vörderst bemerkte, daß unser Jahrhundert irrtümlich als das der Humanität betrachtet werde, in Wirklichkeit aber das der Barbarei sei, weil zur Zeit nicht alle Menschen in der Lage seien, Nahrung, Wohnung und Kleidung in menschenwürdiger Weise sich zu beschaffen, denn nie sei die Kluft zwischen Reichthum und Armuth größer gewesen als eben jetzt. Er geht sodann auf die Ursachen über, die es dem Arbeiter immer schwerer machen, für sich und seine Familie auf eine täglich gesicherte Existenz zu sorgen. Dem gegenüber stehe das weiche sich erhebende Bild des Genusses, den der Reichthum biete, was natürlich zur Entsittlichung führe, da sich der Arbeiter dafür ebenso berechtigt denke, als der Reiche. Nach längerer Ausführung über den Begriff der menschlichen Arbeit u. s. w. faßt er seine Anschauungen wie Hilfe zu beschaffen fei, in folgenden Sätzen zusammen: 1) Feststellung eines Normalarbeitstags; 2) Regelung der Frage wegen der Krankenversicherung und des Sparkafsenwesens; 3) Maßregeln zum Schutz der nationalen Arbeit, besonders durch Zollschutz; 4) Einführung eines Fabrikgesetzes, das schon von der Schweiz aus angeregt worden mit Regelung des Verhältnisses zwischen Fabrikherren und Arbeitern; 5) Dem Ueberfluß von Arbeitern ist durch vom Staat zu leitende Auswanderung und Kolonisation abzuhelfen. Eine Republik könne aber diese Reformen nicht durchführen, das sehe man an der Korruption der Kammermitglieder rc., die nur für sich selbst Vortheile schaffen wollen. Ebenso in Nordamerika. Nur eine starke Monarchie sei dazu im Stande. Vor Allem aber die Wiederbelebung des Christenthums, ohne welche ein Gelingen nicht möglich sei. (Reicher Beifall). — Re- dacteur Treiber betonte noch besonders die Macht des Großkapitals als das Hauptübel unserer Zeit. Diese müsse gebrochen werden. Vorher sei eine Besserung unserer Zustände nicht möglich und eine soziale Reform, die so noth- wendig für das Wohl der arbeitenden Klaffen, unthunlich.
Stuttgart, 11. Mai. Se. Maj. der König wird dem Vernehmen nach am 24. d. Mts. wieder hier eintreffen und in der Villa Berg Wohnung nehmen. Die Uebersiedlung nach Friedrichshafen für den Sommeraufenthalt dürfte schon nach wenigen Wochen erfolgen. Die Abreise vom Genfer See hierher werde am 22. d. Mts. angetreten.
Am Samstag Nacht traf ein vom Felde heimkehrender junger Mann zwischen Stuttgart und Heslach mit den nach Böblingen heimfahrenden Sohn und Tochter des Boten SchulLH zusammen, wollte dieselben als guter Bekannter eine Strecke weit begleiten und setzte sich zu ihnen auf den Wagen. Der unterhaltende junge Mann fuhr mit denselben weiter, als er wohl anfangs beabsichtigt hatte und als er im Walde zwischen Böblingen und Vaihingen ab- stieg, hatte er das Unglück, unter den Wagen zu kommen, wobei ihm ein Fuß abgedrückt
Im Kmmbus.
Skizze von A. Mürenberg.
(Fortsetzung.)
„Ein Gläschen," wiederholte der „Verdächtige" erschrocken. „Junger Herr ich fürchte —"
Ich hatte inzwischen meine werthvolle goldene Ankeruhr herausgenommen, und sobald er diese bemerkte, brach er seine Einwendung urplötzlich ab und fuhr fort: »
„Hm — ja — ja wohl, Sie haben ganz recht. Es wird mir Vergnügen machen, Sie mit einem Gläschen Branntwein regaliren zu dürfen. Wohin wollen wir gehen?"
In das erste beste Lokal. Ich möchte gern bald zu Hause sein."
Hierauf begaben wir uns in die nächste Reauration, wo mein neuer Bekannter für mich ein Glas Nordhäuser, für sich aber ein Seidel Bier bestellte. Um meinerseits nicht zurückzubleiben, ließ ich ein Paar- Zigarren kommen.
„Schon lange in der Residenz?" fragte er.
„Nein, erst vor einigen Monaten aus der Provinz gekommen."
„Darf ich fragen, welches Ihr Beruf ist?"
