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Intelligenz- L Anzeige-Matt

Von der oberen Nagold.

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Yr. 132.

Menstaig, Donnerstag dm 9. Aovemöer.

1882.

Das erledigte Bezirksbauamt Ravensburg wurde dem Baumeister Geiger in Cal« übertragen.

Nachgenannten Angehörigen des K. Landjägerkorps find wegen vorzüglicher Dienstleistungen Auszeichnungen zuerkannt worden und haben u. a. Geldprämien erhalten die Stationskommandanten: Birk in Nagold, Schnei­der in Calw, Sirt in Freudenstadt.

L Gambetta und Clemenceau.

Seit voriger Woche haben die Franzosen einen neuenHelden des Tages"; es ist dies nicht etwa ein Mann, der bisher im Dunkel der Unbekanntheit lebte, und welchen dann die Ereignisse plötzlich an die Oberfläche des öffent­lichen Lebens emporgeschnellt haben, sondern ein Politiker, dessen Name als der eines schnei­digen Gegners von Gambetta schon seit Jahren genannt wird: Clemenceau, der Führer der Radikalen. Und wodurch ist der oft genannte Parteiführer so plötzlich zumStern" der Pa­riser geworden? West er den Muth gehabt hat, in einer großen öffentlichen Volksversammlung, die die neueste Dynamit-Agitation der revolu­tionären Arbeiter erörtern sollte, sich energisch gegen jene verbrecherischen Umtriebe auszu­sprechen.

Man sollte meinen, daß für jeden gesitteten Menschen eine solche Stellungnahme selbstver­ständlich wäre; in Frankreich hat man darüber andere Ansichten.Das Dynamit allein kann uns noch retten!" So verkünden wörtlich zahl­reiche Volksredner und die Zuhörer jubeln dieser neuesten politischen Weisheit enthusiastisch zu. Es war wirklich ein hoher Muth nöthig, zu den aufgeregten Arbeitern in einem andern Tone zu reden und jene heimtückischen Bübereien, die alsletzte Rettung" empfohlen werden, mit dem Schandmal der Verruchtheit zu versehen. Clemenceau sprach in Belleville, in jenem Vier­tel von Paris, das noch immer die Revolutionen begonnen hat.

Hier wurde auch mit Erschießung der Ge­nerale Thomas und Lecomte die Herrschaft der Kommune begründet; hier war es auch, wo Gambetta bei den letzten Wahlen seinen ihn unterbrechenden sZuhörern den wüthenden Zu­ruf:Betrunkene Sklaven" entgegenschleuderte, um sodann den Saal schleunigst zu verlassen. Clemenceau fand gleichfalls eine wüthende Geg­

nerschaft; aber daß er die Tribüne nicht ver­ließ, sondern eine gewaltige Rede gegen die anarchistischen Verbrechen, hielt und damit schließ­lich Erfolg errang, das läßt ihn in den Augen der Franzosen größer als Gambetta erscheinen. Allerdings hat sich Clemenceau damit von den äußersten Linken losgesagt; bei seinen besonnene­ren Mitbürgern hat er aber dadurch viel ge­wonnen und durch seine energische Stellung­nahme gegen Gambetta, die er in derselben Rede scharf zum Ausdruck brachte, ist er plötz­lich zum Regierungskandidaten geworden.

Das französische Bürgerthum lebt gegen­wärtig unter dem Banne der Furcht sowohl vor der Anarchie, wie vor einer etwaigen Dik­tatur. Clemenceau hat sich kühn zwischen diese beiden Schreckgespenster gestellt und nach beiden Seiten hin kräftige Beschwörungsformeln ge­sprochen; daher ist er der Mann des Tages, daher beschäftigt sich gegenwärtig die gesammte französische Presse mit ihm.

Herr Clemenceau war von jeher ein Gegner Gambettas; aber erst durch die Bedeutung, die er jetzt durch sein mannhaftes Auftreten gefun­den hat, wird er für Gambetta wirklich gefähr­lich. Clemenceau steht weiter links als Gam­betta, aber er macht zum mindesten den günstigen Eindruck, daß er es ehrlich meint, daß sein Ehrgeiz darauf gerichtet ist, seinem Vaterlande zu dienen, und nicht, dasselbe zu beherrschen. Ob derneue Mann," wenn er berufen werden sollte, das wacklige Mm'sterium Duclerc in der Regierung abzulösen, den stetigen Parteiintrigucu in der Kammer besser Stand zu halten wissen wird, als seine Vorgänger, steht noch sehr in Frage; ob er Frankreich jene Ruhe wieder­bringen kann, die so überaus nothwendig für die gedeihliche politische und soziale Entwicke­lung eines Landes ist, muß gleichfalls abge­wartet werden; aber den von Gambetta geför­derten Geist der Lüge und Jntrigue mit all' seinen häßlichen Abarten, wie den unsinnigen Deutschenhaß und die Spionenriecherei, wird er sicherlich energisch bekämpfen.

Laudesuachrichten.

In Nagold weilt seit einigen Tagen wie­der ein Untersuchungs-Commiffär der K. Steuer-

Behörde. Es handelt sich um bedeutende Capi- talsteuer-Defraudation, deren ein dortiger Ein­wohner verdächtig ist.

Freudenstadt, 6. Nov. Der laudwirth- schaftliche Bezirksverein hat im letzten Herbst 16 Zuchtfarren und 3 Rinder im Simmenthal erkauft und an Vereinsmitglteder veräußert. Nach der in der gestrigen Ausschußsitzung vorgetragenen Zusammenstellung beträgt der Erlös aus dem obengenannten Vieh 7937 M., der Ankaufspreis i »schließlich des Zolls und der Transport­kosten 7732 M. 54 Pf., also Mehr-Erlös 204 Mrk. 46 Pf., welcher zu Deckung des Minder- Erlöses Leim letzten Farren-Einkauf nahezu hin­reicht.

