Krieg dessen Nusgang sichergestelltr Redner schloß mit den bedeutsamen Worten: Wenn wir den Krieg nicht gewinnen, wird eine revolutionäre Partei entstehen, die binnen kurzem lllleS übrige hinwegfegen wird.
Ein sonderbarer Munitionssabrikant.
Berlin. 15. Nov. Aus Haag wird dem „Berliner Lokalanzeiger" mitgeteilt: In England bildet zur Zeit nach Meldungen holländischer Berichterstatter der Prozeß gegen den Mnnitionsfabrikantcn Brown das Tagesgespräch. Er wird beschuldigt, Handgranaten hergestellt zu haben bezw. Herstellen lassen, an denen der Zunder an falscher Stelle angebracht war, so daß der Hand- granatenwerfer selbst ums Leben komme« mutzte. Um die falsche Zünderanbringung zu verdecken, hatte er die betr. Stelle durch Zement und Firnis zu verdecken versucht.
Ablehnung chinesischer Hilfe.
Basel, 14. Nov. Den Pekinger Zeitungen ist nach der „Franks. Zeitung" zu entnehmen, daß man sich in dortigen hohen' Regierungskreisen ernstlich mit dem Gedanken einer chinesischen Truppenentsendung nach dem europäischen Kriegsschauplatz befaßt. Ein chinesischer General namens ding, der zurzeit kein Kommando hat, hat der Pekinger Regierung geschrieben, es sei eine Schande, einen Krieg zu erklären, ohne an ihm Teil zu nehmen und es sei bester, vom Feinde geschlagen zu werden als zu kneifen. Man ist dem Gedanken näher getreten und hat beschlosten, aus je 1000 Freiwilligen aus jeder Provinz ein erstes Expeditionskorps von 2V 000 Mann zu bilden, das an der nächsten Frühjahrsoffensive in Frankreich teilnehmen könne. Man behauptet, etwa 100 französisch sprechende chinesische Offiziere für den Zweck zur Verfügung zu haben. Von anderer Seil wurde den Pekinger Stellen vorgeschlagen, die rauflustigen Truppen des monarchistischen Generals Tschang Hsün und überhaupt alle unerwünschten Elemente der oft nur politischen Unfug anstiftenden chinesischen Armee nach Europa zu senden, um sie auf diese Weise los zu werden. Welche weisen Entschlüsse der Pekinger grcche Eeneralstab nun endgültig gefaßt hat, weiß man nicht, aber es heißt, daß der französische Ge sandte in Peking von dem Entschluß Chinas, auf dem Kriegstheater im Winter eine Rolle zu spielen, benachrichtigt worden sei. Das hat die Staatsmänner der Entente in einige Verlegenheit versetzt, denn selbst wenn man aus den Chinesen tüchtige Soldaten machen
könnte, was übrigens wohl möglich wäre, woher soll man die nötigen Schiffe nehmen! Man hat also dankend abgewinkt, den Chinesen in den englischen Organen, die von Chinesen gelesen werden, eine gute Note erteilt und ihnen zu verstehen gegeben, daß man sich mit Chinas guter Absicht begnügen wolle.
Vermischte Nachrichten.
Die nächsten Aufgaben des Reichstags.
Berlin, 14. Nov. Der Reichstag tritt, wie bekannt, am Donnerstag den 29. November zu einer neuen Tagung von etwa zwei Wochen zusammen. Der neue Reichskanzler legt Wert darauf, sich möglichst früh dem Parlament vorzustellen und das Programm seiner inneren und äußeren Politik bekanntzugeben. An seine Ausführungen dürfte sich eine mehrere Tage dauernde Debatte anschlietzen. Dem Reichstag wird eine Vorlage unterbreitet werden, die einen neuen Kriegskredit von 15 Milliarden fordert. In Aussicht gestellt sind ferner das Arbeitskammergesrtz und mit ihm gewisse Erweiterungen der Koalitionsfreiheit. Die Arbeitskammern sollen möglichst schnell eingefiihrt werden, damit sie in Preußen Vertreter in das neue Herrenhaus entsenden können. Die llevergangswirtschaft wird Gegenstand eingehender Beratung sein. Ernahrungsfragcn und Kohlenverteilung sollen gleichfalls erörtert werden. Die Steuerpläne sind zur Besprechung im Reichstag noch nicht reif. Ebenso kommt der Haushaltuugsplan des Reiches für 1918 jetzt noch nicht zur Vorlage, sondern erst im Januar. Erwartet werden schließlich noch die bereits angekündigten bevölkerungspolitischen Vorlagen, die dem Geburtenrückgang entgegenwirken sollen. Auch einem Gesetzentwurf zur Teilung der Nicsen- Reichstagswahlkreife sieht man entgegen. Nach ihm soll die Zahl der Neichstagsabgeordneten um etwa 30 vermehrt werden.
