Nr. 44.

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

S3. Jahrgang.

Erscheinungsweise: S mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamtsbezirk

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Donnerstag, de« 21. Februar 1918.

v-zugSpr-s«In der Stadt mit LrSgerlohn Mk. 1.SS «iertelsShrNch, PoftbkjugSpreLS im Orrs- und Nechbarortsverkehr Mk 1LK. im tzernvertehr Mk. 1.VS. LesreVgeld in WürNewderg M Pfg.

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Eine neue Situation?

Die Ereignisse im Osten überstürzen sich. Während gestern im Verlaufe seiner Rede im Reichstag Staatssekretär o. Kühlmann den aufhorchenden Volksvertretern ver­künden konnte, daß die Petersburger Regierung, d. h. der Rat der Volkskommissare in Anbetracht der geschaffenen Lage ihr Einverständnis erklärt habe, mit den Abordnungen des Vierbundes unter den von ihnen in Brest-Litowsk verlangten Bedingungen einen allgemeinen Frieden zu unterzeichnen, meldet die oberste Heeresleitung, daß unsere Truppen sowohl in Esthland als in Wolhynien im Vormarsch begriffen sind. Nach dem Abendbericht würde Wenden, das etwa 80 Kilo­meter nordöstlich von Riga liegt, passiert, und im Süden sind sie im Vorriicken auf Nowno (80 Kilometer östlich von Luck).' Auch zwischen Dünaburg und Luck, also im Bereich der voraussichtlichen Westgrcnze Polens, sind unsere Divi­sionen in breiten Abschnitten vormarschiert. Was nun die Petersburger Regierung, von der man eigentlich nicht weiß, von welcher politischen Richtung sie jetzt vertreten wird, mit dem neuen bedingungslosen Friedensangebot bezweckt, ist icht- klar. Es tritt das immer stärker werdende Gerücht auf, die Maximalistenregierung sei gestürzt, und die Sozialrevo­lutionäre, also die Anhänger Kerenskis, seien wieder ans Ruder gekommen. Ob das zutrifft, muß die nächste Zukunft lehren. Welche Folgen ein solcher Systemwechsel für die Mittelmächte haben würde, ist nicht vorauszufehen. Kerenski wollte bekanntlich zusammen mit der bürgerlichen Linken den Krieg weiterführen, im Zusammenwirken mit den Alliierten, um einengerechten" Frieden zu erreichen, und war deshalb auch schon bei den Negierungen der Entente für eine Ae"8e rung der Kricgsziele eingetreten. Bezeichnend für die Vor gänge in Rußland ist die neue Stellungnahme der Alliierten zu Rußland. Es wird gemeldet, daß die Negierungen der Entente wieder Beziehungen zu den Maximalsten ange­knüpft hätten, weil sie eingeschcn hätten, daß die Russen keinen Frieden mit den Vierbundmächten schlichen wollen. Bemerkenswert ist. daß Amerika den Finnen mit Lebens­mitteln beispringcn will, und die englische Regierung jetzt erklärt, sie anerkenne die Ukraine als selbständigen Staat nicht. Daß die Alliierten natürlich die großpolni- sck'en Bestrebungen gutheißen, ist selbstverständlich. Man steht also, was da Im Gange ist. Die Entente tritt in Petersburg wieder für ein allrussisches Reich ein, das auch die Nandvölker umfaßt, weil diese ihre Neigung zum Frie- dcnsschsnß mit den Mittelmächten kundgegeben haben, und auch in wirtschaftlicher Hinsicht Anschluß an die Mittel­mächte sn-ben. Andererseits sucht sie sich auch bei den Fremd­völkern einznführen, und deren Interessen angeblich zu ver­treten. An dem Verhalten gegenüber der Ukraine kann man ab^r erkennen, wie die Entente das Celbstbestimmungsrecht aufsaßt, wenn die Unabhängigkeit eines Volkes nicht ihren Interessen entspricht.

