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Aus den Tannen.

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Ar. 53.

Menstaig, Dienstag dm 8. Mai.

1883.

Das Kraukenkassevgesetz nach der zweiten Lesung.

Der Reichstag hat endlich den ersten der großen sozialpolitischen Entwürfe, das Kranken- kaffengesetz, in zweiter Lesung durchberathen und die Beschlüsse der zweiten Berathung werden durch die der dritten in wesentlichen Punkten nicht geändert werden.

Nach der ausgesprochenen Absicht der Reichs­regierung soll dieses Gesetz das erste Stockwerk für ein Gebäude bilden, auf welches die Unfall­versicherung, die Altersversorgung, die Wittwen- nnd Waisenpensionen als weitere Stockwerke gesetzt werden sollen. Aus dieser Absicht spricht das Erkenntniß, daß die Fürsorge für die Ar­beiter bisher nicht gleichen Schritt gehalren hat mit der enormen Entwickelung der Industrie und daß sich diese Fürsorge doch auf einem andern Wege als den der Armenpflege zu äußern hätte. Die segensreichen Folgen des Hilfs- kassengesetzrs von 1876 sind ja nicht zu ver­kennen; dieselben sollen ja auch bestehen bleiben und neben den kommunalen rc. Kassen funktio- ntren; aber die Allgemeinheit der Arbeiter zähl­ten jene freien Kassen nicht zu ihren Mitglie­dern, so daß die Hälfte aller Arbeiter gegen­wärtig noch unversichert ist und in Erkrankungs- fällen dem wirthschaftlichen Ruin und der Ar­menpflege anheimfällt.

Versicherungspflichtig sind Arbeiter und Beamte aller Betriebe, außer den Handlungs- nnd Apothekenbedtensteten, wenn sie für einen stehenden Gewerbebetrieb außerhalb der Betriebs­stätte desselben beschäftigt sind, und außer den Arbeitern in der Hausindustrie und den see­schifffahrttreibenden Personen. Jedoch kann die Gemeinde auch diese versicherungspflichtig machen und zwar auf Grund eines von der Vorgesetzten Staatsbehörde zu genehmigenden Ortsstatuts. Von der Verstcherungspflicht un­bedingt ausgeschlossen sind Angestellte mit einem Gehalt von mehr als 6Vz Mark pro Tag, so­wie alle Staats- und Kommunalbeamten.

Der grundlegende Satz des neuen Gesetzes ist daher der gesetzliche Versicherungszwang. Dieser Zwang ist direkt gegen den Arbeit geber gerichtet, der seine Arbeiter zur Krankenver­sicherung anhalten soll. Bei dem vielfachen Berufs- und Ortswechsel der Arbeiter wäre auch eine anderweite Kontrolle überaus schwierig, wenn nicht gänzlich undurchführbar. Sodann soll der Gemeind e die Verpflichtung auferlegt werden, Krankenkaffen im Sinne des Gesetzes M begründen, und zwar für jene Versicherungs- Pflichtigen, welche nicht einer freien Kasse, die das Minimum des von dem Gesetz Geforderten leistet, angehören.

Die von den Kaffen zu gewährende Unter­stützung in Krankheitsfällen besteht in freier Arznei und freier ärztlicher Behandlung, sowie vom dritten Tage der Erkrankung ab in einem Krankengelde, welches die Hälfte des ortsüblichen Tagelohns beträgt. Die Unterstützung ist aus­geschlossen bei Erkrankungen infolge groben Ver­schuldens, Trunksucht und geschlechtlicher Aus­schweifungen. Die Unterstützung geht dreizehn Wochen lang, für die fernere Zeit soll dann die Unfallversicherung eintreten. Außerdem werden Sterbegelder und Unterstützungen an Familien­mitglieder und Wöchnerinnen gezahlt.

Die Beiträge sollen durchschnittlich IV 2 Pro- Mi des täglichen Arbeitslohnes betragen; ein Drittel davon hat der Arbeitgeber zu leisten, welcher aber dafür in den Kaffen-Generalver- sammlungen ebenfalls Sitz und Stimme hat.

