Seit diesem denkwürdigen Tag-hat sich nun die englische Flotte passiv verhalten und keine noch so hämische Bemerkung seitens der Alliierten oder Neu­tralen, oder gar der eigenen Landsleute hat es ver­mocht, sie kampfesfreudigcr zu stimmen. Unser U-Boot- krieg, der eine Sperre um ganz England gelegt hat, hat sie noch vorsichtiger gemacht. Nur ein ganz großer Schlag könnte sie retten: eine Vernichtung der deutschen Flotte und darauf ein Vorstoß gegen die deutschen Häfen und Werften. Aber diesen Schlag haben die Eng­länder bis heute noch nicht zu machen versucht, denn sie wissen, sie würden heute noch mehr als vor einem Jahr ein Risiko auf sich nehmen, und das können sie nicht, weil ein zweites Skagerrak den endgültigen Verlust der englischen Seeherrschaft bedeuten würde. Deshalb steht England heute so machtlos der deutschen U-Boot- sperre gegenüber und muß den Hungerkrieg an sich selbst verspüren, durch den es Deutschland niederzwin­gen wollte. Auf diese Weise aber wird unsere Flotte wesentlich dazu beitragen, daß das stolze Albion, unser erbittertster und hinterlistigster Feind, mit der Zeit sich dazu herbeiläßt, einen Frieden zu schließen, der Deutschlands wirtschaftliche und politische Zukunft sichert. o. 3.

B

Die große Bedeutung der Schlacht am Skagerrak.

Berlin, 30. Mai. Wie das englische Volk in Wirk­lichkeit über die Skagerrakschlacht denkt, erfährt man ganz nebenher aus einem in dem verbandsfreundlichen Heraldo de Madrid" vom 3. Mai veröffentlichten Be­richt des Londoner Berichterstatters Louis Bonafoux über die Umwandlung des Parks des Lord Holland in Kartoffelfelder. Die Engländer, sagt Bonafoux, graben und säen für viele Jahre für viele Kriegsjahrs. Vis vor kurzem schienen sie indifferent zu sein und hielten den Krieg für irgend einen Kolonialkrieg. Aber die Schlacht vor Jütland brachte eine Erschütterung des britischen Stolzes und Interesses, und lange vor Earsons Erklärung war jeder Engländer davon über­zeugt, daß England in dieser blutigen Partie um sein -Leben spielt. -

Zum Jahrestag von Skagerrak.

WTB Berlin, 30. Mai. Anläßlich des Jahrestages ber Seeschlacht vom Skagerrak mag daran erinnert werden, daß die Engländer in der vor dem 3t. Mai 1910 größten aller Seeschlachten, der von Trafalgar, nnr insgesamt 449 Tote hatten, daß bei Skagerrak dagegen 6104 englische Offiziere und Mannschaften ihr Leben einbvßten. Die Bcrluste der Spanier und Franzosen bei Trafalgar betrugen 4522 Tote, die der deutschen Hochseeflotte bei Skagerrak da­gegen 2414.

Zur Lage in Rußland.

Der Arbeiter- und Soldatenrat für eine internationale sozialistische Konferenz.

(WTB.) Bern, 30. Mai.Humanitä" meldet: Der kn Rußland gebliebene sozialistische Abgeordnete La- font telegraphiert: Der Vollziehungsausschuß des Ar­beiter- und Soldatenrats hat einen Sonderausschuß aus vier Vorsitzenden des Ausschusses, vier anderen Ausschußmitgliedern, sowie 7 Abgeordneten der ver­schiedenen sozialistischen Parteien zur Vorbereitung der Einberufung einer internationalen sozialistischen Kon­ferenz ernannt.

Eine bürgerlich-demokratische Partei.

(WTB.) Petersburg, 31. Mai. (Petersb. Tel.-Ag.) In Moskau fand eine Versammlung des Ausschusses der Oktobristenpartei statt. Der ihr beiwohnende frü­here Kriegsminister Eutschkow berichtete über die Bil­dung einer neuen Partei, die die bürgerlich-demokrati­schen Elemente vereinige. Diese Partei werde die Du- inaabgeordneten und den Oktobristen nahestehende Personen umfassen und liberale und republikanische Grundsätze vertreten. Der Ausschuß der Oktobristen- partei beschloß, sich dieser neuen Partei anzuschließen.

Maßnahmen gegen die Freiheitsbrstrebungen der Finnen.

