den, in ihren gottesdienstlichen Zusammenkünften zu singen oder zu predigen und der Kultusminister, darum angegangen, habe es verweigert, zu ihren Gunsten zu interveniren. Ein preuß. Unterthan sei, weil er in seiner eigenen Wohnung mit einigen Freunden die Bibel las, ver- urtheilt worden, binnen 3 Tagen die österreich. Provinzen zu verlassen u. s. w.
(Die Orden des Grafen Andrassy.) Die ungarischen Zeitungen, welche sich noch immer mit dem sensationellen Ordensdiebstahl bei dem Grafen Andrassy beschäftigen, verzeichnen die merkwürdige Thatsache, daß ber ehemalige Ministerpräsident so viele Orden besessen habe, daß er die Zahl derselben nicht eher der Polizei angeben konnte, als bis er sich aus amtlichen diplomatischen Handbüchern darüber genügend Aufklärung verschafft hatte.
(Ein Kranz aus 1000 Stück Edelweiß), ein Prachtstück, einzig in seiner Art, prangt gegenwärtig auf dem am Wiener Zentralfriedhofe errichteten Katafalke für die beim Ringtheater- Brande Verunglückten. Es ist dieses Kunstwerk der Gärtneret ebenso bemerkenswerth seiner außergewöhnlichen Größe halber, als durch die kunstvolle Jneinanderfügung der Blumen.
Palermo. Aus dem Aetna steigt gegenwärtig wieder eine gigantische Feuergarbe in schräger Linie fast 20 Meter aufwärts. In kurzen Zwischenräumen erscheint eine macht ge Schwefelsäule, welche dann plötzlich durch die Lavaglut ersetzt wird. Die imposante Scene wechselt fast jeden Augenblick. Dabei vernimmt man ein fortwährendes unterirdisches Getöse. Nach diesen Symptomen zu schließen, steht ein großer Ausbruch bevor. Dagegen verhält si^y der Vesuv ganz ruhig. Seinem Krater entsteigt nur eine dünne Dampfsäule, die ab und zu ganz verschwindet.
Paris, 3. Nov. In vergangener Nacht wurden zahlreiche revolutionäre Plakate hier angeschlagen. Ein dabei Betroffener wurde verhaftet. Auch in Marseille wurden solche Plakate verbreitet.
(Großer Betrug.) In Paris wechselten am 26. Oktober zwei Engländer bei mehreren Bank-Häusern für 2 Millionen falsche Noten der Bank von England ein. Erst am andern Tag entdeckten die Bankiers den Betrug.
— Der Prinz Napoleon Jerome will nach Beilegung der Arbeitseinstellung in der Pariser Vorstadt Saint Antoine ein Manifest über die sociale Frage an die Arbeiter richten, worin er zu zeigen versuchen wird, daß ein demokratisches Kaiserthum mehr für sie thun könne, als die gambettistische stramme Republik. Auch ist von zahlreichen Gründungen des Prinzen Napoleon in der Provinzialprcsse die Rede; man fabelt sogar von 46 Blättern.
Louisville. Unlängst sollten in Kentucky zwei trotz dreifachen Mordes begnadigte Männer unter einer Bedeckung von 200 Mann Infanterie und Artillerie nach einem anderen
Gefängniß zu Schiff transportirt werden. Unterwegs griff aber eine erregte Volksmafse von einem Fährboot aus die Eskorte an. Eine förmliche Schlacht entstand. Die Truppen siegten; sie tödteten sechs Personen u. verwundeten dreißig.
(Das Elend einer Weltstadt.) Unter dem Titel „karis Horribls" hat Herr Georges Grison, der im Pariser „Figaro" seit Jahren an der Spitze der Lokalberichterstattung steht, soeben ein Buch veröffentlicht, welches von dem in gewissen Stadttheilen der glänzenden französischen Metropole und besonders in den Arbeiter-Quartieren herrschenden Elende grauenhafte Schilderungen entwirft. Da gibt es Mieth- kasernen, wie die Eite de Jeanne d'Arc z. B., in denen 1500 Familien, also mindestens 4000 menschliche Wesen auf dem engsten Raume zusammengepfercht, in verpesteter Luft geboren werden, leben und sterben. Der Mangel an Raum hat alle Unterschiede der Familien, der Altersklassen und der Geschlechter beseitigt und wenn das Elend in diesen Höhlen der Armuth groß ist, so ist das schamlose Laster daselbst vielleicht noch größer. Herr Grison erzählt von zahlreichen menschlichen Wohnstätten, die nicht einmal eine Oeffnung zum Einlaß von Luft und Licht haben. In jder Straße Rambuteau existiren Schlafstellen, deren Zugang jeden Morgen von 4—5 Uhr von Hunderten Obdachloser umlagert wird, welche auf den Moment warten, wo die dort beherbergten Maurer an die Arbeit gehen, um sodann gegen ein paar Sous in deren noch durchwärmte Lagerstätten zu schlüpfen. Angesichts solchen Elends darf man sich freilich nicht wundern, wenn der zügellose Luxus der Reichen die Habgier der Besitzlosen entflammt, wenn zwischen Arbeitern und Bourgeois die Kluft immer tiefer wird und wenn die unteren Volksklassen eine Verbesserung ihrer Lage nur von einer socialen Umwälzung und von einer Wiedererweckung der Commune erwarten.
