Znnerpolitisches.V^ .

* Wie man hört, soll Vizekanzler Dr. Helfferich zum Staatssekretär der besetzte» Gebiete gemacht werden, um so der Regierung die wertvollen Kenntnisse dieses Staatsmann» zu erhalten. In der polnische» Frage werden die gestern in der Berliner Presse aufgestellten Mutmaßungen von offiziöser Seite heute dementiert; die Meldungen über die angebliche Angliederung Russisch-Polens an Galiziens, und die An­gliederung Kurland» und Litauens an Preußen seien teils unrichtig und teils schief, eine endgültige Lösung sei noch nicht herbeigeführt.

Rücktritt Helfferichs. Payer wahrscheinlicher Nachfolger.

(WTB.) Berlin. 8. Nov. Staats«,inister Dr. Helfferich hat Se. Majestät den Kaiser gebeten, ihn von seiner Stellung als Stellvertreter des Reichskanzl-" und Mitglied des preußischen Staatsministeriums zu entbinden. Se. Majestät hat diesem Wunsch unter Vor­behalt späterer anderweitiger Verwendung stattgegeben.

(WTB.) Berlin, 8. Nov. Wie wir von gut unter­richteter Seite hören, dürfte als Nachfolger des Staats­sekretärs Dr. Helfse ich in seiner Stellung als Vertreter des Neichskanzkanzlers der RLichstagsabgevrdnete Geh. Rat Exzellenz von Payer in Frage kommen. Wie ver­lautet, gilt die Besetzung der Stelle des Vizepräsidenten des preußischen Staatsmtnisteriums durch den preußi­schen Landtagsabgeordneten Geh. Neg.-Rat Prof. Dr. Fricdberg als wahrscheinlich.

Michaelis beim Kaiser.

(WTB.) Berlin, 8. Nov. Der frühere 'Reichskanzler Dr. Michaelis war heute beim Kaiser zur Mittagstafel geladen.

Vermischte Nachrichten.

Adolf Wagner -ft

(WTB.) Berlin, 7. Nov. Professor Dr. Adolf Wagner, der bekannte Volkswirtschaftler der Berliner Universität, ist heute im Alter von 82 Jahren gestorben.

Englisch.

(WTB.) Berlin, 8. Nov. Nach zuverlässigen Nach­richten sind in der unmittelbaren Nähe der Munitions­und Flugzevgfabrikeu von Hendon, uordwestlich von London, große Lager mit deutschen Kriegsgefangenen belegt worden, um die Werke vor deutschen Luftangrif­fen zu bewahren.

Aus Stadt hnd Land.

Calw, den 9. November 1917.

Vom Rathaus.

* Zu Beginn der gestrigen öffentlichen Sitzung des Ge­meinderats unter dem Vorsitz von StadtschultheißenamtSver- weser Gemeinderat Drekß wurden die Wahlen für die Waisen­richter de» Vormundschaft?- und Nachlaßgerichts gewählt. Gewählt wurden als aktive Mitglieder Gemeinderat Kleinbub und Privatier Schlatterer, als stellvertretende Mitglieder Pri­vatier Bauer, Stiftungspfleger Bühner und Gemeinderat Schoenlen. Die Neuwahlen zur Jnventurbehörde hatten fol­gendes Ergebnis: Stiftungspfleger Bühner, Stadtinventierer Kolb; stellvertretende Mitglieder Privatier Bauer, Gemeinde­rat Kleinbub. Bauwerkmeister Alber sucht in einer Eingabe um käufliche Ueberlassung der kürzlich von der Stadt erwor­benen früheren Rau'schen Wiesen nach, die am Hirsauer Wie­senweg an der MarkungSgrenze gelegen sind. Der Gesuch- fteller will dort ein Wohnhaus samt angebautem Wirtschafts­gebäude in einer Front von 35 Metern erstellen. Das Gesuch soll in der nächsten gemeinschaftlichen Sitzung beider Kolle­gien behandelt werden. Im Namen des hiesigen sozial­demokratischen Vereins hat dessen Borstand, Robert Störr an die Stadtverwaltung eine Eingabe gemacht, in der darum