Das sind die wesentlichsten Bestimmungen des Gesetzes, wie es aus der zweiten Lesung

hervorgegangen ist und deren grundlegende Be­deutung auch die bevorstehende dritte Lesung nicht verrücken wird.

Tagespolitik.

Ueber die Beschlüsse, welche die deut­schen Sozialdemokraten auf dem Kongreß in Kopenhagen faßten, vernimmt man jetzt, daß im Hinblick auf die Wahlen vereinbart wurde, die Partei habe den Schwerpunkt weniger in die Eroberung möglichst vieler Sitze, als in die möglichste Verbreitung ihrer Lehren zu legen.

Der Handels- und Schifffahrts-Vertrag mit Italien wurde am Samstag in Berlin unterzeichnet.

Eine für das Frühjahr geplant gewesene Zusammenkunft der Herrscher Deutschlands, Oesterreichs und Italiens scheint auf den Herbst verschoben zu sein. Wie es heißt, sollen Kaiser Franz Joseph und König Humbert erst anläß­lich des 25jährigen Regierungsjubiläums des Kaisers Wilhelm als König von Preußen diesem in Berlin ihren Besuch abstatten, weil König Humberts Berliner Besuch aus solchem Anlässe die vorherige Feststellung eines Gegenbesuchs des deutschen Kaisers in Italien überflüssig macht.

Im Befinden des Reichskanzlers ist eine ungünstige Wendung eingetreten, denn in den letzten Tagen haben sich wieder starke Schmer­zen eingestellt, so daß der Patient sich vor dem Sprechen hüten und auf die möglichst geringe Bewegung beschränken muß.

Die Verhandlungen mit der madagas­sischen Gesandtschaft nehmen den besten Fort­gang und der Abschluß eines Handelsvertrages steht unmittelbar bevor. Die Mitglieder der Gesandtschaft haben über die ihnen in Berlin gewordene Aufnahme ihre volle Befriedigung ausgesprochen.

Wie es den Anschein gewinnt, wird nun­mehr auch in Frankreich der sogen. Kulturkampf entbrennen. Die Entscheidung des französischen Staatsraths, daß die Regierung Geistlichen das vom Staate bewilligte Gehalt entziehen könne, wird nämlich vom Papste als eine Herausfor­derung zum Kirchenstreite betrachtet. Der päpst­liche Stuhl wird demnach eine Protestnote an die französische Regierung erlassen. Der Ex­marschall Bazaine hat wieder ein Lebens­zeichen von sich gegeben. Ein legitimistisches Blatt veröffentlicht einen Brief von ihm, in welchem er behauptet, er habe für Frankreich 150 000 Menschenleben gerettet; nur durch die von ihm erhaltene Armee hätte Thiers später die Kommune niederwerfen können. Er hofft, es werde ihm noch vergönnt sein, im nächsten Kriege gegen Deutschland als Oberbefehlshaber für sein Vaterland zu siegen oder zu sterben!

Ganz wider Erwarten bat das englische Unterhaus die vielgenannte Angelobungsbill, welche den parlamentarischen Eid überflüssig machen sollte, mit 292 gegen 289 Stimmen ab­gelehnt. Gladstone und der Minister des Aeu- ßern Harttngton hatten noch kurz vor der Ab­stimmung glänzende Reden für das Gesetz ge­halten. Man weiß nun nicht, ob nach dieser Niederlage der Regierung die letztere zurücktreten oder ob das Parlament aufgelöst werden wird. Jedenfalls wird der Abg. Bradlaugh aus dieser Ablehnung den Anlaß zu dem Versuch nehmen, seinen Parlamentssitz zu erzwingen. Dann ist ein neuer Skandal fertig.

