Schlußabstimmung wird das ganze Gesetz im Wesentlichen nach den Anträgen der Kommission mit 71 gegen 10 Stimmen angenommen. Damit ist die Tages- Ordnung erledigt und die Stände werden durch könig- liches Reskript vertagt.
LandeSirachrrchten.
* Altensteig, 28. Dezbr. Das liebliche W:ih- nachtsfest, das von Alt und Jung freudig begrüßt ward, ist vorüber. Ob alle Wunschzettel erfüllt worden sind, darf wohl füglich verneint werden, denn einesteils mögen die Wünsche häufig zu groß, die Familienbeutel aber zu klein gewesen sein. Das Weihnachtsgeschäft hat, wie wir hören, nur einen mäßigen Umfang angenommen. — Die Feiertage brachten Helles, klares Frostwetter und wurde den Tag über auf unserer neuerstellten Eisbahn, die am Stephansfeiertag eröffnet werden konnte, fleißig dem Schlittschuh-Sport gehuldigt. — Am heiligen Abend wurde am Hellesberg in herkömmlicher Weise von der Schuljugend das „Fackeln" abgehalten, was auch diesmal wieder einen erhebenden Eindruck hervorrief. Der von 2 Partien angestimmte Gesang entbehrte leider der Harmonie. — Am Hauptfesttage war die Stadtkirche von Andächtigen dicht besetzt. — Christbaumfeiern haben bis jetzt der Turnverein und der Familienkranz abgehalten; elfterer in der Traube, letzterer in der Linde. Die Feierlichkeiten übten eine große Anziehungskraft aus und anerkannt muß werden, daß die Vereine einen Wetteifer entfalten, die Teilnehmer durch passende Vorträge und theatralische Aufführungen rc. auf's angenehmste zu unterhalten. Mehrere Vereine werden in der Veranstaltung von Christbaumfeiern noch Nachfolgen. — Einen erfreulichen Beweis seiner Anhänglichkeit an seinen Heimatort hat Herr Kommerzienrat Adolf Brougier in München auf's neue gegeben. Er sandte eine namhafte Gabe zur Verteilung an alte Bekannte und an Bedürftige. Dem edlen Spender wird hiefür der herzlichste Dank ausgesprochen.
* Zur Warnung für Eltern und schulpflichtiger Kinder diene ein vor kurzer Zeit auswärts vorgekommener Vorfall, wonach ein Vater seinen mit Schularrest belegten Knaben nach vorhergegangener Anzeige im Pfarrhause und trotz dort erhaltenen Verbots in augenblicklicher Anwesenheit des Lehrers eigenmächtig aus dem Schullokale heimbefahl. Dies wurde nun dieser Tage ge- richtlicherseits mit einer Geldstrafe und Tragung sämtlicher Kosten geahndet.
* Bekanntlich besteht in manchen Kreisen des Publikums die Unsitte, zum Jahreswechsel seinem Nächsten Neujahrskarten mit mehr oder weniger beleidigendem Inhalt zuzusenden. Um solche Leute vor unnützen Kosten zu bewahren, möchten wir darauf aufmerksam machen, daß die Postverwaltung derartige Karten, wenn der beleidigende Inhalt bemerkt wird, überhaupt nicht bestellen, sondern den Absendern zurückgeben oder vernichten läßt. Die Postbeamten sind besonders ange- wiesen worden, zur Beseitigung der gedachten Unsitte derart mitzuwirken, daß sie auf Karten beleidigenden Inhalts besonders achten und dieselben als unbestellbar behandeln.
* Freuden st adt, 24. Dezbr. In Vordersteinwald, Gemeinde Schömberg, brach in vergangener Nacht Feuer aus, bei welchem das Backhaus des staatwiderte die Händedrücke und ließ seine Blicke forschend umherschweifen. Mit Mühe unterdrückte er einen Ausdruck des Erstaunens auf seinen Lippen. Wachte er, träumte er, oder stand die „Kleine" wirklich da vor ihm in ihrer holden Anmut und Lieblichkeit, die glänzendsten Pariser Damen übertreffend? Wie hatte ein kurzes Jahr das Kind so zu verändern vermocht?
