Eine zahlreiche Schaar versuchte in Turin vor die Wohnung des französ. Konsuls zu gelangen, wo der Präfekt bereits anwesend war; dieselbe fand jedoch die Nachbarstraßen durch Truppen abgesperrt. Nachdem die Behörde vergeblich versucht, die Menge gütlich zu zerstreuen, erging die gesetzliche Aufforderung dazu; die Schaar zog hierauf nach der Konsulatskanzlei, wo dieselbe abermals aufgelöst wurde. In Neapel durchschritt eine beträchtliche Schaar mehrere Straßen und Plätze und brachte Hochs aus auf Italien, " die Armee und die ital. Fahne; dieselbe wurde von Bersagliert zerstreut und cs ereignete sich sonst keinerlei Unordnung. In Genua beschränkte sich die Demonstration auf ein Hoch auf Italien, welches unter den Präfekturfenstern ausgebracht wurde.
Rom. Die Exkönigin von Neapel hatte die italienische Regierung auf Herausgabe ihres persönlichen Vermögens verklagt, welches nach ihrer Enttronung mit Beschlag belegt wurde. Der Prozeß ist zu Gunsten der Königin entschieden worden und es fallen nunmehr der Heldin von Gasta einige Millionen zu.
Neapel, 23. Juni. Gegen 100 Studenten verlangten heute von dem Präfekten die Freilassung von 31 gestern verhafteten Personen. Der Präfekt versprach, dem Verlangen nachzukommen, wenn den Verhafteten nichts vorzu- werfen sei. — Die Königin bestieg heute den Vesuv.
Palermo, 24. Juni. Einige Hundert Studenten versuchten wiederholt vor dem französischen Consulat Kundgebungen zu veranstalten, zerstreuten sich aber, da sie sich von Truppen in ihrem Vorhaben gehindert sahen, ohne weitere Aufforderung abzuwarten.
Frankreich.
Paris. Gelegentlich des letzten großen Wohlthätigkeitsbazars in Paris rief eine Operettensängerin einer Gruppe eleganter Herren zu: „Ich brauche 300 Francs, wer will mir für einen Kuß so viel geben?" Niemand meldete sich. Die Künstlerin fuhr fort: „Ist die Summe für Einen von Ihnen zu groß, so legen Sie den Betrag zusammen und entscheiden Sie durch das Loos, wer mich umarmen soll." Abermals allgemeines Stillschweigen. Die Gräfin Pour- talcs, welche diese Scene von Weitem beobachtete, näherte sich nun mit den Worten: „Fräulein, diese Herren sind nicht galant, hier haben Sie die verlangten dreihundert Francs und den Kuß — verwenden Sie erstere für Ihre „Hausarmen."
Marseille, 24. Juni. Etwa 600 Italiener sind seit Samstag von hier abg ereist.
Aus Tunis wird der Daily News gemeldet: Es ist beschlossen worden, daß 15,000 Mann französische Truppen in Tunis bleiben sollen. Dieselben werden aus 2 Divisionen bestehen; eine unter General Maurand mit dem Hauptquartier in Momouba, die andere unter General Caillof mit ihrem Hauptquartier
unweit Tabarka. Die Franzosen haben noch immer den Stamm Much Sata zu unterwerfen, um die Kriegsentschädigung zu erlangen.
England.
London. England ist in diesen Tagen mit knapper Noth einem Telegraphisten-Stricke entgangen. Die sämmtlichen Telegraphisten drohten mit einem Stricke, im Falle ihren seit Jahren vorgebrachten, wohlbegründeten Bitten um eine entsprechendere Entlohnung nicht Rechnung getragen würde. Nun erklärte endlich der General-Postmeister Fawcett, daß er demnächst seine Vorschläge zur Lage der wirklich äußerst schlecht entlohnten Telegraphen- und Postbeamten dem Parlamente unterbreiten würde und diese Erklärung wird hoffentlich das Land vor dem angedrohten Stricke bewahren.
Rußland.
Nach einem Petersburger Telegramm der „N. fr. Presse" ist im Nihtlistenlager Uneinigkeit ausgebrochen. Die „Gemäßigten haben sich von der Schreckenspartei getrennt und ein eigenes 16 Seiten starkes Flugblatt herausgegeben, worin sie erklären, das Werk mit „friedlichen" Mitteln fortsetzen zu wollen. Das „friedliche" Mittel, welches sie empfiehlt und auf welches die „Gemäßigten" hoffen, ist die . . . allgemeine Revolut io n in Rußland, die, wie das Flugblatt sagt, in Kurzem eintreten müsse.
Türkei.
