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Nachdem fast alle andern Blätter in Angelegenheit des Deutschen Turnvereins das Kriegsbeil begraben haben, gerade mit besonderer Beharrlichkeit ein Blatt seine Hetzereien fortsetzt, von dem man es am wenigsten hätte erwarten Wnen. Es ist dies das Brtfsonsche „Steele". Dasselbe macht in seiner neuesten Nummer den Vorschlag, daß allen in Frankreich lebenden Deutschen einfach lOProzent von ihren Gehältern oderLöhnen in Abzug gebracht werden sollten, damit auf diese Weise die Ungleichheit (?) zwischen ihnen und den französischen Arbeitern aufgehoben würde!! „Siecle" behauptet, daß etwa eine Million Fremder in Frankreich beschäftigt seien, und daß wenn man den durchschnittlichen Jahresverdienst ganz gering und nur zu 1000 Fr. anschlüge, nicht weniger als 100 Millionen durch diese Fremdensteuer aufgebracht werden könnten, eine Summe, die zur Gründung großartiger Versorgungs-Anstalten für Arbeiter mehr als ausreichen würde. Hand in Hand damit gehen auch in andern Blättern Versuche, die Arbeiter, die sich bisher allen chauvinistischen Treibereien entschieden abgeneigt zeigten, zu Brodneid gegen ihre deutschen Kameraden aufzuhetzen. Es liegt in diesem Verfahren offenbar Methode und es erscheint wahrscheinlich, daß man weitere Zwecke verfolgt, als die Befriedigung eitlen chauvinistischen Hasses. In früherer Zeit stützte sich Gambetta als Abgeordneter für Belleville ganz wesentlich auf die Arbeiterpartei und ihr Abfall war dem ehemaligen „Volkstribunen" im höchsten Grade unangenehm. Man neigt nun in Paris der Ansicht zu, daß Gambetta die Gelegenheit für günstig hält, sich eine neue auf Deutschenhaß und Brodneid aufgebaute Arbeiterpart ei zu schaffen, eine gambettistische „Volkspartet", die ihm Clemenceau und Rochefort so gänzlich aus den Händen gewunden haben. Wie freilich der Kammerpräsident Briffon in diese Gesellschaft kommt, ist ein bisher nicht aufgeklärtes Räthsel, namentlich nach den heftigen Angriffen, die „Siecle" noch vor kurzer Zeit gegen Gambetta richtete und die an Bitterkeit die Mehr- zchl der von anderen Blättern erhobenen Anschuldigungen übertrafen. Zwischen Gambetta und Briffon muß etwas vorgegangen sein, was heute noch geheim gehalten wird. — Der signalt- firten Aufforderung des Kriegsministers entsprechend hat General Lecomte, Gouverneur von Paris, seine Demission als Vizepräsident der Patriotenliga gegeben.
London, 4. Septbr. Die Regierung beschloß, sofort Infanterie-Ersatzmannschaften, 5000 Mann, nach Alexandrien zu entsenden, uw die Brigade des Generals Wood in den Stand zu setzen, zu General Wolseley zu stoßen.
London, 5. Sept. Wie die Times erfährt, gelangte die britische Regierung in den Besitz eines Briefwechsels Arabi's mit dem Sultan, wodurch deren heimliches Einverständniß vollständig bestätigt wird.
Dublin, 3. Sept. Bei den Unruhen der vergangenen Nacht wurden etwa ein Dutzend Personen durch Bajonetstöße verwundet, aber durchweg nur leicht. Heute Abend wurden die Unruhen erneuert, ein Offizier von dem Spezialpolizeikorps, welcher seinen Revolver gebraucht und Jemand verwundet hatte, wurde von den Ruhestörern angegriffen und tödtlich verletzt.
Handel «rrd Verkehr.
Stuttgart, 4. Sept. (Landesproduktenbörse.) Die Preise fürDinkel undWeizen waren in den letzten Wochen in einem fortwährenden Rückgang begriffen, doch dürfte der niedrigste Preisstand für tadellose, trockene Waare nahezu erreicht sein; durch Regen beschädigte und mit Auswuchs behafteteWaare wird selbstredend stets unter der Notiz verkauft werden müssen. Am schwierigsten entwickelt sich Heuer entgegen der Praxis anderer Jahre das Geschäft in Gerste, nirgends zeigt sich rege Kauflust; feine weiße Waare haben wir nicht, und müssen sie deshalb vom Auslande beziehen, welches auf hohe Preise hält, und an unsere Mit- telwaare gehen die Bauern nur mit Mißtrauen heran. Der Haber wurde in vielen Gegenden erst in der letzten Woche geerntet, und in unfern Gebirgsgegenden ist noch viel Haber auf dem Felde, weßwegen von einem nennenswerthen Geschäft in diesem Artikel nicht die Rede sein kann. Die Hopfen ernte hat in dieser Woche fast allgemein begonnen. Württemberg macht quantitativ eine Mittelernte bei sehr schöner Qualität; es ist nur zu wünschen, daß das Wetter zum Trocknen günstig sein möchte. Die Börse war stark besucht und wurde ziemlich Waare umgesetzt.
