Nr. 86. Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. S3. Jahrgang.

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Donnerstag dm 7. März 1918.

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Borfriede mit Rumänien.

Zur neuen Lage im Osten.

Die Verhandlungen mit Rumänien im Schloß in Buftea bei Bukarest haben nach verhältnismäßig kurzer Zeit zu einem Vorfrieden geführt, der nach 14 Tagen in einen tatsächlichen Frieden übergehen soll, vorausgesetzt, daß nicht von dieser oder jener Seite die Waffenruhe ge­kündigt und damit der Kriegszustand wieder eintreten würde. Als wichtigster und schwerwiegendster Punkt des Friedens­vertrags mutz die Abtretung der Dobrudscha seitens Rumä­niens an Bulgarien bezeichnet werden. Die Dobrudscha in ihrem rwrdlichen Teil von der Donaumündung bis etwa zur Linie SilistriaNenlik war den Rumänen 1878 von den Russen für ihre Hilfeleistung gegen die Türken abgetreten worden; dafür mußten sie aber Bessarabien an Rußland auS- liefern. Im zweiten Balkankrieg 1913 ist nun Rumänien be­kanntlich dem von allen Seiten bedrängten Bulgarien in den Rücken gefallen, und hat ihm ein Stück seines Landes bis östlich der Grenze Rustschuk-Warna abgenommen. Wenn nun Bulgarien und nicht zuletzt die Mittelmächte die Hinter­listigkeit der rumänischen Politik entsprechend bestrafen, so ist das nicht mehr als recht und billig. Deshalb ist auch die Forderung Ungams, seine Südgrenze in den Transsylvani- schen Alpen strategisch gesicherter als bisher zu gestalten, durchaus gerechtfertigt. Manche Stimmen bei uns hätten sogar noch recht gerne eine Kriegsentschädigung heraus­geschlagen. weil"doch die deutschen Armeen auch einen nicht geringen Anteil an der Niederwerfung Rumäniens gehabt haben. Aber die wirtschaftlichen Bedingungen, die man Rumänien auferlegt hat, werden wohl einen gewissen Aus­gleich zu schaffen imstande sein. Vom rumänischen Stand­punkt aus ist ja das Abkommen nicht gerade erfreulich. Rumänien verliert den Zugang zum Schwarzen Meer und damit seine Handelsbasis nach dem Orient. Bulgarien be­herrscht jetzt die Donaumündung. Ein ganz wesentliches Entgegenkommen haben die Vierüuudmächte übrigens den Rumänen durch das Zugeständnis eines Handelswegs nach Konstanza gezeigt. Wenn eS aber Rumänien jetzt nicht ge­lingt, wenigstens den südlichen Teil von Bessarabien zu ge­winnen, so wäre es dauernd ohne direkte Verbindung mit dein Schwarzen Meer. Und bezüglich Bessarabiens wird sich Rumänien niit der Ukraine und den Russen auS- einanderzusetzen haben; denn die Vierbundmächte hatten natürlich keinen Anlaß, sich nach Entschädigung für die rumänischen Verluste umzusehen.

Nun hätten wir also so ziemlich im ganzen Osten formell Frieden. Ob die Sache von Dauer ist, das kommt, wie dieNordd, Allg. Ztg.", das Organ der deutschen Regierung, in einem Nachwort zu den Friedensverhandlun­gen von Bresi-Litowsk schreibt, ganz auf die Russen an. Bei Unterzeichnung des Friedensvertrags haben nämlich die russischen Friedensunterhändler erklärt, daß dieser Vertrag keine Gewähr für zukünftige Freundschaft mit Rußland bieten könne, weil Gewalt sie zur Unterzeichnung veranlaßt habe. Das deutsche Ultimatum habe dir russische Republik im Zustand der Demobilmachung getroffen, weshalb es ge­zwungen gewesen sei, das Ultmatum anzunehmen. Dieser Friede sei deshalb kein VerständigUNgsfriede. Rußland, durch den Bruch des Waffenstillstands vergewaltigt, habe den Friedensberkrag Unterzeichyet, ohne In Verhandlungen da­rüber einzutreten, nachdem es vergeblich an die deutschen Arbeiter appelliert habe. Auf diese Ausführungen des Füh­rers der russischen Abordnung antworteten die Vierbund­vertreter, daß die Russen acht Wochen lang Zelt gehabt hätten, um sich über die Annahme oder Ablehnung der FriedensbedingUntzen der Vierbundmächte schlüssig zu wer­den, und das russische'Volk hätte die freie Wahl gehabt, den Krieg forlzusctzen. Aber die Haltung der russischen Jrie- densunterhändler habe den Willen zu einer Verständigung vermissen lassen. Und in diesem Sinne spricht heute auch dieNordd. Allg. Ztg.", wenn sie sagt, die Verhandlungen mit Rußland wären, bei Licht besehen, nur Ftiebensverhand- lnngen von unserer Seite, für Rußland waren sie nur die Fortsetzung des ans dem Schlachtseide auSstchisloS gewor­dene» Krieges auf dein neuen von Trotzt!) gewählten Kampf­plätze der politischen Dialektik. Die russischen Machthaber

Amerika mit Japans Eingreifen in Sibirien einverstanden.