Die Litauer und Deutschland.
Berlin, 14. Nov. Ein litauischer Abend fand am Dienstag abend im „Hotel Adlon" statt. Der Präsident des Landesrates A. Smstona aus Wilna berichtete über Litauens Vergai^genheit und schilderte insbesondere die Unterdrückung durch die russische Negierung und die junge litauische Bewegung, deren Ziel war, das litauische Volk aus der Verskavung zu retten. Der Redner teilte Litauen in das nördliche, eigentliche Litauen, be
stehend aus deck Gouvernements Kowno, Suwalki und Wilna und ein zweites Gebiet, auf welches die Litauer gleichfalls Ansprüche erheben, nämlich Teile der Gouvernements Grodno und Bialystok. Auf die Hauptstadt Wilna wird Litauen nie verzichten. Die Hoffnungen der Litauer gründen sich aus Deutschland, das allein die bedrohte Nation retten könne. Der Ukrainer Frylowsky, Abgeordneter des österreichischen Reichsrats, bezeichnet« die Ukrainer als natürliche Verbündete Litauens, deren Bestrebungen auch im ukrainischen Interesse liegen. Der Landtagsabgeordnete Dr. Gaigalat stellte fest, daß es keinem preußischen Litauer jetzt in den Sinn kommen werde, sich von Preußen loszutrennen und dem neuen Litauen anzugliedern. Zunächst sprach Dr. David, Mitglied des Reichstages, über die Beziehungen Litauens zum gesamten östlichen Problem und führte aus, daß nur eine demokratische Politik die Gegensätze auszugleichen vernwgen werde. Eine solche Ausgleichung sei aber nicht nur den Litauern gegenüber notwendig, sondern auch allen übrigen Völkern des Ostens, Rußland eingeschlossen. — Dieses erste offene Auftreten der Litauer in Berlin hinterließ den Eindruck, daß eine Anlehnung Litauens an Deutschland von den Litauern gewünscht wird und ein gutes Einvernehmen mit unseren neuen Nachbarn zum Nutzen beider Völker zu erwarten ist.
Schmuggel durch Zugpersonal.
(WTB.) Berlin, 15. Nov. Laut „Berliner Tageblatt" ist das ganze Zugpersonal der Züge, die zwischen Düsseldorf und Vohwinkel verkehren, verhaftet worden. Bei einer von der Kriminalpolizei vorgenommenen Haussuchung wurden u. a. mehrere Zentner Schokolade und Zigarren gefunden.
Schwedische Firmen unter englischer Kontrolle.
(WTB.) Berlin, 14. Nov. „Nya Dagligt Alle- handa" meldet, daß schwedische Firmen, die norwegische Heringe nach Nutzland durchführten, dieser Tage von den englischen Behörden den Befehl erhielten, die Durchfuhr einzustcllen. Die Meldung ist nicht ganz verständlich. Man sollte annehmen, daß der Transit norwegischer Waren durch Schweden unter der Kontrolle der schwedischen, nicht aber der englischen Regierung steht. Sollte sich die Nachricht bewahrheiten, so würde das alle Taten englischer Vergewaltigung Neutraler in den Schatten stellen.
Die Geschick) e
des Diethelm von Buchenberg
43. von Berthold Auerbach.
