quiriren. Da der Gefangene aber nicht zu überreden war, sich wenigstens bis zu dem nahegelegenen Bauernhaus, in welchem eingespannt wurde, zu bemühen, mußte das Gefährt bis zum Ruheplatz des Gefangenen hersahren, worauf dieser sich bequemte, dasselbe zu besteigen. Am Bestimmungsort angelangt, sprang der Arrestant, vergnüglich lachend herunter und sagte zum Polizeidiener, er habe sich jetzt ausgeruht und könne wieder gehen. Der steuerzahlende Bürger aber fragt wohl nicht ohne Grund, ob denn unsere humane Gesetzgebung, leine Mittel bietet, um auf den guten Willen solcher Taugenichtse auf andere Weise einzuwirken, als durch Belastung der Staatskasse.
Eßlingen, 21. März. Daß man in gegenwärtiger Jahreszeit bei Nacht auch ohne Kleider, nur mit einem Teppich versehen, mar- schiren kann, hat ein hier in Untersuchung stehender Müllerknecht von Baiersbronn bewiesen, der in der Nacht von Freitag auf Samstag aus dem Spital, wohin er wegen Krankheit verbracht war, ausbrach, obgleich ihm die Kleider weggenommen waren. In Plochingen wurden in der dortigen Mühle aus der Kammer der Knechte sämmtliche Kleider in derselben Nacht gestohlen, nebst einem Koffer; man fand am Morgen in der Nähe der Mühle letzteren uner- öffnet, nebst einem Teppich und den Kleidern, bis auf einen Anzug. In Reichenbach hat der Dieb eingekehrt und sich ein Frühstück schmecken lassen, ist aber ohne Zahlung verschwunden; bis jetzt ist der Müllerknecht noch nicht wieder beigebracht.
Ravensburg, 19. März. Mit dem Josefstag beginnen hier jedes Jahr die sogen. Gesindemärkte, an welchen die Dienstkinder, Knaben und Mädchen aus Tirol, Vorarlberg und der Schweiz bis Simon und Judä an die Oberländer Bauern verdingt werden. Die Löhne sind zwar gegen die letzten Jahre etwas gefallen, aber doch noch ziemlich hoch.
(Brandfälle.) In Ober-Etsenbach (Tettnang) brannte das Wohnhaus, sowie die Scheuer des Oekonomen Joh. Sauter gänzlich nieder.
(Unglücksfälle und Verbrechen.) In Ulm hat seil Jahren der Unfug überhand genommen, daß auswärtige Oekonomen zur Nachtzeit hierher fahren und den nächsten besten Abort ohne Erlaubniß der Hausbesitzer leeren. Am vergangenen Dienstag wurde ein solcher Oekonom von dem Amtsgericht, welches den Reat als Diebstahl betrachtete, mit 1 Tag Haft bestraft. — Am 17. d. begaben sich die Müller'schen Eheleute von Beil stein Nachmittags in ihren etwa 2 Kilometer von dort entfernten Weinberg, hiebei nahmen sie ihre beiden kleinen Kinder in einem Kinderwägelchen mit. Oben an dem betreffenden Weinberg ließen sie das Wägelchen auf dem sehr engen Fahrweg unter der Obhut eines achtjährigen Knaben stehen. Als sich dieser auf kurze Zeit entfernte, kam das mit zwei starken Pferden
bespannte Fuhrwerk des Bauern Korninger unter der Leitung seines achtjährigen Knaben daher, da er selbst im WirthshauS zurückgeblieben war. Der Knabe konnte das Fuhrwerk nicht rechtzeitig anhalten, so daß das Kinderwägelchen überfahren wurde, wobei das jüngere Kind dermaßen verletzt wurde, daß es nach kurzer Zeit starb, während das ältere nur leichte Verletzungen erhielt. — Eine Handlung niedriger Rachsucht ist jüngst im Pfarrgarten in Köngen verübt worden durch Abschneiden der Reben am Gartenhaus.
und konnte durch Gendarmen im Laufe der letzten Nacht noch den bekümmerten Eltern übergeben werden.
London, 20. März. Unbekannte Personen zündeten einen Schuppen der Albert Docks an in der Absicht, ein dort liegendes Waffendepot zu plündern; allein die Polizei, welche durch einen anonymen Brief gewarnt worden war, vereitelte den Plan.
Petersburg, 19. März. Das Theater Winter-Livadta ist gänzlich uiedergebrannt, glücklicherweise ist kein Menschenleben zu beklagen.
Deutsches Reich.
Berlin, 19. März. Der Kaiser nahm heute die üblichen Vorträge entgegen und machte später die regelmäßige Spazierfahrt.