Wir uotiren per 100 Kilogr.:
Weizen, bayer.
21 M. -
bis 21 M. 50
dto. ungar. .
22 M. -
bis 23 M. 75
dto. russ. .
23 M. 25 bis —
M. -
Kernen . . .
21 M. 50 bis 22 M. 75
Dinkel . . .
13 M. -
bis 14 M. —
Gerste, ungar..
20 M. -
bis —
M. -
Nagold,
den 2. Septbr. 1882.
Alter Dinkel .
. 9 —
8 75
8 60
Neuer Dinkel .
. 8 —
6 98
6 —
Kernen . . .
. - -
11 25
- -
Haber . . .
. 9 50
8 46
7 60
Gerste . . .
. 8 50
7 99
7 50
Bohnen . . .
. — —
9 60
— —
Weizen . . .
. 12 -
11 43
10 60
Roggen . . .
. 10 10
9 65
9 50
Calw,
den 2. Septbr.
1882.
Kernen . . .
. — —
10 50
— —
Dinkel alt . .
. 9 20
9 7
8 90
dto. neuer .
. 8-
7 40
6 90
Haber alt . .
. 8 50
8 30
8 10
dto. neuer .
. 6 40
6 89
6 30
Freudenstadt, 2. Septbr. 1882.
Weizen . . .
. 11 —
10 75
10 50
Kernen. . .
. 13 30
12 65
12 —
Haber . . .
. 9 50
9 15
8 80
Ackerbohnen .
.
.-
10 50
—
Stuttgart, 5. Sept. Kartofft Krautmarkt. Leonhardsplatz: 500 Kartoffeln L 3 M. 80 Pfg. bis 4 M. 40 Pfg. Pr. Ztr. Marktplatz: 4000 Stück Ftlderkraut L 12 M. bis 18 M. pr. 100 Stück. '
Stuttgart, 5. Sept. Wilhelmsplatz: 300 Säcke Mostobst L 3M. bis 3M. 50 Pfg, pr. Ztr.
Ehingen. Die Hopfenernte beginyt in den nächsten Tagen. Der Stand der Dolden ist in den einzelnen Lagen sehr verschieden; während einige Züchter eine gute V»-Ernte ein- bringen werden, bekommen andere kaum V* des erhofften Ertrags, woran Hagel und naßkalte Witterung schuld find, besonders auf schweren Böden.
Stetten i. Rth., 3. Sept. Die Ernte des Früh Hopfens hat hier begonnen und die allgemeine wird Ende dieser Woche ihren Anfang nehmen. Der Stand der Hopfen auf unserer Markung ist im Durchschnitt ein in jeder Beziehung schöner. Der Ertrag wird von den Produzenten auf 450—500 Ztr. geschätzt.
Etwa 4 00 Rinder, die von Italien aus durch den St. Gotthardt per Eisenbahn befördert wurden, trafen letzten Montag in Berlin ein. Es war der erste Transport italienischer Rinder, der nach Deutschland kam.
Viktaalieupreis e
auf dem Wochenmarkt in Altenstaig am 2. Sept.
/2 SllLV sottLlrr ..... ov 1». Vlv*
1 Ei.6 Pfg.
V, Kilo Bohnen.16 Pfg.
Literarisches.
„Sächsische Schnadahüpfeln," Schnadahüpfeln der alten Sachsen, ausgegraben bei Dresden, herausgegraben von C. Mikado, heißt der Titel eines humoristischen Büchleins, welches soeben im Verlag von Fr. Thiel in Leipzig 1.— erschienen ist. Die Idee, Sächsische Schnadahüpfeln zu dichten, muß insofern als eine neue und originelle betrachtet werden, als es bisher nur solche in bayrischer und österreichischer Mundart gab. Da die früher in den „Fliegenden Blättern" und im „Schalk" erschienen Sächsische Schnadahüpfeln auch außerhalb der Grenzen Sachsens viele Freunde fanden, wurde der Verfasser veranlaßt, eine Sammlung derselben herauszugeben. Das Merkchen, mit zahlreichen, höchst wirkungsvollen Illustrationen versehen, empfehlen wir hiemit allen Freunden eines harmlosen Humors auf das Wärmste.