Seit acht Tagen war Munde vom Militär heimgekehrt, er war frei und hatte nur noch drei Jahre die gewöhnlichen Herbstübungen mitzumachen. Da Diethelm Schultheiß geworden war, mußte ihm Munde seinen Urlaubspaß übergeben; er wartete ab. bis Diethelm mit dem Gemeinderat auf dem Rathaus war, übergab dort das Schriftliche, ohne aufzuschauen, und nannte - ihn stets „Herr Schultheiß". Diethelm hielt gerade ein Anschreiben vom Amte in der Hand, als Munde eintrat und sprach. Von heftigem Schreck erfaßt, starrte er eine Weile hinein in das Papier auf dem die Buch- stabxn seltsam ineinander krochen. Der Klang der Bruderstimme hatte Diethelm mächtig erschüttert. Die Einbildungskraft kann sich zu Leid und Freud das ganze Wesen und Gehaben eines Verstorbenen in die lebendie Erinnerung stellen, eines aber vermag sie nicht aus sich zu erwecken: es ist der Klang der Stimme des Abgeschiedenen, nur ein Ton von außen ruft ihn wach. Und wie jetzt Diethelm die Bruderstimme hörte, drang sie ihm ins Herz, so daß plötzlich alles Verborgene und gewaltsam Zurückgedrängte vor ihm stand.
Diethelm faßte sich und sprach endlich, das Papier niederlegend und sich zurücklehnend:
„Was willst du jetzt anfangen, Munde?"
„Ich werd' schon sehen," antwortete Munde und grüßte soldatenmäßig. Diethelm aber rief ihm noch nach:
„Komm zu mir ins Waldhorn, Munde, ich Hab' dir was Gutes zu sagen."
„Das Gescheiteste wär'. du gäbst ihm dein Fränz." sagte der Schmied hinter dem Weggegangenen, „sie haben sich von je gern gehabt, und es schickt sich grad für dich, einem, der nichts hat. deine Tochter zu geben, und einen braveren und schöneren Tochtermann kannst du nicht kriegen."
Diethelm schwieg und nahm die Eemeindeverhand- lungen wieder auf. Am Mittage erzählte er seiner Frau, daß er den Munde herbcstellt habe, und es sei wohl möglich, daß er seinen Vorsatz ausführe und ihm die Fränz gebe. Martha war glückselig mit diesem Vorhaben und sagte, daß dann gewiß wieder alles gut werde, und daß auch die Seele des verstorbenen Medard Ruhe haben werde, wenn sein liebster Wunsch erfüllt sei. Diethelm nickte zufrieden, aber drei Tage lang ließ sich Munde nicht sehen, und Diethelm war voll Zorn gegen ihn und verbot Frau und Tochter, ein! Wort „mit dem Bettelbuben" zu reden. In sich aber ^ überdachte er, daß es wohl klüger sei. dem Munde die! Fränz nicht zu geben, diese Großmut konnte leicht verdächtig erscheinen und als Gewissensangst gedeutet werben; dennoch mutete ihn der Gedanke einer Sühne in
Erfüllung des Versprechens gegen den Toten tröstlich an. „Dann ist ja nichts geschehen", sagte er sich, „als ein paar »Jahre verkürzt, und das hätte sich der Medard gern gefallen lasten für das. was seinem Bruder zukommt, er hat ihn ja immer so gern gehabt." lleber- dein war es Diethelm unerträglich, daß noch irgend ein Mensch außer dem altersschwachen Mann an seine Schuld glaube. Solange noch ein solcher Mensch auf der Welt lebte, meinte er keine Ruhe zu finden.
Munde hatte seinem Vater erzählt, wie zutraulich Diethelm gegen ihn auf dem Rathaus gewesen.
„Ich weiß, was er vorhat," sagte der alte Schäferle, „er will dir seine Fränz geben."
„Vater, was machet Ihr?" rief Munde hochentflammt.
„Kannst dich drauf verlassen," fuhr der alte Schäferle gelasten fort, „er will sich loskaufen."
Munde mußte aber und abermals hören, wie unerschüttert der Vater an die Schuld Dicthelms glaubte, er wehrte sich mit aller Macht dagegen, aber der Vater blieb standhaft und sagte:
„Ob er Blutschuld auf sich hat, weiß ich nicht gewiß, aber so gewiß, als der Himmel über uns ist und nichts auf der Welt verborgen bleibt, hat er mit angezündet. In alten Zeiten hat ein Bruder nicht geruht, bis er für das Blut seines Bruders Rache genommen hat. Kannst du hingehen und die Tochter von dem hejraten? Nein. Weißt was, komm her," sagte der alte Schäferle aufstehend, und holte einen Rock aus dem Schranke, von jenen Kleidern, die ihm Medard zur Herbstzeit in der ersten Furcht übergeben hatte, „da komm her, zieh den Rock an und setz den Hut auf und geh hin zum Diethelm und betrachte ihn genau, was er macht. Du siehst dem Medard gleich, wie er vor Jahren ausgesehen hat, geh, mach's."