Die Unsi-Herheit und die politische Schreckensherrschaft der Maximalsten scheint in allen von ihnen noch besetzten Gebieten der Frcmdvölker weiter zu bestehen. Es werden ernste Nachrichten von der Verfolgung der deutschfreundlichen und der gegenrevolutionären bürgerlichen Bevölkerung ge­meldet, die rin rasches Zugreifen unsererseits verlangen, wenn wir nicht unberechenbaren Schaden in politischer und wirUchastlcher Hinsicht erleiden wollen. Wenn die Ver­handlungen mit der Petersburger Regierung wieder ausge­nommen werden, so wird man natürlich in dieser Richtung Sicherheiten verlangen müssen. Daß man in leitenden Krei­sen an eine Weilerführung der Verhandlungen denkt, das geht schon aus der Tatsache hervor, daß Staatssekretär Kühl­mann. der zu den Verhandlungen nach Bukarest fahren woll­te, nunmehr in Berlin bleibt. Das wird man allerdings den Rüsten sofort klarmachen müssen, zu einer Verschleppungs- psltik werden unsere Unterhändler sich wohl kaum mehr -ergebe«.

Erneut« Friedensbereitschastscrkläruug der Petersburger Regierung.

(WTB.) Verl«, W. Febr. Staatssekretär von Kühl­mann verlas im Verlaufe seiner heutigen Rede im Reichs­tage nachstehenden Funkspruch der bolschewistischen Regierung in Petersburg an die deutsche Regierung.Der Rat der Volkskommissare steht sich veranlaßt, in Anbetracht der ge­schaffenen Lage sein Einverständnis zu erklären, den allge­meinen Frieden unter den Bedingungen zu unterzeichnen, die von den Delegationen des Vierbundes i« Brest-Litowsk gestellt wurden. (Hört, hört, auf allen Seiten des Hauses.) Der Rat der Volkskommissare erklärt, daß die Antwort auf die von der deutschen Negierung gestellten näheren Bedinun- gen unverzüglich gegeben werde." (Hört. hört, lebhafte Be­wegung im ganzen Hause.) Der Staatssekretär bemerkt hiezu, er möchte trotzdem davor warnen, zu glauben, daß wir den Frieden mit Rußland nun schon in der Tasche hätten. Der Friede mit Rußland fei erst da, wenn die Tinte unter dem Verträge trocken sei. (Lebhafte Lrwrga«» in, gcu.zc.c Hause.)

Die deutsche Antwort ans die spanische Note.

(WTB ) Paris, 21. Febr. (Agence Havas.) Der Temps" meldet, die spanische Negierung habe am 17. Febr. die Antwort auf ihre Note erhalten, die sie über die Ver­senkung derEiralda" nach Berlin geschickt habe. Man rlaubt, die deutsche Regierung habe sich grundsätzlich bereit erklärt, die spanische Küstenschisfahrt zu respektieren, verlange aber Bürgschaften dafür, daß die spanischen Fahrzeuge, die dieser Schiffahrt obliegen, keine andere Art von Verkehr ver­mitteln werden.

Staatssekretär v. Kühlmann sprach sich deshalb im Reichstag auch über das neue Angebot sehr zurückhaltend aus und warnte vor allzu großen Hoffnungen, denn der Funk­spruch des Rats der Volkskommissare stelle ein ganz unver­bindliches Dokument dar, aber auf eine Anfrage habe die Petersburger Regierung geantwortet, daß die schriftliche Bestätigung umgehend an die Linie geschickt werde. Der Staatssekretär gab aber doch trotz aller Zurückhaltung der Anschauung Ausdruck, daß der Frieden mit den Volks­kommissären durch den Friedensschluß der Ukraine, den jetzt ausgeübten militärischen Druck und durch das Scheitern ge­wisser Hoffnungen (Revolution bei den Mittelmächten) er­heblich besser geworden sei. Er empfahl dann das Friedens abkommen mit der Ukraine, das uns die dort vorhandenen lleberschüsse an Getreide, Futtermitteln und Nohstof'en sichere, den Reichstag zur Annahme. Die Vertreter sämt­licher bürgerlichen Parteien begrüßten den Abschluß des Vertrags mit der Ukraine, nur Herr Ledebour von den Un­abhängigen meinte, mit der Ukraine dürfte ein Frieden nur mit Uebereinstimmung des übrigen Rußland geschlossen wer­den, weil die Ukraine nur ein Teilstaat Rußlands sei. Auch die Polen protestierten wegen der Abtretung des Bezirks Cholm, aber der Staatssekretär des Auswärtigen bemerkte, daß die Verhandlungen unbedingt gescheitert wären, wenn man die ukrainischen Ansprüche noch mehr zurückgeschraubt hätte. Die polnischen Interessen habe man im Auge gehabt: die Grenzlinien gegen Polen seien nur im allgemeinen fest­gelegt, die nähere Feststellung sei einer Kommission zur Prü­fung Vorbehalten. Dabei könne man recht wohl noch zu einer Verständigung zwischen Polen und Ukrainern kommen, umsomehr als die Ukrainer der Bevölkerung das Recht gebe» wollen, über ihre Zugehörigkeit zu dem einen oder andern Staat selbst abzustimmeu. O 8.

