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Ritzer Gratir-Beilagk Drr SonntagS- Gast.'

BtstellpreiS ^ro Quartal im Bezirk Nagold S0 Pfg.

«ßerhalb desselben Mk. 1.lv.

Nr. 158.

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MMblatt für

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Samstag, 13. Oktober

Bekanntmachungen aller Art finden die erfolg­reichste Verbreitung.

1900.

DerSt.-Anz." enthält eine Bekanntmachung der Zentralleitung i bis WohlthätigkeitSvereins, betreffend die Bewerbung um das Ehrenzeichen ; flr weibliche Dienstboten. Für das Ehrenzeichen können weibliche Dienst- j boten vorgeschlagen werden, welche im Umfange des Königreichs nach ! zmückgelegtem vierzehnten Lebensjahr in einer Familie oder in demselben i Anwesen ununterbrochen wenigstens 25 Jahre lang treu und in Ehren dienen. Näheres stehe St.-Anz. Nr. 236.

Ltrrr-chSWsrÄhVistzterr.

* Alten steig, 12. Okt. Am Mittwoch abend nach Einbruch drr Dunkelheit zogen unter heftigem Donner und grellen Blitzen, welche dar ganze Firmament erleuchteten, Gewitter vorüber und spendeten wohlthuenden Regen. Dies« Natur­erscheinung dürfte im Oktober zu den Seltenheiten gehöre». An die Kette schöner Tage reiht sich heute wieder eine Perle. Es ist als ob das Jahr 1900 ganz allein wieder M machen wollte, was das vergangene Jahrhundert mit schlichtem Wetter an uns gesündigt hat. Längst schon blüht die Herbstzeitlose, kein Vogel singt mehr draußen, aber kolt und rauh ist es noch nicht geworden. Kein wilder Wind bläst über die Stoppeln, und wenn Mutter Erde aus den weißen Sommerfäden auch den großen N-belmantel gewoben hat, in den sie sich alle Abend hüllt, bevor sie zur Ruhe geht, so steigt sie doch jeden Morgen noch prächtig au- dem Sonnenbad. Bei lauer Luft und blauem Himmel gedeihen noch nickt die trüben Hrrbstahnungen von Sterben und Vergehen. Man hängt nicht den Kopf, denkt nicht an Scheiden und Meiden und sinnt nur, wir man die goldenen Tage am angenehmsten genießt.

* Alten steig, 12. Okt. In WormS hat man mit dem seitherigen verderblichen SubmissionSwesen gebrochen. Die Vorgänge daselbst verdienen die höchste Beachtung auch i» anderen Städten. Der Stadtboumrister Hofmann stellte dem Oberbürgermeister den ganzen Jammer der Vergebung«' vxife an den Billigsten vor und bezeichnet« «S als Mz unmöglich, daß man die einzelnen Schundprrisr an- «ehme. Von einem Verdienst sei da keine Rede wehr für die Meister, denn die Auslagen seien kaum gedeckt. Der Oberbürgermeister lud darauf nach Rücksprache mit dem Magistrat alle Handwerker der Stadt zu sich auf das Rat­haus »in und setzte ihnen in längerer Rede klar ausein­ander, daß die derzeit herrschende Submissionswirtschaft nicht so fortgehen könne, den« es sei unmöglich, daß unter den obwaltenden Umständen der gesunde, kräftige Handwerker­stand, aus den WormS von jeher stolz gewesen sei, erhalten bleibe. Mit Angeboten, welche die eigenen Kosten nicht decken, müsse der Handwerker zu Grunde gehen, und die Sladt habe statt einet gesunden Handwerkerstandes, der gerne seine Steuern und Abgaben zahle, arme Leute. Gehe das mit so unsinnigem Thun weiter, so falle später die Familie der Stadt zur Last. Der Magistrat wolle die Sache einmal gründlich in die Hand nehmen. Jede- Hand­

werk solle sich binnen dreier Tage einmal di« Preise wohl j überlege« und richtig aosetzen, dann einen Obmann wählen, r ! und dieser solle die Preisliste dem Stadtboumrister übergeben.

