Nr. 23.
Amts- und Anzeigeblatt für den OberamtsbezirL Calw.
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Montag, .den 28. Januar 1918.
S3. Jahrgang, j
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Zur Lage.
Staatssekretär Kühlmann und Graf Czernin sind wieder nach Brest-LitowSk abgereist; morgen sollen die Verhandlungen mit den Russen wieder beginnen. Was schliesslich bei der Sache herauskommt, ist heute noch nicht zu überblicken. Wir. man hört, soll auch Trohky wieder als Leiter der russischen Abordnung austreten. Ob er in den letzten acht Togen eine andere Ansicht erhalten hat über das Selbstbestim- miingsrecht der Völker und die Räumung der besetzten Gebiete dor einem allgemeinen Frieden wird sich bald zeigen müssen. Allgemein hssßt eS ja, das russische Volk wolle und brauche unter allen Umständen Frieden, und wenn die Nachrichten richtig sind, die zurzeit auS dem Innern Russlands kommen, dann wird man auch begreiflich finden, daß die Russen zwecks Ordnung ihrer inneren Verhältnisse Frieden nach außen hin brauchen. Tie Marimalisten müssen anscheinend immer noch »m die Macht kämpfen, sei «Z in Petersburg, sei es in Moskau, sei es gegen di« bürgerlichen Machthaber der Ukraine, und auch mit den Rumänen ist keine Einigung zu erwarten. Die rumänische Negierung soll das russische Ultimatum bezüglich der Behandlung der russischen Sold,..en durch die Rumänen ab- geiehnt haben. Die Sache wird aber nur theoretischen Wert haben; denn di« Russen sind grösstenteils von der rumänischen Front verschwunden. Wie die Anarchie in Russland auf die ^Pexbaudlungen in Brest-Litowsk rückwirken wird, kann man natürlich noch nicht sagen. In Ententekrcisen wird die Befürchtung ausgesprochen, daß Russland wegen der schwierigen inneren Verhältnisse schliesslich keine andere Wahl mehr haben wird, als Frieden zu schließen.
Eine eigenartige Beleuchtung erfährt dabei die Haltung Japans, Man Ist aus Japans Stellungnahme zum Kriege bis heute noch nicht klug geworden, wenn man nicht gerade annehmcn will, daß es in diesem Kriege eigentlich nur profitable Geschäfte zu machen beabsichtigt. Das erschien un? doch etwas zu plump für japanische Diplomatenkiinst. Jetzt ha! sowohl der japanische Ministerpräsident als auch der Aussen minister zur Kriegslage gesprochen, und man muß sagen, sic haben sich beide sehr vorsichtig ausgedrückt, obwohl sie das Bestreben zeigen, daS Bekenntnis zur Entente zum Ausdruck zu bringen und durch dunkle Andeutungen die etwaige militärische Teilnahme Japans am Kriege in Aussicht zu stellen. Es dürfte also in Tokio ein Schritt der Entente unternommen worden sein, um die japanische Negierung wenigstens zum Reden zu bringen, und damit einerseits die Russen zu schrecken und andererseits die Entcntevölker zu beruhigen, die vor den kommenden Monaten eine Heidenangst haben. Aber es wird auch in der neutralen Presse die Anschauung verbreitet, es seien Aussichten für die Herbeiführung allgemeiner Friedensverhandlungen vorhanden auf die Ausführungen des Grafen Czernin hin. dessen Angebot an Wissen, in Unterhandlungen einzutreten, doch sicher nicht von ungefähr gekommen sei. Das sind aber vorerst natürlich unbegründete Vermutungen. Eher könnte man der Nachricht Glauben schen ken. daß zwischen den Ententemächten ein lebhafter Meinungsaustausch über die Antwort auf die Kundgebungen Hcrtlings und Czernins ftattfinde, um eine gemeinschaftliche Form zu finden, auf die Auslassungen einzugehcn Diese Ausgabe soll dann Herrn Wilson zufallcn. Ob diese Art des Verbandelns über dem Ozean und ohne jegliche Verbindlichkeit der Parteien irgend welchen Zweck hat, muß bezweifelt werden. Vielleicht könnte aber die theoretische Stellungnahme der japanischen Regierung gerade Im jetzigen Augenblick mich darauf berechnet sein, die Position der Alliierten bei etwaigen Verhandlungen zu stärken. Ob die Alliierten überhaupt^die Neigung zu Unterhandii'N'nm besitzen, wird sich bald zeigen müssen; denn wenn einmal die kriegerischen Ereignisse in großem Stil eingesetzt haben lv ist eine Verständigung viel schwerer zu erzielen, als das jetzt vielleicht möglich wäre. O 8.
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Zur Haltung Japans.
