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Nr. 164

Dienstag, den 16. Juli 1929

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102. Jahrgang

Englands Haltung in der Saarfrage

Eine Unterhauserklärung Henderfons

Deutschland wird mit seiner Forderung allei« stehen.

TU London, 16. Juli. Die Entscheidung über den Ta­gungsort der internattonalen Konferenz steht, wie Außen­minister Henkers on am Montag im Unterhaus bestä­tigte, noch aus. Die deutsche Regierung, so erltärte der Außenminister weiter, habe ihre Absicht angekündigt, auf -er Konferenz die Krage der Rückgabe des Saar­gebietes an Deutschland anzuschneiden. Diese Frage be­sitze jedoch keine direkte Verbindung mit den beiden Haupt­fragen, mit denen sich die Konferenz zu befassen haben werde, nämlich der Reparationsfrage und der Räumung des Rhein­landes.

Wie die Berliner Blätter zu den Anfragen im englischen Unterhaus zur Behandlung der Saarfrage auf der Regie­rungskonferenz ergänzend melden, hat Außenminister Hen- berson weiter erklärt, es würde nicht korrekt sein, zu sagen, daß die Regierung über die Frage, ob die französische Regierung ihre Einwilligung zur Beratung der Saarfrage geben würde, aus Paris keine Informationen erhalten hätte. Aber er könne lediglich sagen, daß sie nicht zu den Gegenständen gehöre, die auf jeden Fall erledigt werden müßten. Wedgewood stellte darauf «die Frage, ob diese Ant­wort so zu verstehen sei, daß die britische Regierung sich end­gültig den französischen Standpunkt zu eigen gemacht habe, daß di« Behandlung der Saarfrage bei der Konferenz ab- »ulehncn sei. Henderson erwiderte, daß diese Schlußfolge­rung nicht gerechtfertigt sei. Er selber habe etwas der­artiges nicht vorgeschlagen und die britische Regie­rung würde die Deutschen nicht hindern, diese Frage aufzuwerfen. Was die Haltung der britischen Konferenzteilnehmer betreffe, so müsse die Konferenz selber abgewartet werden. Weiter sagte Henderson, er habe von der« deutschen Negierung noch keine amtliche MUteilung er­halten, daß sic lieber sehen würde, wenn die britischen Besatzungs truppen im Rheinland« bleiben würden, bis eine gleichzeitige Räumung durch die Truppen der drei Mächte möglich sei. Er sei befriedigt darüber, daß er Stresemanns Ansichten in dieser Frage kenne. In seiner letzten Unterhausrede habe er auf die Besprechung m an­gespielt, die in Locarno und auch letzten September in Genf ftattgefnnden hätten

Die Benachteiligung Englands durch den Nonngplan.

Der diplomatische Berichterstatter des Daily Telegraph setzt seinen Feldzug gegen den Noungplan fort und weist darauf hin, daß die Annahme in der gegenwärtigen Form Großbritannien zwingen würde, sich mit weit weniger zu- friedenzugeben, als es unter den Bestimmungen der Val. four-Note erhalten würde. Es könnte kein Zweifel bestehen, daß der britische Anspruch, daß Frankreich im Falle der Be­zahlung der 1,6 Milliarden Mark an die Vereinigten Staa­ten, am 1. August eine gleiche Summe an Großbritannien abzuführen habe, durch die Balsournote eine voll« rechtliche Begründung finde. /

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Aus der Haltung Rumäniens, Griechenlands und Süd- slawiens zum Noungplan werde geschlossen, daß diese drei Länder sich vielleicht zusamurenschließen werden, um auf der bevorstehenden Konferenz eine gemeinsam« Politik zu vertreten, um so ihre finanziellen Interessen besser wah­ren zu können. Die günstigere Behandlung Italiens im Noungplan hinsichtlich der italienischen Verluste aus seinen österreich-ungarischen und bulgarischen Kriegsentschädi- gungs-forderungen wird von Rumänien, Griechenland und Südslawien daraus znrückgesührt, daß sie auf der Pariser Konferenz nicht vertreten waren.

Englisch-ruMche

Annäherungsbestrebungen

Die Sowjetregierung soll eine« Unterhändler «ach Lo«do«

sende«.

TU. London, 1«. Juli. Außenminister Henderson gab im Unterhaus bekannt, daß die britische Regierung die Sow- jetregterung oingelaöen habe, einen beglaubigten Vertreter nach London zu entsenden zum Zwecke der Ausnahme von Verhandlungen über die besten Wege zur Wiederherstellung normaler Beziehungen zwischen beiden Ländern. Minister­präsident Macdonald teilte aus Anfragen Sir Austen Cham- berlains ergänzend Mt, daß Sie Regierung eine Einigung mit der Sowjetregierung anstrebe und dann die Genehmi­gung des Unterhauses hierfür nachsuchen werde. Ein« Aus­sprache sei daher vor dem nächsten Terminabschnitt des Un­terhauses nicht möglich.

