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Donnerstag, 1. Januar.
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1903
^ Ten verehrten Lesern, Freunden ^ ^ und Gönnern bringen wir beim Jahres- 4» Wechsel unsern 4*
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dar.
W. Rieker.
Amtliches.
Uebertragen wurde die erledigte Pfarrer Spiegelberg, Dek. Balingen, dem Pfarrer Sülzer in Bösingen, Del. Nagold.
Die Prüfung im Hufbeschlag haben u. a. mit Erfolg bestanden:
Andreas Genkinger von Pfalzgrafenweilcr, Konrad Krauß von Eb- hausen, Gottlieb Rapp von Haiterbach.
^ Zum Jahreswechsel.
1902 ist zu Ende! Es ist begreiflich, daß ihm nicht viele Freuden-Rufe nachklingen; was es uns gewährte, ließ genug zu wünschen übrig. Die schwere Krisis, welche uns das Vorjahr brachte, hat sich zwar nicht weiter vertieft, aber es war auch keine durchgreifende Besserung im wirtschaftlichen Leben zu verzeichnen, mühsam hatte mancher Bürger um die Auftechterhaltuug seiner selbständigen Existenz zu kämpfen. Und schlimmer als die gelähmte Kaufkraft, der tief gesunkene Wagemut, der verringerte Arbeits- Verdienst, war das hohe, durch wiederholte unerquickliche Ereignisse noch immer mehr gesteigerte Mißtrauen, das Wohl erklärlich, aber keineswegs in diesem Umfange berechtigt war. Die Verteuerung der Lebenshaltung übte besonders in den größeren Städten einen harten Druck aus, und die auf vielen Gebieten lahm gelegte Spekulation warf sich mit umso größerem Eifer auf die Artikel, welche unumgänglich notwendig sind. Dazu kam das mancherlei Unerfreuliche in der Politik, wie ein roter Faden zog sich der Streit um den Zolltarif durch das ganze lange Jahr, zeitweise zu bisher unbekannter Wut aufflammend, um dann am eigenen Uebermaß zu erlöschen. Das deutsche Bürgertum konnte sich allerdings im verflossenen Jahre nicht den Luxus gönnen, unfruchtbaren Theorien nachzugrübeln, die Notwendigkeit, für die Rentabilität des Betriebes zu sorgen, den Mitarbeitern und Arbeitern Verdienst zu schaffen, war zwingend. Und deshalb ist trotz aller äußerer Parteileiden- schaftlichkeit doch der Nährstand in seinem Kern davon weniger berührt, als es sonst wohl geschehen wäre, er hat sich besser bewährt, als die Rufer im Kampf über des deutschen Volkes Wohlfahrt, die zu leicht vergessen, daß vor allem feste Thätigkeit die Vorbedingung jeder Wohlfahrt ist. Das neue Jahr wird neue Aufgaben bringen, der Zwist des Tages wird von Neuem entflammen, aber wir können vertrauen, daß die in den letzten Jahren gemachten herben Erfahrungen eine Nahrung und eine Lehre für weite Kreise sein werden. Unser Volk hat doch erkannt, daß in Wahrheit noch immer ein Jeder seines Glückes Schmied ist, daß die Zeitverhältnisse sich nicht dauernd meistern lassen zur Erlangung von äußerlichem Glanz, welchem der feste Halt einer strengen Solidität fehlt. Nicht höher hinaus, als die Kraft reicht! Weil das zum Teil im Jahre 1901 und vorher geschehen, haben wir es im allerletzten Jahre unter unerwünschten Verhältnissen wett machen müssen.