nachgesucht wirb, bte Stabt mög« sm Hinblick auf die auhek>n- digte weitere Erhöhung der Höchstpreise für Brot, Milch und Milchprodufte den Minderbemittelte« billigere Nahrungsmittel zugängig machen, etwa in den, Sinne, daß sie die Mehrkosten einer erneuten Preiserhöhung auf sich nimmt. Bei einer im Oktober gehabten Besprechung von Vertretern der steten Ge­werkschaften und zweier sozialdemokratischen Landtagsabge­ordneten mit dem Minister de» Innern habe dieser die even­tuelle Leistung von Staatsbeiträgen in Aussicht gestellt, fall» die Gemeinden die Preisaufschläge für die wichtig n Nab rungsmittel bei Minderbemittelten ganz oder teilweise tragen. Wie der Vorsitzende in der Angelegenheit mitteilte, würde e» -sich in unserer Stadt um etwa 1500 Personen handeln, und um eine monatliche Mehrausgabe von etwa 1350 ^ bei Be­rücksichtigung ' der Erhöhung der oben genannten Nahrungs­mittel santt den Teigwaren usw. Das Kollegium beschloß, der Frage ei',. w..tcrgehenden Unterstützung der Minderbemittel­ten in dieser oder anderer Form näher zu treten, und beim Ministerium anzufragen, ob und inwieweit Staatsbeiträge in dieser Richtung zu erwarten wären. Auf die seiten» der Stadtverwaltung an die hiesige Bäckerinnung ergangene An­regung, im Interesse der Ersparnis von Holz und Kohlen auf Grund einer steten Vereinbarung unter den Bäckern in bestimmten Zeiträumen einzelne Betriebe (verteilt auf be­stimmte Bezirke) jeweils auf 8 bis 14 Tage stillzulegen, Wo­durch die andern Bäckereibetriebe auch besser ausgenützt wer­den könnten, hat die Bäckerinnung geantwortet, daß sie sich nicht für berechtigt halte, ihre Mitglieder zur Schließung ihre? Betriebs aufzufordcrn. Durch den Krieg seien schon 7 Be­triebe eingestellt worden, die Schließung zweier weiterer Be­triebe sei lein nächster Zeit wegen Einziehung der Inhaber zu erwarten, das mache 30 Prozent der hiesigen Bäckereien aus. Auch hätten die Bäcker auf mindestens Jahre Holz zur Austechterhaltung ihre» Betriebs. Der Gemeinderat gab seinem Bedauern über diesen Entschluß aus obengenannten Gründen Ausdruck, und auch weil nach seiner Ansicht eine derartige periodische Stillegung im eigenen Interesse der Bäcker gelegen wäre, ohne deren wirtschaftliche Existenz zu schädigen. Wie der Handels- und Gewerbeverein mitteilt, sind nach der von ihm vorgenommenen Zählung in hiesiger Stadt 115 offene Verkaufsstellen, von denen 82 mit Gas be­leuchtet werden, 50 mit elektrischem Licht und 3 mit Pe­troleum. Von den Inhabern der 62 Verkaufsstellen, die Gas­beleuchtung haben, haben sich 36 für 5 Uhr-Ladenschluß aus­gesprochen, 26 für 6 Uhi*Ladenschluß. Unter den 36 Laden­inhabern, die für 5 Uhr-Ladenschluß sind, seien aber 12 Metz­ger und Schuhmacher, die sowieso 4 Tage in der Woche den Laden geschlossen haben. Die 62 Ladeninhaber mit Gasbe­leuchtung hätten-bei 70 Gasflammen einen Gasverbrauch von 7,35 Kubikm. in der Stunde. Der Verein weist emeut auf die Ersparnismöglichkeit bezüglich der Gasbadeöfen hin, von denen hier 100 in Gebrauch seien, die einen Verbrauch von 2 Kubikm. pro Stunde erfordern. Wenn diese jede Woche nur 1 Stunde brennen, so sei dar schon ein Verbrauch von 800 Kubikin. im Monat. Hier sollte deshalb die Einsparung zuerst einsetzen. Mit einer Festsetzung de» Ladenschlusses auf 6 Uhr, Samstag auf 7 Uhr, würde sich der Verein ein­verstanden erklären. DaS Kollegium stellt sich gegenüber die­sen Auk'üstuiigen auf den Standpunkt, daß ein Zwang vor­erst in Bezug auf den Ladenschluß nicht auSgeübt werden soll, daß aber der 7 Uhr-Ladenschluß am SamStag nicht nötig sei, da die meisten Geschäfte an diesem Tag noch früher geschloffen würden. Wenn aber die verlangte Einsparung von 20 Prozent des vorjährigen Verbrauchs nicht erreicht werde, so müsse es der Gaswerksverwaltung überlassen blei­ben, die Verbraucher schärfer zu erfassen. In der letzten Sitzung des städtischen HilfSanSschusseS war über die Frage der Erhöhung der städtischen Unterstützungeil an die Fa­milien AuSmarschierter beraten worden. Die Unterstützung beläuft sich seit Kriegsbeginn für dte Frau auf 3 ^ wö­chentlich, für jedes Kind unter 15 Jahren auf 50 H. Bis­her wurden 148 Familien mit 413 Köpfen unterstützt, wa»