Munde ließ sich nicht dazu bewegen, er faßte den weißen, rotausgeschlagenen Rock des Bruders und weinte bittere Tränen darauf, indem er dem Vater erzählte. daß auch gegen ihn Medard den Verdacht ausgesprochen. und daß er mit einem Schlag ins Gesicht von ihm geschieden sei. Dieses letzte besonders tat ihm so weh. daß er so grimmzornig von seinem Bruder auf ewig geschieden sei. Munde hatte sein weiches sanftes Gemüt bewahrt, und er streichelte den Rock, als deckte er noch den, der ihn einst trug. Drei Tage kämpfte Munde einen schweren Kampf mit sich und mit dem Vater. Der Gedanke. Fränz zu besitzen, entflammte ihn; und wenn er wieder dachte, daß er ewig um den Mann sein und ihn Vater nennen solle, der vielleicht am Tode seines Bruders schuld war — die Asche des Bruders lag auf all dem großen Besitztum. Aber was kann Fränz dafür? Es ist nur eine alte Dorfgewohnheit, daß das Kind die Schande erdulden muß. die auf dem Vater ruht, und ist nicht Diethelm freigesprochen und hochgeehrt?.
Am dritten Abend, als Munde das Dorf hinaufging. begegnete er Fränz. sie reichte ihm froh und innig die Willkommshand, aber es mochte seine ganze Gemütsverfassung zeigen, daß das erste, was Munde sprach, dahin lautete, er müsse ihr. das Geld wieder geben, das er. ohne zu wissen bei ihrer Abreise aus der Hauptstadt von ihr genommen habe. Er überreichte ihr das Geld, das er in einem Papiere wohl verwahrt hatte, sie empfing es mit den Worten: „Sonst hast du gar ni^ts zu saoen?"
Die trotz aller Tändeleien und Anknüpfungen nie völlig erstorbene Liebe zu Munde erwachte in ihr, da- ! bei die Erinnerung an jenen Schreckensabend und et- ! was von der Milde und Demut, die damals in ihr auf- s gesproßt war. Nach einer stummen Pause setzte sie daher hinzu:
„Kannst dir denken, wie hart es uns allen zu Herzen geht, daß dein Medard dabei verunglückt ist. Wir sind ja alle zu ihm gewesen, als wenn er das Kind vom Haus wär'. und dein Vater hat schweres Herzeleid über uns gebracht."
„Mein Medard hat ihm das Gleiche gesagt, wie mir. Weißt wohl?
! „Und du denkst noch daran?" sagte Fränz schaudernd. In ihrem Wissen um das Geschehene fühlte sie. daß noch nicht alles gesühnt war, und auch in ihrem Herzen kämpfte nun Liebe zu Munde und Furcht vor ihm; sie setzte aber schnell hinzu: j „Mein Vater ist freigesprochen, und es darf niemand mehr so was reden und denken. Sag das deinem Vater Es steht Zuchthaus drauf."
! „Auch aufs Denken?" fragte Munde, und Fränz erwiderte unwillig:
I »Ich Hab' nichts mehr mit dir zu reden, wenn du > so bist. Ich glaub' an keinen Menschen mehr, weil auch du schlechte Gedanken hast. O Munde ich könnt' mir die Augen ausweinen über dich. Ich Hab' dich so gern gehabt. Jetzt darf ich's sagen es ist ja vorbei."
§ „Nein, es ist nicht vorbei." rief Munde aufflam- ' mend, „ja, du hast recht, es ist schlecht, so was zu denken. gib mir deine Hand, komm, wir gehen zu deinem Vater, er hat mich kommen heißen. Fränz, hast mich .denn wirklich noch so gern?"
„Es kommt darauf an, wie du bist. Allem Anschein nach hast du dich verändert. Du hast doch immer so ein gutes Gemüt gehabt."
„Und ich hab's noch, wenn du mich lieb hast, komm, Fränz. komm."
Hand in Hand gingen beide in das Waldhorn zu Diethelm. Jede andere Empfindung wurde bei Fränz von dem Triumphe überragt, daß sie den Munde hinter sich drein ziehen könne, wohin sie wolle.
»Hast dich besonnen?" fragte Diethelm nach den ersten Begrüßungen.
Fortsetzung solgt.