Melitta trug ein blaßgelbes Kleid aus feinem duftigen Stoffe. Die halbweiten Aermel ließen den schön geformten Arm sehen, in dem reichen, goldbraunen Haar barg sich ein Strauß dunkelroter Nelken, während einige dieser Blüten den Busen schmückten. Kein Schmuck, keine Ueberladung von Spitzen und Falbeln und doch sah sie so schön, so vornehm aus in dieser reizenden Einfachheit, die so gut zu ihrer Jugend, zu ihrer Lieblichkeit paßte.
Melitta hatte das Eintreten per beiden Herren kaum beachtet; erst die Ausrufungen und lebhaften Begrüßungen ließen sie ihre Blicke dem Eingetretenen zuwenden; das Wort erstarb auf ihren Lippen, eine Totenblässe überzog ihr Antlitz, als sie Cornaro erblickte. Mit krampfhafter Hast faßte sie Konrads Arm.
„Bring' mich weg von hier," keuchte sie mühsam.
Wellendorf sah sie bestürzt an. „Melitta, was fehlt dir?"
„Nichts, nichts, ich möchte fort."
„Es war zu spät. Der Künstler war direkt auf Melitta zugegangen, um ihr mit einer tiefen Verbeugung zu sagen, wie sehr er sich freue, sie wiederzusehen.
Am ganzen Körper bebend, hörte ihn die junge
lichen Forstwächters samt Holzvorrat abbrannte. Da der daran anstoßende umfangreiche Staatswald in Gefahr schwebte, wurde auch die hiesige Feuerwehr alarmiert, ohne daß dieselbe jedoch in Thätigkeit zu treten brauchte.
* Calw, 25. Dezember. Kaufmann Albert Arm- bruster, früherer Spinnereibesitzer hier, wurde heute früh auf der Treppe seiner Wohnung tot aufgefunden. Der Verstorbene, schon längere Zeit leidend, wurde, im Begriff nach Hause zu gehen, jählings dahingerafft, ohne daß die Hausbewohner etwas davon hörten. Er erreichte ein Alter von 64 Jahren.
* Die Landesversammlung der württ. Volkspartei wird am Erschemungsfest in der Liederhalle in Stuttgart abgehalten werden. Die große Tagesordnung bildet außer dem geschäftlichen Teil Referate: die Lage im Reich — die Militärstrafprozeßordnung, die Flottenvorlage, die politische Situation im Lande, Steuerreform und Umgeld, Verfassungsrevision und Abschaffung der Lsbenslänglichkeit der Ortsvorsteher.
* (Verschiedenes.) Das Heilbronner Schwurgericht verurteilte den 22jährigen Karl Weiß von Walheim bei Besigheim wegen vorsätzlichen Todschlags ohne Ueberlegung zu einer Zuchthausstrafe von 11 Jahren. Weiß hatte am 21. April d. I. die Frau des Amtsdieners Röhrich von Walheim beim sog. Hardtwalde mit einer Axt niedergeschlagen und dann in den Wald geschleppt. Frau Röhrich lebte noch einige Tage, kam aber nicht mehr zum Bewußtsein. Sie war Mutter von 6 Kindern. — Ein alter Bettler wurde in Laupheim in das Bezirkskrankenhaus eingeliefsrt, der 2870 Mark in Gold bei sich trug. — In Aalen verendete im Stalle des Ochsenwirts Köpf ein Pferd infolge eines Darmsteins. Der Stein hatte die Größe eines Menschenkopfes, eine schwärzliche Farbe und wiegt 7 Kilo. — In der Nähe von Pfauhausen ereignete sich ein schreckliches Unglück. Daselbst befindet sich schon längere Zeit ein Wagen, der einer Arbeiterfamilie als Wohnung dient. Der Mann ist an dem Brückenbau bei Plochingen beschäftigt. Während nun die Frau von ihrem Wagen abwesend war, scheinen die Kinder dem Ofen im Wagen zu nahe gekommen zu sein; denn als die Frau zurückkam, stand ihr Wagen in Flammen, und die drei Kinder im Alter von 2 bis 6 Jahren waren verbrannt. Eine kurze Zeit zuvor vorübergehende Personen, welche das Geschrei der Kinder hörten, wollten sich dem Wagen nähern, wurden jedoch von dem wütenden Hunde zurückgehalten. — In Cannstatt wurde in der Maschinenfabrik von I. G. Mailänder einem Arbeiter die linke Hand von einer Hobelmaschine zur Hälfte abgeschnitten, so daß nur noch der Daumen stehen geblieben ist. Ebendaselbst wurde dem evang. Verein für Zwecke des dort bestellenden Fabrikarbeiterinnenheims von einem auswärts wohnenden Wohlthäter, der seinen Namen nicht genannt haben will, wiederholt die Summe von 1000 Mk. zugewendet. — Letzter Tage trieb sich in Marbach ein angeblicher Metzger aus Ludwigsburg herum, der unter dem Vorwände, für seinen Vater, der dort Militärlieferung habe, Vieh kaufen und das bereits gekaufte abholen zu müssen, einem Bauern ein Fuhrwerk samt einer Weißschimmelstute abschwindelte und das Weite suchte, jedenfalls um Wagen und