Mainz, 20. März. Ein Extrablatt des hiesigen „Israelit" berichtet aus P etersburg, daß der Kaiser den Beschlüssen der Hauptkommission, nach welchen unter andern die Juden aus den kleinen Städten und Dörfern ausgewiesen werden sollen, trotz der dringlichen Vorstellungen Jgnatiew's, die Bestätigung verweigert habe.
Aus Solingen, dem Mittelpunkt der bedeutenden Mefferindustrie, schreibt man der Kln. Ztg.: 15. März. Der Pferdefleischverzehr nimmt von Jahr zu Jahr zu. Man trägt sich mit der Absicht, nicht nur die zwangsmäßige Fleischschau auch auf das Pferdefleisch zu erstrecken, sondern auch im Anschluß an das städtische Schlachthaus eine Pferdeschlachthalle zu errichten. Während des verflossenen Jahres hat die Zahl der in Solingen geschlachteten und verzehrten Pferde 253 betragen.
Ausland.
Wien, 20. März. Seit dem 11. März haben in der Crivoscte keine Gefechte stattgefunden. Streifende Abtheilungen vertreiben einzelne Insurgenten, die sich in gute Deckung gewährendem Terrain Herumtreiben. Streifungen gegen größere und kleinere Banden in der Herzegowina, welche die Gegend unsicher machen, waren erfolglos, da die Banden fortwährend ihre Standorte wechseln und sich zerstreuen. Auf der Straße Blagaj-Nevesinje-Gacko sind alle Orte stärker und vorläufig dauernd besetzt.
Bern, 19. März. Die von dem Raub des Knaben Bürki (vergl. letztes Bl.) sofort benachrichtigte Polizei ermittelte rasch den Droschkenführer, welcher den Knaben bis zu einer außer- halbBern liegenden Bierbrauerei geführt, sowie denjenigen Dienstmann, welcher den falschen Bries bestellt hatte, mittelst dessen der Knabe aus der Schule gelockt worden war. An der Hand der so gewonnenen Anhaltspunkte gelang es bis gestern Abend, in der Umgegend von Bern zwei Individuen dingfest zu machen, welche den Kinderraub veranlaßt hatten und den Aufenthalt des Knaben verriethen. Es war derselbe nach dem sog. Rehhag, etwa eine Stunde von Bern entsernt, in ein abgelegenes Haus gebracht worden
uns Verreyr.
Stuttgart, 20. März. (Landesproduk- ftellteu sich heute pr.
tenbörse.) Die Preise 100 Kilogr. wie folgt: Weizm, daher, dto. russ. . dto. cakiforn. dto. indischen Haber . . .
Mehl Nro. 1 .
Nro. 2 .
Nro. 3 .
Nrs. 4 .
25 M. 90 bis 26 M. 50 23 M. 25 bis 25 M. 50
26 M. 50 bis — bis
M.
M. — M. 20 M. - bis 36 M.
22 M.
16 M. 60 bis 17 36 M. — bis 38 34 M.
31 M. 50 bis 33 M.
26 M. — bis 28 M.
Aus dem Bericht selbst geht hervor, daß tue fortdauernde prächtige Frühjahrswitterung nicht nur von Sester Einwirkung auf den Stand der Saaten ist, sondern daß auch die Frühjahrsbestellung unter den allergünstigsten Umständen vor sich gegangen ist. Der Stand der Ge- tretdemärkte ist daher in allen Gebieten ein flauer, obfchon in Nordamerika die Preise etwas mehr sich befestigt haben. Ob diese Flaue und der Rückgang der Preise ein fortdauernder sein wird, hängt Lediglich davon ab, ob in der Witterung kein Rückschlag von schlimmer Wirkung mehr eiutreten wird. — Heute war der Umsatz an der Landesproduktenbörse nur ein geringer und überstieg 6000 Ctr. nicht, während es vor 8 Tagen noch 10000 Etr. gewesen waren.
Nsgold, den 18. März 1882.
Neuer Dinkel . Haber . . . Gerste . . . Bohnen. . . Waizeu. . . Roggen. . . Erbsen . . . Linsen . . . Linsen-Gerste . Roggen-Waizen. Esparsamen
Calw, Dinkel . . . Bohnen . . . Haber . . . Wicken . . .
9 —
8 50 10 —
9 — 12 80
10 30
8
7
9
88
45
80
8 84 12 33 95
8 80 6 80 9 20 8 80 11 90 9 60
9 12
11 —-
9—-
11 30-
20 —-
en 18. März 1882.
9 50 9 48 9 30
8 — 7 52 7 30
-13 —-
Viktualieupreise
auf dem Wochenmarkt in Alteustaig am 22. März.
