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Von der oberen Nagold.
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Hlr. 94.
Menstaig, Dienstag dm 14. August.
1883.
§ Die revolutiouäre Bewegung iu Spauieu.
Als in vergangener Woche, und zwar zuerst auf dem Umwege über Portugal, die Meldung von einem republikanischen Putsch in Badajoz gemeldet wurde, gewann man zuerst den Eindruck, daß man es mit einer vereinzelten Thatsache zu thun habe, mit einer Verlegenheit, deren die spanische Regierung bald Herr sein würde. Allein schon der Umstand, daß über die ganze Provinz Estremadura der Belagerungszustand verhängt wurde, obwohl die Meuterer schon am dritten Tage entweder gefangen worden oder über die portugiesische Grenze geflüchtet sein sollten, mußte auffällig erscheinen. Es zeigt sich jetzt, daß die Bemühungen der spanischen Regierung, die Affaire als etwas Unbedeutendes hinzustellen, gegenüber den brutalen Thatsachen fruchtlos sind. Denn neuere Nachrichten lassen keinen Zweifel mehr darüber, daß der aufrührerische Geist auf der Pyrenäenhalbinsel wettere Kreise beherrscht, ja, was das Schlimme an der Sache ist, daß dieser Geist sich des Militärs bemächtigt hat.
Außer in Badajoz meuterte auch in Najera und in St. Domingo, zwei Städten in Altka- stilien, die Soldateska. Einige Regimenter verließen die Stadt und rückten in das Gebirge ab. In St. Domingo lief die Sache ziemlich glimpflich ab. Die Offiziere des königstreuen Regiments „Numancia" setzten den Aufständischen nach und überredeten sie zur Rückkehr, die denn auch erfolgte, nachdem die Truppen ihren meuterischen Führer erschaffen hatten. Und auch in Najera wurden die Aufsässigen bald zur Ordnung zurückgeführt; ebenso in Haro, einem kleinen Garnisonstädtchen der Provinz Logrono, woselbst 200 Mann sich auflehnten.
Fernere Meldungen besagen, daß sich die Garnison von Barcelona in großer Aufregung befindet und daß zehn Bataillone und sechs Batterien gegen Seu de Urgel, eine Stadt am Fuße der Pyrenäen, gesendet werden mußten, weil daselbst das Militär ebenfalls den Gehorsam verweigerte. Auch in Santona befürchtet man eine Erhebung der Soldadeska, weshalb der Gouverneur der Provinz 250 Gendarmen »ui sich versammelt hat, auf deren Treue er unbedingt zählen zu können glaubt. Um den Wirrwarr vollständig zu wachen, regen sich nun noch die Karltsten in den Nordprovinzen, welche durch Sendboten aufgestachelt sein sollen.
Gelingt es nun auch der Regierung, durch energische Maßnahmen die Bewegung todt zu zachen, so zeigen doch alle diese Vorgänge, daß »er bourbonische Königsthron in Spanien nicht gerade auf festem Fundament ruht. Die Seele der ganzen Bewegung ist Zorilla, ein Demokrat, der unter König Amadeus Premierminister war und welcher gegenwärtig in Frankreich lebt; sein Zweck ist, die demokratische Verfassung von 1869 wiederherzustellen. Gegenwärtig soll er nach der spanischen Grenze abgereist sein. Wie die „Post" weidet, hätte die spanische Regierung an die französische die ernstliche Bitte gerichtet, ihrer s rationalen Pflichten eingedenk zu sein, d. h. Zorilla auszuweisen, was übrigens früher schon einmal der Fall war. Auch fühlt die Regierung Madrid das Bedürfniß, die anderen Mächte uver die spanischen Vorgänge und deren Be- oeutung aufzuklären, denn aus Paris wird geweidet, daß der dortige spanische Botschafter ewe längere Konferenz mit dem französischen Minister des Auswärtigen, Challemel-Lacour, patte, und darauf den Botschaftern Deutschlands, M^uuds und Englands einen Besuch gemacht
habe
Gegenwärtig liegen die Dinge so, daß die
offiziellen Depeschen aus Madrid ein unbedingtes Vertrauen auf die baldige Wiederherstellung resp. Aufrechterhaltung der Ordnung ausdrücken, während die in Paris lebenden, republikanisch gesinnten Spanier eine große Zuversicht zur Schau tragen, eine allgemeine Schilderhebung in Spanien prophezeien und sich zur Abreise bereit machen.