ein« wScheiWche Ausgabe von 578 . L auSmachte. Er wurde beschlossen, die seitherigen Unterstützungen zu b: ' - die reichsgesetzliche Faunlienunterstützung verschieden:.,'/; e. höht worden sei. Da die durch die HanSsammlungeu auf gebrachten Mittel in absehbarer Zeit nicht mehr ausreichen dürften, wird bald an die Verwilligung öffentlicher Mittel gedacht werden müssen. Die nächste Haussammlung soll anr Dienstag den 18. November vorgenommen werden. Im De­zember soll die Sammlung ausfallen. Das Kollegium be­schloß, auch diese». Jahr den Ausmarschierten zu Weihnachten wieder ein Geschenk von 5 zukommen zu lassen. Die Kochlehrerin Frau Lorch-Holzäpfel aus Ulm will auch hier einen Kochkurs geben, in dem sie das Braten in Papierrollen und Düten zeigen, und Anregungen über die Gestaltung der Kriegsküche (namentlich Fettersparnis) geben will. Die Kosten eines Kurses belaufen sich auf mir 60 Psciu.'.g:, auch da» Herstellen der Papierrollen kann sofort erlernt und das Material dazu entweder mitgebracht oder von Frau Lorch bezogen werden. Der Gemeinderat beschloß, das Angebot der Kochlehrerin anzunehmen, und die Nebenausgaben zu tragen. Anmeldungen werden Montag abend von 6 bi» 7 Uhr imBadischen Hof" von der Kursleiterin entgegenge­nommen, Da von verschiedener Seite in letzter Zeit' Kla­gen tingelaufen sind über Ueberfordrrungen bei der Inan­spruchnahme von Deinstleistungen durch den hiesigen Dienst­mann soll dieser auf da» Ungehörige seiner Handlungsweise hingewiesen werden mit der Androhung, die Stelle eines Dienstmanns städtischerseits zu konzessionieren, wenn solche Vorkommnisse sich wiederholen. Nach dem Krieg soll eine Gebührenordnung eingeführt werden.

Lichterscheinunge« im Westen.

* Seit Wochen sind von Westen her bei starker Wolken­bildung abends blitz- oder scheinwerferartige Lichterschei- nungeu zu beobachten. Wie von sachverständiger Seite dazu mitgetcilt wird, handelt e» sich um die durch die tiefhängen- dcn Wolken begünstigte Weiterleitung de» Feuerscheins beim Abschuß der schweren Geschütze an der Weststont.

^ * Zavelstein, 9. Nov. Vorgestern nacht wurde in die Räume des hiesigen Stadtschultheißenamts eingc- brochen. Dem Täter, von dem man bis jetzt noch keine Spur hat, sind einige Hundert Mark in die Hände ge­fallen.

(SEB.) Loffenau OA. Neuenbürg, 8. Nov. Von den etwa 30 Nuhrfiillen sind bis jetzt 8 Tote zu verzeichnen, darunter eine Konfirmandin mit ihrer Mutter; in die­ser Familie starb schon ein fünfjähriges Mädchen und heute liegen alle außer einem Sohne krank darnieder. Zn zwei weiteren Familien sind zwei bezw. drei Kinder gestorben.

(SCB.) Freudenstadt, 8. Nov. Der Winter macht all­mählich ernst mit seinem Kommen. Während es auf dem Knie­bis heute nacht geschneit hat, setzte bet uns im Laufe deS Vormittags leichter Schneefall ein. Auch aus Leutkirch wird Schneefall gemeldet.

Evangelische Gottesdienste.

23. Sonntag nach Trinit.. II. November. Vom Turm: II. Predigt ied: 249, Ich lobe Dich rc. 9'/, Ubr: Vor vitt.-Pre- digt, Dekan Zeller. 1 Uhr: Chri'nmlehre mit de r TS -btern der älteren Abtei'ung. 5 Uhr: Abendpredigt im Ver inshaus (Luther tm Jahr 1525), Stadtvfarrer Sckmid. Donnerstag, 15. Nov. 8 Uhr abends: Kriegsbetstunde im Verein-Haus, Stabipfarrer Schrnid.

Katholische Gottesdienste.

24. Sonntag nach Pfingsten, den II. November, best des Diöresanpatrons Martinas. 8 Uhr: Frühmesse, d'/- Ubr: Predigt und Amt; 1'/, Uhr: Christenlehre, 2 Uhr: Andacht. Freitag Abends 6'/, Uhr: Kriegsandacht.

Gottesdienste in der Methodiftenkapelle.

Sonntag vormittags 9h« Uhr und abends 8 Ubr: Predigt, Prediger FtrI. Vormittags 11 Uhr: Sonntagsschule. Mitt­woch abends 8U, Uhr: Kriegsbetstunde.

