dem Namen seines Auftraggebers sich bei einem Arzte ein Dienstuntauglichkeitszeugniß verschaffte, mit dem dann der Betreffende seine Entlassung vom Militärdienst bewirken konnte. Diese Zeugnisse sollen meistentheils aus Altdeutschland geholt worden sein. Obschon es schon längst ausgefallen war, daß so viele kräftige junge Israeliten keinen Militärdienst zu leisten hatten, so dachte doch Niemand an einen solchen Be­trug, bis derselbe durch Verrath zutage kam. Die Betroffenen sind alle vermögliche, einige davon sogar reiche Leute; es ist deßhalb erklär­lich, daß ihre Verhaftung ein ungeheures Auf­sehen hervorgerufen hat. Das Manöver soll schon vom Jahre 1876 an getrieben worden sein und wird wohl nicht nur hier, sondern auch anderwärts Anwendung gefunden haben.

Ausland.

Zürich, 1. Nov. Während Pfarrer Jäggli von Glattfelden zur Synode abwesend war, wurde dessen Haus erbrochen und feine Frau ermordet. Die Magd rettete sich mit dem Kind durch einen Fenstersprung.

Genua. Zum nicht geringen Schrecken der Bevölkerung treibt in Genua gegenwärtig eine Bande von Kinderräubern ihr Unwesen. Die Kinder werden in die Kneipen gelockt, dort betrunken gemacht und dann nach Marseille ge­schickt, wo sie zu Taschendieben angelernt wer­den. Den Bemühungen der Polizei ist es lei­der noch nicht gelungen, einen der Verbrecher festzunehmen.

Palermo. Eine aufregende Szene spielte sich dieser Tage in den Straßen Palermos ab. Zwei fchon feit lange verfeindete Einwohner der Stadt lieferten sich am helllichten Tage auf offener Straße ein regelrechtes Duell auf Dolche, welches damit endigte, daß beide todt in ihrem Blute lagen, als endlich die Polizei dazukam, um die Hitzköpfe verhaften zu wollen.

In einer am Sonntag stattgefundenen Versammlung der Pariser Tischler beharrten die Arbeiter auf ihrem Standpunkte, sodaß die Werkstätten geschloffen bleiben. Ein Redner klagte die Meister an, daß sie die fremde Kon­kurrenz großgezogen, indem sie seit langer Zeit aus Billigkeitsrücksichten deutsche Arbeiter mas­senhaft nach Paris berufen hätten, von wo diese die erworbenen Kenntnisse nach Deutsch­land bringen.

London, 2. Nov. Aus Kairo wird ge­meldet, daß der Secretär Arabi's, Jakub Sami, ausgesagt hat, daß Derwisch Pascha ihm im Aufträge des Sultans für die Nationalpartei geheime Ernennungen und Ordensverleihungen überbracht habe. Rifat Bey, einer der Ange­klagten, zeigte einen türkischen Firma» vor, der ihn zum Brigadegeneral ernennt. Aus Alexan­drien laufen Depeschen ein, daß in Mekka die Cholera ausgebrochen ist und sendet Baker Pa­scha eine 600 Mann starke Wache nach dem Hafen, um die Einschleppung zu verhindern.

Petersburg, 29. Oktbr. Dieser Tage

ist endlich die Frage: betreffend die Pachtung von Ländereien seitens jüdischer Kolonisten in den Gouvernements Cherson und Katharinoslaw entschieden worden. Darnach dürfen Juden nur in den Kolonien Land pachten, wo sie schon seit langer Zeit ansässig sind und nur unter der Bedingung, daß sie persönlich den Ackerbau be­treiben, widrigenfalls sie ihr Pachtrecht ver­lieren und dem landwtrthschaftlichen Stande ferner nicht mehr angehören dürfen.

Handel rmd Berkehr.

Stuttgart, 2. Novbr. Kartoffel-Md Krautmarkt. Leonhardsplatz: 300 Säcke Kartoffeln ü 3 M. 50 Pfg. bis 4 M. 30 Pfg. pr. Ztr. Marktplatz: 3000 St. Filderkraut L 8 M. bis 12 M. pr. 100 St.

Stuttgart, 2. Nov. Der Mostobstmarkt (Wilhelmsplatz) welcher Heuer am 17. August begonnen, hat mit dem 31. Okt. seinen Abschluß erreicht; ca. 35 000 Säcke (gegen fernd 40000) inländisches Mostobst wurde zugeführt. Im Vor­jahr bewegten sich die Preisejjpr. Ztr. zwischen 4 und 7 M., Heuer zwischen 5 und 8 M. 50 Pf. (Fallobst der ersten 4 Wochen 3 M. bis 4 M. 20 Pf). Der Obstmarkt auf dem Güterbahn- hof war im Vergleich zum Vorjahr durchweg schwach befahren. Außer hessischem war Obst aus Oesterreich und der Schweiz vertreten. Die Preise des Bahnobstes waren 1 M. und 1 M. 50 Pfg. pr. Ztr. niedriger, als die des Obstes auf dem Wtlhelmsplatz.

