kommensteuerentwurf bestimmt wurden. Durch diese einstimmigen Beschlüsse der Kommission werden die weitschichtigen Arbeiten des Plenums wesentlich er­leichtert. Die Mitglieder der Bolkspartei knüpften an ihre Abstimmung die Erwartung und Bedingung einer Aushebung der Wohnsteuer.

8 Geislingen, 18. Mai. Im dichtbesetzten Sonnensaale hielt gestern abend Missionar Autenriet einen interessanten Vortrag über Kamerun. Der Redner hält Kamerun für die Perle der deutschen Kolonien. Wenn auch das tiefgelegene Küstenland durch sein heißes Klima, die vielen Sümpfe und Regengüsse ungesund sei, so sei dagegen das bis jetzt unerforschte, von ihm als dem ersten Europäer allein betretene gesunde, weil sehr hoch gelegene und dabei außerordentlich fruchtbare Hinterland mit seiner zahl­reichen Bevölkerung ein wichtiges kolonisatorisches Ge­biet, das wenn erst erschlossen eine wichtige Zukunft für Deutschland haben werde. Die Handels­bedeutung dieser schönen Gegend sei gar nicht zu unterschätzen, und der lavaartige Boden sei für Plan­tagenbau herrlich geeignet. Erst müsse aber die Christianisierung für die weitere Kultivierung dieses Gebietes bahnbrechend sein. Kamerun zählt bis jetzt 1600 Christen. Die Produkten-Einfuhr erreicht die Höhe von 5 Mill. Mk., wovon aber auf Deutschland selbst nur 2 Mill. Mk. entfallen.

* Eindringen, 14. Mai. Kronenwirt Dauch wollte seine Scheuer über dem Stall umbauen, ohne sein Vieh zu entfernen. Das alte Gebälk wurde ab­gebrochen und eine Giebelwand, eine dicke, alte Mauer, blieb größtenteils stehen. Heute früh um 9 Uhr, als die Zimmerleute beim Vespern waren und Dauch jr. eben den Stall auch verlassen hatte, stürzte die Giebel­wand plötzlich nach innen und erschlug 5 der schönsten Kühe, die sofort tot waren. Eine weitere Kuh brach den Fuß und mußte ebenfalls geschlachtet werden. 3 Pferde waren gerade auf dem Feld und 13 Stück Rindvieh sind ziemlich unverletzt davongekommen. Zum Glück ist kein Menschenleben zu beklagen.

* VomStromberg,17. Mai. Die Frostnächte haben den Weinbergen nur wenig geschadet; aber in der letzten Woche wurden die Hoffnungen auf einen reichlichen Ertrag bedeutend herabgestimmt, weil durch die naßkalte Witterung vielfach die Blüten­ansätze verhindert worden sind.

* (Verschiedenes.) Eine nicht geringe Unruhe bemächtigte sich am letzten Sonntag der Kirchenbesucher in Winterlingen, als während der Predigt ein Schuß fiel. Einem jungen Burschen, der einen Re­volver in der Tasche hatte, ging dieser unversehens los, wahrscheinlich weil er daran herumspielte. Die Kugel fuhr an einem anderen jungen Manne vorbei und blieb in einer Bank stecken. Dieser Tage wurde in Blaubeuren ein Ochse im Gewicht von ca. 1300 Pfund geschlachtet, in dessen Magen sich ein Taschenmesser mit geöffneter Klinge vorfand; die Spitze der Klinge war durch die Magenwand hindurch­gedrungen. Das Messer wird wahrscheinlich beim Füttern in den Futtcrtrog gefallen und so mit dem Futter in das Tier gekommen sein. InDettel - bach fiel eine 60jährige Frau mit einem 9 Monate alten Mädchen, das sie auf dem Arm trug, so un­glücklich die Treppe hinab, daß das Kind sofort eine

Leiche war, während sie selbst sich nicht unbedeutende Verletzungen am Kopfe zuzog. In Wachendorf wurde am Freitag nacht im Hause des Kaufmanns und Schultheißen Waldmann eingebrochen und aus einer Kommode eine Schatulle mit ca. 500 Mk. ge­raubt. Durch wiederholtes Geräusch aufmerksam ge­macht, schaute die Tochter des Hauses nach und sah eben die Diebe durch die Ladenthüre entweichen. Man glaubt zwei ortskundigen Handwerksburschen auf der Spur zu sein. In einer der letzten Nächte wurde in der Bahnhof-Restauration in Eutingen einge­brochen und Geld und Eßwaren gestohlen.

* Berlin, 17. Mai. Eine Wiener Depesche der Post" bestätigt, daß in Athen ein Komplott auf Er­mordung des Königs entdeckt worden ist. Zahlreiche Verhaftungen, darunter zwei italienische Anarchisten, sind vorgenommen worden.

* Die Budgetkommission des Reichstages bewilligte bei der Beratung des zweiten Nachtragsetats die ge- forderten 100000 Mk. zur Ausführung der Vorarbeiten für die Pariser Weltausstellung im Jahre 1900. Im ganzen sind nach der Kommissionsschätzung fünf Mil­lionen erforderlich.