Vermischtes.
In einem Restaurant sagte neulich ein Gast nach vergeblichen Angriffen auf Beefsteak: „Sagen Sie mir, Kellner, das kann doch kein Rindfleisch sein, aus dem man dieses Leder gemacht hat ? Ich glaube vielmehr daß es Leder war, aus dem man versucht hat, Rindfleisch zu machen."
(Seltsam.) „Wer kann Bräutigam und Braut zugleich sein?" — Ein Bierbrauer kann Bräutigam sein und braut zugleich.
Er suchte seiner wachsenden Bewegung Einhalt zu thun und setzte nach einer Pause hinzu:
„Ruhig, Herz! Noch ist es nicht gewiß, ob hinter der Fügung dieses Tages die höchste Gunst oder Ungunst steckt!"
Er erblickte den festlich geschmückten Tisch in der Ecke und betrachtete ihn eine Welle schweigend.
„Mit einer Familienfeier hat der heutige Tag hier begonnen," sagte er dann mit einem Anflug von Wehmuth, „Blumen — Geschenke — eine bekränzte Büste —"
Hier unterbrach er sich plötzlich mit Heftigkeit und trat von dem Tische zurück und an das entgegengesetzte Ende des Zimmers.
„Seine Büste!" rief er nach einer Pause.
Eine lebhafte Bewegung, die er kaum zu bemeistern im Stande war, ergriff ihn; er gieng mit großen Schritten auf und nieder und sagte dann im Tone aufbrausender Bitterkeit:
„Hat er sie endlich so weit? Mutter und Tochter haben seinen Eigensinn adoptirt, sie stempeln den grausamen Störer unseres Glückes zum großen Patrioten, zum Römerhelden? Emilie selbst — und wer denn sonst? — hat dieses Haupt bekränzt, in dem der Gedanke entsprungen, der unser Lebensglück zerstört! — Wenn es wäre — wenn man sich so tief in den Abscheu gegen Vergangenes verloren, daß selbst mein Versuch, ihn zu beseitigen, trotz der Hoheit der Mittel mißlänge -- welche Stunde der Prüfung hätte ich zu bestehen! . . . Doch ich will besseres hoffen. Das Schicksal der Stadt, auch Graffs Schicksal ruht in meiner Hand ... ich rette sie — und ihr Dank wird das schone Amt der Vermittelung übernehmen!"
Seine Stimmung hatte bei den letzten Worten eine bessere Wendung genommen: er empfieng den Bürgermeister Morschutt und einige
Stadträthe, darunter auch Harter und Frey, welche eben eintraten, mit unverkennbarem Wohlwollen und sagte:
„Ich heiße Sie willkommen, meine Herren!"
„Dies Willkommen läßt uns hoffen," erwiederte der Bürgermeister, „auch die Ordre des Generals, die Sie mitzutheileu haben, werde nicht unerfreulich lauten."
„Die Ordre lautet gut — insofern Sie im Stande sein werden, den unglücklichen Vorfall dieses Tages zu Ihren Gunsten aufzuklären."
„Wir werden den Beweis der Unschuld führen," sagte der Bürgermeister. „Noch ehe die Nachforschungen geschloffen sind, haben wir die Thatsachen in den Händen, welche deutlich für uns sprechen.
„Sind sie zu Papier gebracht?"
„Noch nicht —"
„Dann eilen Sie nur," drängte der Kommandant. „Treten Sie gleich in dieses Nebenzimmer. Stellen Sie die wichtigsten Punkte zusammen, ich werde sie gleich an den General gelangen lassen . . . Noch einmal, meine Herren — sehen Sie es als ein gutes Zeichen an, daß man deutsche Truppen in die Stadt gelegt — und glauben Sie mir, daß ich keinen wärmeren Wunsch hege, als ein Unheil schlimmster Art von Ihrem Haupte abzulenken."
Der Bürgermeister und die Stadträthe traten in das Nebenzimmer und Lingg, von froh gehobener Stimmung erfaßt, sagte auf- und abgehend:
„Es war Deine drängende Stimme, erhabene Vorsehung, die mich nicht ruhen ließ, die mir die ganze Kraft der Ueberredung lieh, den General zum Wechsel der Truppen zu bewegen und mir das Kommando der Stadt zu übertragen."
(Fortsetzung folgt.)