* Stuttgart, 18. Novbr. (Evangel. Landessynode.) Das Reversaliengesetz umfaßt sieben Paragraphen. Der grundlegende derselbe ist, wie in letzter Nr. mitgeteilt, nach viertägiger Redeschlacht zu Stande gekommen. Heute wurden die übrigen sechs durchberaten und nach dem Entwurf angenommen. Artikel 2 regelt die Geschäftsordnung der Kirchenregierung. Art. 3 handelt von der Berufung von Ersatzmännern. Herr Haag's Antrag, durch welchen das Uebergewicht des Konsistoriums vereitelt werden sollte, wurde besonders von Rektor Egelhaaf unterstützt, welcher ferner eine dreijährige Tagung der Synode und einen größeren Einfluß derselben auf den kirchlichen Haushalt verlangt. Präsident v. Gemmingen erwidert, die Synode habe auf eine weitere Ausdehnung ihrer Machtsphäre weder einen rechtlichen noch verfassungsmäßigen Anspruch. Der Antrag Haag wird mit 38 gegen 17 Stimmen abgelehnt. Artikel 4 enthält den Wortlaut des Eides für die Mtglieder der Kirchenregierung. Wird debattelos genehmigt. Artikel 5 bestimmt u. a., daß die niederen Kirchenstellen (Stadtpsarrer und Pfarrer) durch das Konsistorium besetzt werden sollen. Gegen diese Bestimmung wandte sich namentlich wiederum der ge- sprächige Herr Haag, welcher glaubt, daß das Ansehen des Klerus unter diesem Gesetze notleiden könnte. Da Haag mehrmals das Wort ergreift, sieht sich der Präsident veranlaßt, den Redner zur Kürze zu ermahnen. Auch Regierungsrat Wendel hat aus dem Munde vieler Pfarrer gehört, daß sie die Ernennung durch das Konsistorium als eine Degradierung empfinden würden. Es ist inzwischen ein Schlußantrag eingelaufen. Oberregierungsrat Haag verwahrt sich feierlich gegen den Schluß, worauf der Präsident ihn auffordert, sich mit seinen Aeußerungen in Acht zu nehmen. Der Schlußantrag wird angenommen. Der Kultminister v. Sar- wey macht darauf aufmerksam, daß Herr Haag sich habe zahlreiche Widersprüche schon zu Schulden kommen lassen. Das Ansehen der Geistlichen beruhe nicht auf äußerem Glanz. Hierauf wird der Antrag Haag mit 44 gegen 10 Stimmen abgelehnt. Artikel 5 wird nach dem Kommissions-Antrag genehmigt, ebenso die Schlußartikel 6 und 7. Damit ist die erste Lesung beendigt. — Es liegen jetzt die Anträge der Kommission für ökonomische Gegenstände der Landessynode betr. die Gehaltsverhältniffe der evangelischen Geistlichen vor. Dieselben, mit 8 gegen 1 Stimme gefaßt, lauten: Die Synode wolle erklären, 1) sie erachtet es für notwendig, den Durchschnittsgehalt eines Pfarrers auf 3200 Mark zu bringen; auch für dre Dekane erachtet sie eme Erhöhung für geboten. 2) Sie ist einverstanden, daß anstatt des bisherigen Stellengehaltssystems das Vorrückungssystem nach dem Dienstalter eingeführt wird, durch Schaffung von drei Klassen von Anfangsund Grundgehalten, auf denen ein System von Alterszulagen aufzubauen wäre. 3) Als Jnterkalargefäll ist der Durchschnittsgehalt der betreffenden Kategorie zu betrachten. 4) Die Verpachtung und Beaufsichtigung der Pfarrgüter wird empfohlen, den Diözesan-Kommissaren, den Einzug der Pachtgelder den Kirchenpflegern zu übertragen. 5) Für die Fruchtbesoldungsentschädigungen soll ein mehrjähriger Durchschnittspreis maßgebend sein. 6) Das Naturalbezugsrecht auf Holz soll den Geistlichen gewährt werden. 7) Es wird ferner die Ablösung der Stolgebühren gewünscht und daß für die
eine gute Ernte stand in Aussicht, und so sah er mit erneuter Hoffnung der Zukunft entgegen.