Für die Schriftl. verantwort!. Otto Seltmann, Calw. Druck u. Verlag der A. Oelschläger'schen Duchdruckerei, Calw.

Die Geschichte

des Diethelm von Buchenberg

40. von Berthold Auerbach.

Wie war Diethelm plötzlich so verändert; er, der noch vor wenigen Stunden bittern Groll und Hatz gegen seine Mitbürger in sich erweckt hatte. ^

Zn Unterthailftngen stunden alle Leute ftnt Fenster und grüßten. An der Gemarkung von Büchen­berg hielt neben einem Schlitten der Eemeinderat und Büergeransschuß und begrüßte Diethelm.

Wo ist der Schultheiß?" fragte Diethehm. Der Obmann des Bürgerausschusses erwiderte,' daß der Schultheiß schon vor vier Wochen gestorben sei.

Der Gemeinderatsfchlitten fuhr hinter dem Diet- helms drein. An der Anhöhe, wo einst Diethelms Haus gestanden und jetzt nur noch verschneite Trümmer sich zeigten, bogen die Rappen plötzlich um, und Diethelm wurde an den straffen Zügeln fast vom Schlitten ge­rissen, aber der Vetter hatte dies wohl vorausgesehen; er war zur Seite der Rappen geritten und drängte sie auf den Dorfweg.

Nun erst im Dorfe ging das Hochrufen von neuem än, die Kinder schrieen mit, uiü> die Weiber schlugen vor Freude weinend die Hände zusammen. Am Hause des alten Schäferle wurde plötzlich der Schlitten Diethelms gestellt, der Paßazrf «M rvie^wü­

tend an die Köpfe der Pferde hinaufgesprungen und ließ sie nicht vom Platze, bis ihm ein Reiter mit der Peitsche eines überhieo, daß er winselnd davonjagte. Drinnen in der niedern Stube, die Stirne an die Fensterscheiben gedrückt, stand der alte Schäferle und , aus seinem zerfallenen Antlitze sprach Kummer und Klage, daß man einen Mann wie Diethelm wie einen alles beglückenden Helden einholte. Diethelm sah nur leinen Augenblick unwillkürlich hinüber, und Martha grüßte den so schwer betroffenen Trauernden, dieser aber blieb starr und bewegungslos. Weiter ging der Zug und ordnete sich noch einmal unter Trompeten- und Zuhelschall. ^

Als Diethelm am Waldhorn absteigen wollte, stellte sich der Wirt neben ihn und hielt ihn auf dem Schlitten. Er hatte als diensteifriger Marschall diese Huldigungen angeordnet und verlangte nun auch deren richtigen Verlauf.

Zhr müsset ein paar Worte reden," lispelte er Diethelm zu und rief dann laut:Ruhe! Stille! Der Herr Diethelm will reden."

»Liebe Mitbürger!" begann Diethelm, und noch­mals wurde Ruhe geboten, woraus er wiederholte: Liebe Freunde und Mitbürger! Ich danke euch von ganzen: Herzen für die Ehre und Liebe, die ihr mir erweist, ich werde sie euch nie vergessen, obzwar ich sie nicht verdiene. Was Hab' ich denn Großes getan?

Brgndstistex. keiu PrordbreMer.^das ist

alles. Mein Ehrenname steht wieder rein da. Zch will hoffen, daß ihr mich einstmals ebenso mit Ehren hinaustraget, wenn man mir ein eigen Haus anmißt. Haltet fest."

Dieser Gedanke schien Diethelm so zu übermannen, daß seine Stimme zitterte, der Vetter aber neben ihm brummte:Wie kommen die Rüben in den Sack?" und Diethelm setzte noch hinzu:

Ich dank' euch, ich danft Euch viel tausenmal."

Diethelm hielt inne. aber der Vetter drängte wieder:

Noch was. so kann's nicht aus sein, saget noch was," und Diethelm fuhr fort:

Viele von euch haben gehört, was man mich an­geklagt hat, aber meine Freisprechung ist hinter, ver­schlossenen Türen vor sich gegangen. Freut euch, daß das bald ein Ende hat, wir bekommen das Schwur­gericht, wo wir selber richten und alles öffentlich."

Diethelm hielt wieder inne und wollte absteigen. aber der Vetter ließ ihn nicht vom Platze und drängte:Das ist nicht genug, ladet sie wenigstens zu einem Trunk ein." Diethelm fühlte, daß er jetzt keine Schmauserei halten konnte, es war schon zu erdrückend viel an dem Geschehenen, er schloß daher:In vier Wochen halt' ich meiner Bruderstochter hier Hochzeit ich lad' euch alle dazu ein auf meine Kosten. Noch­mals sage ich euch meinen herzlichen Dank." i Fortsetzung folgt.