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Aus kn Tannen.
Intelligenz- L Anzeige-Matt
Von der oberen Nagold.
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M. 97.
Menstaig) Dienstag dm 21. August.
1883.
Uebertragen: Die Pfarrei in Sulz dem Inspektor Bellon an der Paulmenpflege in Winnenden.
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Aus Rußland.
In der russischen Diplomatie vollzieht sich, so schreibt man der „Bad. L.-Z.", seit Kurzem eine verborgene, aber sehr intensive Bewegung; es geht etwas vor, das nur zum Theil mit der Kaiserbegegnung in Ischl im Zusammenhang steht. Unwillkürlich blickt man dabei nach Moskau, wo immer Panslavistenversammlungen und Geldsammlungen unter den Parteigenossen stattfinden. Gegen Oesterreich-Ungarn ist auch in den Offizierskreisen ein ganz wüthender Haß im Schwünge. Es herrscht ein Gefühl, ganz ähnlich dem zur Zeit Skobeleff's, und wenn mau ohne Rückhalt sprechen soll, so muß man sagen, daß Oesterreich allen Grund hat, sich auf einen großen Feldzug vorzubereiten, denn die Stimmung der St. Petersburger hohen Kreise drängt nachdrücklich auf eine Entscheidung in der Slavenfrage, nur daß die Russen nicht lärmend sind, wie die Franzosen, sondern ihre Absichten slavisch heuchelnd verbergen. Der Panslavismus gewinnt täglich an Boden, und er trägt seine Lehren in Moskau um so entschiedener vor, seit aus die nachdrücklichen Bemühungen des deutschen Kanzlers Graf Kalnocky in Wien seine russenfreundlichen Neigungen entschieden fallen ließ. Jetzt wird an der Newa offen der Gedanke ausgesprochen, daß deutscherseits ein Interesse vorltege, wenn die Polen zu neuer nationaler Bewegung emporgebracht und von Rußland getrennt würden, weil man einem Habsburger die Sekundogenitur in Warschau zugedacht habe. Weiter habe Fürst Bismarck auch keinen Grund, die Slavenbewegung zu toleriren, und ihm gegenüber arbeite Graf Gurko vergebens an der Niederdrückung des Polenthums, das eine Art Vorempfindung des baldigen Endes der russischen Herrschaft zu haben meine. Zu dieser Ansicht liefert der Kriegsminister mit den neuen Kavalleriebewegungen in Polen und den Festungsbauten den Kommentar. Es sind in den letzten Wochen wiederum neue Reitermassen «ach Polen vorgeschoben worden, und hat man dafür Truppen aus dem Osten mehr gegen Wilna hin verlegt. Der jetzigeZustand an sich muß schon bedenklich für den Frieden sein u. zu Auseinandersetz
ungen führen; schlimm ist dabei der Umstand, daß, obwohl die Zeitungen über die militärischen Vorkehrungen durchaus nichts bringen dürfen, dennoch Jedermann auf die Truppen in Polen blickt und der Regierung dadurch ein etwaiger Rückzug um so schwerer werden wird. Die Spannung ist stets im Wachsen und es wird gar nicht einmal abgewiegelt, vielmehr macht sich General Gurko täglich mehr zu einer verstärkten Auflage Skobeleff's, und so rückt die Möglichkeit einer plötzlichen schlimmen Ueberraschung näher, wobei die Polen nach den Berichten der Beamten von einer geheimen Leitung instruirt werden.
Tagespolitik.