In Stuttgart stand letzthin ein Bestoh­lener vor Gericht und wurde härter bestraft, als der Dieb. Benediktus Ender, Maler aus Tyrol, war mit einem Posener Metzger gereist, der ihm seine Effekten, die sich in einemBer­ti er" befanden, stahl. Eud.'r zeigte die Sache an, gab aber an, es wären gute Kleider für 75 M, und 140 M. in einem Sparkassenbuch in demBerliner" gewesen. Das war aber falsch; derBerliner" hatte nur alte Kleider für einige Mark enthalten. Der Dieb wurde mit 4 Tagen Haft bestraft, während Ender nun wegen falscher Anschuldigung IV? Monat ins Gefängniß wandert.

Vor einigen Tagen machte der seit dem Jahre 1876 im Stuttgarter Zuchthaus intervenirte Schlosser Hetzel den Versuch, den Abtheilungs-Aufseher mittelst eines Hammers zu tödten oder wenigstens schwer zu verwunden.

(Landtags-Candidaturen.) Zur Landtagsabg.-Wahl für den Oberamts-Bezirk Ravensburg tritt nunmehr auch Lehrer Theophil Egger in Baienfurt als Bewerber auf. In Neckarsulm ist nun als Candtdat der Volspartet gegen Gutspächter Ege der Gemeinderath Wäch­ter von dort aufgestellt worden. In dem Waiblinger Bezirk wird sich der seitherige Abg. Oberamtspfleger Simon um ein neues Mandat bewerben. Ein Wahlkampf wird dort aber nicht erspart bleiben, da von anderer Seite Post­verwalter Heß, welcher im Jahre 1876 neben Simon candidirte, in Vorschlag gebracht wird.

Stern und Irrlicht.

Novelle von VirilUolinll'snssii.

(Fortsetzung.)

Die Ottershudener waren gewohnt, einem ernsthaften Gebot ihres Pfarrers zu gehorchen, allein ersichtlich thaten sie es diesmal mit halb verdrossenem, halb lachlustigem Ausdruck. Ein dumpf dröhnendes Rol­len schüttelte jedoch den Boden jetzt unter ihren Füßen, daß die meisten unwillkürlich verwundert noch einen Schritt zurücktraten, dann schrie plötzlich ein Dutzend von Kindern erschreckt auf und sprang wie ge­scheuchte Füllen blindlings in Feld und Busch hinein.

Ein rasselndes, schnaubendes, schwarze Wolken ausstoßendes Unge­heuer, mit dichtem Schwanz hinter sich, kam, schneller als die starrenden Augen und Gedanken der Zuschauer, auf dem hohen Damm daher, sein glühäugiger Kopf und Bauch war ganz mit grünen Laubkränzen um­wunden, zwischen denen der Ingenieur Karl Haberland stand und die Hand ausstreckte, als ob er das Ungethüm liebkoste. Da stieß es, weißen zischenden Dampf von sich schnaubend, einen fürchterlichen, gellenden, markdurchschretenden Ton aus, daß alle Hände an die betäubten Ohren auffuhren und Sivera Corde sich unwillkürlich mit beiden Armen an Geerbt Gebauer anklammerte und den gleichfalls grün bekränzten Hut schwenkend, rief Herr Haberland:

Schönen guten Morgen, Herr Pastor guten Morgen, mein Junge Morgen, kleine Meerkatz!"

Noch eine Anzahl aus offenen Fenstern hervorschauender lachender, offenbar von dem Anblick der starr gaffenden Dorfgemeinde höchlich amüsierter Gesichter flog wie im wirbelnden Rundtanz vorbei und alles war wie ein sausendes Unwetter vorüber.

Verstummt und verdutzt sah Ottershude hinterdrein und stand auf Mund und Ohren geschlagen da. Nur einer von den Spaßmachern ver­suchte etwas verunglückt zu lachen:

Das ist ja ein Durchgänger, wie Peter Classens schwarzer Deckhengst!"

Ein altes Weib jammerte:

Gott soll einen ewig in Gnaden behüten, sich in das Teufels­fuhrwerk htneinzusetzen!"

Ein keckerer Bengel, der sich halb die Böschung hinangewagt, rief:

Er that nur für uns so! Nun kriecht er wieder wie 'ne schwarze Schnecke!"

Der letzte Ruf löste die zumeist noch schreckgelähmten Glieder aus ihrem Bann, alles stürzte abermals auf den Damm und sah, wie der Zug auf der geraden Strecke scheinbar einem ruhig fortrollenden Wa­gen gleich gen Norden dahin wanderte.

Kopfschüttelnd begab sich die Gemeinde, in Gruppen zertheilt, auf den Heimweg.

Der Schulmeister nutzte die Gelegenheit, seine Schaar um sich zu sammeln und ihr einen Vortrag über die Allgewaltigkeit der Dampfkraft zu halten, den er indessen offenbar nicht in ein Gespräch umgesetzt zu sehen wünschte, da er allen wißbegierigen Fragen ein entscheidendes Schweig! Das kannst Du noch nicht verstehen!" entgegenwarf.

Dann folgten Tage, in welchen das Dorf noch jedesmal in Auf­regung gerieth und dem Damm wieder zustürzte, wenn die Kunde von dem Herannahen eines neuen Zages ertönte. Doch es war immer das nemliche Schauspiel: Langsam kam die schwarze Schnecke angekrochen, wie eine fauchende Riesenfledermaus schoß sie vorbei und wieder vorsich­tig weiterkriechend setzte sie ihren Weg fort.