Melitta reiste fröhlichen Herzens mit ihm ab. Kon- rad hatte versprochen, wenn eine Besserung im Befinden des Kranken einträte, Nachkommen zu wollen, das war ihr genug und so betrat sie denn mit heiterer Stirn und lächelnden Lippen die Schwelle des Lindenhofes, den sie vor Jahresfrist verlassen hatte. Die Großmama war sich gleich geblieben; kalt, lieblos wie immer.
Melitta kümmerte sich wenig darum; sie war den ganzen Tag im Freien, suchte alle ihre alten Lieblings- Plätzchen auf, um zu träumen und an die Zukunft zu denken, die sie im rosigsten Lichte vor sich sah.
Von Konrad kamen zuweilen Nachrichten; mit dem Kranken stand es etwas besser, und er gab der Hoffnung Raum, Melitta vom Lindenhof abzuholen und im günstigsten Falle dort einige Tage zubringen zu können. Die Ferienzeit des jungen Mädchens ging nun zu Ende, und man sah täglich einer Nachricht Konrads entgegen, die seine Ankunst melden sollte, als plötzlich ein Telegramm eintraf, welches mit kurzen Worten anzeigte, daß der Sohn des Präsidenten gestorben sei.
„Da bleibt nichts anderes übrig, als daß ich mit dir in die Residenz fahre," sagte Onkel Oskar zu dem betrübten Mädchen. „Ich will es mir schon so einrichten, daß ich für einige Tage abkommen kann. Nun heißt es wieder frisch an die Arbeit, Kind; sei fleißig, der Erfolg wird dir nicht ausbleiben."
»Ich hoffe es, Onkel Oskar," sagte Melitta, stolz das Köpfchen hebend.
rotts in Untersuchung stand, hat sich in Kaufbeuren ! c
erhängt. — In Oberesse ndors erhängte sich der ! r
frühere Aschenmüller und Kornhändler I. B. Fürst I l von dort. Er soll die That in einem Anfall von i Schwermut verübt haben. — Die Stadtgemeinde ^
Gmünd hat den Hauber'schen Garten als Festplatz i
um den Preis von 135 000 Mk. erworben. »
* Karlsruhe, 19. Novbr. Heute früh hat sich <
der Sohn des Oberbaurats Schäfer durch zwei Schüsse i zu entleiben versucht. Sein Zustand ist nach ärztlichem s Befund ein hoffnungsloser. Auf einem hiuterlassenen < Zettel standen die Worte: „Liebe Eltern seit mir nicht ^ >
böse, ich kann nicht anders." Der 18 Jahre alte junge ! s
Mann war Architekt und studierte an der hiesigen ! r technischen Hochschule. ,
* Frankfurt a. M.,18. Nov. Der beim Postamt I l
beschäftigte Oberpostassistent Vogler ist gefänglich ein- ,
gezogen unter dem Verdacht. Briefmarken unterschlagen
zu haben. — In Wiesbaden ist ein Postgehilfe Hederich ! > verhaftet worden, der 10000 Mk. unterschlagen hat. !
Er hatte sich in einem Hause der Hermannstraße ver- ^ l
borgen. 1200 Mk. in Bar wurden bei ihm gefunden: ! j
er gab an, das übrige Geld im Walde vergraben zu ^ haben; als er wieder an den Ort gekommen sei, sei das Geld verschwunden gewesen. I
* Berlin, 18. Nov. Hiesige Blätter teilen im i
Wortlaut die Rede mit, die der Kaiser heute bei der < Vereidigung der Rekruten im Lustgarten gehalten hat. < Es sind bekannte Thatsachen und Wendungen, aber es ' s
ist immerhin interessant, sie einmal im Zusammenhang zu i !
