* Stuttgart, 14. Okt. In der Besprechung des Hamburger Parteitages durch die hiesigen Sozial­demokraten kam es zu einer ziemlich lebhaften Kritik der Ansichten derGenossen" Schippel, Auer und Dietz in der Frage des Militarismus, d. h. der Be­waffnung. Dietz hat bemerkt: Unser alter Stand­punkt, dem heutigen Militarismus nichts zu bewilligen, werde auch künftig hochgehalten werden. Aber es sei auch die Ansicht berechtigt, daß man sich gegen die Feinde gewappnet halten müsse. Es sei nicht gleich- giltig, ob wir in einem eventuellen Kriege mit Ruß­land oder Frankreich mit den rückständigsten oder mit den besten Waffen ausgerüstet seien. Es wurde folgende Resolution angenommen:Die Sozialdemokraten Stuttgarts bedauern einzelne auf dem diesjährigen Parteitage gefallenen Aeußerungen, aus denen eine veränderte Stellung der Partei gegenüber dem Mili- tarismus gefolgert werden könnte. Der Standpunkt, daß dem heutigen Staat sowohl wie dem in ihm herrschenden Militarismus jeder Beweis des Vertrauens, und somit jeder Groschen und jeder Mann zu ver­weigern sei, soll nach wie vor der Standpunkt der Partei bleiben."

*Ellwangen, 14. Oktober. Die vor einigen Jahren in unserer Gegend vereinzelt ins Leben ge­tretenen Molkereigenossenschaften haben so starke Nach­ahmung gefunden, daß nunmehr fast in jedem Weiler sich ein solches Unternehmen befindet. Die Befürchtung, es werde dadurch die Milch verteuert werden, hat sich zwar nicht erfüllt, man kauft am hiesigen Platze nach wie vor 1 Liter Milch für 1012 Pfg., dagegen ist der Preis der Butter bedeutend in die Höhe gegangen, da die Bauersleute ihr Produkt nicht mehr selbst auf den Markt bringen, sondern fast allenthalben an den Molkereien sich beteiligen. Man kaufte auf dem hiesigen Wochenmarkt noch vor etlichen Jahren ein Pfund Butler für 6070 Pfg., nunmehr nicht unter 90 bis 100 Pfg. Für die vorwiegend Landwirtschaft treibende Bevölkerung unseres Bezirks bedeuten die Molkerei­genossenschaften freilich einen großen Vorteil. Der Bauer bringt jeden Morgen und Abend seinen Vorrat an Milch, den er gerade hat, dorthin, per Liter be­kommt er 68 Pf. und erhält die Magermilch wieder zurück, welche zur Fütterung der Schweine und Kälber sehr gut verwendbar sein soll. Die Hauptsache aber fft, der Lieferant kann auf eine allmonatliche sichere Bareinnahme rechnen. Im Interesse der Landwirtschaft und ihrer vielfachen Notlage ist diese Neuerung und finanzielle Besserstellung gewiß sehr zu begrüßen.

* Von der badischen Grenze, 14. Oktobsr. Mit den Arbeiten zur Vergrößerung des Bahnhofs in Pforzheim, dessen Geleise-Anlagen namentlich nach der württembergischen Seite hin sehr ausgedehnt werden sollen, wird voraussichtlich im kommenden Frühjahr begonnen werden. Die Bahn hat bereits das erforder­liche Gelände erworben.

* Der Sohn eines reichen Bürgers in Schorns­heim trug seit längerer Zeit eine schmerzhafte Ver­letzung am Fuße, die trotz aller Mittel nicht heilen wollte. In den letzten Tagen sollte nun dem Patienten aus seinem Körper ein Stückchen Fleisch ausgeschnitten und in die Wunde verpflanzt werden, welcher Vor-

Ja - - ein Findelkind, das man auf den Stufen des kleinen Bigallo in Firenzo ausgesetzt fand. Dabei ist sie stolz wie Luzifer seien alle Heiligen geprie­sen! und ein sprödes, träges Geschöpf, das ich nur aus Barmherzigkeit bei mir behalte."