Die Krisis hat alle Kultur-Länder in Mitleidenschaft gezogen, in den Vereinigten Staaten, wo so lange ein stolzer Ton angeschlagen ward, steht den Amerikanern seit längerer Zeit das Weinen näher, wie das Lachen. Man hatte versucht, die übrige Welt mit Phrasen zu täuschen, es ist mißlungen. Die Arbeitslosigkeit hat vielfach ihr Haupt erhoben, bei uns haben Mittelstand und Landwirtschaft vielen Tausenden von feiernden Händen helfen können, die sich früher vou diesen abgewendet. Schlagworte können für den Augenblick bezaubern, aber ihre Echtheit muß im Schmelzfeuer des täglichen Lebens erprobt werden. Wenn Deutschland wirklich nur ein Industriestaat wäre, wie würde es uns im letzten Jahr ergangen sein? Bei uns steht es heute immer noch besser, wie anderswo! Gewiß, es ist bei Weitem nicht solche Spekulations-Wirtschaft getrieben, wie anderswo, aber mindestens ebenso wichtig war es, daß wir
uns so viele bürgerliche Arbeitgeber gewahrt, welche die Krisis wohl streifen, aber nicht erdrücken kann. Die Klagelieder aus den großen Städten Hallen nicht im selben Maße in Mittel- und Kleinstädten, und wir meinen, dort wird das neue Jahr bald wieder volle und ganze Kraft gewähren. Unsere Industrie wartet heute noch ad, ihr ist der in der zweiten Hälfte des letzten Jahrzehnts in etwas zu großer Eile angefertigte neue Rock noch zu weit; aber sic wird hineinwachsen. Die Landwirtschaft hat kritischere Perioden durchzumachen gehabt und solche Hochkonjunktur überhaupt nicht errungen.
Alle Unfreundlichkeit und Kleinlichkeit des Vorjahrs hat doch auch Freudiges zu verhindern nicht vermocht. Die rüstige Bürger-Arbeit ward vom neu befestigten Frieden gewahrt, und in den Volksanschauungen über die zweifelhaften Errungenschaften der modernen Zeit ist eine bestimmte Gesundung eingetreten. Die Ueberstilmanie, die Gespreiztheit, der unreife Phrasenschwall haben bankerott gemacht, der deutsche Volkssinn hat sich zum guten Teil auf das deutsche Gemüt zurückbesonnen. Freilich hatte die fragwürdige Sensation noch ein weites Feld, allerdings wird das letzte Jahrzehnt dauernde Spuren im Volksleben zurücklassen, es hat sich doch in unserem öffentlichen Leben, in der Haushaltung, in den Bedürfnissen des Einzelnen viel zu viel geändert, als daß hierüber fort mit einem Schwamme gewischt werden könnte. Aber wir brauchen uns deshalb nicht zu beunruhigen, es sind auch so viele neue hohe Errungenschaften zu verzeichnen, daß der Segen den Schaden bei Weitem überwiegen muß, wenn nur das in trüberen Monaten wiedergewönnene ernste Gefühl von der Pflicht rechter Thätigkeit bei der Mehrheit anhält. Mit der wachsenden Steigerung der Millionenbevölkerung müssen engere Zustände fallen, die Bevölkerungsklassen lernen sich besser kennen und schleifen sich an einander ab, aber keiner darf das Gefühl für Pflicht und Recht abhanden kommen. Die Notwendigkeit davon ist oft genug, auch in der allerletzten Zeit wieder hervorgetreten, und wir haben keinen besseren Wunsch zum neuen Jahre nach diesen Zeilen, als den, daß die Erkenntnis, wie ein Leben ohne treue Pflichterfüllung eine Schale ohne Kern ist, immer mehr wachsen und sich festigen möge. Sie thut jedwedem not.
Tagespolitik.
Da doch noch manches Wort über die Getreidezölle gesprochen werden dürfte, welche der neue Zolltarif bringt, lassen wir nochmals eine Uebersicht der bisherigen und der künftigen Zollsätze folgen:
Bish. Zollsätze Reg.-Vorl. Reichst, i. 3. Les.
Allgem. Vertrags- Allg. Mind. Allg. Mind.