* Holtenau, 18. Mai. Das kaiserliche Kanal­amt macht bekannt, daß der EwerJohannes" von Hamburg kommend gestern nachmittag 5^/z Uhr bei Kilometer 86 von dem DampferMimi" aus Kiel angerannt und leck gestoßen wurde. Die Besatzung rettete sich ans Land, worauf das Schiff sank. Der Kanalverkehr ist nicht gehindert.

Ausländisches»

* Wien, 16. Mai. Die Nachrichten aus dem Alpengebiet lauten trostlos. Die Regengüsse der letzten Tage verursachten Lawinenstürze. Viele Thäler sind überschwemmt. Alle Flüsse sind rapide im Steigen begriffen.

* Die aus dem Gebirge kommenden Zuflüsse der ungarischen Flüsse Samos und Aranyos sind durch das anhaltende Regenwetter stark angeschwollen. An Waldungen und Saaten ist durch Sturzbäche starker Schaden verursacht worden. Zahlreiche Mühlen wurden von den Wellen sortgerissen.

* Paris, 16. Mai. Die hiesige Presse geht gegen den Untersuchungsrichter sehr scharf vor, weil dieser erklärt hatte, er lasse die als Zeugen vorgenommenen Frauen und Mädchen nicht weiterreden, sobald diese über die schmachvolle Rolle der Männer bei dem Bazarbrand zu sprechen anfangen. Die Vetreter des starken Geschlechts, die während des Brandes ihre Kraft an den zum Tode erschreckten Frauen erpropten, werden übrigens aller Wahrscheinlichkeit ihrer verdienten Strafe nicht entgehen. Die Zeugenaussagen lauten so be­stimmt, daß eine gerichtliche Untersuchung trotz der ablehnenden Haltung des Untersuchungsrichters unver­meidlich werden dürfte. Die Staatsanwaltschaft hat die Pflicht, auf Grund der ihr zu Ohren kommenden Angaben über die vollbrachten schweren Körperver­letzungen eine Untersuchung anzuordnen, zumal es erwiesen ist, daß so manche Opfer nicht an den Brand­wunden, sondern infolge der erhaltenen wuchtigen Hiebe und Stöße verschieden sind. Den Anstoß zu

einer gerichtlichen Verfolgung, die alle Welt wünscht, dürften die Versicherungsgesellschaften geben, die in­folge der Katastrophe erhebliche Prämien zu zahlen haben werden. Diese erachten, daß ohne das brutale Vorgehen der Feiglinge des Bazars de Charitö viele Opfer noch rechtzeitig hätten gerettet werden können, und werden es sich deshalb ganz besonders angelegen sein lassen, die traurigen Helden ausfindig zu machen. Man darf also den Ausbruch des Skandals schon für die allernächste Zeit erwarten. Damit hängen offen­bar die zahlreichen Abreisen vornehmer Herrn aus Paris zusammen, die plötzlich eine große Reiselust befallen hat.

* Paris, 17. Mai. In einem Pachthof in Etam- pes verbrannten 8 herumziehende unbekannte Feld­arbeiter, welche in einem Strohschober ihr Nachtlager aufgeschlagen hatten, während des Schlafs.

* In Kandia entstand gestern ein großer Volks­auflauf vor dem Konak wegen der herrschenden Wassers­not. Es wurde verlangt, daß die Regierung Abhilfe schaffe, anderenfalls 10,000 Baschibozucks die Auf­ständischen (die die Quellwasserleitung abgeschnitten haben) in Archanos augreifen und alles dem Erdboden gleichmachen würden.

* Washington, 18. Mai. Mac Kinley sandte gestern eine Botschaft an den Kongreß, worin minde­stens 50,000 Doll, verlangt werden, um die hilfs­bedürftigen amerikanischen Bürger auf Cuba zu unterstützen und, wenn sie wünschen, deren Rückkehr in die Vereinigten Staaten zu ermöglichen. Der Senat nahm eine der Botschaft des Präsidenten ent­sprechende Resolution an, eine gleiche Resolution hin­gegen wurde vom Repräsentantenhaus« abgelehnt. Die Botschaft erwähnt Spanien in keiner Weise.

Der griechisch-türkische Krieg.

* Athen, 16. Mai. Die Regierung beschloß, die türkischen Forderungen als unannehmbar zurückzuweisen und die militärischen Operationen aufs eifrigste fort- zusetzeu. Gleichzeitig erhielt die Flotte strikten Befehl, die von türkischer Seite angeworbenen Kaperschiffe als Seeräuber zu behandeln. Bei Domokos finden heute heftige Kämpfe statt.

* Konstantinopel, 16. Mai. Die Unter­handlungen über Lieferung von 50 Millionen Mauser­gewehrpatronen und Artilleriemunition schweben. Eine Nachbestellung von Mausergewehren ist geplant.

* Wien, 17. Mai. In diplomatischen Kreisen bezeichnet man die Forderungen der Türkei als ab­sichtlich übertrieben, weil die Türkei wisse, daß die Mächte mit ihr über einen Nachlaß an ihren Forde­rungen verhandeln werden. Die von dem Sultan be­gehrte Zugestehung der früheren Landesgrenze werden die Mächte durchaus ablehnen und nur leichte Grenz­regulierungen bewilligen.