Virgino schwieg und leerte langsam sein Glas, sich dabei sagend, daß das Mädchen in dem Haus seiner Mutter die fchönsten Tage wohl auch nicht verlebte. So sehr er feine Mutter lieb hatte, wußte er doch und hatte es auf seinen Wanderungen nicht vergessen, daß sie eine scharfe Zunge besaß und daß es kein Leichtes war, unter ihr zu dienen.

Und käme sie wohl jetzt auf Ersuchen wieder herunter?" fragte er endlich, von dem Verlangen er- griffen, das stolze, schöne Haupt wiederzusehen.

Da kennst du sie schlecht," gaben ihm seine Schwestern zur Antwort, gingen jedoch, um ihm zu Willen zu fein, an den Fuß der Bodenstiege und riefen. Allein Antwort erhielten sie nicht. Dabei schlief Umilta keineswegs. Sie hörte ihr Rufen nur zu gut.

Netta Sari, die auch in der Küche faß, war sicht­lich übelgelaunt. Sie war ein hübsches Mädchen mit regelmäßigem Gesicht, dicken rotbraunen Flechten und lebhaften blauen Augen, und sie hatte so lange mit Sehnsucht auf Virginia Donaldis Heimkehr gewartet, war sie auch, als er das letzte Mal fortging, erst fünf­zehn Jahre alt gewesen, indes Mädchen sind, wo immer die Olive gedeiht, entwickelter mit fünfzehn Jahren. Und der Soldat hatte zu häufig mit ihr getanzt um ihrem Herzen Ruhe zu lassen und seine Schwester hatten sie auch schon stets mit ihm geneckt

nähme sich aber der junge Mann entschieden weigerte. Auf Anfordern erklärte sich ein Handarbeiter bereit, einen Fleischausschnitt an sich vornehmen zu lassen, was auch geschah. Die Wunde verheilt jetzt günstig und erhielt der Handarbeiter für seine opferbereite That von dem Vater des Patienten ein Geschenk von lOOO^Mark.

* Sachsens Volksschullehrer werden bald die beste Ausbildung unter allen deutschen Volksschullehrern empfangen. Es ist im Plane, den jetzigen 6jährigen Lehrgang in einen 7jährigen umzuwandeln und zur jetzt schon gelehrten lateinischen Sprache noch die französische als Lehrgegenstand aufzunehmen.

D Nach Schluß der Sächsich-Thüringischen Industrie- und Gewerbe-Ausstellung wird der Luftschiffer Louis Godard mit seinem Ballon, der während der Ausstellung als Fesselballon diente, die Reise nach Paris unternehmen, ein Vorhaben, dem man mit großer Spannung entgegensetzen darf. Der Fassungsgehalt des Riesenballons beträgt 3254 Kubikmeter bei einem Durchmesser von 18 Meter, einem Umfange von 58 Meter, einer Oberfläche von 1063 Quadratmetern und einer Angriffsfläche des Windes von 266 Quadrat­meter. Die Fahrt im Luftraum ist auf mindestens 24 Stunden angesetzt, während die längste bisherige Fahrt, die von Rollier, nur 22 Stunden 24 Minuten betrug. Als höchste zu erreichende Höhe sind 4500 Meter in Aussicht genommen. An der Fahrt nehmen zwei Luftschiffer, fünf freiwillige Passagiere und ein Ver­treter der Presse teil.

* Berlin, 14. Okt. DieBörsenzeitg." meldet: Von einem Berliner Lager sind gestern 2200 Tonnen Weizen nach Frankreich und zwar, wie dieBörsen­zeitung." hört, nach einer Mühle in Lille via Dün­kirchen gesand worden, nachdem die Ware hier vom Käufer besichtigt worden war. Es ist eine Reihe von Jahren her, daß über einen Export von Berlin nach dem Innern von Frankreich berichtet werden konnte.

* Berlin, 15. Okt. DerPost" zufolge ist es dem ans Paris zurückgekehrten Reichskommissär für die Pariser Weltausstellung gelungen, eine Erweiterung des dem Deutschen Reiche ursprünglich bewilligten Platzes für eine Reihe von Abteilungen zu sichern.