Handel und Verkehr.
Stuttgart, 4. Novbr. Kartoffel-und Krautmarkt. Leonhardsplatz: 300 Säcke Kartoffeln L 3 M. 50 Pfg. bis 4 M. 50 Psg., Bisquitkartoffeln 5 M. Pr. Ztr. Marktplatz: 5000 St. Filderkraut L 8 M. bis 12 M. Pr. 100 St.
Hall. Viehmarktsergebniß vom 1. Nov. Zu Markt gebracht: 272 Ochsen, 308 Kühe und 318 Stück Kleinvieh; verkauft wurden: 162 Ochsen, 139 Kühe und 191 Stück Kleinvieh. Umsatzsumme 188 290 M. Die Preise bewegten sich bei 1 Paar Ochsen Zwischen 24 bis 50 Karolin, bei einer Kuh zwischen 95 bis 300 M. und bei einem Stück Kleinvieh zwischen 90-300 M. Handel lebhaft.
Aidtlingen, 1. Nov. (Hopfen.) Vorrath noch bis auf 80 Ztr., Preis 300—320 Mrk. pr. Ztr.
(Weinpreise.) Besigheim. Bönnig-
heim, 2. Nov. Vorrath bei mäßigem Aufschlag rasch auf die Neige. Vieles eingekellert. L tzte Anzeige. — Hohenstein, 3. Nov. 60—70 M. Pr. 3 Hektol. Eingekellert 150 Hktl. —Brackenheim. Kleingartach, 1. Novbr, Gemischt Gewächs ging zu 50—60 Mrk. roch Gew. M 60—70 M- pr. 3 Hktl. Zn dey letzten Pagen Verkauf recht ordentlich. Nur noch wenige Reste feil. Letzte Anzeige. — Ludwigsburg. Asper g, 2. Nov. 70-98 M. pr. 3 Hktl. Vorrath 100 Hektol. Bergwein 110—130 M. pr. 3 Hktl.
Vermischtes.
(Ein guter Rath.) Nehmt, o Frau'« den guten Rath — Von dem vielerfahrfl.en Mann: — Sobald die Lieb' ein Ende hat — Fangt sehr gut zu kochen an! (Fr.)
Aus dem Oberamt Neuenbürg berichtet man dem „N. T." die folgende niedliche Schulanekdote: Der Lehrer in C. erzählte seinen Kleinen die Geschichte von den drei Männern im Feuerosen. Am Schluß der Erzählung fragte einer der Knaben: „Und net amol Hot en ebbes weh tho?" — „Nein!" — „Au ist en ihr Kloid net verbrennt?" — „Nein!" — „Au net amol s'Aermele rußig worda?" — „Nein!" —„No glaub i's au net!"
(Biertrinker-Gewohnheiten.) Ein englischer Brauer will die Beobachtung gemacht haben, man könne die verschiedenen Nationalitäten daran erkennen und unterscheiden, wie sie sich benehmen, wenn ihnen eine Fliege ins Bierglas gefallen. Er behauptet: der Amerikaner wird das Bier wegschütten und ein frisches Glas fordern; der Spanier wird das Bier bezahlen ohne es anzurühren; der Franzose wird bezahlen und gehen, aber laut dabei räsonnieren; der Engländer wird die Kanne leeren und eine andere verlangen; der Deutsche wird die Fliege sorgfältig heraussischen und das Bier genießen; der Russe wird beides genießen, die Fliege und das Bier; endlich der Chinese wird die Fliege fassen, essen und das Bier unter den Tisch gießen.
AusdenP «Pieren eines Grobians. Wenn ich einen Mann vor einer Dame knieen sehe, um sie um ihre Hand zu bitten, so glaube ich stets an die Seelenwanderung, denn ich meine, daß offenbar die Seele eines Kameels in ihn gefahren sein muß, da dies das einzige Geschöpf ist, welches niederkniet, wenn man ihm — die schwersten Lasten aufbürdet.