!Wegzuwerfen hat die Stadt nichts, meine Herren," das war wörtlich seine Rede. eS ist uns darum zu thun, unseren Handwerkrstand nicht verkümmern und uns einen zahlungs­kräftigen Mittelstand zu erhalten." Dar ist wirklich praktisch« Mittelstands-Politik; ein solches Vorgehen kann allen StaatS- und Stadtverwaltungen nur empfohlen werden.

* (Für Rekruten.) Die zur Ableistung ihrer Mili­tärpflicht herangezogeneu jungen Männer thun gut, ihre Quittungskart-n über die gezahlten Beiträge zur Invalidi­tät-- und Altersversicherung, soweit sie solche besitzen, sorg­fältig aufzubewahren, da dieselben nach drr Entlassung bei Wiedereintritt in versicherung-pflichtige Beschäftigung anzu- geben sind. Die Militärdienstzeit wird den Versicherten so ongerechnet, als hätten sie auch während dieser Zeit ihre Beiträge gezahlt.

* Nachdem von den Bienenzüchtern wiederholt in Ein­gaben an BundeSrat und Reichstag Beschwerde über die mit nachgewachtem Honig betriebene unlautere Konkurrenz geführt worden ist, hat vor einiger Zeit das K. Ministerium des Innern die Polizeibehörden zur verschärften Ueber- wachung der Handels mit Honig und honigähnlichen Pro­dukten angewiesen. Gegen den betrügerischen Handel mit nachgemachtem, verfälschtem Honig soll auf Grund de« Z 10 de- NahrungSmittrlgesetzeS strafrechtlich vorgegangen werden. FabrikationSstellrn, in denen eine als Verfälschung des Honigs anznsrhrnde Bearbeitung des HonigS stattfiadet, sollen dem Ministerium angezeigt werden.

* Freudenstadt.ll. Okt. Nachdem beim Eisenbahn­bau eine Anzahl kleine und schmale Särge auSgrgraben worden waren, wurden aus höhere Anordnung hin einige mutmaß­liche Grabhügel bei drr untergegangenen Stadt aus dem Bühl," wo man früher »och Keller gesehen haben soll, untersucht. Man fand zwar unter allen untersuchten Stein­hügeln einige Kohlen- bwz. Aschenreste, wie bei alten Leichen- hügrln, und zwar bis zu 40 om Tiefe, aber wie in den Särgen an der neuen Bahn, so fehlte auch hier jede Spur von Knochen oder Beigaben. Das Alter ist also nicht zu be­stimmen. Dagegen wurde auf deralten Burg" hinter Lauterbad als Hinterer Abschluß eine- Bergkegelr, dessen vorderer Abhang schon von einem undurchdringlichen Stein- meer geschützt ist, eine 80 m lange uralte Verschanzung ähnlich der auf dem Rinkenberg bei BaierSbronn entdeckt. Vom obengenannten Bühl, und damit sich verbindend auch von der Burg au-, führt ein sehr alter Hohlweg auf den Kniebis. Dieser Hohlweg wird von einem überall manuS- tiefen Graben durchschnitten, der etwa 1 Kilometer lang auf der ebenen Höhe neben dem Schappacherweg htnführt und jedenfalls auSgrgraben worden ist. Wie viele Jahr­

hunderte mögen schon vergangen sein, seitdem jene Menschen lebten, von denen diese Spuren stammen! (Gr.)

* Tübiugen, 10. Okt. Daß drr ärztliche Beruf eine ungeschwächte Anziehungskraft ausübt, beweist die That- sache, daß sich hier zum bevorstehenden medizinischen Staats­examen nicht weniger als 42 Kandidaten gemeldet haben, die höchste Zahl, die hier jemals erreicht wurde.

* Tübingen, 10. Okt. Im Grunbacher Doppelmord­prozeß wurde der ledige, 24 Jahre alte Dienstknecht Karl Anton Steinacher von Herbertingeu, OA. Saulgau, welcher am 31. Juli im Walde bei Grunbach, OA. Neuenbürg, zwei Kinder im Alter von 7 und 9 Jahren ermordete, nach­dem er eines derselben vergewaltigt hatte, zweimal zum Tod« und zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt. Drr Angeklagte nahm da- Urteil ruhig hi«. Bei der über die unmenschliche That ausgebrachten Bevölkerung wird dasselbe Grnugthuung erregen. Das Scheusal, welcher ärger als ein Tier sich be­trug, ist abgeurtrilt und wird binnen kurzem au« dem Kreise der Menschen vertilgt sein. Daß wir für solche Bestien die Todesstrafe noch besitzen, ist sicher kein Nachteil der Straf­rechtspflege.