— Der Kaiser bewilligte zur Sammlung für Jschia 50000 M. — Die „N. Fr. Pr.- schreibt: „Die großartige, sich über das ganze Reich erstreckende Hilfsaktion für Jschia, welche in Deutschland organifirt wird, dürfte mit Recht als politisch bedeutsam zu betrachten sein. Das deutsche Kronprinzenpaar tritt mit Bewilligung des Kaisers an die Spitze des Central Hilfs- komites Institute wie die Reichsbank und die Reichspost bethetligen sich werkthätig und fördernd an der ganzen Organisation der Hilfeleistung; das sind Momente, welche dieser Aktion, die weit über den Rahmen eines blos den Impulsen menschlicher Wohlthätigkeit entsprungenen Humanitätsaktes von Volk zu Volk hinausreicht, das Gepräge einer großartigen Sympathiekundgebung Deutschlands zu Gunsten Italiens verliehen, die als ein neuer Beweis des zwischen den beiden Ländern bestehenden innigen Freundschaftsbandes betrachtet werden muß."
— In einer Zuschrift an den Londoner „Globe" wird Protest gegen die deutsche Niederlassung an der Angra-Pequena-Bai erhoben. Es wird die Behauptung aufgestellt, der betr. Landstrich sei bereits vor 5 Jahren von England annektirt worden. Weiterungen dürfte dieser Protest allerdings kaum haben.
— Zwischen Wien und Berlin sind seit Kurzem lebhafte Verhandlungen im Gange, deren Gegenstand die vollständige Einverleibung Bosniens und der Herzegowina in Oesterreich ist. Die Türkei bethetligt sich ebenfalls an diesen Verhandlungen, welche bis jetzt
in einer für das Wiener Kabinett befriedigenden Weise fortschreiten.
— In Wien scheint die Unzufriedenheit unte'' den Arbeiterkreisen immer noch stark zu gähren. In einer der letzten Nächte wurden dort in vielen Bezirken sozialistische Flugschriften, betitelt „Mahnruf an alle Arbeiter und Männer des Volkes", und unterschrieben „Das Exekutivkomitee", von der Polizei aufgesunden. — Die Wiener Polizei untersagte die Abhaltung eines Festzuges anläßlich der Säkularfeier der Befreiung Wiens von den Türken, aus Rücksichten auf die öffentliche Sicherheit. Es ist weitgekommen iu Oesterreich, daß nicht einmal eine patriotische Feier mehr abgehalten werden darf.
— Anläßlich der bevorstehenden Entbindung der österreichischen Kronprinzessin wird, wie der „F. Z." berichtet wird, eine umfassende Amnestie für politische und solche gemeine Verbrechen, die aus sträflicher Fahrlässigkeit, Noth oder Drang der Leidenschaft verübt sind, erlassen werden, mit den Bedingungen, daß die Verbrecher keine rückfällige sein dürfen, daß der größte Theil der Strafe schon überstanden sein muß und die Freilassung eine Wohlthat für die Familie und keine Gefahr für den Landfrieden ist.
— Während der ehrenwerthe französische Kriegsminister Thibaudin die Ostgrenze inspizirt, und durch seinen ihn begleitenden Journalistenstab seinen Landsleuten verkünden läßt, wie gewaltig gerüstet Frankreich ist, wie sicher seine Befestigungen und wie weise der Mobilmachungsplan, wie vorsorglich die ganze kriegsmäßige Ausrüstung der Truppen und der Festungen angelegt seien, schwelgen die Pariser Blätter wieder einmal in dem wonnevollen Zukunftge- danken der „Revanche." Es ist gerade, als ob eine Krankheit plötzlich über sie gekommen wäre, die man den politischen Veitstanz nennen müßte. Ob nicht ein „kalter Wasserstrahl" Linderung schaffen würde?
— Der Mörder Ca rey's, O'Donnell, wird nun doch nach London gebracht werden. Die englische Regierung fürchtet nämlich, daß O'Donnell, wenn er vor ein kapländisches Gericht käme, freigesprochen würde; denn erstens hat er das Kapland von der Anwesenheit des verächtlichen Carey bewahrt, zweitens ist das
vr. Marlin Luthers Jugendgeschichte.
Von D r n s r v s o k s r. (Nachdrucks erboten.)
(Fortsetzung.)
Luther in Magdeburg.