Die österreichische Auffassung zur Lage im Ostru.

(WTB.) Wien, SO. Febr. Aus dem K. und K. Kriegs- pressequartier erfahren wir: Der Rat der Volkskommissar« hat die von den Vierbundmächten in Brest-Litowsk ausge­stellten Friedensbedingungen ohne jeden Vorbehalt ange­nommen. Die hiermit erzielte neue Wendung im Osten ist ausschließlich dem ohne Zögern erfolgten militärischen Vor­gehen gegen die großrussische Republik zu danken. Es ist selbstverständlich, daß diese militärisch« Aktion, welche bisher an den Fronten unternommen wurde, auf dem Einvernchme« der beiden Mittelmächte begründet war. Wenn bisher nur das Vorgehen deutscher Kräfte gemeldet wurde, io ergibt sich dies aus der Tatsache, daß das Schwergewicht der österreich­ungarischen Streitkräfte auf dem südlichen Teil der Ostfront liegt. Nördlich des Pripjet stehen nur deutsche Truppen, auch beiderseits der Bahn KowelNowno. Es waren zu« Stunde des Einsetzens nnr deutsche Verbände zur Verfügung. Ein Eingreifen unserer Truppen hängt lediglich von der ört­liche« Lage und der Kraftgruppierung ab.

Die Maximalistenregierung gestürzt?

(WTB.) Kopenhagen, 19. Febr. Politik n meldet ou» Wasa, ein hartnäckiges Gerücht, oas ober »--ch nicht bestätigt set, besage, daß die Bolschewistenregierung in Petersburg von den Sozialrevolutionären unter Tschernow gestürzt wurde. Lenin und Trotzky sollen nach Riga geflohen sein.

Frankreich und die russischen Staatspapicre.

Berlin. 21 Febr. DemBerliner Lokalanzeiger" zufolge legt die französische Regierung größten Wert darauf, eine Kammerdebatte Bber die gestern eingebraibten Kreditfe-de- rungen znc D-'ck"Ng dev kubischen Eoicpons zn verhii.'.- n, weil man von einer öffentlichen Erörterung, sowie durch die durch das Petersburger Friedensanerbieten entstanden« Wendung eine gesteigerte Verstimmung in Paris und in der Provinz befürchte.

England und die Ukraine.

Stockholm, 20. Febr. Ein Telegram aus Petersburg meldet, daß die englische Negierung laut Erklärung des eng­lischen Geschäftsträgers nicht geneigt ist, die Ukraine als selbständigen Staat, noch den von der Ukraine mit Deutsch­land geschlossenen Sonderfrieden anzuerkennen. Ist vorerst nicht nötig.

Der neue rumänische Ministerpräsident in Bukarest.

Berlin, 2t. Febr. General Averesku ist, wie demBer­liner" Tageblatt aus Wien mitgeteilt wird, in Bukarest eingetrosfen, um dort Verhandlungen zu führen, die mit der Bildung seines Kabinetts und den bevorstehenden Friedens- verhört nqcn in Zusammenhang stehen.

Die russischen Großfürsten an die Maximalsten.

Berlin, 21. Febr. Wie dem 'Berliner Lokalanzeiger" aus Haag berichtet wird, hat eine Anzahl russischer Groß­fürsten und Großfürstinnen eine Bittschrift an die Bolsche- wikiregierung gerichtet, sie möge der Familie des Exzaren gestatten, Tobolsk zu verlassen und nach Paris zu reisen. Sie erklären alle Gerüchte von Plänen zur Wiederherstellung der Monarchie für falsch und wollen auf jeden Thronanspruch verzichten.

Dle Lage auf den Krleassckauslntzm.

Die deutsche amtliche Meldung.

Breiter Vormarsch an der russischen Front.

(WTB.) Großes Hauptquartier. 20. Febr. (Amtlich.) Westliche» Kriegsschauplatz: An verschiedene« Stellen der Front Artillerie und Minenwr'serlamps. Größer« Erkundungsvorstöße, di« der Engländer westlichvo« Houthem, der Franzos« bei Jovincourt und nördlich »*» Reim» unternahm. Wurde« aLgewieje«.