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Sonntag, 30. Mai
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1897.
Deutscher Reichstag.
* Berlin. 22. Mai. Heute beschäftigte sich der Reichstag mit der Weiterberatung über die Handwerker- Vorlage. Abg. Schneider (fr. Vp.) hatte zum Z 100 a einen Antrag eingebracht, wonach die Mitteilung betr. die geplante Einrichtung einer Zwangsinnung nicht nur durch ortsübliche Bekanntmachung, sondern auch durch besondere Mitteilung den Interessenten bekannt gegeben werden soll. Abg. Richter verlangte namentliche Abstimmung. Der Hammelsprung ergab die Anwesenheit von nur 161 Abgeordneten; das Haus war also nicht beschlußfähig, die Sitzung wurde geschlossen und die nächste auf 1 Uhr 50 Min. anberaumt. Die zweite Sitzung um 2 Uhr begann mit nochmaliger Abstimmung über den Antrag Richter, die bei 178 Anwesenden wieder die Beschlußunfähigkeit des Hauses ergab. Für den Antrag hatten 65, gegen ihn 113 Abgeordnete gestimmt. Der Präsident mußte wieder die Sitzung adbrechen und eine neue, dritte, auf 2^2 Uhr anberaumen, auf deren Tagesordnung er diesmal den Servistarif setzte. In der dritten Sitzung wurde zunächst über die in der Kommission über die Regierungsvorlage hinaus vorgeschlagenen Klassenerhöhungen der Orte beraten. Das Haus folgte allen Vorschlägen der Kommission. Zu längerer Debatte führte ein Antrag um Versetzung der Stadt Köln in die Klasse ; er wurde abgelehnt.
* Berlin, 24. Mai. Die in der heutigen Sitzung fortgesetzte Beratung des Servistarifs ergab nach kurzer Debatte die Annahme desselben. Hierauf wurde die Beratung des Handwerksgesetzes fortgesetzt und der zum H 100 s, vom Abg. Richter emgebrachte Antrag, der am 22 d. zu dem Zwischenfall geführt hatte, gegen die Stimmen der Freisinnigen, Sozialdemokraten und Nationalliberalen abgelehnt. Tue Debatte wurde bei Z 1001 wieder unterbrochen, da Abg. Richter für ihn namentliche Abstimmung beantragt hatte. Es entspann sich hierüber eine heftige Geschäftsordnungsdebatte. Das Haus setzte es durch, daß die Namen derer verlesen wurden, die den Antrag auf namentliche Abstimmung unterzeichnet hatten; es befand sich eine Reihe Anwesender darunter. In der Abstimmung stimmten 205 Abgeordnete; 143 mit Ja, 62 mit Nein. Das Haus war also beschlußfähig. Bei der namentlichen Abstimmung über ß 100 i fehlten 6 Stimmen an der beschlußfähigen Zahl; die Sitzung mußte nun abgebrochen werden. — In einer zweiten Sitzung wurde dann die erste Lesung der Konfektionsvorlage vorgenommen. Die Vorlage wurde nach kurzer Debatte an eine Kommission verwiesen.
WSrtteMdergischer Landtag
Kammer der Abgeordneten.
* Stuttgart, 25. Mai. (137. Sitzung.) Tagesordnung: Etat der Verkehrsanstalten. Das Haus tritt in die Generaldebatte ein. Berichterstatter ist Vizepräsident Dr. Kiene. Redner hebt in ausführlicher Weise die übersichtlichere und durchaus klare Anordnung des Etats hervor, die sich vorteilhaft abhebe von der früheren Form desselben. Die ständische Arbeit sei dadurch sehr wesentlich erleichtert, der Ueberblick viel einfacher. Dasselbe Etatsschema sei in Preußen und Bayern ebenfalls eingeführt worden. Das Eisenbahnnetz habe seit der letzten Etatsberatung um 32,78 üm zugenommen, der Reinertrag sei für das 1. Jahr auf 15 165 000 Mark, für das 2. auf 15 216000 Mk. angenommen worden. Die besseren finanziellen Resultate seien einerseits der Verkehrssteigerung, andererseits der sparsamen und wirtschaftlichen Geschäftsführung der Eisenbahnverwaltung zu danken. Die Finanzkommission ist im großen und ganzen zur Empfehlung der eingestellten Etatspositionen gekommen. Redner bespricht sodann einige verkehrstechnische Punkte allgemeiner Art. Die Eisenbahnverwaltung habe verschiedenen Wünschen entsprechend eine Statistik über die dienstfreie Zeit des Bahn