Konstantinopel. Der Prozeß gegen die Mörder des Sultans Abdul Aziz wird voraussichtlich fünf Sitzungen in Anspruch nehmen. Der ehemalige Scheck ul Islam, der auch in die Anklage verwickelt ist, wird in Mekka gerichtet werden. Die Eröffnung des Prozesses ist um eine Woche verschoben worden. Sämmt- liche Minister werden den Prozeßverhandlungeu beiwohnen.
Portugal.
Auch in Portugal beginnt eine Bewegung zu Gunsten der Juden. Die Presse richtet an das Ministerium und den König die Bitte, den in Deutschland lebenden Juden portugiesischer Abstammung die Rückkehr nach Portugal möglich zu machen.
Amerika.
Es ist ein Plan im Gange, um eine Kolonie südrusstscher Juden in den westlichen Staaten Nordamerikas zu gründen. Ein russischer Jude ist in Chikago eingetroffen und trifft Anstalten, um die Kolonie vorläufig mit 20 Familien von Bodenzüchtern zu beginnen.
Vermischtes.
(Durchs Telephon.) Gutmeiner führt seinen Freund Hanselmann auf die Zentralstation für Telephon, um ihn von der Trefflichkeit der neuen Einrichtung zu überzeugen. „Siehst Du," sagte er, „ich habe meiner Frau telephonirt, daß sie uns beide zum Mittagessen erwarte — da, nimm das Rohr, und höre selbst, wie gut sie mich verstanden hat." —Hanselmann gehorcht lächelnd u. hört Frau Gut
meiner antworten: „Hättest auch 'was G'scheidt- eres thun können, als dm alten Esel zu Tisch zu bringen."
Handel «uv Verkehr.
Reisende, welche auf Bahnhöfen dem Portier etwa mit einem Ueberrock zugleich Geldsummen zur Aufbewahrung übergeben, werden gut thun, letzteres demselben ausdrücklich zu bemerken, da andernfalls, wenn die Summe etwa durch Diebstahl abhanden käme, der Portier nicht haftbar ist.
Durchschnittspreise von Getreide, Hm und Stroh an den Marktorten Nagold, Freudenstadt und Calw im Monat Mai 1881. Nagold: Weizen Mk. 11. 74, Kernen M. 11.50, Roggen M. 10.48, Gerste M. 9. 39, Hafer M. 7. 40, Hm M. 3. 40, Stroh M. 2. 07. Freudenstadt: Weizen M. 12. 12, Kernen M. 12. 44, Roggen M. —. —, Gerste M. -. —, Hafer M. 7. 60, Heu M. 2.86, Stroh M. 2. 03. Calw: Weizen M. —. —, Kernen M. 11. 88, Roggen M. —, Gerste M. —. —, Hafer M. 7. 26, Heu M. 3. —, Stroh M. 2. —.
Jer Weg öes Lebens.
Frisches Herz und feste Schuh —
Morgens in der Frühe —
Jedes Blümchen ruft dir zu:
Wandrer, komm, ich blühe!
Sieh, schon glänzt dos Sonnengold, Morgenstund ist Jedem hold. —
Willst du froh den Tag beschließen.
Mußt du früh die Sonne grüßen!
Geht der Tag, wir wandern mit Stündlich weit und weiter,
Und der Hoffnung leichter Schritt Hält das Herz uns heiter.
Kein Gewölk, das finster droht,
Bringt ein muthig Herz in Noth. —
Willst du froh den Tag beschließen,
Mußt du früh die Sonne grüßen!
Freudig sammeln unverwandt,
Was am Weg sie finden,
Bald das Herz und bald die Hand,
Recht ihr Heim zu gründen.
Ruhlos schafft der Augenblick Eignen Herdes Gunst und Glück.
Willst du froh den Tag beschließen.
Mußt du früh die Sonne grüßen!
Und zuletzt, wenn l«se neigt Sich der Tag den Müden,
Gieb, o Geist, dem Alles schweigt,
Gieb uns deinen Frieden,
Schließ in wegemüder Ruh'
Träumend Herz und Auge zn. —
Willst du froh den Tag beschließen,
Mußt du früh die Sonne grüßen!
Zweisilbiges Räthsel.
Ich habe mich, wie die Geschichte erzählt. Dereinst auf ganz eigene Weise vermählt;
So wüthend, wie das Weib, das ich mir erkoren So Alles verschlingend ward keins mehr geboren. Längst bin ich gefallen und Staub ist mein Leib, Doch täglich noch steigt und fällt nieder mein Weib. Verdoppelt ein Zeichen, sprecht anders es ans. So führte man einst mich zum Kamfe hinaus Nicht waren mir Thiere zum Ziele gesetzt.
Vom Menschen selbst ward ich aus Menschen gehetzt.
