora —"
„Eine böse Sieben," wieder dasselbe verächtliche Achselzucken.
Der Amtsrat klopfte ein wenig ärgerlich auf den Deckel seines Pfeisenkopfes:
„Zugestanden, obgleich ich sagen muß, mir gefallen die beiden Mädel recht gut. Es sind hübsche, frische Dinger, jung noch, und Du weißt, unser Assessor hat nicht mehr viel Zeit zum Wählen übrig, oder hättest Du vielleicht einen anderen, besseren Vorschlag in potto?"
Die Frau Amtsrat lächelte eigentümlich, halb überlegen, halb diplomatisch, und mit der vollen H-° ^ der man es ansah, daß sie vor keiner Arbeit zurücksch über ihre schwarze Schürze streichend, sagte sie langsar- :
„Ich habe daran gedacht, unsere Nichte Erna für einige Wochen oder auch Monate zu uns einzuladen —"
Sie konnte nicht weiter sprechen, denn sie ward stürmisch von ihrem Gatten unterbrochen. Er sprang auf, ja, er ließ sogar sein geliebtes Pfeifenrohr für eine Weile sinken:
„Das ist ein kapitaler Gedanke, Alte, Du bist ein prächtiges Weib, in Gold möcht ich Dich fassen lassen. Die kleine Erna — wahrhaftig, die kleine Erna — daß ich auch nicht selber daran gedacht habe, Assessorchen, das ist die rechte Frau für Sie."
(Fortsetzung folgt.)
* (Betrachtung.) Sonderbar, die Nacht ist weiblichen Geschlechts, und doch ist sie schweigsam.