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Ans den Tannen.
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Von dev oberen Nagold.
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M. 91.
Alienstaig, Dienstag dm 7. August.
1883.
Uebertragen: Die Sie Schulstelle in Altenstaig dem Seminarunterlehrer Finckh in Nagold.
" 2 Der Tisza-Eßlar-Prozeß
ist am Freitag endlich durch Verkündigung des sämmtliche Angeklagte freisprcchenden Urtheils beendet worden. Seit anderthalb Jahren hat die Affäre die Gemüther erregt und sechs Wochen hindurch brachten die Tageszeitungen alltäglich längere Berichte über die gepflogenen Verhandlungen. Jene Berichte boten ein grauenerregendes Bild von der ungarischen Justiz. Mit den Eiden wurde umgegangen, als ob dieselben so gut wie gar keine praktische Bedeutung hätten; ein 14jähriger Knabe macht sich zum Ankläger seines Vaters und schleudert diesem die denkbar schwersten Vorwürfe — Anstiftung und Teilnahme am Mord — vor dem Gerichtshöfe ins Gesicht. Das zuhörende Publikum im Gertchts- saale äußert seinen Beifall oder sein Mißfallen an den Zeugenaussagen so ungenirt, als ob es sich in einer Volksversammlung, vielleicht auch in einer Radaukomödie befände. Anderthalb Jahre lang sind die Angeklagten eingesperrt — anderthalb Jahre hindurch währte die Prozedur, bet der Daumschrauben und andere Folterstückchen ihre mittelalterliche Rolle spielten.
Am 1. April vorigen Jahres — einem Samstag — wurde die vierzehnjährige Esther Solymoffy, die Dienstmagd bei der Bauersfrau Hurt war, von ihrer Dienstgeberin in das Dorf Ttsza-Eßlar geschickt, um dort Farbe einzn- kausen. Zwischen 11 und 12 Uhr Vormittags macht sich Esther auf den Rückweg; ihr Weg führt sie bei der Synagoge und der ärmlichen Amtswohnung des Tempeldieners Joseph Scharf vorüber. Dieser ruft sie zu sich ins Haus, damit fie dort einige kleine Handreichungen thue, die ihm das strenge Rituell seiner Religion an einem Sabbath verbietet. Scharf behauptet, Esther habe sich nach wenigen Minuten wieder entfernt. Von da ab ist Esther nicht mehr gesehen worden. Vergebens wurde fie von ihrer Dienstfrau, ihrer Mutter, ihren Geschwistern und Verwandten gesucht, — nicht eine Spur von ihr war zu entdecken.
In den Nachmittagsstunden traf die geäng- stigte Mutter beim Suchen nach der Esther auch mit dem Tempeldiener Scharf zusammen, welcher sie tröstet und ihr bet dieser Gelegenheit erzählt, in seiner Jugend sei auch einmal in Nanas um die jüdische Osterzeit ein Mädchen verschwunden; damals hätte es geheißen, die Juden hätten sie ermordet, um das Blut zu rituellen Zwecken zu brauchen. Das sei aber chl thörichter Aberglaube; das Mädchen habe fich auch später wieder eingefunden. Die Mutter der Esther behauptet, durch diese Worte sei ihr erst der Verdacht aufgestiegen, daß Esther von den Juden ermordet sein könne. Sie theilt diesen Verdacht den anderen Leuten und der Behörde mit, aber niemand hört auf fie. — Kurze Zeit daraus soll ein 4jähriger Sohn des Tempeldieners seinen christlichen Spielkameraden erzählt haben, sein Vater hätte ein Christen- madchen gefangen und ein Schächter hätte dasselbe geschlachtet.
Das Gerücht davon machte schnell die Runde und darauf hin begann eine Kriminaluntersuch- ung; die Tempeldienerfamilie und viele andere Juden aus Tisza-Eßlar wurden unter dem verdacht des rituellen Mordes in Haft genom- uien und die Voruntersuchung auf die schon "den gekennzeichnete Art geführt.