(WTB.) New York, «. März. DieAff. Preß" meldet ans Washington: Die Bereinigte« Staaten sin- grundsätz­lich mit Japan, Großbritannien und de« anderen Alliierte« zu einer Ueberetnkunft über das Vorgehe« in Sibirien gelangt. Die Einzelheiten bleibe» jedoch noch auszuarbeiten.

Wie das japanische Eingreifen in Ostasie« schmackhaft gemacht Wird.

(WTB.) Paris, 6. März. DerMatin" gibt Einzel­heiten zu den Erklärungen Pichons im Kammerausschuß für auswärtige Angelegenheiten und sagt: In dem Augen­blick, wo die maximalistische Propaganda die Oberhand ge­winnt, bereitet Sibirien sich vor, die ungeheuren Vor­räte an sich zu raffen, die für die russische Regierung an- gchäuft wurden. Energische Maßnahmen drängten sich auf. Es sei sicher, daß das, was in die Hände der M^imalisten falle, eine Beute des Feindes werde. Es sei also Pflicht der Allierten, die Erzeugnisse ln Verwahrung zu nehme», die sonst für die Verbündete Regierung bestimmt gewesen wäre. Japan könne billigerweise allein Vorgehen. Es ziehe aber vor, im Einvernehmen mit den Alliierten zu handeln. Wilson habe nach gewiflerhastcr Prüfung festgestellt, daß das japanische Eingreifen im Auftrag der Alliierten dem Grundsatz, den er ausgesprochen habe, in keiner Weise zu

gegen das deutsche Eindringen, das die Zerstörung des Gleichgewichts der Mächte in Asien erstrebe. Die maximali- stische Regierung habe durch die Unterzeichnung des schimpf­lichen Friedens die Verträge verletzt. Millionen Russen machten sich darauf gefaßt, preisgegeben zu werden. Das Eingreifen der mächtigen japanischen Armee sei das natür­liche Mittel des Vorgehens der Entente in Rußland. Die Aufgabe Japans sei abgeschlossen, wenn es die Hand, die Deutschland auf Rußland und Wen lege, zurückgestoßen haben werde.

glaubten, die Länder der Mittelmächte ebenfalls revolutio­nieren zu können. Während ihnen das nicht gelang, haben sie wie die vorhergehenden Regierungen das Land immer mehr dem Verfall zugeführt, bis dieses traurige Ende nun eingetreten ist. Mit Recht stellt dieNordd. Allg. Ztg." fest, daß von uns der im Friedensvertrag enthaltene Satz, daß wir in Freundschaft mit Rußland zu leben wünschen, ehr­lich gemeint ist.

Die jetzt von unserer Seite im Osten durchzuführenden Maßnahmen, wie die Herstellung der Ruhe auf den Aalands- inseln, in Finnland, den baltischen Provinzen und der Ukraine sind reine Sicherheitsmaßnahmen, dte nach den Er­klärungen der russischen Unterhändler erst recht angebracht sind. Daß die russischen Fremdvölker infolge der traditio­nellen russischen Gewaltpolitik von diesem despotischen Staats­wesen losstreben, das haben sich die Russen selbst zuzu­schreiben. O. 8.

G

Nachrichten aus Petersburg.

(WTB.) Stockholm, 7. März. Nach einer HavaSmel- dung aus Petersburg vom 5. März ist die russische Friedensdelegation an diesem Tage zurückgekehrt und hat abends dem ZentralauSschuß der Sovjets Bericht erstattet. Weiter heißt es in der Meldung: Der Text des Friedens- oertrags wird wahrscheinlich morgen veröffentlicht werden. Rach, de» letzten Berichte» sind die Feindseligkeiten «n allen Fronten eingestellt. Ans der nördlichen inach­ten die Deutschen in der Linie RarvaPskowWitcbsk OrschaMohilcw Halt. Ein Telegramm aus Helsing- forS meldet, daß die Deutschen auf den Aalandsittseln Truppen landen. Die hauptstädtische Bevölkerung verläßt Petersburg irr großen Massen und, da die Verkehrsmittel außerordentlich dürftig sind, begeben sich zahlreiche Personen nicht aus der Eisenbahn, sondern aus Wagen und zu Fuß nach anderen Orten. (WitebSk liegt an der Düna, etwa 246 km südöstlich von Dünaburg; Orscha liegt am ersten Knie des obere» Dnjepr, etwa 80 km südlich von

WitebSk, Mohilew ebenfalls am Dnjepr, 70 km südlich von Orscha. Die Schristleitung.)