* Tübingen, 10. Oktbr. Eine aufregende Szene spielte sich gestern vor der hiesigen Strafkammer ab, wo ein« Anklagesache wegen Meuterei zur Verhandlung stand. Zu verantworten hatten sich der ledige Gerber und Schuh­macher Albert Pfitzrnmaier von Murrhardt, OA. Backnang und der frühere Landpostbote Joh. Georg Süßer von Ober- jesingen, deren verwegener Fluchtversuch vom Schloß her­unter noch in Erinnerung ist. Die Geliebte des Pfizen- mairr, die SchneiderSehrfrau Wilhelmine Greiner in Eningen, OA. Reutlingen, wo di« Angeklagten nach ihrer Entweichung aus dem Gefängnis Zuflucht suchten, war wegen Begünstigung angeklagt. Als Pfizenmaier in den Saal geführt war und man ihm die Fesseln abgrnomwen hatte, griff er plötzlich nach dem vor dem GerichtStifch stehenden Stuhl, um sich damit auf die Landjäger zu stürzen. Vier Mann waren notwendig, um den gefährlichen Burschen, der sich wie rasend gebärdete, zu überwältigen. Al« man dann unter dem Vorsitz de- LandgerichtSpräsideuteu von Pfaff in die Verhandlungen eintrat, verweigert« der Angeklagte zunächst jede Antwort, fing dann aber plötzlich auf« neue zu toben an, sodaß er zweimal abgeführt werden mußte. Pfitzen- maier erhielt schließlich neben einer Zusatzstrafe von vier Monaten, wegen Meuterei eine Gefängnisstrafe von einem Jahr vier Monaten. Süßer wurde zu sechs Monaten und die Greiner zu vierzehn Tagen verurteilt.

* Stuttgart, 11. Okt. Wie derStaatsanzeiger" vernimmt, wird der Gesetzentwurf, betreffend die Erbauung einer link-ufrigrn Neckarbahn von der kgl. Regierung beim gegenwärtigen Landtag zurückgezogen werden.

* (Das Zeppelinsche Luftschiff.) AuS Fried-

M <A«f«f»rrcht. H»

Die Laster stritten, wer von ihnen Am eifrigsten gewesen sei,

Dem Bösen in der Welt zu dienen?

Den Sieg erhielt die Heuchelei.

Jür's Leben.

Familienroman von G. v. Schlipprnbach.

(Fortsetzung.)

Da habe ich nun war Schöne« angerichtet," sagt« der Mann ärgerlich.Ich habe eS ganz vergessen, ihr ein- zuschärfeu, daß der Herr Doktor Hansen hier war und mir dringend befohlen hat. von den sechshundert Mark zu reden. Der wird jetzt böse sein! Er selbst wollte di« fehlende Summe Uhlen, die Fräuleins sollten um alles in der Welt nie etwa« davon wissen."

Die Schwestern sahen sich verwundert an, sie begriffen dt« Zusammenhang nicht. Wie kam der Doktor, der ihnen «och so fremd war, darauf, sich ihnen gegenüber als Wohl­täter zu benehmen. Es lag etwas Verletzendes darin, und als eben der Wagen de- alten Herrn heranrollte, sagte Gertrud mit einem hochmütigen Ausdruck in dem schönen Gesicht:Wie sollen wir eS verstehen, daß Sie uns dir halbe Miete schenken wollen?"

Doktor Hansen wurde kirschrot vor Verlegenheit. Der -Wirt der Hause- trat auf ihn zu und drehte die Mütze in d« Hand, indem er verwirrt «ine Entschuldigung stotterte. »Dummer Kerl!" schnitt der cholerisch« Sonderling dieselbe ab.Er hat mir den ganzen Spaß verdorben," brummte «r verdrießlich.

Daun wandt« er sich an die Schwestern und sagte: " 7 -)lte meine Damen, kommen Sie mit mir und hören Sie Dich ein Weilchen geduldig an. ich muß Ihnen eine kurze Geschichte erzählen."