Satz Satz Satz Satz Satz Satz
Roggen 5 3,50 6 6 7 5
Weizen 5 3,50 6,50 5.50 7,50 5,50
Braug. 2,25 2 4 3 7 4
Futterg. 2,25 2 4 3 7 3
Hafer 4 2,80 6 5 7 5
Zur Erklärung sei noch bemerkt: Die in Mark angegebenen Zollsätze verstehen sich für den Doppelzentner, das sind 100 Kilogramm oder 200 Pfund. Der „allgemeine" Satz ist derjenige, der gegenüber jedem ausländischen Staate so lange gilt als uns nicht durch Vertragsverhandlungen und Zugeständnisse eine Abminderung dieses Zollsatzes abgekauft wird. Die neu eiugeführten Mindestsätze geben an, unter welchen Zoll bei solchen Verhandlungen unter allen Umständen von uns nicht herabgegangen werden darf, gleichviel, was ein auswärtiger Staat für eine noch weitere Abminderung uns bieten wollte. — Gegen den jetzigen Zollsatz wird sich also der künftige Zollsatz gegenüber den Vertragsstaaten, ohne durch Verträge abgemindert werden zu können, höher stellen für Roggen um 1,50 Mk. auf 200 Pfund, für Weizen um 2 Mk., für Braugerste um 2 Mk., für Hafer um 2,20 Mk. Den künftigen Fünf- Mark-Z oll für Roggen haben wir früher in den 4 Jahren von 1888 bis 1891 neben einem Weizenzoll von ebenfalls fünf Mark bereits gehabt. Jene vier Jahre wurden geschäftlich gute Jahre mit vermehrter Arbeitsgelegenheit und reichlichem Verdienst in nahezu allen Geschäftszweigen. Die Spareinlagen vermehrten sich rasch und der Fleischverbrauch nahm stark zu. Schlechte Jahre, in denen zwar die Brotpreise etwas niedriger waren als heute, aber in denen der Verdienst erschreckend zurückging, waren die Jahre um 18 77, wo wir völlige Zollfreiheit für Getreide hatten.
* H-
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(Finanzielles.) Wie die „Neue politische Correspondenz" mitteilt, wird sich der Reichshaushaltsetat durchaus in den üblichen Grenzen halten und weder eine „kleine Marinevorlage" noch auch größere Forderungen für eine Kavallerie- vermehrung bringen. Auch von einer angeblich geplanten
Erhöhung der Bier- und Tabaksteuer ist in maßgebenden Kreisen nichts bekannt.
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Sachsens Bevölkerung ist fast ganz evangelisch. Nur 4 Prozent sind katholisch. Sachsen war die Wiege der Reformation. Trotzdem ist sein Königshaus katholisch. Es ist dies seit 1697 wieder der Fall. Um König von Polen werden zu können, trat der Kurfürst Friedrich August zum Katholizismus über und zwang seinen Sohn, den Kc>, n- prinzen, dasselbe zu thun. Friedrich August wurde dann zum König von Polen gewählt, doch wurde er dadurch auch in einen Krieg verwickelt, der Sachsen viele Millionen kostete. Die Verschwendungssucht dieses Kurfürsten war so groß, daß Sachsen nach seinem Tode nicht viel mehr als ein Land der Bettler war. Außerdem gilt der Kurfürst Friedrich August als der ausschweifendste aller sächsischen Fürsten. Er führte ein Lotterleben, wie es am französischen Hofe zur Zeit seines tiefsten sittlichen Verfalls geführt wurde. Angesichts des jetzigen Vorganges am sächsischen Hofe ist diese geschichtliche Erinnerung nicht ohne Interesse.