lesen. Der Kaiser sagte: „Mit dem heutigen Tage l
begrüße ich euch als Soldaten meiner Armee, als l
Grenadiere meiner Garde. Mit dem Fahneneide habt >
ihr als deutsche Männer eure Treue geschworen, und ! zwar vor Gottes Altar, unter seinem freien Himmel aus
sein Crucifix, wie es brave Christen thun müssen. Wer kein braver Christ ist, der ist kein braver Mann und auch kein braver preußischer Soldat und kann unter ^ keinen Umständen das erfüllen, was in der preußischen Ui Armee von einem Soldaten verlangt wird. Leicht ist eure Pflicht nicht, sie verlangt von euch Selbstzucht Ä! und Selbstverleugnung, die beiden höchsten Eigenschaften L,' des Christen, ferner unbedingten Gehorsam und Unter- A j ordnung unter den Willen eurer Vorgesetzten. Aber Sg i ihr habt Beispiele vor euch aus eurer Heeresgeschichte. .! Tausende vor euch haben ihren Eid geschworen und «zi
gehalten, und weil sie ihn hielten, deswegen wurde K.i unser Vaterland groß und unser Heer siegreich und unüberwindlich. Weil sie ihren Eid hielten, steh'n eure i Fahnen vor euch mit Ruhm bekränzt und mit Ehren- Zeichen bedeckt und wo sie sich zeigen, entblößen sich f die Häupter und präsentieren die Regimenter. Vielen r von euch wird sich sicher Versuchung nahen in eurer ! Dienstzeit. Tritt sie an euch heran, sei es in sittlicher -o-! Beziehung oder sei es in eurem Verhältnis als Soldat, Ki i so weist sie von euch im Hinblick auf euren Fahnen- * ! ° eid, im Hinblick auf die Vergangenheit eurer Regi- menter, weist sie von euch im Hinblick auf euren Rock, der der Rock eures Königs ist. Jeder, der gegen den Rock des Königs etwas thut, dem stehen die schwersten Strafen in Aussicht. Haltet ihn so, daß die Welt und die, welche ihn nicht tragen, mit Achtung auf euch sehen müssen, und die, welche gegen ihn stehen wollen,
entstehenden Ausfälle die Staatskasse und die Gemeinden gemeinsam aufkommen. Den Kirchengemeinden soll freistehen, die anfallende Abfindungssumme durch Erhebung von Gebühren oder Umlagen aufzubringen. Für rein liturgische Akte sollen die Gebühren ganz wegfallen. 8) Die Auszahlung der Pfarrgehalte rc. wird auch künftig durch die Kameralämter gewünscht. 9) Es erscheint die Errichtung einer kirchlichen Besoldungskasse geboten. — Ein Kommissionsmitglied glaubt, daß die Einführung des Altersklassensystems noch lange auf sich warten läßt und wünscht einstweilen eine bessere Gestaltung des bestehenden Besoldungswesens. — Bei der ganzen Angelegenheit handelt es sich nur um Abgabe eines Gutachtens seitens der Synode. Die Kommision hält es selbst nicht für zweckmäßig, die Sache jetzt für die kirchliche Gesetzgebung in Anspruch zu nehmen. Die finanzielle Mehrleistung des Staates auf Grund der Vorschläge beziffert sich auf 435 000 Mk.
* Stuttgart, 19. Nov. (Evangelische Landes- synode). In nahezu 5stündiger Sitzung verhandelten heute die Synodalen über den Entwurf eines kirchlichen Gesetzes, betreffend der Christenlehrpflicht. In Gemeinden, in welchen die Aufrechterhaltung der Christenlehrpflicht für vier Jahrgänge der konfirmierten Jugend andauernd erheblichen Schwierigkeiten begegnet, ist der Kirchengemeinderat ermächtigt mit Genehmigung des evangelischen Konsistoriums den ältesten oder die zwei ältesten der vier Jahrgänge von dem Besuch der Christenlehre zu entbinden. Berichterstatter Pfarrer Keller hat einen Antrag eingebracht, daß die Verpflichtung zum Besuch der Christenlehre sich auf die Altersklassen der drei Jahrgänge nach der Confirmation erstreckt, daß aber in städtischen und Fabrikgemeinden der Kirchengemeinderat ermächtigt sei, für den ältesten Jahrgang eine Dispens zu erteilen, falls die Verhältnisse es bedingen. Pfarrer Dettinger will den Entwurf in der Weise ab- ändern, daß das evangelische Konsistorium ermächtigt ist, im Auftrag des Kirchengemeinderats die Dispens zu erteilen, er begründet dies damit, daß sonst das Ansehen des Konsistoriums geschädigt werde. An der Debatte, die im Ganzen einen friedlichen Charakter trug, beteiligten sich die Pfarrer Abel, Teichmann, Preuner, Stotz, Feucht, Gußmann, Leutze. Die Ansichten sind geteilt, doch neigt die Mehrheit den Ausführungen Dettingers zu; die Herren der Oberkirchenbehörde Präs, von Gemmingen, Prälat von San d- berger und Hofprediger Braun bitten, die Vorlage, so wie sie vom Kirchenregiment vorgeschlagen ist, anzunehmen. Bei der Abstimmung wird dann auch die Vorlage mit der Abänderung Dettinger mit 31 gegen 21 Stimmen angenommen. Der Antrag des Prälaten von Schw a r zko Pf „es sollen von der Kirchenbehörde Anordnungen für eine Entlaßfeier für den aus der Christenlehre ausscheidenden ältesten Jahrgang getroffen werden," wird nach kurzer Debatte mit großer Majorität abgelehnt.
