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von der oberen Nagold.
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Kr. 90
Altenstaig, Samstag den 4. August,
1883.
Gestorben: Den 1. August zu Calw, Wilhelm Palm, Rechtsanwalt.
Das Erdbeben auf Jschia.
Die Zahl derer, welche dem verheercndm Naturereignisse auf Jschia zum Opfer gefallen find, wird von Stunde zu Stunde höher geschätzt. Ein Telcgrawm der „Köln. Ztg." vom 31. Juli spricht bereits von 8000 Umgekom- Mnen. Auch 2 deutsche Künstler werden vermiß,. Die Hülfeleistung des noch der Unglücks- siatte kommandirten Militärs ist, wie das Telegr. weiter meldet, unzureichend wegen zu geringer Zahl der Mannschaft. Trotzdem stellte die Regierung am Dienstag die Ausgrabung der Verschütteten ein aus Furcht vor der — Cholera und verwehrte auch die Privat- nachgrabungen in den Trümmern, obschon an genanntem Tage noch Lebende unter denselben gefunden wurden. Die Entrüstung darüber auf der Insel ist groß. Der „Fr. Z." wird übrigens gemeldet, weitere Ausgrabungen seien wegen des Leichengeruchs unmöglich. Die Soldaten ersticken. — Die Beerdigung der Todten ist sehr schwierig. Nachdem die Kirchhöfe von Casa- micciola, Lacco und Forio bereits überfüllt sind und die Bergung der Leichen wegen vorgeschrittener Verwesung lebensgefährlich ist, beschloß der Arbettsminister, die Leichen mit Kalk überschütten zu lassen. Casamicciola bleibt ein Friedhof. — Am Tage nach der Katastrophe drang unter manchem Trümmerhaufen noch Wimmern und Stöhnen hervor, welches seitdem verstummt ist. Die am Dienstag Geretteten sind zwei Damen, anscheinend Mutter u. Tochter; man hofft dieselben am Leben zu erhalten. Am Montag Abend wurde noch eine ganze, in einem Mer verschüttete Familie gerettet. — Gestern Mittwoch früh ist König Humbert, begleitet von Depretis, Mancint und Alton, in Casamicciola eingetroffen und wurde vom Arbeitsminister empfangen. — Wie aus Neapel telegraphirt wird, ist am Dienstag ein heftiger Ausbruch des Vesuvs erfolgt. Die Lava soll sich über den Abhang gegen Torre del Greco hin ergießen.
Ein Mitglied der deutschen Kolonie auf Jschia, welches gleich den meisten seiner Landsleute dem Unglück entronnen ist, läßt sich über die grauenvollen Ereignisse vom Samstag wie folgt vernehmen: „Wir saßen auf einem nach den Weinbergen sich öffnenden Altan im Gar- len, als gegen halb 10 Uhr immer stärker werdendes Geräusch sich hören ließ, ähnlich ei- vem Eisenbahnzuge, welcher über eine eiserne -brücke fährt. Der Boden schwankte, ich wurde dom Stuhl geschleudert und als ich mich erholte vnd mechanisch nach meinem Hute faßte, fand ich mich in Nebel, Staub und Schutt gehüllt, Casamicciola war nicht mehr. >Jn meinem Hotel, der Piccola Sentinella, brannten im Hinteren «-hell noch die Petroleumlampen; mittelst einer wichen leuchtete ich nach dem Zimmer meiner »rau. die nach ersten Geräusche aus dem Bette gesprungen war. Ich fand sie lebend "ud unverletzt; wir kampirten in der Nacht im Arten. Vergebens versuchte ich eine unglück- We Amerikanerin, deren Beine von einem auf oe gestürzten Fels zerschmettert waren, von o>esem zu befreien; meine Kräfte reichten nicht dus; entsetzlich tönten die Hilferufe der Jam- wernden durch die Nacht. Um halb 11 Uhr Mg das erste Schiff nach Neapel, um Hilfe zu Meu. die prompt etntraf. Die Ausbrüche der Anzweiflung einerseits und dazwischen die «reudenrufe sich Wiederfindcnder andererseits W unbeschreiblich." Aus dem erwähnten Bc- "Ae geht weiter hervor, auf welche Weise der
Tod b'nnen so kurzer Zeit so erschütternd überreiche Ernte Hallen konnte. Es sind nämlich nicht nur Tausende verschüttet und erschlagen worden; Viele wurden auch von den aus den Erdspatten aufsteigenden Schwefeldämpfen erstickt.