* Wien, 18. Mai. In einer Kollektivnote werden heute die Großmächte der Türkei die Unannehmbar­keit der Forderungen erklären und die geforderte Gebietserweiterung unter dem Hinweis ablehnen, daß die Pforte vor Beginn des Krieges selbst erklärt habe, keinen Gebietszuwachs anzustreben. Die geforderte Kriegsentschädigung beabsichtigen die Mächte auf ein Viertel herabzusetzen: ebenso wird dze gewünschte

Wenn dich die Lästerzunge sticht,

So laß dir dies zum Tröste sagen: Die schlechtsten Früchte sind es nicht, Woran die Wespen nagen.

Per wilde Lufch.

Erzählung von Reinhold Gehlhar.

(Fortsetzung.)

Der Kopf verschwand in der atemlosen Sülle, die ihrem Schrei folgte, hörte sie deutlich die lauter werdenden Stimmen:

Sie wacht."

Komm hinein gesehen hat sie dich doch so kannst du nicht weiter."

Und wenn sie uns verfolgen?"

Unsinn! Sie folgen uns nicht mehrsie haben unsere Spur verloren! Und hier vermuten sie uns am allerletzten!"

Das war Wilhelm wer war der andere?

Die Hausthür ging und wurde wieder verschlossen. Da stürzte Anna, im leichten Nachtkleid, wie sie war, hinaus in den Flur. An ihr vorbei drückte sich eines Mannes Gestalt in die Küche.

Die Eheleute standen sich gegenüber.

Wilhelm! Was hast du gethan?!"

Es war mehr eine schmerzliche Klage als ein Vor­wurf. Ihr Ton, so sanft bittend, wie er ihn lange nicht gehört, entwaffnele ihn.

Du hast dein Versprechen gebrochen was soll

nun werden?" Der starke Mann brachte kein Wort über die Lippen. Es war eine Weile still dumpf und schwül. Aus der Küche hörte man leises Wasser­plätschern.

Wilhelm!" begann sie wieder. Da zuckte sie auf es pochte jemand an die Fenster der Wohnstube.

O Gott, o Gott!" stöhnte das gequälte Weib auf. Schwankenden Schrittes ging sie hinein. Ihr Herz schlug hörbar in fliegender Angst.

Wer ist da?" fragte sie gepreßt, ihre Stimme gewaltsam zur Ruhe zwingend.

«Ich Karl Woltermann."

Was sollte sie thun? Es war ein verzweifelter Augenblick.

Mit Aufbietung aller Willenskraft öffnete sie das Fenster.

Ist Ihr Mann zu Hause?"

Was sollte sie sagen? Sie mußte die Helfers­helferin ihres Mannes werden, um ein Unglück zu ver­hüten.

Schon seit vorgestern nicht."

Sie sind noch auf?"

Ja, des Kindes wegen."

Es geht schlecht ?"

Ja, was ist geschehen?"

Ihr Vater traf mit Wilddieben zusammen."

Ist er verwundet?"

Nein. Er behauptet, es ist Wilhelm gewesen. Ich glaub' es aber nickt."

Er ist seit vorgestern nicht hier gewesen. Sein Gewehr steht, wo es stand."

Schön, da kann ich den Vater beruhigen. Gute Nacht!"

Anna wartete, bis seine Schritte verhallt waren. Jetzt machte sich die Angst und Spannung ihres Herzens Luft mit einem Aufschrei stürzte sie hin­aus, stürzte zu Wilhelms Füßen nieder und umklammerte seine Kniee.

Wilhelm!" rief sie, während ein krampfhaftes Schluchzen ihre Stimme halb erstickte,geh' nicht wieder weg von mir! Geh nicht in Zorn und Groll fort! Laß uns wieder Zusammenleben in Liebe und Eintracht! Was auch alles geschehen ist, wir wollen es vergessen und vergeben und von neuem anfangen mit unserm Leben! Was auch alles noch kommen mag, wir wollen's zusammen tragen, was zu tragen ist, und keine Last wird uns zu schwer werden, wenn wir zueinander stehen. Es wird alles wieder gut zwischen uns und bei uns, nur geh' nicht fort, geh* nicht wieder von mir fort!"

Das leidenschaftliche Flehen seines Weibes traf Wilhelms Herz. Er hob sie auf, zog sie an seine Brust, und zum ersten Mal seit langem fanden sich ihre Lippen zu langem Kuß. Er liebkoste sein Weib, trocknete ihre Thränen, umfing sie wieder in alter heißer Zärtlichkeit und küßte sie wieder. Sie lehnte an seiner Brust und weinte.

Nein. Liebchen, jetzt bleib' ich bei dir. Du hast mich doch lieb, nicht wahr? hast mich lieb trotz allem! Jetzt werd' ick mich bessern, jetzt wird alles noch gut!"

Und zwischen seinen Küssen hindurch wiederholte