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He
Neue Verwicklungen ernster Art tauchen am politischen Horizont auf. Aus Mazedonien hat sich eine Abordnung der christl. Bevölkerung nach Rußland begeben uns dort erklärt, Rußland möge darauf drängen, daß die Türkei sofort die längst versprochenen Reformen in ihren christlichen Ländern eiuführe. Andernfalls würde in Mazedonien im nächsten Frühjahr mit oder ohne Beihilfe Rußlands und Bulgariens der Krieg gegen die Türkei beginnen. Die Lage ist hier ernster als je. Die Türkei, Rußland, Oesterreich und die kleinen Balkanstaaten können leicht in schwere Kämpfe verwickelt werden. Auch an einem andern Punkte brennt es und müssen sich die Großmächte zur That bereit halten: in Marokko. Hier sind England, Frankreich und Spanien interessiert. Die Revolution gegen den Sultan hat Wider Erwarten schnelle und große Erfolge gehabt. Der christenfreundliche Sultan ist in der Hauptstadt Fez bedroht und mit ihm alle Europäer. Die Tage der Sultansherrschast scheine» gezählt zu sein. Um Ordnung zu schaffen, müssen endlich die Mächte das Regiment in Marokko selbst in die Hand nehmen. Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, daß sie sich dabei selbst in die Haare geraten, denn jeder der drei Staaten England, Frankreich und Spanien möchte der Erbe in Marokko sein. Es liegen über den Aufstand folgende neue Nachrichten vor:
Tanger, 29. Dez. Die Truppen des Sultans haben bei Tesa (Tazza) eine schwere Niederlage erlitten. 2000 Mann sind tot oder verwundet. Der Rest der Armee floh in Verwirrung zurück nach Fez und ließ alles im Stiche; Artillerie Zelte, Gewehre, Munition, Geld und Proviant fielen in die' Hände des Feindes. Die Rebellen sollen auf die Hauptstadt Fez zu marschieren, deren Stadtthore geschlossen sind. Fez ist außer Stande, sich länger als einige wenige Tage zu verteidigen, infolge seiner Lage, seines völligen Mangels an Proviant und des ruinösen Zustandes der Stadtmauern. Die Bevölkerung wird loyal bleiben, so lange der Sultan sie schützen und ernähren kann. Eine Belagerung von nur wenigen Tagen bringt eine Hungersnot. Der Sultan kann versuchen, zu entkommen, aber dann wird Fez sofort seinen Gegner, den Prätendenten, anerkennen. Nahezu die ganze Armee ist geschlagen, da nur sehr wenige Truppen in Fez zurückgeblieben waren.
LcmdesnachrichLen
* Altenkeig, 31. Dez. Ergebnis der Bürgcrausschuß- Wahl am 29. und 30. Dez. Wahlberechtigt waren 264. Abgestimmt haben 38 — 14,39 o/o- Es wurden gewählt u. auf 4 Jahre: I.KarlLuz, Rotgerber mit 32 Stimmen, 2. Friedrich Steiner, Seifensieder mit 29 Stimmen, 3. Lorenz Luz, Rotgerber mit 28 Stimmen, 4. Karl Beck, Rotzerber mit 26 Stimmen, 5. Karl Henßler, Sattler mit 23 Stimmen, 6. Paul Beck, Kaufmann mit 5 Stimmen (als der Altere von 3 mit gleicher Stimmenzahl), b. auf 2 Jahre: 7. Georg Schneider, Gipser mit 6 Stimmen (als der Aeltere von 3 mit gleicher Stimmenzahl).
* (Kia Wahnwart z«m Jahreswechsel.) An die schöne Sitte, Bekannten und Freunden zur Jahreswende durch Zusendung von Wünschen und Karten ein Zeichen der Liebe und Freundschaft zu geben, haben sich vielfach häßliche Auswüchse angehängt. Es sind dies die anonymen Neujahrskarten, die in beleidigender und unflätiger Form von gewissenlosen Menschen mit der Post versandt werden, sei es aus schlecht gewähltem Scherz oder in böswilliger Absicht. Daß ein solches Gebühren im höchsten Grad oer- dammenswert ist, brauchen wir hier nicht weiter auszuführen, wir wollen nur darauf Hinweisen, daß die Urheber solcher nichtswürdigen Zusendungenschon häufig ermittelt und schwer
Das nächste Blatt erscheint am Samstag nachmittag.