„Vorläufig noch gar keiner; die Sache verhält sich so," fuhr ich in leiserem, vertraulichem Tone fort, „ich habe vor etwa einem Jahre eine kleine Summe geerbt und suche nun hier nach einem Geschäft, worin ich dieselbe, vorthe ilhaft anlegen kann, habe jedoch noch nichts gefunden, was mir zusagt, und stehe auf dem Punkte, mit sammt meinem Gelde nach Hause zurückzukehren."
Die Augen des alten Schurken leuchteten beim Anhören dieser Worte hell auf.
„Mein lieber junger Freund," begann er im eindringlichsten Tone, „lassen Sie sich von mir den guten Rath geben, sich in dieser Angelegenheit nicht zu übereilen. Es gibt hier tausende von Gelegenheiten, sein Geld vortheilhaft anzulegen. Aber was Ihnen fehlt, das ist ein Mann als Anhaltspunkt, der die Stadt durch und durch kennt, der die Spreu von dem Weizen zu unterscheiden weiß und so zu sagen instinktiv erkennt, ob eine Anleihe gut oder faul ist."
„Sehr richtig. Aber wo soll ein Neuling wie ich, einen solchen Mann finden?"
Die Bewegung, mit welcher mein schuftiger Freund sich jetzt, die Hand aufs Herz legend, vor mir verbeugte, hatte etwas geradezu Erhebendes.
„Fern sei es von mir," sagte er, „mich und meine Fähigkeiten selbst zu loben; aber ich habe all' mein Lebtag hier gewohnt und stets die Augen offen gehalten. Obgleich ich zur Zeit — warum sollte ich es zu leugnen versuchen? — em wenig Pech habe, so darf ich doch mit Stolz behaupten, daß ich einst bessere Zeiten sah — eigene Equipage u. s. w., verstanden? — doch diese schönen Tage von Acanjuez sind dahin, auf Nimmerwiederkehr. Trinken Sie aus, mein Herr, wir nehmen noch eins. Der große Krach warf auch mich darnieder. Aber um so mehr eigne ich mich zum Rathgeber eines jungen Mannes mit etwas Vermögen. Mein Herr, ich stehe zu ihren Diensten!"
„Ich glaube selbst, daß Sie mir von großem Nutzen sein können," versetzte ich; allein dies ist nicht der geeignete Ort zu solchen Besprechungen. Kommen Sie mit mir in meine Wohnung! Ich erlaube mir, Sie zu einem frugalen Abendbrot einzuladen und dann können wir bei einer Pfeife und einem Glase Bier Mer die Angelegenheit plaudern.
wurde und er noch eine Verletzung im Rücken durch eine Haue, welche er bei sich trug, sich zuzog. Er hatte sich ausdrücklich verbeten, daß der Wagen halte, sonst hätte der Unfall nicht passiren können. Am Sonntag brachten jihn die telegraphisch benachrichtigen Eltern in einem für den Fall hergerichteten Omnibus nach Hause.
Ludwigsburg, 10. Mai. Wie man zuverlässig hört, werden Ihre Durchlaucht die Fürstin zu Waldeck-Pyrmont u. Prinz Wilhelm, Königl. Hoheit, mit der kleinen Prinzessin Pa ul ine am frühen Morgen des kommenden Tags nebst Gefolge und Dienerschaft von Marienwahl nach Arolsen abreisen.
Tübingen, 9. Mai. Die Zahl der eingeschriebenen Studenten hat bis jetzt etwa 1360 erreicht. So bekommt die Universität diesmal weitaus die höchste Frequenz, deren sie sich je zu erfreuen gehabt hat.
Eßlingen, 7. Mai. Letzter Tage gelangte die Nachricht hieher, daß ein Offert der hiesigen Maschinenfabrik, für die österreichische Nordwestbahn Güterzugslokomotiven zu liefern, Erfolg gehabt habe. Es sind '10 Lokomotiven zum Preise von 35,000 M. pro Stück in den Monaten September, Oktober, November d. I. zu liefern. 10 weitere Lokomotiven werden für dieselbe Bahn von den Fabriken Florisdorf und Wiener-Neustadt geliefert.
Oberndorf a. N. In der Nacht vom 7./8. l. M. drohte im hiesigen Gasthof zum Paradies (Post) ein Brand auszubrechen. Zwei Reisende aus Baden logirten in einem Zimmer u. es scheint, daß der eine davon beim Schlafengehen einen noch brennenden Zigarrstumpen auf das Fenstergefimse gelegt und seinen Rock darüber gehängt zu haben. Thatsache ist, daß dieselben an einem durch das Brennen bezw. Glosten des Rockes und Fenstergestmses verursachten sehr starken Brenngeruch erwachten, wobei sie übrigens schon halb betäubt waren. Das Feuer wurde sofort durch die übrigen Hausbewohner gelöscht, ohne daß Feuerlärm entstanden wäre. Der Schrecken des einen Reisenden steigerte sich nicht wenig, als ihm, während sein brennender Rock gelöscht wurde, einfiel, daß er 3100 M. in Papiergeld in demselben habe. Wirklich fanden sich 31 Einhundertmarkscheine in dem Rock vor, welche zwar sehr stark ungebrannt, aber doch immer noch in einem Zustande waren, in welchem sie von den betr. Staatskassen eingelöst zu werden pflegen.