Tagespolitik.
— Ueber die Kaiserbegegnung in Ischl wird von dort unterm 9. Aug. noch gemeldet: Kaiser Wilhelm empfing heute Vormittag den einstündigen Besuch des Kaisers von Oesterreich und besuchte hierauf die Fürstin Schönberg und die Gräfin Wimpffen. Um halb 2 Uhr begab sich der Kaiser zum Diner nach der Kaiservilla, und von dort um 3 Uhr direkt nach dem Bahnhofe, um zurückzureisen. — Kaiser Wilhelm ist Freitag um 8 Uhr früh wohlbehalten auf Station Großbeeren eingetroffen und begab sich zu Wagen nach Schloß Babelsberg.
- Die „Nordd. Allg. Ztg." thetlt mit, daß, nachdem die Entschädigungssumme für das gestrandete, von Eingeborenen der Pescadores- tnseln beraubte deutsche Schiff „August" aus Apenrade bereits im Oktober ausgezahlt worden, die chinesische Regierung jetzt auch 38 bet der Plünderung Betheiligte bestraft und die Zahl der Strandwächter auf den Pescadores- inseln vermehrt hat.
— Der Zwischenfall von Madagaskar, die Ausweisung des britischen Konsuls in Tamatave durch den französischen Admiral Pierre, ist nun als betgelegt zu betrachten. Gladstone theilte dies schon in vergangener Woche in einer Tafelrede mit und es heißt jetzt, die Engländer würden ihr Geschwader bei Madagaskar nicht verstärken. Admiral Pierre aber, der augenscheinlich das „Karnickel" war, soll plötzlich von „Gesundheitsrücksichten" befallen worden sein u. seine Abberufung erbeten haben. Die Gewährung derselben ist die bündigste Genugthuung für England.
— Am Sonntag wurde in Paris unter großen Festlichkeiten ein Denkmal errichtet zur Erinnerung an die „heldenmüthige Vertheidigung der Stadt gegen die Deutschen." Das ruhmreiche Bombardement der Stadt durch die Versailler Truppen im Mai 1871 ist aber noch immer ohne Denkmal!
— lieber die neulich von Petersburg gemeldete Judenhetze in Jekaterinowslaw berichtet man der „K. Z." weiter unterm 8. Aug.: Am 4. Aug. fingen die Juden allmählich an, aus den Wäldern am Ufer deS Dnieprs, wo sie sich versteckt hielten, nach Jekaterinowslaw zurückzukehren. Dort sind nach „Nowoje Wremja" gegenwärtig noch alle Magazine — auch die russischen — geschloffen. Militär und Polizei sind durch anstrengenden Nachtdienst und viele Arbeit vollständig erschöpft. Patrouillen durchziehen ununterbrochen Tag und Nacht die Straßen. Der Schaden an Eigenthum wird auf viele Hunderttausende angegeben. Als im Dorfe Kri- worok bekannt wurde, daß in Jekaterinowslaw eine Judenhetze im Gange sei, machten sich gegen tausend Arbeiter auf, um mitzuhelfen. Der Stationsvorsteher aber verweigerte ihre Beförderung. Am andern Ufer des Dnieprs überfielen die Flößer in Haufen die auf der Landstraße flüchtenden Juden und setzten an ihnen das in der Stadt begonnene Werk fort. Ueber die Zahl der Umgekommenen ist noch nichts Bestimmtes zu erfahren; auf der einen Seite gibt man ungeheure, offenbar stark übertriebene Ziffern an, auf der andern, der offiziellen, schweigt man vorläufig. Jedenfalls hat das Gemetzel dies
mal, da das Militär noch verhältnißmäßtg rasch und energisch einschritt, lange nicht dieselbe Ausdehnung angenommen, als seiner Zeit in Balta. Vom Volke sind angeblich durch Militär 14 ge- tödtet und 13 verwundet. Die Zahl der verwundeten Ruhestörer aber, die zum Theil geflüchtet sind oder sich versteckt halten, soll viel größer und sehr beträchtlich sein.