* Berlin, 15. Okt. Aus Kiel wird gemeldet: Auf der von Krupp übernommenen Germaniawerft sollen nach Beendigung der großen Neuanlagen zum Kriegs­schiffbau mehrere Tausend Arbeiter neu eingestellt werden.

ss (Von unserer Marine.) Die Kaiserwerft in Kiel hat nunmehr den Auftrag erhalten, den Bau des neuen Panzers erster KlasseErsatz König Wilhelm" auszuführen. Mit den Vorbereitungen zur Kiellegung wurde bereits begonnen. Das neue Schiff wird in denselben Dimensionen wieKaiser Friedrich III." erbaut.

* Coblenz, 14. Okt. Heute abend brach in den Oekonomiegebäuden des städtischen Hospitals Feuer aus, das die Ställe und Vorratsräume zerstörte.

* Naumburg, 15. Okt. Ein Militärzug mit Rekruten für das Gardekorps stieß gestern abend auf einen im Bahnhof Naumburg haltenden Güterzug. Der Militärzug blieb unbeschädigt. Die 7 letzten leeren Wagen des Güterzugs sind beschädigt, drei davon ent­gleisten. Die Schuld trägt der Lokomotivführer des

und zu ihr lachend gemeint:Wart' nur ! Wenn erst Virginio nach Hause kommt!" Und nun war Virginio zu Hause und dachte nur an diese Trovatella!

Netta, die seinetwegen und weil sie einen einfachen Bauernburschen nicht zum Mann nehmen wollte, unver­heiratet geblieben war, fühlte sich betrogen und bitter gekränkt, wie sie stumm mit ihrer Perlenkette spielte, der Doppelreihe großer, kostbarer Perlen, um die sie ein jedes Mädchen in dem Dorfe beneidete.

Inzwischen ging Umilta m ihr schmales Bett, sah, wachgehalten von dem Lärm unten, die Fledermäuse an ihrem Fenster vorbeiflattern und träumte, als sie endlich einschlief, von einem gekrönten König, der sie in einem goldenen Wagen als Königsbraut abholen kam.

Um vier Uhr früh am nächsten Morgen weckte das Blöcken des Viehes unter ihr die Schläferin schon wieder auf. Am Horizont zeigte ein breiter, rosiger Streif die Nähe des Sonnenaufganges an.

Und als sie, an ihre Tagesarbeit gehend, die Stiege hinunterschritt, merkte sie es, daß heute gar Signora Rosa noch nicht auf war und noch nicht mit den andern Mädchen zankte; doch als sie die Tbür der Küche aufstieß, erblickte sie dafür die Hobe, gerade Gestalt Virginia Donaldis auf der Schwelle vor sich stehen.

Guten Morgen, Signorina Umilta," sagte der Soldat, zog seine Mütze und nahm die Zigarre aus seinem Mund.

Und Umilias Herz hüpfte, sich selbst zum Trotz, doch dabei hoch.

Niemand hatte Umilta vorher je Signorina ge-

Militärzugs, welcher das Haltesignal nicht beachtet hatte.

Ausländisch,».

D Im österreichischen Abgeordnetenhause ge- langten am Donnerstag die Ministeranklagen zur Ver­handlung. Die Obstruktion setzte mit namentlichen Abstimmungen in allen formellen Fragen ein, wodurch die Debatte um 3 bis 4 Stunden hinausgeschoben wurde. Die Mandatsniederlegung Jros und der vier- wöchige Urlaub wurden viel besprochen. Jro erklärte in der betreffenden Zuschrift, er lege sein Mandat wegen des parteiischen Vorgehens des Mißbilligungz- Ausschusses nieder. Die Opposition wird versuchen, das Ausgleichs-Provisorium mit Ungarn mit allen Mitteln zu verhindern.

* Budapest, 15. Okt. Der deutsche Kaiser hat seinem in Kaschau stationierten 34. Infanterieregiment 333 Eßbestecke und die Uniform des verstorbenen früheren Inhabers des Regiments übersendet. Aus Anlaß der beiden Geschenke wird am Sonntag eine große militärische Feier veranstaltet.