Tages-Spiegel

Im Unterhaus wurde Außenminister Henderson zn Ant­worte« über Englands Stellung zum Konferenzort, Saar, frage und Rhcinlandränmnng genötigt. Aus seinen Er» klärungen ist z« entnehme«, daß wir ans der kommende« Regierungskonferenz nicht mit -er Unterstützung Eng­lands rechnen dürfen.

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England hat über Norwegen die Sowjetregierung ansgcfor- dert, eine« Unterhändler für die Wiederaufnahme der diplomatische« Bezichnnge« z» bestimme«.

I« unterrichtete» Kreise« wird bezweifelt, daß der Reichs­tag z« emer späten Sommertagnng znsammentritt, da die große politische Konferenz und die Völkerhpndsiagnng keine Zeit übrig lasse«.

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Die Lage zwischen Rußland und China ist weiterhin ge­spannt, doch rechnet man mit einer friedliche« Beilegung des Konflikts. Amerika wird vielleicht als Schiedsrichter angernse» werde«.

Der bekannte Historiker Prof. Hans Delbrück ist gestern i« 81. Lebensjahre gestorben.

»

Das Grohflngboot Do X machte gestern über bem Bodensee verMeden« gelungene Flugversuche. Es blieb zehn Mi­nute« in der Luft und erreichte 359 Meter Höhe

*

Die englische Banmwollindnstrie hat mit Wirkung v»m 89. Jnli die Gesamtanssperrnng ihrer 50V 0Ü0 Arbeiter be­schlossen.

Eine Entschließung zur Reichsreform

TU Berlin, 16. Juli. Der Vorstand und ArbeitsanS» schuß des Bundes zur Erneuerung des Reiches trat am Montag zu einer Sitzung zusammen, und faßte eine Ent­schließung, die in folgenden Ankündigungen gipfelt:

1. In einer besonderen Veröffentlichung soll zur Darstel­lung gebracht werden, wie sich die verschiedenen Meinungen über Inhalt und Ziel -er Reichsreform bereits angenähert haben.

2. Da di« Finanzwtrtschaft der letzten Jahre be­sonders deutlich gezeigt hat, daß der Reichstag als oberstes, auf dem Volkswillen beruhendes Organ, einer verfassungs­mäßigen Bindung nicht entraten kann, so soll in Erwägung der bisherigen Arbeiten des Bundes zur Erneuerung des Reichs ein Vorschlag über Erweiterung der Rechte des Reichsrates bei der Feststellung des Haushaltsplanes und bei allen Ausgabenbewilligungen während des lausenden Jahres ausgearbettet werden. Eine solche Bindung befindet sich in allen alten Republiken -er Welt und könnte sich auch an Vorschriften anlehnen, die in der preußischen Verfassung vorhanden find. Sie würde nm so mehr zu begrüßen sein, wenn gleichzeitig -er Ausbau des Reichsrates unter Heran- ziehung bernssständiger Kräfte erfolge.

S. In einer Zwifchenveröffentlichung soll -argelegt wer­ben, inwiefern die in der Handhabung durch den Reichstag heraus gebildete Praktik dahin geführt hat, - dt« in der Verfassung vorgesehenen»? Rechte des ebenso wie -er Reichstag vom Volk gewählten Reichspräsident» nicht hinreichend zur Wirkung gekommen sind.

Ein Unstern über den Ozeanflügen

Untergang -erUntin-Vowler*.

TU. Rewyork, 16. Juli. Ans Port Bnrwell wird gemel­det, - das verankerte Flugzeug »Untin Bowler* auf einer losgelösten Eisscholle fortgeschwemmt wurde und im Meere versank. Als die Flieger in der Nähe der Lan­dungsstell« an neuen Ersatzteilen für das Untergestell des Flugzeuges arbeiteten, fetzte plötzlich eine heftige Flut ein. Di« Eskimos, die das Flugzeug bewachten, kamen herbei» gelaufen, um den Fliegern mitznteilen, daß das Flugzeug auf einer Eisscholle fortschwimme. Als die Flieger zur Landungsstelle kamen sahen sie das Flugzeug in weiter Ent­fernung, umgeben von Eismassen. Gleich daraus verschwand es -km Meer.

DieUntim-Borvler*, die von Chicago nach Berlin un­terwegs war, war durch schlechtes Wetter in Port Burwler (Ungava-Bucht) in der Provinz Quebec aufgehalten worden.

Die Maschine der Tchwcdenflieger ansS neue beschädigt.

Auch der Weiterflug der schwedischen Ozcanflieger von Grönland nach Labrador steht unter einem unglücklichen Stern. Ursprünglich sollte -er Flug am Sonntag nachmit­tag fortgesetzt werden, nachdem am Samstag an dem einen Schwimmer et» Leck auSgebeffert worden war. Beim Nic- dersetzen auf das Wasser hat jedoch auch der zweite Schwim­mer ein Leck erhalten, so Saß die Maschine Meder an Land gebracht werden mußte, um aufs neu« repariert zu werden.

Die russisch-chinesische Spannung

Empörung in China

Eine Mitteilung des chinesischen Geschäftsträgers in Moskau an die Sowjetregierung.