* (Verschiedenes.) Bei der in Beutelsbach stattgefundenen Schultheißenwahl erhielten: Privatier Messerle 132, Buchhalter Westermeyer 91, Notar Sieger 25 und Schultheiß Wöhrle 2 Stimmen. — Die Eheleute Blocker in Heubach feiern dieser Tage ihre goldene Hochzeit. — Ein Gutsbesitzer aus der Nähe von Ulm, der wegen betrügerischen Banke-
Ein leises, spöttisches Lachen ertönte, die Groß-^ mama stand hinter ihnen. „Noch bist du nicht am Ziele," sagte sie zu dem erschrockenen Mädchen, „sei nicht so zuversichtlich, es kann noch anders kommen."
„Mutter," sagte Oskar in ernstem Tone, „du entmutigst das Kind durch solche Reden."
Die Rätin ließ sich langsam in ihren Lehnstuhl nieder; Melitta hatte das Zimmer verlassen.
„Ich mische mich nicht in eure Angelegenheiten," meinte Frau Wellendorf achsekuckend, „ich wollte dich nur warnen, das Mädchen wird keine Künstlerin, darauf gebe ich dir mein Wort."
„Aber um Himmelswillen, warum denn nicht! Melitta besitzt Talent, Fleiß und auch Ausdauer, warum sollte sie da keine Künstlerin werden?"
„Weil sie viel von dem besitzt, was Ihr Gefühl und Herz nennt; sie urteilt nie mit dem Verstände, sondern immer nur mit dem Herzen. Sie läßt sich widerstandslos von dem ersten Impulse fortreißen, ohne zu überlegen, ohne nachzudenken. Als wir noch in der Residenz lebten, habe ich viel mit Künstlern verkehrt und ich habe stets gefunden, daß sie wohl Phantasie, viel Lebenslust, aber wenig Herz besaßen. Sie alle nahmen das Leben von dessen schönster Seite und hatten nur das eine Ziel vor Augen, groß und berühmt zu werden, alles andere blieb ihnen Nebensache. Wohl gab es auch Schwärmer unter ihnen, welche sogenannter tiefer Empfindung fähig waren, sie sind verkommen und bald vom Schauplatze des Lebens verschwunden. Nehmen wir an, Melitta mit ihrem heißen Herzen, mit ihrem so empfänglichen Gemüt findet
jemand, den sie liebt, der ihre Liebe erwidert — Kunst, Beruf, Talent und wie alle diese schönen Dinge heißen mögen, werden mit einem Male nicht mehr für sie da sein; mit dem ganzen wilden Ungestüm ihres Naturells wird sie sich der neuen Leidenschaft hingeben, ohne mehr daran zu denken, ihr Ziel zu erreichen. Du weißt, was ich von diesen Naturen denke; Leute, die sich nur von ihrem Gefühle leiten lassen, besaßen niemals meine Sympathie, ich habe stets diejenigen vorgezogen, die der Vernunft, dem praktischen Verstände die erste Stimme einräumten, darum habe ich es auch Konrad niemals verzeihen können, daß er Minnas Hand ausschlug, jetzt könnte er ein reicher, angesehener Mann sein."
„Ich bitte dich, laß es genug sein von allen diesen Dingen," unterbrach sie Oskar rasch, „wir haben jeder unsere eigenen Ansichten über diesen Punkt. Wozu denn immer wieder die Vergangenheit heraufbeschwören!"
„Du hast recht," sagte die Rätin sarkastisch, „um so mehr, als die Dinge sich jetzt nicht mehr ändern lassen; der Besitz des Lindenhofes wird wohl nie etwa- anderes für uns sein, als eine schöne Hoffnung, die nie in Erfüllung geht."
Ein tiefer Seufzer hob Oskars Brust. „Lassen wir das," sagte er resigniert.
Melitta kehrte wieder nach der Residenz zu ihren Studien zurück; allein mit der früheren angenehmen Lebensweise war cs nun vorbei.
(Fortsetzung folgt.)