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Aus den Tanukn.
Intelligenz- L Anzeige-Matt
von der oberen Nagold.
DieieS Blait erscheint wöchentlick'drei Mal und zwar: Dienstag, Lonner- nag und Samstag.
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Ar. 52.
Menstaig, Samstag den 5. Mai.
1883.
L Die französischen Finanzen.
Wenn wir heute von dieser Stelle aus nochmals den Blick nach dem Auslande richten, anstatt Näherliegendes zu betrachten, so geschieht dies, weil alle wichtigeren Angelegenheiten unserer inneren Politik sich gegenwärtig in der Schwebe befinden, dem Auge des Beobachters keinen Richtpunkt bieten und sich erst krystallisiren müssen, um als Gegenstände einer sachlichen Besprechung dienen zu können.
Zweifellos sind alle Vorgänge in Frankreich, die sich auf dessen Machtstellung und inneren Ausbau beziehen, von größtem Interesse für uns. Sie bilden sozusagen das Barometer, das uns je nach den Umständen „Schön Wetter", „Veränderlich", „Sturm" rc. anzeigt. Und wenn wir auch in der glücklichen Lage sind, den etwaigen Witterungsunbilden kräftig Trotz bieten zu können, so wissen wir doch, daß ein mildes Werter der zarten Frühlingssaat des allgemeinen Völker- ftiedens am zuträglichsten ist.
Das Barometer Frankreichs hat in diesem Jahre schon mehrfach Sturm angezeigt, aber die Quecksilbersäule stieg alsbald immer wieder und steht gegenwärtig auf Windstill-. Vielleicht hat dazu zum guten Theil die Kritik den Anlaß gegeben, welche Frankreichs bedeutendster Finanzmann, Leon Sah, den französischen Finanzen angedeihen ließ. Leon Sah hat eine Illusion, die dem Volkscharakter der Franzosen so sehr schmeichelte, nemlich die Illusion von der Unerschöpflichkeit der französischen Finanzen, mit unbarmherziger Hand zerstört.
Dieser Wahn war aber in doppelter Hinsicht ein recht gefährlicher; zunächst verleitete er die französischen Staatsmänner zu Ausgaben, die der „unerschöpflichen" Steuerquelle entsprachen und zweitens kam es den Regierungen auf eine abenteuerliche Thorheit mehr oder weniger nicht an, denn „Frankreich ist reich genug, seine Jrrthümer und Thorheiten zu bezahlen."
So ziemlich in Widerspruch zu dieser bisher in Frankreich weitverbreiteten Auffassung steht die jüngste „Rentenkonverston". Sie war eine Maßregel der Sparsamkeit, wie der Finanzminister Tirard noch mehrere in Aussicht gestellt hat; denn es weist das französische Staatsbudget Jahr für Jahr ein Defizit auf.
Frankreichs Staatsfinanzcn befinden sich ganz offenbar in einem Rückgänge und dazu trägt zweierlei wesentlich mit bei: In Deutschst, hat die französische Mode einen großen Theil ihrer Anhänger verloren und ... die putsche Industrie beginnt der französischen in deren eigenem Lande eine merkbare Konkurrenz zu machen. Das verkannte man auch in Frankreich nicht und deßhalb hat man jetzt Sparsamkeit als Molto angenommen. Man wolle die Ausgaben, so hieß es, „bis an die Grenze des Möglichen" beschränken; man wolle ferner stch auf keine neuen Abenteuer einlassen. Indessen, wie ist die Grenze zwischen dem Norh- Mendtgen und dem Ueberflüssigen zu ziehen? Wenn Frankreich beispielsweise Millionen und aber Millionen zur Befestigung seiner Grenze gegen Deutschland verwendet, wenn es seine ganze Infanterie mit dem Magazingewehr bewaffnet, wenn es 5Vr Millionen für eine Expedition gegen Tonkin bewilligt, so mögen das ta den Augen der französischen Regierung keine „überflüssigen" Ausgaben sein, einem ruhig denkenden Beobachter müssen sie aber gewiß als solche erscheinen und die Expedition nach Tonkin als eine That, wie sie abenteuerlicher gar nicht gedacht werden kann. Die dafür geforderten »V, Mill. Frank find ja nur der Anfang; wenn amn erst einmal ernstlich begonnen hat, dann
werden Nachforderungen unvermeidlich sein, weil dann die Ehre Frankreichs auf dem Spiele steht; man hat das ja an Tunis gesehen.