Luthers Vater hatte, wie schon oben erwähnt wurde, stets eine große Vorliebe für den Gelehrtenstand. Kein Wunder also, wenn er beschloß, seinen Sohn studiren zu lassen. Die günstigen Zeugnisse, die dieser immer heimbrachte, befestigten ihn in seinem Entschluß. Martin selber kam dem Wunsche seines Vaters entgegen, indem er erklärte, nur Schulmeister oder Gelehrter werden zu wollen.
Wie konnte es auch anders sein? Hatte er doch in seinem elterlichen Hause tagtäglich Gelegenheit gehabt, zu sehen, wie man den ge lehrten Männer» so viel Hochachtung erwies. Dies mußte schließlich di seinem leicht erregbaren Herzen den ehrgeizigen Wunsch erwecken, mit diesen Leuten einmal auf gleicher Stufe der Bildung und Gelehrsamkeit ?« stehen.
So zog Luther im Jahre 1497 nach Magdeburg. Ein Schul- fteund mit Namen Johannes Reineck begleitete ihn. Reich an Eifer aber arm an Geld kamen die beiden Freunde an ihrem Bestimmungsorte an. Dort besuchten sie die Schule der Nollb rüder, welche damals im Rufe stand, gute Lehrer zu haben. Die Nollbrüder gehörten zu dem Orden der Franziskaner. Sie legten sich hauptsächlich auf die Krankenpflege und die Beerdigung der Todten. In der Schule, der sie Vorständen, wurden unbemittelte Knaben umsonst unterrichtet; dieselben mußten aber dafür mancherlei Verrichtungen bei den Gottesdiensten übernehmen und in den Kirchen und bei Beerdigungen vor den Häusern singen. In Magdeburg verlebte Luther nur wenige vergnügte Stunden. Die finsteren Ge
sichter der Nollbrüder waren nicht dazu angethan, den Jugendmuth des Knaben zu beleben und die unfreundlichen Eindrücke zu verwischen, die sich durch die übermäßige Strenge bei der Erziehung der Eltern in dem Gemüthe Martins festgesetzt hatten. Hiezu kamen noch Nahrungssorgeu. Der Vater Luthers war damals selbst noch arm und konnte somit seinen Sohn nicht kräftig genug unterstützen; die Almosen der Leute fielen so spärlich aus, daß Luther manchen Tag hungern mußte. Diese Almosen suchte er nach der Sitte der damaligen Zeit durch Singen vor den Häusern zu erlangen. Er erzählte einmal folgende Geschichte: „Einen Weihnachtstag durchzogen wir (Luther und seine Mitschüler) die benachbarten Dörfer, giengen von Haus zu Haus und sangen vierstimmig die gewöhnlichen Lieder vom Chrtflkindletn in Bethlehem. Vor einem einzeln am Ende eiaes Dorfes stehenden Bauernhause hielcen wir an. Der Bauer hörte unsere Weihnachtslieder, kam mit einigen Lebensmitteln heraus und frug mit grober Stimme, in rauhem Tone: Wo seid ihr, Jungen? Erschrocken flohen wir. Wir hatten keinen Grund dazu, denn der Bauer gab es willig; aber unsere Herzen waren durch die Drohungen und die Härte, mit welcher damals die Lehrer den Schülern entgegentraten, so etngeschüchtert, daß wir Angst bekamen. Der Bauer rief uns wieder zu, und wir blieben endlich stehen, gaben unsere Angst auf und liefen zu ihm, wo wir die Nahrung von ihm erhielten. So pflegen wir zu zittern und zu fliehen, wenn unser Gewissen strafbar und erschrocken ist. Dann haben wir selbst vor der dargebotenen Hilfe, selbst vor unfern Freunden und denen, die es gut mit uns meinen, Angst."
Noch ist hier der Name eines Mannes zu erwähnen, der wohl in Luthers Seele den ersten Keim der später sich entwickelnden Ideen ge- legt hat. Es ist dies Andreas Proles, der auch an der Schule