Heimchen und Gertrud sahen sich erstaunt an, denn sein« Stimme klang seltsam bewegt und iS zuckte krampfhaft in dem häßlichen Gesicht, als er begann:

ES war einmal Sie sehen, meine Damen, ich fange als richtiger Erzähler mit den üblichen Worten an. Also: e» war einmal ein wunderschöne«, reiche» Mädchen, da- ebenso klug als gut war und somit alle Vollkommen­heiten in sich vereinigte. Und e» war auch einmal ein kleiner, häßlicher, junger Mann, der so kühn war, das herr­liche Geschöpf von ganzer Seel« zu lieben. Er beging die Thorheit, um sie zu werben und bekam natürlich ein zier­liche- Körbchen. Bald darauf verließ er das Vaterland, um unter anderen Zonen schneller zu vergessen. Er blieb lang« der Heimat fern und wurde darüber ein alter Jung­geselle voll Sonderbarkeiten, denn er war so unklug, alle Frauen mit seiner Jugendliebe zu vergleichen, und er fand keine, die ihr nur annähernd zur Seite zu stellen war."

Gertrud wacht« hier eine lebhafte Bewegung, als ob sie ihn unterbrechen wollte, er winkte abwrhrrnd mit der Hand und fuhr fort:

Da sah er sie nach vielen Jahren wieder, st« waren beide alt geworden. Er fand sie sehr verändert, vom Leben hart mitgenommen und von der Sorge um« Brot fast ge­brochen."

Nun, mein« Damen, der kleine häßliche Mensch, drr da» schön« Mädchen geliebt Hot, bin ich."

Und sie ist unsere Mutter," unterbrach Heimchen ihn leise.

Der alte Mann nickte und fuhr dann fort:AIS Arzt wünschte er dringend, daß sie eine bessere Wohnung nehme, eS ist ein« Lebensfrage für sie. Aber sie und ihre Familie waren zu arm dazu, es ging nicht, nun und da, da"

Er stockt« verlegen, nahm seine Brille ab und wischt« eifrig an den Gläsern umher.

Da wollten Sie die Hälft« Miete zahlen, Doktor Hansen," ries Gertrud tief bewegt,in Erinnerung an die alt« Zeit."

Unsinn!" sagte der Alt« schroff.Nur au« Dankbar­keit, daß Sie mich nicht genommen hat und ich Juuggesell geblieben bin!"

Er lachte, daß ihm die Thränen über die Backen

liefen.

Di« beiden Mädchen sahen sich lächelnd und dennoch tief bewegt an.

Nun," schrie der Doktor polternd,der Spaß ist mir durch den Kerl dort verdorben! Aber ich denke, Ihr sagt Ja, Kinder," fügte er sanft und bittend hinzu.

Als die Schwestern zögerten, sagteer:Bedenkt, wenn sie damals ja gesagt, hätte ich Euer Vater sein können und müßte jetzt für Euch alle sorgen. War meint Ihr, schlagt doch ein l"

Er hielt ihnen beide Hände hin, Heimchen und Gertrud wußten der freundlichen Bitte nachgebe« und wollten ihm danken, er wehrte «S ihnen fast ärgerlich.

Schweigt doch, schweigt doch!" schrie er und hielt sich di« Ohren zu.Wem thue ich damit Schaden? Mir selbst nicht, ich habe mehr, als ich verbrauchen kann, meiner Familie ebensowenig. Ich füttere sie all« Tage dicker, und wenn ich sterb«, Hab« ich nur lachende Erben, laßt mir doch meinen Spaß, Kinder. Und jetzt kommt, wir wollen unser gemeinschaftlich gemietetes Hau- besehen."

Sie thaten e« und Heimchen sagt«:Da auch Gertrud uns verläßt, wäre es zu groß für un-, wenn nicht Tante Dora zu uns ziehen wollte. Selbstverständlich wird ihre Miete nicht zu den 600 Mark gerechnet, di« wir zahlen, die ziehen wir von dem Geld« ab, dar Sie so gütig sind"

WaS soll das nun wieder heißen!" polterte der Doktor verdrießlich, aber beide Schwestern blieben diesmal.