— General Gur ko, der neue Statthalter von Polen, hat bei einem Festmahl der Warschauer Garnison eine Rede gehalten, die das Andenken an Skobelew recht lebhaft in die Erinnerung ruft: „So wie ich, seid auch ihr alle durchdrungen von derselben Idee, welche General Skobelew seinen Soldaten eintmpfte!" schloß er seinen von donnernden Hochrufen der Offiziere begleiteten Trinkspruch, den er — wie der Telegraph boshaft genug ist hinzuzufügen — in nüchternem Zustande gehalten hat.
— Bradlaugh und seine Anhänger sind in Protesten gegen des ersteren Ausschließung aus dem englischen Parlament unermüdlich. Am Montag fand in London wieder eine große Protestkundgebung statt. Es waren nahezu 50000 Personen anwesend. Es wurde eine Resolution angenommen, welche erklärt, daß das Unterhaus sich durch gewaltsame Ausschließung Bradlaughs, als des Abgeordneten für Northamptoa, eines groben Mißbrauchs feiner Gewalt schuldig gemacht habe, weshalb das Land auf sofortiger Auflösung des Parlaments bestehen sollte.
— Die Ernennung des Hauptmanns von Pfuhl zum Militärbevollmächtigten bei der deutschen Gesandtschaft in Madrid, des ersten, welchen Deutschland daselbst unterhält, wird als ein Beweis für die Wiederherstellung eines völligen Einvernehmens mit der spanischen Regierung, das durch die Verschleppung der Handelsvertragsverhandlungen etwas gestört schien, angesehen.
Landesmchrichtell.
Altenstaig, 13. August. (Theater.) „Sneewittchen und die sieben Zwerge" kam gestern zur Aufführung. Das Slück nach dem gleichnamigen Mährchen dramatistrt, wurde recht gut dargestellt. Insbesondere verdienen die kleinen Kobolde, die sieben Zwerge, alles Lob! Durch ihr Auftreten, durch ihr gutes Lernen und durch ihr gleichartiges Aussehen erregten sie das größte Interesse. Sie haben ihre Rollen alle recht brav durchgeführt, auch der kleinste Zwerg erzielte durch sein drolliges Wesen und seine Purzelbäume lebhaften Beifall. Da sehr viele Theaterfreunde von hier und auswärts verhindert waren die Vorstellung zu besuchen, wäre es wohl wünschenswert^, wenn Herr Direktor Feigel „Sneewittchen" nochmals zur Aufführung bringen würde.
Stuttgart, 10. Aug. Eine Geschichte, wie man sie häufig in großen Weltstädten als besondere Kuriosa mitzutheilen pflegt, macht viel von sich reden. In einem der kleinen Häuser der schmalen Steinstraße hauste schon seit einer langen Reihe von Jahren eine alte, jetzt in der Mitte der Siebzigen stehende Jungfer. Zwar ist sie die Hausbesitzerin, doch ist das Haus nur klein und ohne besonderen Werth, auch fast durchaus vermiethet und sie selbst bewohnt nur ein unscheinbares und nicht einmal sauberes Stübchen und hat einen übrigens von ihr sorgfältig verschlossen gehaltenen Bühnenraum. Sie galt für arm und wußte sehr diesen Glauben aufrecht zu halten und zu bestärken. Als vorigen Winter ein Schutzmann ihr eine Eröffnung zu machen hatte, die sie unterschreiben mußte, war die Tinte in ihrem ungeheizten Wohnstüb-