Ein Abkommen zwischen der russischen und der finnischen Maximalistenregierung.

(WTB.) Stockholm, 7. März. Laut der linkssozial­demokratischen LeitungPolitiken" wurde am 1. März im Smolnyinstitut ein Vertrag unterzeichnet, der die Bezie­hungen zwischen Rußland und Finnland ordnet. Rußland Witt alles unbefugte Eigentum ab, Gebäude, Fabriken, Tele­graphen, Eisenbahnen, beschlagnahmte Schiffe, Festungen, sowie die Orte am Eismeer. Finnland tritt die Eisenbahn von Valksassari bis Petersburg ab, sowie die Telegraphenkabel nach Rußland. Die Festung Ino wird russisch. Rußland verleiht den finnischen Arbeitern alle Rechte, und Finnland verschafft den Russen Erleichterungen. Außerdem zieht Ruß­land sofort seine Truppen auS Finnland zurück. Das Tele­gramm ist unterzeichnet von dem Vorsitzenden des finnischen Volkskommissariats für auswärtige Angelegenheiten. (Notiz des WTB.: Es handelt sich offenbar um einen Ver­trag zwischen der russischen und der finnischen sozialdemo­kratischen Nebenregierung in Helsingfors.)

Eine russische Schilderung der Lage in Finnland.

(WTB.) Petersburg, 6. März. (P. Tel.-Ag.) Die Revolution in Finnland AuS Helsingfors wird amt­lich gemeldet, daß in der Stadt Nikolaistadt aus Befehl des früheren bürgerlichen Senats die Mitglieder der Roten Garde und zahlreiche andere Personen, die sich weigerten, die frü­here Regierung anzuerkennen verhaftet wurden und durch ein Kriegsgericht abgeurteilt werden sollen. Tornea ist gegenwärtig in den Händen der Gegenrevolutionäre. Eine finanzielle Krise ist in der Stadt Katzen und in vielen anderen von der sinnländischen Bourgeoisie besetzten Städten Nordfinnlands zu beobachten. Der Ort Karkkonummi in Nordfinnland wurde von den Gegenrevolutionären besetzt, am Tag darauf jedoch von den revolutioaä -r Truppen bei­nabe ohne Kampf genommen. Die Weiße «sacde erlitt eine vollkommene Niederlage. 440 Gegenrevolutionäre, unter denen sich viele Ausländer befinden, wurden verhaftet und nach Helsingfors gebracht.

Die kaukasischen Randländer.

Der Wortlaut des Friedensvertrags mit Rußland ent­hält als wichtigste Ergänzung des früheren Ultimatums dte Bestimmung, daß Rußland die Bezirke Erdehan, Kars und Bakum sofort räumt und es der Bevölkerung dieser Bezirke überläßt, die Neuordnung im Einvernehmen mit den Nachbarstaaten, namentlich der Türkei, durchzu­führen. Damit erhält die Türkei an ihrer asia. Nordost­grenze eine wichtige Sicherung zurück, die ihr genau vierzig Jahre zuvor, nämlich in dem Präliminarfrieden von San Stefans (3. März 1878) verloren gegangen war. Nachdem schon der Berliner Vertrag Landstriche, die südlich sowie west­lich und nordwestlich des Karsgebiets liegen, der Türkei zurückgegeben hat, verzichtet jetzt Rußland auf den Rest seiner damaligen Erwerbung. Militärisch von Wichtigkeit, ist dieser Rest auch wirtschaftlich wertvoll, weil Batum ein aus­gezeichneter Hafen mit regem Schiffsverkehr nach allen Län­dern Europas und als Handelsplatz für Naphtaprodukte, Mangan, Blei, Eisen usw. bedeutend ist. Die Bevölkerung der bisher russischen Provinz Batum betrug im Jahre 1910 rund 166 000, die der Provinz Kars wnd 377 000 Ein­wohner. Diese jetzt von Rußland freigegrbenen Gebiete haben, zusammen mit dem europäischen Sandschak von Tult- scha, im wesentlichen das Aequivalent für 1100 Mill. Rubel Kriegsentschädigung gebildet, die Rußland im Frieden von San Stefano (bei eiürm Gesamtbeträge vop 1410 Millionen Rubel Kriegsentschädigung) sich auLbedang. Sieht der Friedensvertrag von Brest-Litowsk vor, daß Rußland sich in die Neuordnung der staatsrechtlichen und der völkerrechtlichen Verhältnisse der Bezirke Erdehan. Kars und Batum nicht ein­mischt, sondern eS der Bevölkerung dieser Gebiete überläßt, die Neuordnung außer im Einvernehmen mit der Türkei im Einvernehmen mit den .Rachbarstaaier.' durchzuführen, so scheint bei letzteren an Persien und die im Enistehen begrif­fene Republik Kaukasus gedacht zu sein. (Merkur.)