Eine Ordnung der immer mißlicher werdenden französischen Finanzverhältnifse wird sich nur durch wirkliche Sparsamkeit der republikanischen Regierung erzielen lassen und diese beginnt am besten beim Milüäretat. Wenn unter den heutigen Zeitläuften überhaupt an eine „Abrüstung" gedacht wird, so muß Frankreich damit den Anfang machen; denn von keiner Seite droht Gefahr für den allgemeinen Völker- frieden, sobald Frankreich das Schwert in ehrlicher Weise unt der Pflugschar vertauscht.
Tagespolitik.
— In Berliner diplomatischen Kreisen wird der gleichzeitigen Reise des deutschen Kronprinzen nach Italien und des Prinzen Wilhelm nach Wien eine politische Bedeutung beigemeffen. Derselben Ansicht neigt man sich auch in der hohen Diplomatie der österreichischen Kaiserstadt zu.
— Die zur Reichskasse gelangte Einnahme aus Zöllen, gemeinschaftlichen Verbrauchssteuern und anderen Einnahmen betrug abzüglich der Vergütungen und Verwaltungskosten im letzten Etatsjahre 337 648 379 M. oder über 7 Mill. weniger als im Vorjahre.
— Das österreichische Abgeordnetenhaus beschäftigte sich im Laufe vor. Woche mit der Spezialbcrathung der Schulnovelle und nahm, wie vorauszusehen war, sämmtliche Bestimmungen derselben, zum Theil allerdings mit sehr geringen Stimmenmehrheiten an. Von der Erbitterung, mit welcher die Verhandlungen geführt wurden, legt ein in höchst unparlamentari- schen Ausdrücken sich bewegender Wortwechsel zwischen dem Unterrichlsminister und dem Abg. Heilsberg Zeugniß ab. Am 28. v. M. wurde die Novelle in dritter Lesung mit 170 gegen 167 Stimmen angenommen. —
— Im Dubltner Mordprozeß gegen den vierten der wegen des Mordes iin Phönixpark Angeklagten, Fagan, hat die Jury das Schuldverdikt ausgesprochen; Fagan wurde infolgedessen zum Tode verurtheilt.
— Endlich ist der Tag, an welchem die Zarenkrönung in Moskau stattfinden soll, endgültig festgesetzt worden und wird derselbe auf den 27. Mat fallen. Der neugekrönte Zar wird dann bis zum 11. Juni in Moskau bleiben, wohin er sich bereits in der ersten Maiwoche begeben wollte. Auch in Petersburg werden schon für den Einzug des Zaren ansehnliche Vorbereitungen getroffen und es scheint, daß man keine materiellen Opfer scheuen wird, um nicht hinter der ersten Residenz zurückzubleiben.
— Nach dem statistischen Bericht des russischen Zolldepartemenis hat stch in dem Zeitraum von 1875—1881 die Zahl der Deutschen in Rußland um 406181 vermehrt.
— Der iri sch e Rat io nalkon vent in Philadelphia hat stch auf unbestimmte Zeit vertagt, nachdem vorher von dem Nationalkomitce ein aus 7 Mitgliedern bestehender Exekutiv- Ausschuß ernannt worden war. Auffallenderweise hat der Konvent eine bedeutende Mäßigung an den Tag gelegt und — äußerlich wenigstens
— die Dynamitpolitik auf das energischste zurückgewiesen.
Deutscher Reichstag.
Der Reichstag erledigte in seiner Samstagsitzung nach einiger Diskussion das Gesetz über die Reichskriegshäfen in zweiter Lesung und setzte alsdann die Berathung des Krankenversicherungsgesetzes fort. Da es stch jetzt nur noch
um Einzelheiten, gewissermaßen um statutarische Bestimmungen für das Krankenkaffenwesen handelt, so entbehren die immerhin langen Debatten eines tiefergehenden Interesses.