(Weinpreisevom 1.Nov.) Cannstatt. Verkauf geht ordentlich. Käufe von 80100 Mrk. pr. 3 Hektol. Ein Kauf Zuckerberg zu 125M. Fellbach. Mittelgewächs 1824 M. pr. Hektol. Bergwein 3640 M. pr. Hl. Preise sinken. Noch viel Vorrath. Käufer er­wünscht.

Altenstaig. Gchrarmerr-Zettel

vom 25. Oktober 1882.

Neuer Dinkel ...-8-

Haber. 8 7 65 5 70

Gerste.-- 9 50 -

Bohnen ..... - 10 50 -

Warzen. . . . .- 12 50 -

Roggen . . . . . 11 50 11 36 11

Linsen-Gerste ...-9-

Welschkorn. ...-10-

Vermischtes.

(Druckfehler.) Gestern wurde, begünstigt vom herrlichsten Wetter, unsere neue Fahne ein- geweicht. Der Militär-Verein zu N.

(Die Andacht einer amerikanischen Beter­versammlung) wurde kürzlich von einem Farmer, welcher mit feiner hübschen Tochter demfeier­lichen" Akte beiwohnte, durch folgende j^Rede unterbrochen:Ich möchte gern fromm sein und in den Himmel kommen, aber wenn jene Schlin­gel auf der anderen Seite nicht aufhören, mei­ner Tochter verliebte Gesichter zu schneiden, so wird es gehörige Prügel absetzen, ehe wir mit dem Beten fortfahren können."

fen und dem Wucher zu steuern, durch solchen Mißbrauch entgegengesetzte Zwecke fördern hal­fen. Wie wir hören, sollen noch mehrere ähn­liche Verhandlungen gegen Geschäftsleute aus Bühl bevorstehen. (Karlsr. Ztg.)

München, 31. Oktbr. Der k. Advokat Heinrich v. Fischer hat Namens der Zivilliste Sr. M. des Königs beim k. Landgericht Mün­chen I. eine Klage gegen den kgl. bayerischen Fiskus eingereicht, in welcher beantragt wird: Der kgl. Fiskus ist schuldig, die Baupflicht des Staates bezüglich des kgl. Hof- und National­theaters anzuerkennen, wird demnach verurtheilt, die vom Stadtmagistrat München als Feuer­polizeibehörde geforderten, zum Theaterbetriebe nöthigen baulichen Aenderungen und Ergänzungen Herstellen zu lassen, und hat sämmtliche Kosten des Rechtsstreites zu tragen! Bekanntlich hat die letzte Kammer das Nachtragspostulat für das Hof- und Nationaltheater, sowie das Re­sidenztheater abgelehnt.

Ansbach. Hier hat sich ein Kanditat der Mstellungsprüfung zum Schuldienst unterzogen, welcher ein Vermögen von über 100000 Mark besitzt. Gewiß ein seltener Fall!

Das Tagesgespräch in Kaiserslautern bildet die Verlobung des Commerzienraths und Fabrik-Direktors Schön, eines hohen Fünfzigers, mit einer ganz jungen Dame, der Tochter des dortigen kgl. Studienrektors Dr. Simon. Das wäre nun weder selten noch bemerkenswerth. Allein beide Herren sind die jüngsten Jubilare dieser Stadt und beide sind Gegen-Schwieger- väter; denn der Sohn des Commerzienraths Schön ist mit der Tochter des Rektors Dr. Simon vermählt. Durch das neue Band der Freundschaft und Liebe aber wird der Bräuti­gam der Schwiegersohn seines Gegenschwieger- vaters und der Schwager seines eigenen Sohnes und seiner Schwiegertochter, er wird der Groß­vater und Oheim der Kinder seines Sohnes. Die Braut wird die Schwiegermutter ihrer Schwester und die Mutter ihres Schwagers, die Großmutter und Tante der Kinder ihrer Schwester. Die aus dieser Ehe hervorgehenden Kinder sind die Geschwisterkinder ihres Bruders und die aus der Ehe der jungen Schön'schen Eheleute entsprießenden Kinder sind die Enkel ihres Oheims, die Nichten und Neffen ihres Großvaters. Diese Kombinationen werden in geselligen Kreifen felbstverständlich vielfach be­sprochen.