(WTV.) Paris. 36. Jan. Die Agence Havas berichtet aus Tokio vom 24. Januar: Bei der Eröffnung des japanischen Parlaments hielt der Minifter-
Dcirtsche N-Bcwte «n der nord- und südamerikanischeu Lüste?
(WTB.) Vorn, 26. Jcn, Die französische Presse meldet, daß, amerikanischen Zeitungen zufolge, au der amerikanischen und südamerikanischen Küste, besonders in der Nähe von Brasilien, Unterseeboote gesehen worden seien.
Präsident Graf Terauchi eine Rede, worin er sagte: Die Wendung der Ereignisse in Rußland ist für uns ein Gegenstand ernstester Sorge. Wir wünschen, daß Rußland sich eine dauerhafte Regierung schafft, indem wir feststellen, daß leider die Unordnung auf Ostasten übergreift. Es ist zu befürchten, daß sie den Frieden im äußersten Osten bedroht, der die Grundlage der Politik unseres Landes bildet. Wenn die Unruhen das nationale Interesse bedrohen, wird die Regierung dis geeigneten Maßnahmen treffen. Der Minister des Äeußern, Varon Motono, unterstützte diese Worte und fügte hinzu: Die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der Sicherheit im äußersten Osten steht Japan zu. Dieses darf vor keinem Opfer zurückschrecken, um einen dauernden Frieden zu sichern.
Eine Rede des japanische» Außenministers.
(WTV.) Tokio, 25, Jan. Reuter meldet: Der japanische Minister des Auswärtigen, Motono, sagle in einer Neüe im Parlament u. a.. er sei glücklich, festste!!«» zu können, daß die von Japan geleistete Hilfe große Anerkennung bei den Völkern und Regierungen der Alliierten gefunden habe und daß das Bündnis Japans mit Großbritannien immer die Hauptgrundlage der japanischen auswärtigen Politik gewesen sei. Es sei unmöglich, die Weltlage nach dem Kriege oormiSzusagen, aber es sei gewiß, dass, solange die gemein- '..M'.n Inj.-reffen zwischen Jap-n und England in Asien bestehen, die Regierungen und Völker beider Nationen mehr und nehr die Notwendigkeit einer loyalen Aufrcchterhaltung deL llündnisscs einschen werden. Infolge des Beschlusses der japanischen Regierung, sich in die politischen Streitigkeiten in China nicht einzumengen, sei in den Beziehungen zwischen China und Japan eine erfreulich e D'sssrung ein getreten. Das Au- wach/n der deutschen Macht sei die größte Bedrohung für die Sicherheit des fernen Ostens. Deshalb habe Japan Deutschland aus Tsingtau verdrängt. China sehe ein, daß seine Interessen mit denen Japans übercinstimmen, und er beglückwünsche China zu seiner klugen Entscheidung, sich den Mi- ftricn anzuschlicßen, Die Vereinigten Staaten h-sst:n sich von .>cr Aufrichtigkeit des japanischen Entschlusses, die Unaichäugig- stlt Chinas und die Unversehrtheit seiner Gebiete ausrecht zu -«halten, überzeugt, und das besondere Interesse Japans in China anerkannt. In Rußland hätten sich die Ereignisse lch entwickelt. Es sei unmöglich, sich ein genaues Bild zu machen, aber es werde notwendig sein bei der Entschließung über die Mas na reuen, die Japan vielleicht ergreift» muffe, klng zu Werke zu gehe». Mit Rücksicht auf die freundschaftlichen Beziehungen, die bisher zwischen Japan und Russland bestanden, hoffe die japanische Regierung ernstlich, dass eS dem russischen Volke gelingen werde, eine starke und dauernde Negierung einzurichten, ohne den Interessen seiner V »kündeten oder der Ehre und dem Prestige Rußlands zu präjndizicren. Japan wisse aus de» Erklärungen seiner Freunde und Vcrbüu- wten, was sic als Grundlage für den künftigen Frieden belachten. Diese Grundlagen seien von den Kricgsziclc» des Feindes sehr vctzchi.dcn. Man müsse annehmcn, daß. solange die Gegensätze so gross bleiben, ivenig .Hoffnung ans einen baldigen Fri den bestehe. Trotzdem wünsche die Regierung ihre Stellung gegenübcr einen! Frieden darz'-.ftijc!!. Es sei ganz überflüssig, zü erklären, daß Japan auch in Zukunft den Alliierten jede nur mögliche Hilfe leisten werde, lim einen bau ernden Frieden für die Zukunft zu sichern, dürfe Japan vor keinem von ihm verlangten Opfer zurückschrecksn.
Der Verlauf der Verhandlungen in Petersburg.