personals gegeben, über welche Redner die wichtigsten Punkte mitteilte. Mit dem Standpunkt der Eisenbahnverwaltung in dieser sozialen und humanen Beziehung könne man zufrieden sein. Auch die Sistierung von Güterausladungen an kirchlichen Feiertagen sei verfügt worden. Ebenso sei den Anforderungen betr. den Nahverkehr Genüge geleistet worden. Dis Eisenbahnverwaltung stehe hier auf der Höhe der Zeit. Es gebe auch keine Schnellzüge mehr in Württemberg ohne Wagen 3. Klasse. Redner fragt sodann an, ob nicht ein Eisenbahnreservefond angelegt werden sollte und könnte, welche Forderung er eingehend begründet. Der Ministerpräsident Labe vor 2 Jahren ein diesbezügl. Gesetz in Aussicht gestellt. Die Tarife sind noch die alten, da einer Aenderung zur Zeit noch verschiedene Schwierigkeiten entgegenstehen. Eine allgemeine Herabsetzung müsse abgesehen von dem internen Verkehr im Zusammenhang mit den angrenzenden Staaten erfolgen. Als Ziel ist jedoch die Tarifherabsetzung anzustreben. Das ist die Ansicht der Mehrheit der Kommission. Die Einführung der badischen Kilometerhefte wäre zweckmäßig, bezw. die Verlängerung der Landeskarten. Auch den Gütertarifen müsse Aufmerksamkeit geschenkt werden, da dieselben die doppelten Einnahmen liefern gegenüber dem Personenverkehr. Nicht außer Acht lassen dürfe man die Einwirkung der Gütertarife auf die einheimischen Produktions- und wirtschaftlichen Verhält-! nisse. Der Stückgutverkehr sollte im Interesse des Mittelstandes billiger werden. Die Tarife sollten im Gesetzgebungsweg festgelegt werden, d. h. die Maximalsätze. Redner regt an, ob die Regierung nicht bei Aenderung von Tarifen den Ständen Kenntnis und Gelegenheit zur Aussprache geben wolle. In längeren Ausführungen verbreitet sich Redner über die Umgestaltung des Nahverkehrs. Die in dieser Richtung von Dr. Mülberger vorgeschlagenen Reformpläne seien gut gemeint, aber nicht durchführbar. Schließlich bespricht Redner noch die eingeführte Bahnhofsperre auf dem Stuttgarter Bahnhof, über die Gründe hierfür werde die Regierung sich wohl äußern. Es werde wohl ans dienstlichen und örtlichen Gründen geschehen sein. Die Absperrung des Bahnhofs von Drehscheiben sei sehr hinderlich und sollte aufgehoben werden. — Redner hatte gerade zwei Stunden gesprochen. — Ministerpräsident Frhr. v. Mittnacht: Der Vorredner habe das Etatsschema und die Zahlen des Etats sehr eingehend behandelt. Die Verhältnisse seien als sehr befriedigend anzusehen. Die Rechnungsergebnisse pro 1896/97 seien gleichfalls günstig. Der Reinertrag für dieses Jahr beträgt über 17 Millionen Mk., nach Verzinsung der Eisenbahnschuld bleiben noch übrig ca. 400000 Mk. Die finanzielle Lage der Eisenbahnen habe sich also sehr wesentlich gebessert, was von der Verkehrssteigerung herkomme. Der Verkehr bleibe sich nicht immer gleich, sondern sei stets Schwankungen unterworfen. Der Minister giebt sodann einen Ueberblick über dre finanziellen Ergebnisse in anderen Staaten. Andere Staaten machen mit ihren Eisenbahnen noch bessere Geschäfte. Eine allgemeine Verbilligung von Tarifen, wie sie die Reformen verlangen, würden ganz zweifellos 2—3 Millionen Mindereinnahmen ergeben. Die Verminderung der Gütertarife sei übrigens wichtiger, als diejenigen der Personentarife und bezüglich der elfteren müsse Württemberg den anderen Staaten sich anschließen. Da könne jedenfalls Württemberg nicht auch gleichzeitig die Personentarife herabsetzcn. Eine thunlichste Vereinfachung der Personentarife strebt auch die Regierung an, Württemberg kann aber hier nicht einseitig Vorgehen. Redner giebt einen Ueberblick über die Einnahmen aus Landeskarten, Arbeiterkarten, Fahrscheinheften u. s. w. Die Landeskarten werden beibehalten werden, eine Ausdehnung dieses Systems ist zur Zeit nicht beabsichtigt. Die badischen Kilometerhefte werden gleichfalls nicht eingeführt werden, da dieses System verschiedene Nachteile im Ge-
folge habe. Auf den Nahverkehr werde seitens der Eisenbahnverwaltung bereits die größte Rücksicht genommen. Die Tarife werden hier noch herabzusetzen sein, deshalb bestrebe man sich jetzt schon, den Betrieb billig zu gestalten. Es werde noch dazu kommen, daß die Taxen auf Haupt- und Nebenbahnen gleichgestellt werden, zur Zeit aber noch nicht. Der Reserve- fond, den der Berichterstatter verlangt hat, hat in einem Gesetzentwurf bereits Aufnahme gefunden. Die Anordnung der Sperre auf dem Stuttgarter Bahnhof hat der Minister genehmigt im Interesse der Ordnung. Der Präsident der Generaldirektion werde hierüber noch Näheres berichten.