Mühlhausen, 29. Oktbr. Unter der israelitischen Bevölkerung hiesiger Stadt herrscht heute große Aufregung. Es wurden nämlich Hestern ungefähr 20 junge Israeliten verhaftet, welche es verstanden hatten, durch Täuschung der Behörden sich vom Militärdienst zu befreien. Die Zahl derjenigen, welche dieses Manövers beschuldigt sind, soll sich auf 32 belaufen. Wie man sagt, waren diese Leute bet der ersten Musterung zurückgestellt worden, nachher haben sie sich dann irgend einen wirklich dienstuntaug­lichen jungen Mann ausgesucht, welcher unter

Von der Morgenfrühe bis zur Dämmerung war der Ingenieur un­ausgesetzt bei dem Bau beschäftigt und bewies seine gutherzig-anhängliche Matur auch dadurch, daß er die beiden Kinder bei seiner Ankunft als seine alten Freunde" begrüßte, und ihnen das Vorrecht gestattete, über­all auf Stellen, die sonst niemand betreten durfte, um ihn zu sein. Auch die Schienen wurden, so weit der Damm fertig gestellt war, ge­legt, und er nahm die Kinder mit sich auf die Draisine, daß sie in un­bekannter Windesschnelligkeit erst zaghaft, dann jubelnd binnen weniger Minuten aus dem Gesichtskreis ihrer Heimath in eine fremde davonflogen.

Geerbt war um ein Jahr älter und verständnißvoller geworden, ! er betrachtete alles mit lebhaftem Interesse und wenn er Fragen stellte, so verrtethen sie, daß er zuvor schon selbst darüber zu denken versucht, so daß Haberland ein Vergnügen daran empfand, ihn seiner Fassnngsgabe ge­mäß zu belehren. Sivera dagegen hatte ihre instinktive Abneigung ge­gen die Eisenbahn bewahrt; sie wußte nicht, was ihr daran mißfiel, -denn sie trieb sich lustig mit Geerbt zwischen den Arbeitern herum, doch manchmal sah sie ihn plötzlich ernsthaft groß an und fügte:

Du, ich wollte, daß ich den Damm wieder so ausreißen könnte, wie damals die Stöcke mit den rothen Fahnen!"

So gieng der Bau mit dem Frühling vorwärts und schob sich wieder gegen Norden am Dorfe vorbei. Der Ingenieur bereitete sich, Abschied zu nehmen und sein Standquartier in ein anderes Dorf zu ver­legen ; zum letzten Male wandelte er mit den beiden Kindern durch das .Zwielicht nach Ottershude. An jeder Hand hielt er eins von ihnen und .fragte bei zufälligem Anlaß des Gesprächs den Knaben:

Nun, Junge, was denkst Du denn einmal Deines Zeichens m ber Welt anzufangen?"

Geerbt verstand ihn nicht und der Bärtige mußte es ihm erst verständlich machen, daß er mit der Frage gemeint, was er werden wolle. Darauf antwortete er ohne Bedenken:

Was mein Vater ist. Was sollt' ich denn sonst werden?"

Ein Bauer," nickte Haberland.Das könntest Du ja auch als Eisenbahnbauer bleiben. Hast Du noch keine Lust dazu bekommen? Was willst Du denn, kleine Meerkatz?"

Er drehte den Kopf nach der anderen Seite; Sivera hatte plötz­lich wie mit einem Fortstoß seine Hand fahren lassen und sah ihm ant­wortlos ins Gesicht, doch mit einem Ausdruck, daß er sagte:

Was Hab ich Dir denn gethan? Du machst ja Augen wie eine Katze, die kratzen will!"

Aber sie erwiederte auch darauf nichts, sondern drehte sich nur schnell ab, fuhr einmal unbemerkt mit dem Handrücken über ihr Gesicht und gieng stumm am Wegrand nebenher, während Haberland mit dem Knaben weiterredete und ihm nach seiner Art halb ernsthaft halb launig auseinandersetzte, daß von allen Berufsgattungen auf Erden der eines Technikers der gesundeste, unabhängigste, vergnüglichste und besondersjauch derjenige sei, durch welchen man es bei tüchtigem Können am raschesten zu angesehener Stellung und reichlicher Einnahme bringe. Da Geerdt in den letzten Wochen ein recht gutes Verständniß für das, was bei dem Bau vorgekommen, an den Tag gelegt habe und sein Vater nicht gerade unvermöglich sei, möge er sich die Sache doch einmal bedenken.

So plaudernd kamen sie ins Dorf und Haberlaud wandte sich, dem Knaben die Hand reichend, dem Pfarrhause zu.

(Fortsetzung folgt.)