Frau an; sie hielt Konrads Arm fest umklammert, als wollte sie Schutz und Hilfe bei ihm suchen vor dem Manne mit den trügerischen Worten und dem falschen Herzen. Eine unbeschreibliche Angst erfüllte ihr Inneres. Ihr Gatte, der Mann, zu dem sie mit der innigsten Verehrung emporsah, und dieser treulose Mensch miteinander im selben Raume, dieselbe Lust atmend, vielleicht im nächsten Moment einander die Hand drückend, es war zu viel, zu viel.
„Hat Sie die Ueberraschung stumm gemacht?" fragte lachend der Professor. „Haben Sie allein kein freundlich Wort für unfern Künstler?"
Melitta raffte sich gewaltsam aus ihrer Erstarrung empor, mit halblauter Stimme murmelte sie einige Worte, deren Sinn sie selbst kaum verstand. Cornaro hörte ihr lächelnd zu, während seine Augen bewundernd auf der reizenden Gestalt ruhten — ja, sie war schön geworden, wirklich schön geworden, die kindische Kleine, die ihm bei ihrer letzten Zusammenkunft so viel vorgeweint. Er machte ihr eine tiefe Verneigung und schritt weiter. „Der Roman ist noch nicht zu Ende," dachte er bei sich.
„Auch Volkmann hatte den Künstler bemerkt. „Cornaro, einer der besten Violinspieler," versetzte die Professorin auf seine Frage. Ihre Frau Gemahlin kennt ihn auch, sie hat mit ihm zusammen gespielt bei ihrem ersten Konzerte. Beide haben damals Triumphe gefeiert."
Volkmanns Stirn umdüsterte sich. Es war ihm peinlich, den Namen eines Mannes mit demjenigen seiner Frau in Verbindung zu hören.
Pferd irgendwo zu veräußern. Bon dem Gauner, der etwa 24 Jahre alt und von untersetzter kräftiger Statur ist, hat man noch keine Spur. — Der in Eindringen am 22. Dezbr. abhanden gekommene Postbeutel, enthaltend zwei Berechtigungsscheine und deklariert zu 100 Mk., wurde am Freitag abend ausgeschnitten, aber mit seinem Inhalt im „Graben" in Eindringen gefunden. — Ein sehr schönes Weihnachtsgeschenk erhielt ein Biberacher Einwohner dadurch, daß ihm vom 12. April 1893 an die Altersrente im Betrage von 770 Mk. 21 Pfg. nachbezahlt wurde. Zwei weitere Personen erhielten dieses Jahr Altersrenten von ca. 700 und 400 Mk. nachbezahlt.
* Zu den Lebemännern Mannheims gehörte in der letzten Zeit auch der Eier - Großhändler Hans Geyer. Die Herrlichkeit dauerte aber nicht lange, denn am 23. Dezbr. stand der Mann wegen Banke- rotts und Betrugs vor der Mannheimer Strafkammer. Geyer wirtschaftete in der gewissenlosesten Welse. Trotzdem sein Geschäft nicht rentierte, verausgabte er auf seiner Hochzeitsreise 2000 Mk., kaufte seiner Frau die kostbarsten Geschenke, hielt mit Kellnerinnen Champagnergelage ab, bei denen nur der teuerste Sekt getrunken wurde, und trieb allerlei sonstige Extravaganzen. Schließlich kam der Krach. Innerhalb kurzer Zeit wuchsen seine Schulden auf 66 000 Mark, denen an Aktiven nur 7566 Mark gegenüberstehen. Die Gläubiger erhielten 8 Prozent. Geyer hatte fast gar keine Buchführung und er hat auch keine Bilanzen gezogen. Den Betrug soll er dadurch verübt haben, daß er sich zu einer Zeit, als der Bankrott unvermeidlich war, noch von dem Eierhändler E. Schäfer in Frankfurt für 1857 Mark Eier kommen ließ. Die Strafkammer verurteilte ihn wegen Bankrotts zu 5 Mon. Gefängnis; von der Anklage des Betrugs wurde er freigesprochen.