* Stuttgart, 26. Mai. (138. Sitzung.) Tages
ordnung : Eisenbahnetat, Fortsetzung der Generaldebatte. Sachs (d. P.) spricht seinen Dank aus für die in den letzten Jahren getroffenen Maßnahmen zur Förderung des Nahverkehrs, namentlich für die Beschaffung von leichterem Betriebsmaterial. Leider sind aber die Wünsche nach einer Reform des Personentarifs noch nicht in Angriff genommen, obwohl die Notwendigkeit dazu von allen Seiten anerkannt ist. Die Ausnahmen beim Tarif sind bei uns zur Regel geworden. Wenn man eine Reise machen will, muß man geradezu Sachverständige zu Rate ziehen, auf welche Weise man die Reise am bequemsten und billigsten ausführen kann. Die Tarifwiffenschaft ist nachgerade eine Geheimwiffenschaft geworden. Man soll einen einheitlichen Grundtarif einführen und alle Ausnahmen beseitigen, ausgenommen etwa die Arbeiterund Militärbillete. Der Tarif müßte solche Sätze enthalten, welche den bisherigen Vergünstigungssätzen gleichkommen. Von den Landeskarten und Kilometerheften haben weite Kreise gar keinen Vorteil, ja die Interessen der ansässigen Gewerbetreibenden werden sogar durch sie beeinträchtigt. Was den Gütertarif anbelangt, so ist zuzugeben, daß»» eine Reform desselben nur in Verbindung mit^ey anderen Staaten vorgenommen werden kann. Man solle eine Verbilligung der Tarife schon unter dem dermaligen System ins Auge fassen, namentlich die Fahrpreise für die nächstgelegenen Stationen ermäßigen. Was die Petitionen der Eisenbahnbediensteten anbelangt, so wäre es wünschenswert, die Gehälter der niederen Bediensteten einer allgemeinen Revision zu unterziehen, namentlich des Fahrpersonals, der Vorarbeiter u. s. w. — Frhr. v. Gültlingen (fr. V.) erinnert an das Wort des verstorbenen Abgeordneten Retter von Ell- wangen, der einmal sagte: erst will jeder eine Bahn haben und dann auch noch umsonst darauf fahren (Heiterkeit). Der Redner wendet sich sodann gegen die Tarifzuschläge auf den Nebenbahnen und exemplifiziert dabei besonders auf die Verhältnisse bei der Bahn Nagold-Alten steig. Weiter plädiert Redner für die Errichtung einer Langholzladestelle in Altensteig. In Berneck möge man einen Bahnhof bauen. Ten Wiinscb nach vollständiger Frankierung des Expreßguts unterstütze auch er. Der Redner verbreitet sich dann noch über die Bahnsteigsperre in Stuttgart und bemängelt, daß der Zugang zum Perron nur durch die Wartesäle gestattet ist. — Hartmann (Volksp.) plaidiert für eine bessere Zugs-Verbindung Hall-Crailsdeim mit Rücksicht auf die Anschlüsse. (Schluß folgt.)
Larrd-Dnachrichttnl
* Altensteig, 28. Mai. Am Morgen des Himmelfahrtsfestes war die Witterung ziemlich günstig zur Wan- derung in Gottes freier Natur und es wurden auch zahlreiche Ausflüge unternommen. Der ev. Arbeiterverein machte einen Ausflug zur Burgruine Hornberg und Zwerenberg, der Radfahrerverein nach Freudenstadt und in's schöne Murgthal, während der Turnverein Calw unser Altensteig zum Stelldichein erkoren hatte. Auch einzelne Ausflügler machten zahlreich Besuche in den Nachbarorten oder ergingen sich in den schattigen Hallen des Waldes. Der Nachmittag