V- Kilo Butter.80 Pfg.
2 Eier ........ 8 u. 9 Pfg.
Vz Liter Setzzwiebel . . . 30 u. 40 Pfg.
setzen, so fuhr er mit einem Donnerwetter dazwischen, daß man es straßenweit hören konnte. Es schien, als ob er denselben absichtlich zu einer Erwiederung reizen wollte; doch der Rekrut empsand das und gab sich darum die größte Mühe, ruhig zu bleiben.
Eine Viertelstunde laug ließ ihn Koppel, ununterbrochen „Rechts um — links um" kommandierend, wie einen Kreisel drehen und, wenn er ihm dann nach der übergroßen Anstrengung ein paar Minuten Pause gewährte, dann wurde sie durch folgende Liebes- äußerung gewürzt:
„Da seh' mir mal Einer den Menschen an, steht er nich da, wie 'ne Waschlappe ? Hundertmal habe ick ihn nu schwenken lassen, aber jloobt woll een Mensch, det des wichtige Kommando ihm beizubringen is? Ick habe det ihm schon tausendmal erklärt, det von 'ne richtige Schwenkung det Wohl und Wehe der Armee abhängt. Ja, wenn't so ans Charmieren geht, da sollt ihr mal sehen, da is er jieich, da is jieich dabei, da macht er seine Schwenkung janz propper, zieht ooch die Paradeuniform an, damit er seine Liebste gefallen thut. Ick wer ihm dee aber heite besalzen, er soll mir seine acht Tage in Arrest."
Unter solchen und ähnlichen Chikanen waren endlich zwei Stunde», die Knusemeyer eine Ewigkeit dünkten, verflossen, und die Korporalschaft schritt wieder im Marschtempo der Kaserne zu.
Wenige Stunden später fanden sich die Offiziere, Feldwebel, Unteroffiziere und Mannschaften auf dem Kasernenhofe zum Appel ein. Die Parole war ausgegeben, und die Feldwebel und Unteroffiziere griffen nach den Brieftaschen, um etwaige Meldungen entgegenzunehmen und einzutragen.
Auch der Unteroffizier Koppel mußte etwas auf dem Gewissen haben, denn während er sonst gemüthlich plaudernd neben dem Feldwebel stand, schritt er heute in stramm militärischer Haltung auf denselben zu.
»Zu Befehl, Herr Feldwebel, ick habe den Füselier Knusemeyer zu melden.'
»WaS ist mit dem?' fragte der Angeredete, mit Mühe das Lachen unterdrückend.
„Zn Befehl, derselbe hat jestern ohne eenen Anlaß un ohne Erlaubniß die Paradeuniform jetrage» nn ick habe ihn dadrmn 8 Tage „Mittel' zudiktiert."
„Die Paradeuniform gestern? I, da soll doch gleich ein Wetter dreinschlagen- Füsilier Knusemeyer vortreten!" hallte die barsche Stimme des Feldwebels über den Hof, während seine Augen den Gerufene» suchten, der gleich darauf erschien, und kerzengerade vor dem Feldwebel Halt machte.
„Sie waren gestern ans?'
„Zu Befehl, Herr Feldwebel.'
„Sie haben bei dieser Gelegenheit die Paradeuniform getragen?"
„Zu Befehl nein, Herr Feldwebel.'
„Ihr Unteroffizier behauptet. Sie darin gesehen zu haben."
„Zu Befehl. Herr Feldwebel, dann Hot sich der Herr Unteroffizier geirrt.'
„Schön, das wird sich finden,' sprach der Feldwebel. „Sie bleiben einstweilen hier, und Sie." — er wandte sich an zwei neben ihm stehende Soldaten — „Ergehen sofort nach dem Zimmer der dritten Korporalschaft und sehen genau nach, ob Sie eine gute Uniform finden, die Sie daun soforr hierherbringen, wo nicht, gehen Sie von da aus nach der Karner und lassen sich sowohl die Parade-, wie die Sonntagsuniform des Füsilier Knusemeyer zeigen, kommen bann aber sofort zurück und bringe» mir Bescheid."
Die beiden eilten davon, und während Knusemeyer im Stillen vor Lust vergehe» mochte, färbte sich Koppels Gesicht fast kirschroth, vor Uerger über di- Frechheit deL Rekruten, der es wagte, ihn mit Lügen z« strafen.
Während dessen überreichte der Feldwebel aus seiner Brieftasche Koppel sowohl wie Knusemeyer einen Brief. (Schluß folgt.)
L e s e f r u ch t.
Immer strebe zum Ganze», und kannst du selber kein Ganzes Werden, als dienendes Glied schließ an ein Ganzes dich an! GLthe-