Mitglieder des Stadtraths von Casamicciola, die dcm Unheil entronnen sind, behaupten, daß man 4 Tage vor der Katastrophe ein unterirdisches Getöse gehört habe. Die Erder- schütteruugen, die sehr rasch aufeinander folgten, scheinen drei gewesen zu sein, aber blos die letzte, welche etwa 15 Sek. dauerte, hat überhaupt Schaden ongerichtet. Es mochten sich zur Zeit etwa 2000 Fremde, welche Seebäder oder warme Bäder gebrauchten, auf der Insel befinden, davon die meisten zu Casamicciola. Seltsamerweise sind gerade von diesen Fremden sehr viele dadurch gerettet worden, daß sie sich im Theater, einem abseits der Stadt gelegenen, mir Segeltuch überspannten Holzbau befanden. In einem römischen Blatt schildert einer der Geretteten die Scenen, die sich während des Erdbebens und nachher in diesem Theater abspietten. Die Aufführung des Stückes hatte eben begonnen, als das ganze Publikum durch einen gewaltigen Stoß zu einem ungeheuren Knäuel zusammengeschleudert wurde. Die Lage war um so unangenehmer, da gleichzeitig auch die Erdöllampen berunterstürzten u. Kleidern. Holzwerk in Flammen setzten. Als die Leute wieder auf den Füßen standen, drängte alles zum Ausgang, wo man mit Flüchtlingen aus der Stadt zusammentraf. Bei allen scheint der erste Gedanke der gewesen zu sein, so schnell als möglich das Ufer des Meeres zu erreichen. Aber viele, wohl die meisten wurden auf dem Wege durch die zusammenstürzenden Mauern erschlagen. Die Schauspieler des Theaters rannten in ihrem Flitter wie besessen unrer den Bauern umher. Sobald die Leute wieder ein wenig zur Besinnung gekommen waren — keine Naturerscheinung wirkt bekanntlich gleich erschütternd auf das Nervensystem wie gerade das Erdbeben — zündeten sie am Strande Feuer an, um Boote und Schiffe herbeizulockcn. In Casamicciola, welches wohl unter allen Orten der Insel am gründlichsten zerstört worden ist, stehen nur noch 5 Häuser aufrecht. Die Luft ist mit dichten Staubwolken erfüllt, und das Umhergehen zwischen den Trümmern ist sowohl der vielen einstnrzdrohenden Mauern wie des Verwesungsgeruches wegen sehr unangenehm. Nicht blos die menschlichen Leichen, sondern namentlich auch die Cadaver der zahlreichen Maulthiere, Ziegen, Pferde und Kühe, die sämmt- lich umgekommen sind, verbreiten einen abscheulichen Geruch.
Laudesuachrichtea.
Altenstaig, 3. Aug. Der Vorstand des landwirtschaftl. Bezirks-Vereins, Oberamtmann Güntner, erläßt folgende Bekanntmachung: „Da nach dem Ergebniß der letzten Farrenschau die Farrenhaltung in mehreren Gemeinden des Oberamtsbezirks den Anforderungen nicht entspricht, vielmehr ein großer Theil der Thiere in III. Claffe eingetheilt und IK Farren wegen Untauglichkeit ein Zulassungsschein nicht ertheilt werden konnte, so hat der Ausschuß des land- wirthschafil. Vereins, in der Erkeuntniß, daß nach den gegenwärtigen Verhältnissen bei der Landwirthschaft die Viehzucht die sicherste und ergiebigste Eirmahmquelle ist und im Bestreben, diesen Zweig der Landwirthschaft, so viel in seinen Kräften steht, zu heben und zu vervollkommnen, beschlossen, zu Veredlung und Auffrischung des Viehstands in nächster Zeit eine Anzahl Zuchtfarren und Kalbeln, Simmenthaler
Race in der Schweiz aufkaufen und solche an Angehörige des Bezirks unter noch näher auf- zustcllenden Bedingungen wieder verkaufen zu lassen. Der Ort und die Zeit des Verkaufs wird seiner Zeit öffentlich bekannt gemacht werden. Die HH. Ortsvorsteher, Farrenhalter und Landwirlhe wollen den etwaigen Bedarf an Zuchtfarren oderKalbeln, bezw. die Theilnahme an der öffentlichen Versteigerung der Thiere bei dem Vorstand oder dem Sekretär des landwirth- schaftlichen Vereins, Hrn. Stadtpfleger Weber in Nagold, binnen 14 Tagen anzeigen, damit der Verein beim Einkauf der Thiere einen annähernden Anhaltspunkt hat. Schließlich wird den Gemeinden im eigenen Interesse ihrer Angehörigen dringend empfohlen, beim Einkauf von Farren ihren Farrenhaltern behilflich zu sein und denselben entsprechende Beiträge hiezu in Aussicht zu stellen."