TU. Kowno, 16. Juli. Nach Meldungen aus Moskau hat der dortige chinesische Geschäftsträger dem russischen Außenkommtssariat eine Note überreicht, in der er mitteitt, - ihm am 14. Juli, 4 Uhr morgens, die russische Not« durch einen Beamten des Außenkommissariats übergeben worden sei. Mit der sofortigen Uebersetznng der ruffischen Note sei er erst am 14. Juli, 12 Uhr nachts, fertig geivesen. Die Note sei dann telegraphisch nach Nanking weitergelet- tet worden. Der Regierung in Mukden habe er die Note noch nicht zustellen können, weil ihm die Nankingregierung den unmittelbaren Verkehr mit Marschall Tschangsueliang verboten habe. Die Urschrift der russischen Note sei mit der Post an die Nankingregierung abgegangen. Am Schluß der Note gibt der Geschäftsträger der Hoffnung Ausdruck, daß er schon in allernächster Zeit imstande sein werde, -die Ant­wort aus die russische Note in Moskau zu überreiche«.

Wie aus Nanking gemeldet wird, ist am Sonntag abend die russische Note in Nanking eiugetroffen. In chinesischen amtlichen Kreisen erklärt man, daß die Note in ganz China große Empörung hervorgerusen haöe.

Rußlands geplante Vergeltungsmaßnahme«.

Wie aus Moskau gemeldet wird, verlautet von unter­richteter Seite, daß die letzt« russische Note an die chinesische Regiernng im Gegensatz zu den Auslegungen der europä­ischen Presse keine militärische Drohung enthalt«. Die Sowjetregierung wolle vielmehr im Falle -es Nichtzustan- dekommens einer friedlichen Lösung den chinesischen Ge. schäftsträger aus der Sowjetunion aus-weisen, di« chinesisch­ruffische Grenze an den Stationen Progranitschnaja und Mandschuria sperren und den wirtschaftlichen Boykott über chinesische Waren verhängen. Ferner wird die Sowjetregie­rung die Nankingregierung nicht als die chinesische Zentral- regierung anerkennen.

Chinafeindliche Kundgebungen 1» Moskau.

Wie ans Moskau gemeldet wird, fand am Montag vor dem dortigen chinesischen Gesandtschaftsgebäude eine china­feindliche Kundgebung der Moskauer Arbeiterschaft statzt. Nach den in sämtlichen Jnüustriebezirke« abgebalteuen Pro-

tcstversammlungen zogen die Arbeiter zur chinesischen Ge­sandtschaft, wo die Redner die Ergreifung sofortiger Maß­nahmen gegen die chinesischen Gegenrevvlutionäre verlang­ten.

Rnßlaud ruft Amerika an?

DieVosstsche Zeitung* meldet aus London u. a., die amerikanischen Zeitungskorrespondenten in Moskau und Riga berichten übereinstimmend, daß Li« Aktion der russischen Regierung gegen China einen heftigen Konflikt »wische« Litwinow und Karachan veranlaßt habe. Litwinow soll die Auffassung vertreten, Laß Rußlands Hände durch den Kellogpakt gebunden seien. Karachan vertrete dagegen die Auffassung, daß Rußlands Unterschrift unter den Kelloggpakt keine Verpflichtung bedeut«, auf kriegerische Austragung von Konflikten, die wesentliche Interessen Ruß­lands zum Gegenstand haben, zn verzichten. Litwinow soll die Absicht haben, wenn China auf das von Karachan in Vor­schlag gebrachte Ultimatum nicht durch sofortiges Nachgeben reagiert, Amerika zu bitten, einen Schiedsrichter in dem russisch.chinesischen Streit zu ernen­nen. Litwinow soll sich dahin geäußert haben, daß von allen in Betracht kommenden Großmächten nur Amerika in dem russisch-chinesischen Konflikt als »moralisch wahrhaft neutral* angesprochen werden könne.

Washington und der Streit «m die Ostbah».

In Washington zeigt sich außerordentlich starkes Inter­esse für die Weiterentwicklung des russisch-chinesischen Streit­falls nm die Ostbahn. Die Washingtoner Regierungskreise verhalten sich abwartend. Man befürchtet, daß Japan die Gelegerrheit zur Verwirklichung seiner Pläne in der Mand­schurei benutzen könnte, worin Washington eine Berletznng der Washingtoner Verträge sehen würde. Wenn man die nackten Tatsachen berücksichtig«, habe Rußland, so meint man in der amerikanischen Hauptstadt, das Recht zwar ans seiner Soi-t«. Dabei sei jedoch zu bedenken, daß die am«, rikanische öffentliche Meinung «in« Unterstützung Rußlands durch Washington allerschSrfstenS ablehnen würde.

In Washingtoner Regierungskreisen wird erklärt, man müsse die Stellungnahme der anderen Mächte abwarte«, die vielleicht die Gelegenheit benutzen würden, um den Sowjet- Machenschaften tu Ostafien de» Todesstoß «r versetzen.