* In Frankfurt a. M. hat ein steuerfähiger Bürger eine sehr bedeutende Nachzahlung an die Steuerkasse geleistet, und zwar 24000 Mk. als zu wenig gezahlte Steuer und einen Strafzuschlag von 14000 M.
* Der 20jährige Arbeiter Andreas Wetter in Speyer hatte sich mit seinerlNeliebten gezankt. Das war dem rohen Burschen Ursache genug, das Mädchen zu vergiften Am Sonntag nachmittag holte er ihr ein Glas Bier und entfernte sich hierauf. Nach dem Genuß des Bieres verspürte das Mädchen heftige Leibschmerzen. Der herbeigerufene Arzt konstatierte, daß das Mädchen vergiftet sei. Wie es sich nun herausstellte, batte Wetter Strychnin in das Bier ge- than. Das Mädchen schwebt in Lebensgefahr. Wetter ist geflüchtet.
* Berlin, 26. Dez. Das Weihnachtsfest ist in der deutschen Kaiserfamilie, die vollzählig im neuen Palais bei Potsdam versammelt war, in der althergebrachten Weise begangen worden. Zur Erhöhung der Freude trug es bei, daß die Kaiserin von ihrer jüngsten Unpäßlichkeit gerade zum Feste vollständig wieder genesen ist. Der Kaiser nahm Freitag mittag den Vortrag des Staatssrkretärs des Aeußeren von Bülow entgegen. Nachmittags um 4 Uhr fand im neuen Palais das Weihnachtsdiner statt, an welches sich um 5 Uhr die Bescheerung im Muschelsaale anschloß. Am ersten Feiertage besuchte der Kaiser die Kircke, ebenso am Sonntag.
Melitta war Volkmanns erste, einzige Liebe; von Natur aus ernsten Sinnes, hat er sich immer nur mit seinen Studien und Arbeiten beschäftigt und Damengesellschaft, wenn auch nicht gerade gemieden, so doch auch nie gesucht. Ruhig und kalten Herzens war er seine Bahn gewandelt, bis ihm die liebliche Mädchenerscheinung in den Weg trat.
Wie ein Blitzstrahl vom Himmel kam der zündende Funke in Volkmanns Herz, Melitta sehen und lieben war fast eins — und diese Liebe wurde täglich stärker, täglich inniger, er hätte die größten Opfer bringen mögen, um sich den Besitz des geliebten Mädchens zu sichern, er hieß es sein höchstes Glück, Melitta sein Weib nennen zu dürfen, aber mit dem gesicherten Besitz kam auch eine brennende Eifersucht in sein Herz.
Das holde Geschöpf war sein, sollte auch ungeteilt sein bleiben; es that ihm in der Seele weh, zu sehen, daß andere ihr huldigten.
Er schalt sich selbst einen Thoren, einen Egoisten, er sagte sich aber- und abermals, daß Melitta ihn liebte, daß sie ein treues, braves Weib sei, und trotz alledem konnte er die bitteren Empfindungen nicht unterdrücken, die ihn beschlichen, wenn er Melitta mit einem andern lachen und scherzen sah. Zuweilen schon hatte er sich gefragt, ob Melittas Herz noch unberührt gewesen sei, als er sie kennen gelernt, ob er auch ihre erste einzige Liebe, so wie sie die seine, sei. er war sich die Antwort darauf schuldig geblieben, denn es fehlte ihm der Mut zu einer solchen Frage, er fürchtete ein „Nein" hören zu müssen, da wo er doch so heiß ein „Ja" gewünscht hätte. (Forts, f.)
MM" Das nächste Blatt erscheint morgen Mittwoch nachmittag. Inseraten - Aufgabe bis spätestens 10 Ubr vormittags erbeten.