(WTB.) Berlin, 27. Jan. Ueber den bisherigen Gang der Verhandlungen der in Petersburg auf Grund der Zusatz-
bestimmungen zum Brester Waffenstillstandsvertrag tagenden Kommission wird «. a. Nachstehendes berichtet: Nach Lage der gegenwärtigen Verhältnisse in Rußland kann noch nicht mit Bestimmtheit darauf gerechnet werden, daß sich die für den Austausch wünschenswerte Einrichtung regelmäßiger nick grösserer Transporte auf dem'Landwege schon bald wird verwirklichen lassen. Hinsichtlich des Austausches der Zivilpersonen ist eS bisher noch nicht zu einer Verständigung über den Kreis der Auszutauschenden gekommen. Immerhin ist schon in beschränktem Umfang« mit der Heimbeförderung begonnen worden. Die Wirtschaftskommission hat sich zunächst auf die Verhandlungen über die Wiederherstellung der Verkehrsmittel und -wege zwischen den vertragschließenden Ländern beschränkt, da nach russischer Ansicht die Lage der Verhältnisse die Wiederanknüpfung der Handelsbeziehungen noch nicht zuläßt. Teils in Vollsitzungen, teils in Unterausschüssen ft über daS Wiederingangbringen des Post-, Telegraphen- und Eisenbahnverkehrs verhandelt worden. Vorbehaltlich der Zustimmung der beiderseitigen Regierungen ist nunmehr ein grundsätzliches Einvernehmen zur möglichst baldigen Wiederaufnahme eines direkten Post-, Telegraphen- und Eisenbahnverkehrs durch die Front erzielt worden. Auf dem Gebiete der Post ist Einigung darüber erzielt worden, daß der Brief- und Paketverkchr durch die Front im allgemeinen zuzulassen ist. Diese Abmachung bedeutet zugleich eine wesentliche Besserung der Lage der Gefangenen, die nun auf einen schnelleren Empfang ihrer Post werden rechnen dürfen wie bisher. Die Beförderung von Postsachen unterliegt noch gewissen Einschränkungen. Die Verhandlungen über die Wiedereinführung des Postanweiftmgsverkehrs find noch nicht abgeschlossen, versprechen aber auch ein günstiges Ergebnis. Einverständnis ist darüber erzielt, daß Privattelegramme, zu denen auch Presstelegramme zu rechnen sind, wieder allgemein befördert werden dürfen. Für den Eisenbahnverkehr kommt eS darauf an. den tm Krieg abgebrochenen Anschluss der beiderseitigen Bahnlinien wieder- herzi-stellen, Die grundsätzliche Zustimmung zur Vornahme der erforderlichen Vorarbeiten wurde russischerseitS gegeben. Das Zustandekommen fester Abmachungen für die Wiederaufnahme eine? ordnungsmäßigen Betriebs auf den Verbindungslinien, von denen die Schnelligkeit der Heimbeförderung der Kriegs- und Zivilgefangenen und die Wiederaufnahme des regelmässigen j PosiverkcbrS wesentlich abhängt, wird hoffentlich nicht alluilange j mif sich warten lassen. Der bisherige Gang der Verhandln««?» der Wirtschaftskommission läßt erhoffen, daß eine den Interessen beider Parteien Rechnung tragende Vereinbarung über die in Behandlung genommenen Materien zustande kommen wird und daß mich deren Ueberlcitung in die Praxis trotz mancher rucht zu verkennender Schwierigkeiten dann ohne grossen Zeitverlust vonstatten gehen wird.
Die Ansicht in Washington über die Reden Hellings und Czernins.
Washington, 27. Jan. (Reuter.) In hiesigen amtlichen Kressen herrscht die Ansicht, dass, soweit man nach den kurzen g-kabelten Umrissen der Reden Hevilings und Czernins urteilen könne, kein wirklicher Fortschritt auf den schließlichen Frieden in ihren Erklärungen zu finden sei. Die Ausdrücke Czernins werden als versöhnlicher bekochtet, als seine früheren Aeussernngen, aber über Hertling wird geurteilt, dass er sich unnachgiebiger und militärischer zeige, als zu der Zeit, da er fein Amt übernahm. Abgesehen von unbestimmten Allgemeinheiten, so urteilt man, zeigen die Mittelmächte keine Neigung, ihre extremen Forderungen aufzugeben.
Englische Befürchtungen.
(WTB.) London, 35 .Jan. Reuter meldet: Lord Courzon hielt in Cardiff eine Rede, in der er unter anderem sagte: Es gibt niemand, der nicht den Frieden wünscht. Wenn wir trotzdem nicht dazu gelangen kann, so liegt das daran, daß der Friede, den man augenblicklich vom Feinde erlangen kann, mit der Ehre und Sicherheit Englands nicht vereinbar sein würde. Der deutsche Vorschlag, Antwerpen zu behalten, sei nicht zulässig, denn der Englische Kanal würde dann ein Deutscher Kanal werden. Mit der Freiheit Englands würde es aus sein. Auch würde Hol-