* In Basel beabsichigt man, ein Krematorium zu errichten und vom nächsten Jahr an in Betrieb zu nehmen. Die Einäscherung soll 3050 Fr. betragen, das Gebäude mit der Einrichtung kommt auf 90000 Fr. zu stehen. Der Regierungsrat hat das Reglement über die Feuerbestattung bereits angenommen.

* Paris, 14. Okt. In der Pariser Warenbörse fand abends ein Bankett statt, das die Pariser Groß­händler veranstaltet haben, um Faure's Rückkehr aus Rußland zu feiern. Faure hielt eine Rede, in der er erklärte, er sei glücklich, sich unter den Vertretern der Arbeit zu befinden, aus deren Reihen er hervor­gegangen sei, was ihn stets mit Stolz erfülle. Faure sprach hierauf von der patriotischen Genugthuung, die die Nation über die Worte empfunden habe, die zwischen dem Kaiser von Rußland und dem Präsi­denten der Republik ausgetauscht worden feien. Die französische Demokratie danke diese erfreulichen Resul­tate ihrer Besonnenheit und ihrem politischen Geiste. Faure ging dann zu den Aufgaben des Handels über und konstatierte, daß ein Zeitabschnitt begonnen habe, der endgiltig den Platz bestimmen werde, den die Nationen des alten Europa in der Welt einnehmen. Neue Länder würden fortwährend erschlossen. Faure fordert den französischen Handel auf, ohne einen Augen­blick zu verlieren, sich zur Eroberung der neuen Märkte aufzumachen, im Auslande Handelsniederlassungen zu gründen, Auswanderung mit Kapitalien zu begünstigen, sich nicht von den ausländischen Konkurrenten den Vorrang ablaufen zu lassen. Die private Initiative müsse vorangehen. Der Staat werde sie im Ausland nach Kräften unterstützen. Ueberall, wo ein Franzose sei, da sei Frankreich. Faure forderte den französischen Handel auf, bei der bevorstehenden Weltausstellung, bei der alle Nationen in bewundernswertem Wettstreit einen breiten Platz fordern, Frankreich ruhmvoll und siegreich zu vertreten.

* London, 15. Oktober. Die Times meldet aus Konstantinopel vom 13. d. M.: Seit dem 6. Oktober sind keine Truppen nach Thessalien gesandt worden, doch erwarten 4 bedeutende Transporte Befehl, dahin abzugehen. Der türkische Kciegsminister erklärte, die

nannt. Gleichwohl dankte sie auf Virginias Gruß nur mit einem leichten, kalten Nicken des Kopfes und ging steif an ihm vorbei zu ihren Kühen und Ziegen.

Kann ich dir helfen?" fragte Virginio.

Ich brauche keine Hilfe," erklärte Umilta un­freundlich, worauf Virginio, des Korbes, den er be­kommen, nicht achtend, sich daran machte, mit der Mistgabel in der Hand den Stall auszuräumen.

Umilta ließ ihm den Willen und kümmerte sich um ihn nicht.

Bist du böse?" fragte er einmal, wie er innehielt.

Du kannst hier thun, was du willst. Du bist der älteste Sohn," gab sie ihm mit leichtem Achsel­zucken zur Antwort.

Virginio lachte und fegte weiter.

Ich habe die alte Arbeit noch nicht verlernt," sagte er nach einer Weile.Ich wäre froh, wenn ich erst ganz nach Hause kommen könnte."

Umilta warf ihm einen erstaunten Blick zu. Sie sagte nichts, aber es schien ihr unverständlich, daß jemand ein stolzer Soldat sein und den Wunsch hegen konnte, wieder in die schlichte Heimat zurückzukehren und ein Bauer zu werden; indes sie wußte, fast alle thaten dies so, und übrigens mochte sie sich auch nicht mit Virginio Donati in ein langes Gespräch einlassen.

(Fortsetzung folgt.)

* (Kindlich.) Die kleine Anna (nachdem ihr Mama die Geschichte von Wilhelm Tell erzählt hatte): ...... und wer hat den Apfel gegessen?"