Der falsche Prophet Mahdi macht im Süden des egyptischen Reiches ganz bedeutende Fortschritte, trotz der Siegesberichte, die von dem Kommandanten der gegen den Aufrührer gesandten egyptischen Truppen von Zeit zu Zeit veröffentlicht werden. Thatsache ist, daß in

den südlichen Provinzen die Autorität des Vize­königs gänzlich aufgehört hat und daß dem Propheten Mahdi immer mehr Volksstämme zufallen. Jetzt meldet zwar wieder eine amt­liche Kriegsdepesche von einem großen Siege der Regierungstruppen, sogar der Stellvertreter des Mahdi soll im Kampfe gefallen sein; aber es scheint sich doch um kaum mehr als ein größeres Vorpostengefecht gehandelt zu haben. Die Be­sorgnisse in Kairo sind daher begreiflicherweise wachsend.

Deutscher Reichstag.

Der Reichstag beschäftigte sich am Dien­stag zunächst mit Wahlprüfungen und verwies darauf den Antrag Kayser-Liebknecht wegen Einleitung des gerichtlichen Verfahrens gegen die Polizeibeamten, welche die Abgg. v. Vollmar und Frohme verhaftet haben, an die Geschäfts­ordnungskommission zur Berichterstattung. Als­dann ging das Haus zu dem Anträge Rickert über, betreffend die weitere geschäftliche Be­handlung des Unfallversicherungsgesetzes. Der Antragsteller benutzte den Antrag zu einer Be­sprechung der kaiserlichen Botschaft und zu einer Bekämpfung der zweijährigen Etatsperioden, wo­gegen die Abgg. v. Kardorff, Windthorst und v. Maltzahn-Gültz ausführten, daß der Antrag nicht geeignet sei. die Berathung des Unfallver- stcherungsgesetzes zu fördern, sondern zu ver­zögern. Auch Ftuanzminister Scholz fand in dem Anträge eine andere Bedeutung, als dem­selben vom Antragsteller beigemeffen worden, nämlich die, darzuthun, daß die nächste Zeit nicht der Berathung des Etat, sondern der Be­rathung des Unfallversicherungsgesetzes gehöre und das sei nicht der Sinn der kaiserlichen Botschaft, die mit der zweijährigen ElatLperiode nichts zu thun habe. Das Haus genehmigte schließlich einen Antrag Windthorst mit 113 gegen 92 Stimmen, durch welchen der Antrag Rickert der Unfallversicherungskommisston zur Bericherstattung zugewiesen wurde.

In der Mirtwochssttzung des Reichstages gelangten die Anträge Baumbach und Büchte- mann zur Gewerbeordnungsnovelle zur Berath­ung, von denen der crstere sich au? die Beschränk­ung der Arbeiten in den Militärwerkstätten, der letztere auf Bildung von Gesellen-Jnnungen bezog. Beide Anträge sind von der Gewerbe­kommisston abgelehnt und hatte dies den Abg. Richter (Hagen) veranlaßt, den Antrag Baum­bach in Form einer an die Militärverwaltung gerichteten Resolution einzubringen. In Bezug auf diesen letzteren Antrag war nun ein Schrei­ben des Reichskanzlers eingegangen, in welchem derselbe gegen die diesem Anträge zu Grunde liegende Voraussetzung der Möglichkeit, daß die Militärverwaltung des Reiches verpflichtet oder berechtigt sein könnte, direkten Aufforderungen desReichstages Folge zu leisten, oder dieselben auch nur amtlich entgegenzunehmen auf Grund der Reichsverfaffnng im Namen des Kaisers Verwahr­ung eingelegt. Das Schreiben rief im ersten Augen­blicke eine gewisse Sensation hervor, wurde in­dessen bei der darauf folgenden Diskussion des Richter'schen Antrages als berechtigt anerkannt und Abg. Richter selbst gab dem insofern statt, als er den Eingang seiner Resolution dahin änderte:Den Reichskanzler zu ersuchen Die Diskussion war eine ziemlich erregte und spielte sich namentlich zwischen dem Abg. Rich­ter und dem Kriegsminister Bronsart v. Schellen­dorff aus das persönliche Gebiet hinüber. Die Abstimmung über die Richter'sche Resolution wurde bis zur dritten Lesung der Gewerbeord­nungsnovelle verschoben, die Anträge Büchte- mann wurden abgelehnt. Am Freitag stand