Riccardo wußte aus dieser Frage nun bestimmt, daß Costa seine Erzählung verstanden und daß er bedeutende Summen aufwenden würde, seine verhaßte Gegnerin, die schändliche Giovanna, zu verderben. Er verhielt sich deßhalb zurückhaltend und gab dem Grafen ausweichende halb zustimmende Antworten. Jetzt galt es, ihn hinzuhalten und ohne Säumen für die eigene Sicherheit Sorge zu tragen. Costa wußte genau, woran «r war, und da er durch Zwang zu Nichts gelangen konnte, behandelte er den Nichts- würdigen mit Vorsicht und Ruhe.
„Von großem Nutzen ist übrigens dies Papier nicht," begann er aufs Nene, „da man Boten aussenden könnte, um das Verbrechen sestzustellen, und außerdem giebt es noch Mittel —"
„Nein, Herr, die Mittel giebt es nicht! Der Priester und die beiden Zeugen sind nicht mehr am Leben; in dem Kirchenbuche findet man nicht, daß sie getraut, doch daß 1>e es sind, beweist allein das Dokument."
„Sprich doch gelegentlich mit dem Besitzer, hörst Du, Riccardo; ich habe für dergleichen Merkwürdigkeiten besondere Liebhaberei und zahle dafür einen hohen Preis. Vergiß es nicht!"
Nach diesen Worten ging der Graf, scheinbar gleichgültig in den Ballsaal Würk.-
Etwa acht Tage nach den eben erzählten Begebenheiten schritt Darrel in den Dienst- küidern Rodolfo's durch die Straßen der Stadt, um zum Palast Casella zu gelangen. Friedlich lächelnd strahlte jetzt die Herbstsonne durch die sich zertheilenden Wolken, und Luft war für einen Novembertag mild und lieblich.
Eine ähnliche Aendernng wie die Natur hatte auch Darrel erfahren; er war von ganz anderen Gefühlen durchdrungen, sein Unmuth war gewichen, Ruhe und Zufriedenst hatten die Leere in seinem Innern ausgefllllt. Unmöglich war es ihm, diesen plötzlichen Wechsel in seinem Zustande zu begreifen; vergeblich sann er nach Gründen hierfür und immer wieder kam er darauf 'zurück, daß nur allein die Güte und Leutseligkeit seines neuen Herrn ihn so nmgestaltet hätten. In der That strahlte aber auch auf Rodolfo's
Angesicht jener namenlose Zauber, der jedes Herz sogleich und allgewaltig fesselt, und die Anmuth seines Wesens, sein rein menschliches Gefühl ließen die aufkeimenden Empfindungen in Jedem gleich tiefe Wurzeln schlagen. Allen, die chm dienten, die mit ihm zu verkehren hatten, ergieng es, wie dem lebensüberdrüssigen Darrel.
„Ein freundliches Schicksal hat mich zu ihm geführt," sagte der vor sich hrnschauende Diener, „er hat mich, den er kennen zu lernen Gelegenheit genommen, den er seinen Freund genannt, einen tiefen Blick in seine Verhältnisse thun lasten, und so gut ich's vermochte. stand ich ihm mit meiner Erfahrung zur Seite. Wenn nur die Gedanken an meine Vergangenheit mich frei ließen, bann wäre ich auch frei von jedem Ungemach. Doch nicht undankbar, alter Knabe! trübe Erinnerungen klären sich ebenso langsam, wie aufgewühltes Wasser; Beides braucht Zeit und Ruhe."
An seinem Ziele angelangt, durchschritt er die langen Corridore; endlich stand er vor der ihm von Nodolfo bezeichneten Thür, er pochte an, trat ein und fand in dem Vorzimmer der Gräfin einen Diener. Als Beide sich vom Kopf bis zu den Füßen mit prüfenden Blicken gemustert, Riccardo seinen Namen genannt und sich als vertrauten Diener der Gräfin vorgestellt, übergab Darrel ihm einen Brief Rodolfo's mit dem Ersuchen, denselben sogleich seiner Herrin einzuhänbigen. Riccardo empfing das Schreib« und ließ es spielend durch die Hände gleiten; unverwandt ruhte sein Blick auf dem Alten, welcher ihm eine vollständig neue Erscheinung war, von dem aber die Kunde, daß Rodolfo ihn nahe an sich gezogen, schon zu ihm gedrungen war.
„Sagt, Freund," fragte er endlich, .wie lange seid Ihr in Eures Herrn Dienst'?"
„Seit einer Woche," war die mürrische Antwort des wortkargen Darrel.
„Fürwahr, Ihr müßt ein absonderlicher Mensch sein, daß Euch der junge Herr so schnell sein Vertrauen geschenkt hat," fuhr er fort, „hier im Hause würdet Ihr, um solches Ziel zu erreichen, Jahre gebraucht haben."
„Mir gleich," entgegnete der Andere kurz,....besorgt bas Schreiben und bringt mir Antwort!"
(Fortsetzung folgt.)