Der 14jährige Sohn des Tempeldieners, Moritz, wurde „Kronzeuge." Er bekundete, vurch das Schlüsselloch beobachtet zu haben, "le mehrere Juden, Bekannte seines Vaters,
unter Beihilfe desselben der Esther mit einem Schächtermesser den Hals durchschnitten und das herabfließende Blut in Tellern aufgefangen hätten. Ferner hieß es, Joseph Scharf habe eingestanden, die Esther, die ihn geneckt hätte, durch einen unglücklichen Schlag getödtet zu haben. Etgenthümlicherweise ist das hierüber aufgenommene Protokoll, wenn ein solches überhaupt bestanden hat, nachher in den Akten nicht aufzufinden gewesen.
Nachdem die Voruntersuchung schon mehrere Wochen gedauert, fand man in der Theiß eine weibliche Leiche, von der bis Heuligen Tag nicht festgestellt werden konnte, ob es die der Esther gewesen sei oder nicht. Die Mutter erkannte in derselben ihre Tochter nicht wieder; die Juden, die Esther bet Lebzeiten gekannt halten, wurden zur Rekognition nicht zugelaffen und die Aerzte und Professoren gingen in ihren Meinungen weit auseinander; jedenfalls waren die ersten ärztlichen Aufnahmen außerordentlich oberflächliche. Nur eins steht fest: der Hals der Leiche war nicht durchschnitten. War also der gefundene Leichnam der der Esther Solymoffy, so hatte Moritz Scharf seine Angaben reinweg aus der Luft gegriffen. Nun wurde behauptet, einflußreiche Juden hätten eine fremde Leiche mit den Kleidern der Esther versehen, um die Behörden irrezuführen. Ein Flößer beschrieb sogar ausführlich und unter eidlicher Erhärtung den ganzen Leichenschmuggel. Indessen andere Flößer traten ihm ebenso entschieden mit ihren Aussagen entgegen.
Die öffentliche Gerichtsverhandlung begann am 19. Juni. Am markantesten trat darin der Zeuge Moritz Scharf, der 14jährige Sohn des Mitangeklagten Tempeldieners, hervor, der emsig bemüht war, seinen Vater an den Galgen zu liefern — selbst wenn Joseph Scharf ein Mörder wäre, so wäre das Los. solch' einen Sohn sein eigen nennen zu müssen, für das Vaterherz eine schwerere Strafe, als sie der Henker vollziehen kann!
Haß und Gunst der Parteien hat das öffentliche Urthetl über diesen denkwürdigen Prozeß arg verwirrt — das gerichtliche Urthetl war, wie bekannt, ein den Angeklagten günstiges, die nach 14monatlicher Untersuchungshaft endlich wieder in Freiheit gesetzt wurden. Bemerkt sei noch, daß der Rechtsbeistand der Witrwe Solymoffy gegen das freisprechende Erkenntniß die Berufung eingelegt bat und daß, wie die „Berliner Börsen-Ztg." mittheilt, bereits eine Agitation im Gange ist, „um den Vertheidigern für die Energie und das Geschick, mit welchem sie die Interessen des Judenthums vertreten haben, ein durch internationale Sammlungen zu stiftendes Andenken zu beschaffen."
Laudessachrichteu.
Altenstaig, 5. Juli. Letzte Nacht ist der Dachstuhl der Völmlensmühle, sowie die zur Mühle gehörige Scheuer abgebrannt. Das Mobiliar soll, wie wir hören, nicht versichert sein. Die Entstehungsursache ist bis- jetzt unbekannt. — Samstag Nachmittag spielten an der obern Thalstraße mehrere Kinder mit einander und füllten dabei ein aufgefundencs Glaskölbchen mit Wasser, um es auszutrinken. Hiebei löste sich der Satz in dem Kölbchen, welcher aus einer giftigen Substanz bestand, auf und ein Kind des Taglöhners Günthner, welches zuletzt an die Reihe kam, bekam den Satz zu trinken. Das Kind sank alsbald um und es trieb ihm den Schaum zum Mund und zur Nase heraus. Hr. Stadtwundarzt Vogel konnte glücklicherweise schnell zur Hilfe gerufen werden, da er gerade mit seinem Gefährt den Weg
passtrte und es gelang ihm durch ein sofort angewandtes Brechmittel das Kind vor dem sicheren Tode zu retten. Der Fall sollte allen Eltern Veranlassung geben, ihre Kinder vor der Benützung herumliegender Kölbchen und Schüsselchen rc. recht ernstlich zu warnen.