(Zeugniß in Versen.) Der vor Jahren in Dittmannsdorf bei Borna wohnende, entschieden poetisch angelegte Gutsbesitzer Schneider pflegte die von ihm auszustellenden Dienst- Zeugnisse in Versen abzufaffen; eines derselben lautet: Inhaberin dieses Buches war — Bei mir tu Diensten auch zwei Jahr; — Sie war bei keiner Arbeit faul — Und hatte auch kein loses Maul, — War ehrlich, schmeichelhaft und klug, — Und hatte Abends oft Besuch; — Dabei war ste eitel und heiter, — Das attestirt der alte Schneider.
schrick nicht, wenn das pustende Ungethüm zum ersten Mal bei Euch vorbeiklappert, sondern denk an mich, und grüße die kleine Meerkatze auch von mir. Sie soll Deinen Kohl und sonstiges Geflügel gut in Ordnung halten, damit ich eine kräftige Suppe bekomme, wenn der Himmel mich in meinen altersschwachen Tagen einmal bei Euch zu Tisch ladet. Wiedersehen, mein Junge! Man steht sich immer wieder, darin ist das Leben kurtos, zumal, wenn man Eisenbahnen baut!"
Und so lag wieder alles ruhig, verlassen wie zuvor, nur der schnurgerade von Süden nach Norden laufende Eisenbahndamm stand als ein Erinnerungszeichen an das rege Leben da, das den Frühling hindurch draußen im Feld geherrscht.
Der Sommer kam und zog eine erste dünne grüne Kruste über die bald höher, bald sanfter abfallende Böschung des Dammes. Der Herbst fegte Blätter darüber, der Winter deckte Schnee darauf und es war immer noch, als stehe der lange, dunkle Strich nur zum Spaß in der Landschaft.
Doch wie der Ginster abermals zu blühen anfing, kam auch ein Tag, der unter Männern, Weibern und Kindern in Ottershude ziemliche Aufregung hervorrief. Obwohl es kein Sonntag noch sonstiger Festtag war, lag doch überall in Haus und Feld die Arbeit verlassen und die ganze Dorsbewohnerschaft zog mit dem Pastor Vigelius an der Spitze in ihren saubersten Kleidern der Stelle zu, wo der Damm am nächsten bei Ottershude vorüberführte.
'Gespannte Erwartung lag in allen Gesichtern und äußerst sonderbare Meinungen wurden ausgetauscht, während alle Augen unverwandt nach Süden hinunterblickten. Ob er wirklich so schnell wie ein Pferd ohne Wagen hinter sich laufe? Ob man ihn, wenn alle tüchtig anfaß ten, wohl nicht doch festhalten könne? Ob es nicht eigentlich ein Sünden
geld sei, was die Geschichte gekostet haben müsse und wenn es überhaupt Nutzen bringen sollte? Ob das verrückte Ding, was voranlaufe, vielleicht aufbockig geworden oder den Spat gekriegt, weil es noch immer nicht komme?
Darüber lief ein Gelächter und Getuschel die Reihen entlang, wäh- der Pastor Vigelius lachend mit seiner Uhr in der Hand stand und sagte, zu der Minute, wo der Zeiger auf der von ihm angedeuteteu Stelle anlange, werde der Erwartete auch eintreffen.
Aber mit etwas spöttischer Miene antwortete der um seiner Klugheit und Lebenserfahrung angesehenste der Ottershuder Bauern:
„Mit Verlaub, Herr Pastor, auf 'ne Stunde kann man's wohl ungefähr bei 'nem Fuhrwerk sagen, wenn's von der Stadt hierher geht, aber des nähern kommt's doch aus Weg, Pferd und Radwerk an."
Und ein paar rennomterte Dorfspaßmacher lachten: „Ihr könnt ruhig erst noch einmal nach Hause gehen und die Suppe umrühren, wenn der Dampfwindbeutel kommt, rufen wir Euch!"
Daun rief ein langer Range, der die Böschung hinangeklettert war:
„Da hinten kommt was gekrochen, wie eine schwarze Schnecke!"
Die Hälfte der Harrenden sprang den Damm hinan, sah die endlose gerade Linie des Schienengeleises entlang und jubelte:
„Wahrhaftig, wie ein lahmer Gaul! Er hinkt nicht von der Stelle l Wir müssen ihm entgegengehcn und nachschieben!"
Doch Pastor Vigelius steckte jetzt seine Uhr ein Und sagte: „Auf die Minute," und rief: „Kommt herunter Ihr Leute! Alle zurück! Es ist verboten und kann sonst ein Unglück absetzen!"
(Fortsetzung folgt.)