Altenstaig. 2. August. (Theater.) Am Dienstag Abend wurde „Der verwunschene Prinz" gegeben. Die Rollen waren recht geschickt vertheilt: Hr. Gödel I figurirte als Prinz Wolfgang; Hr. Hoffmann als dessen Cavalier und Leibarzt: Hr. Gödel II als Lakai; Frau Hofsmann als Schusterswittwe; Hr. Feigel als deren Sohn und Schuster und Frln. Hofsmann als des Schloßverwalters Tochter und zugleich als Doppelgängerin. Die Künstler und Künstlerinnen gaben sich alle Mühe, dieses von Humor und Witz durchdrungene Theaterstück recht effektvoll zu spielen und fällt es uns schwer zu sagen, ob der kluge leutselige Prinz, die arme besorgte Schusterswittwe. der aufrichtige drollige und mit seinem Berufe unzufriedene Schuster oder dessen Liebchen, des Schloßverwalters Tochter, die Sache am Besten gemacht hat. Alle haben sehr Gutes geleistet und es hielt deshalb das Spiel die Zuhörerschaft von Anfang bis zu Ende in gehobener Stimmung und angenehmer Spannung und es hat wohl kein Theilnehmer den Saal unbefriedigt verlassen. — Ein gleich günstiges Zeugniß müssen wir der Künstlergruppe über ihre Leistling bei der gestrigen Vorstellung, wo „Die Grille" zur Aufführung kam, ausstellen. Dieses Stück spielt in la Priche und Cosss, Dörfer im südlichen Frankreich. Es ist gegen den verwerflichen Aberglauben gerichtet. Die Heidin der Titelrolle (Frau Feigel) ist die Enkelin einer alten armen aber klugen Frau Namens Fadet; letztere wird wegen ihrer Klugheit allgemein für eine Here gehalten und unter diesem Vorurthsil leidet auch die zur blühenden Jungfrau herangewachsene Enkelin, trotz ihrer Frömmigkeit und Rechtschaffenheit. Namentlich haben Beide viele Verachtung von ihrem reichen Nachbar und Gutsbesitzer Barbeaud (Hr. Gödel I) und dessen Zwillingssöhnen Landry und Biedrer (Hr. Feigel und Hr. Hoffmann) zu erdulden. Das Schicksal fügt es, daß Diedier mehrere Tage vermißt wird und in der Herzensangst wendet sich der stolze Vater und Landry an die Grille um Auskunft und mit Erfolg. Eine Belohnung hiefür lehnt die Grille, die früher schon Landry vom Tode errettete, entschieden ab. Hernach entspinnt sich zum großen Aerger des Vaters zwischen Landry und der hübschen Grille ein Liebesverhältnis; es gibt jener aber absolut keine Einwilligung zur Ehelichung und bildet dabei noch die vom Vater in Aussicht genommene Parthie für seinen Sohn, nemlich die Tochter des Bauern Caillard, Namens Madlon, ein weiteres Hinderniß. Die beiden Liebenden bleiben sich aber trotz aller Verachtung und Anfechtung treu und schließlich gelingt es Landry und dessen Mutter den abergläubischen Vater von seinem Vor- u-theil und Eigensinn abzubringen und seine Einwilligung zu erlangen, aber erst, nachdem der Alte erfahren, daß die Grille nicht arm, sondern daß derselben ihre Großmutter, die alte Hexe, welche inzwischen das Zeitliche gesegnet, ein bedeutendes Vermögen hinterlassen hat. — Dieses gelungene ländliche Charaktergemälde haben die Schauspieler meisterhaft dargestellt und wurde dasselbe von den Zuhörern mir lebhaftem Beifall ausgenommen. Wir nehmen deshalb Anlaß, der Künstlergruppe zu den, Erfolg bestens;zu gratuliren, wie auch den kunstliebenden Theaterfreunden ans Herz zu legen, die Vorstellungen recht zahlreich zu besuchen.
Stuttgart, 31. Juli. Die Zusammenstellung der Jahresberichte der Handels- und Gewerbekammern in Württemberg für das Jahr 1882, die in diesen Tagen von der Zentralstelle für Gewerbe und Handel herausgegeben wurde, zerfällt in zwei Theile, von denen die erste die Wünsche und Gutachten der 8 Kammern betreffend die Gesetzgebung und Verwaltung, die zweite in 2 Unterabtheilungen; 1) eine allgemeine Ueberstcht des Erwerbslebens; 2) eine Schilderung der kommerciellen und «industriellen Hilfsanstalten enthält. Was den ersten Theil