Vor dem Eintritt in die Tagesordnung der Montagsttzung ehrte der Präsident v. Levetzow das Andenken des am Sonntag verstorbenen Abg. Schulze-Delitzsch mit warmen Worten, wobei er besonders hervorhob, daß derselbe sein ganzes Leben der öffentlichen Wohlfahrt gewidmet habe und auch im Reichstage als Muster treuer Pflichterfüllung von allen Seiten hochgeschätzt worden sei. Er fügte hinzu „wir werden den liebenswürdigen, ehrwürdigen Kollegen niemals vergessen" und auch das Haus erhob sich zum Andenken an den Heimgegangenen. Daraus wurde die Berathung des Kranken Versicherungs- gesetzes fortgesetzt und dasselbe endlich erledigt. Aus der Diskussion ist Bemerkenswerthes nicht zu berichten, zu erwähnen ist nur, daß die Abgg. Meyer (Breslau) und Eberty sich veranlaßt sahen, eine Aeußerung des Abg. Kayser, mit welcher derselbe den Breslauer und Berliner Magistrat als fortschrittlich, resp. fortschrittlich- sezessionisttsch bezeichnte, zurückzuweisen. Bet der Feststellung der Tagesordnung für die Dienstagsfitzung wiederholte Abg. Rickert sein Verlangen, seinen Antrag wegen der Behandlung des Unfallverficherungsgesetzes mit auf die Tagesordnung zu setzen, was dem Abg. Kayser Veranlassung gab, dasselbe für seinen Antrag, betreffen!) die Verhaftung der Abgg. Frohme und v. Vollmar zu verlangen. Beiden Anträgen wurde dann auch stattgegeben.
Laudesuachrichtell.
Stuttgart, 1. Mai. Im Vereinshause hatten sich heute Nachmittag etwa 30 Männer aus allen Theilen des Landes versammelt, um über die Frage der Gründung von Arbeiterkolonien in Württemberg zu berarhen. Es entspann sich eine längere Debatte über die Be- dürfnißfrage, die von den meisten der Redner bejaht wurde. Herr Gust. Werner von Reutlingen machte Mitiheilungen über die Einrichtungen seiner Anstalten und stellte dem Projekt ein günstiges Prognostikon. Aus den Debatten gieng soviel hervor, daß die zu gründende Arbeiterkolonie etwa das Mittel brlden soll zwischen dem staatlichen Arbeitshaus in Vaihingen und der vereinzelten Unterstützung von Menschenfreunden, Arbeitsgelegenheit zu verschaffen. Der Eintritt in die Arbeirerkolonie soll ein durchaus freiwilliger sein und soll dieselbe besonders solchen Individuen Aufnahme gewähren, die nicht unverbesserlich, aber durch Müßiggang in Gefahr gerathen, sittlich zu verkommen und durch Arbeit wieder sittlich gehoben werden sollen. Auch entlassenen Sträflingen soll der Eintritt in die Kolonie offen stehen. Se. Durchlaucht Fürst Hohenlohe-Waldenburg hatte gegen das Projekt insofern einen Einwand zu erheben als er von demselben ohne gehörige Regelung der Naturalverpflegung sich keinen Erfolg versprach. Auch für Einführung der Arbeitsbücher erklärte stch der Fürst, ohne dieselben werde es unmöglich sein, sich darüber zu vergewissern ob man es bei den Unterstützung Suchenden mit wirklich Bedürftigen oder mit Stromern zu thun habe. Ueberhaupt unterzog man die Durchführung der Naturaloerpflegung von verschiedenen Seiten einer herben Kritik, man nannte dieselbe sowohl eine absolut liederliche, als man behauptete, sie sei, anstatt ein Werk wahrer christlicher Liebesthätigkeit zu sein, in ein bureau- kratisches Fahrwasser gerathen. Man beschloß schließlich einstimmig die Gründung einer Arbeiterkolonie und erklärte stch bereit, dem Verein,