Giengen a. Br., 8. Mai. Im vorigen Herbste wurde im landw. Wochenblatt darauf aufmerksam gemacht, daß, wenn die Kartoffeln im Spätjahr gelegt werden, nicht nur ein früherer, sondern auch ein reichlicher Ertrag erzielt werde. Dieser Rath wurde von mehreren hiesigen Landwirthen befolgt. Die Kartoffeln sind nun aber fast sämmtliche im Boden verfault, so daß sie im Frühjahr zum zweiten Mal gelegt werden mußten.
In Gmünd feierten Bürsten-Fabrikant
(Nachdruck verboten.)
Andreas Nagel und seine Ehefrau ihre goldene Hochzeit. Sieben Kinder und 20 Enkel verherrlichten das schöne Fest durch ihre Gegenwart. Das Jubelpaar ist noch sehr gesund und rüstig.
In Göppingen herrscht, wie anderwärts, die Unsitte unter den Schulknaben, daß sie mit selbstversertigien Schleudern kleine Steine werfen; Sonntag Abend nun wurde ein Mädchen von einem Knaben derart in ein Auge getroffen, daß der Verlust desselben zu befürchten ist und Montag Nachmittag hat sich derselbe traurige Fall Wiederholt.
Astronomisches. Nächsten Mittwoch findet eine totale Sonnenfinsterniß statt. Dieselbe beginnt früh 6 Uhr 40 Min. und dauert bis 8 Uhr 13 Minuten.
(Selbstmorde.) JnRommelsbach hat sich eine Ausgangs der Dreißiger stehende Frau, Mutter von 7 Kindern, die schon seit einiger Zeit schwermüthig gewesen sein soll, erhängt.
(Unglücksfälle und Verbrechen.) In Schura kam ein etwa 8—9 Jahre altes Mädchen mit einer Futterschneidmaschine so unglücklich in Berührung, daß demselben drei Finger abgenommen werden mußten. — In Cannstatt erschien am letzten Samstag in einem Hause in der Bad-Straße ein Bettler, bittet dringend um Speise, erhält dieselbe, bedankt sich, geht aber statt zur Hausthüre hinaus die Treppe hinauf, entwendet 2 an der Wand befindliche Taschen-Uhren und schleicht ganz stille später zum Hause hinaus. Auch ein schöner Dank!
Weber das Vermögen nachstehender Personen wurde das Konkurs-Verfahren eingeleitet: Wilhelm Haydt, Waldhornwirth in Besigheim: Christian Lauth, Schuhmacher in Hall; Christ. Sumser, Gerber in Marbach, entw.; Sylvester Kinkels, Schuhmacher in Gundelfingen; Frz. Baluff, Metalldrucker in Stuttgart, Holzstr. 16; Simon Albert Harburger, Kaufmann in Stuttgart, Wil- helmsstr. 8; Hugo Vogel, Kaufmann in Stuttgart, Her- zogsstr. Nr. I; -st Joh. Gg. Zagst, gewesener Viktualienhändler in Ulm; Josef Essinger, Kaufmann in Ulm; Jakob Stierle, Winterschuhmacher in Ebingen.
Deutsches Reich.
Berlin, 10. Mai. Das preuß. Abgeordnetenhaus erweist sich bei soeben vollzogener namentlicher Abstimmung als beschlußunfähig. An der Abstimmung nahmen nur 212 Anwesende Theil. Der Präsident schließt hierauf unter Dankworten und einem Hoch aus den Kaiser die Session.
Bochum, 11. Mai. Heute früh 4 Uhr fand auf der Zeche Pluto bei Wanne eine Explosion schlagender Wetter statt, wodurch die ganze Nachtbelegschaft gefährde! ist. Bis 9 Uhr Morgens wurden, nach der „Westphäl. Volksztg.," 58 Todte herausgeschafft. Die Ret- tungsarbeitcn dauern fort.
Der erste Preis der Mannheimer Pferdelotterie, ein Viererzug, ist einer armen, von ihrem Manne verlassenen Frau aus Eppelheim zugefallen. Ihr war jedoch klingende Münze