Stuttgart, 2. August. Daß trotz aller Begünstigungen, welche dem Studium der evang. Theologie in Württemberg zu Gute kommen, an Pfarramtskandtdaten noch immer ein empfindlicher Mangel herrscht, beweist ein erneutes Ausschreiben von 9 Pfarreien im heut. „Staatsanzeiger", für welche fich bet früheren Aus- schretben, die von August v. Jrs. bis Juni d. I. erfolgten, keine Bewerber gefunden hatten. Diese 9 Pfarreien sind mit Einkommen von 1760—2300 M. dottrt.
Stuttgart, 2. Aug. Im Schützenhof wurde heute Abend wieder eine Schreinerversammlung abgehalten, die so zahlreich besucht war, wie noch keine der früheren. Die Fabrikanten hatten einen Herrn Baumeister, der in den Volksbankoersammlungen mehrfach nicht ohne Glück gesprochen, gewonnen, um den Ar- beirern ins Gewissen zu reden und sie aufzufordern, zu ihrer Arbeit zurückzukehren oder doch direkt, über die Köpfe der Strike-Kommisston hinweg, mit ihnen (den Fabrikanten) in Unterhandlung zu treten. Wie man wohl voraussehen konnte, machte diese Rede den beabsichtigten Eindruck nicht; die Arbeiter wollen von Concessionen nichts wissen. Der Abend endete damit, daß die Versammlung, in der die stickenden und ausgesperrten Schreiner übrigens in der Minderheit waren, der Strike-Commisston eine Art Vertrauensvotum ertheilre u. erklärte, nur durch die Strike-Commisston mit den Fabrikanten verhandeln zu wollen. Diese ihrerseits wollen von der Strike-Commisston nichts wissen und so wird zum Nachtheil unserer blühenden Möbelindustrie ruhig weiter gestrikt.
Stuttgart, 4. Aug. In der gemeinschaftlichen Sitzung der bürgerlichen Kollegien am Donnerstag wurde der Beschluß gefaßt, den Sedantag in herkömmlicher Weise auch dieses Jahr zu begehen. Da der 2. September auf einen Sonntag fällt, kann der Festgottesdienst mit dem Sonntagsgottesdienst verbunden werven.
In Gärtringen (Herrenberg) sollte am 2. ds. eine Hochzeit gefeiert werden, aber wer dazu nicht kam, das war — der Bräutigam, ein Schieferdeckergehilfe in Stuttgart. Um nach ihm zu sehen, reiste die Braut selbst nach der Residenz, wo sie zu ihrem Schrecken erfuhr, daß der Gesuchte — verduftet war.
Schorndorf, 2. August. Nach der nun beendigten amtlichen Abschätzung beträgt der durch den Hagelschlag am 10. Juli d. Js. entstandene Schaden im hies. Bezirk 1079 901M. und fallen hievon auf Schorndorf 202 796 M., Aichelberg 96 878 M., Geradstetten 91 362 M., Hebsack 29967 M., Oberurbach 136 256 M., Rohrbronn 7 772 M-, Schnatth 231368 M., Unterurbach 54994 M., Weiler 74 686 M., Winterbach 136 698 M.. Engelbcrg 10345 M., Manolzweiler 6 779 M.
Von der Steinlach, 31. Juli. Es ist ein eigenthümlicher Industriezweig, auf den sich in den letzten Tagen die liebe Jugend geworfen hat: das Schneckensuchen. Ganze Wagenladungen L 50 — 70,000 Häuschen tragender Schnecken gehen in's Oberland, theilweise um nach Wien, Pest und die untere Donau verführt zu werden. Für das Hundert werden von Händlern 10 Pfg. bezahlt.
Ellwangen, 1. Aug. (Strafkammer.) Der Holzdiebstahlsprozeß gegen hiesige städtische Taglöhner, welche im Verlause eines Jahres