(WTB.) Kopenhagen. SO. Mai.Berlingske Tidende" Meldet aus Stockholm: In Finnland kamen in der letzten Zeit bedeutende russische Truppenmassen an. Die Garnison Wasa ist durch 2000 Mann verstärkt worden, die Garnison Kem durch 3000 Mann. Die Truppenentsendungen werden mit den finnischen Freiheitsbestrebungen in Verbindung ge­bracht. Es verlautet, Kerenski habe bei seinem Besuch in Finnland von geheimen Zusammenkünften in Helsingfors zwischen finnischen und ukrainischen und litauischen Vertre­tern erfahren, die die llnabhängigkeitserklürung erörtert hät­ten. Auch nach Litauen und nach der Ukraine soll die Ent­sendung russischer Truppen bevorstehen.

Von unser« Feinden.

Zur Pariser Streikbewegung.

(WTB.) Bern, 30. Mai. Ueber die Pariser Streik­bewegung äußern sichFigaro",Gaulois" undAc­tion Francaise" unter dem 28. Mai sehr besorgt. Es sei zu befürchten, jo wird gusgeführt, daß dzr Streik,

der allgemein zu werden scheine, kn eine pazifistische Bewegung auvartc. Energisches Vorgehen der Negie­rung sei dringend erforderlich.

Der Arbeiterstrcik in England.

(WTB.) Rotterdam, 31. Mai. Durch hier eingetroffene englische Seeleute werden nähere Einzelheiten über den Streik in England bekannt. Danach ist de? Ausstand in Woolwich und Chatam noch nicht beendet. Es sind »och im­mer etwa 12VVV Mann im Ausstand. Infolge der Verhaf­tung einiger Führer hat die Gärung unter den Arbeitern beträchtlich zugenommcn. Es ist im Laufe der vergangenen Woche zu wiederholten Zusammenstößen zwischen Arbeitern und Polizei gekommen, wobei verschiedene Verhaftungen vorgenommen wurden. Auch in Conventry, Nottingham und zahlreichen aiidcrcn Städten ist die Arbeit noch nicht wieder aufgciiommcu worden. Teilweise sind von den Arbeitern in .den Fabriken die Maschinen unbrauchbar gemacht worden.

Widerstand in Kanada gegen die Einführung der Dieiistpslicht..

(WTB.) London, 29. Mai. Reuter meldet, daß in Ka­nada die Einführung der Militärdienstpslicht aus starke» Wi­derstand stoße. Besonders in der Provinz Quebec werde da­gegen gearbeitet. Der französische Teil der Bevölkerung scheine entschlossen zu sein, sich gegen die Dienstpflicht zu weh­ren. Der Führer der Liberalen, Laurier, habe sich als Gegner der Dienstpflicht erklärt und werde eine Volksabstimmung verlangen. Nach einer Meldung desDaily Expreß" aus Montreal kam cs dort am Montag während eines Straßen­umzugs zu Aufläufe», bei denen zwei von der Front zurück­gekehrte invalide Soldaten schwer verwundet wurden. Daily Mail" berichtet, daß die Geistlichkeit und die führen­den Kreise der französischen Kanadier die Anschauung der großen Menge ihrer Landsleute teilen.

Die Kricgs-Frcndigksit" i» den Vereinigten Staate».

(WTB.) Amsterdain, 30. Mai. Nach einem hiesigen Blatt meldet dieTimes" aus Washington: Die Regierung tritt energisch gegen die Deutschfreunde, gegen die Pazifisten, Sozialisten und andere auf, die gegen die Eintragung der Dienstpflichtigen agitieren. Die Eintragung soll in nächster Woche geschehen. Im ganzen Lande sind Vorkehrungen gegen den Ausbruch von Unruhen getroffen. Man ist in verschie­denen Orten Bewegungen gegen die Eintragung auf die Spur gekommen, zum Beispiel in Virginia-Texas, Seattle und Detroit. In Chicago, Cleveland, Detroit und noch an vielen anderen Orten lam es unter deutschem Einfluß zu pazisisiisihen Kravallen. Viele Agitatoren sind verhaftet wor­den. Der Timeskorrespondent erwähnt dann kurz Streitig­keiten im Schiffsbau. Scharfe Kritik finden die Entwürfe über die Einkommensteuer und über die Zensur. Die Er­örterungen der Friedensbediuguiigen und der Meinungsver­schiedenheiten zwischen den Vereinigten Staaten und den Neutralen und zwischen Amerika und den Verbündeten sollen danach verboten werden. Es ist nicht wahrscheinlich, daß diese Bill jemals gesetzt wird. . -, -

Japan besteht aus seinem Raub.

Berlin, 30. Mai. DieTägl. Rundschau" meldet aus Stockholm: Die Petersburger Telegraphenagentur drahtet aus Tokio: Die japanische Presse spricht sich gegen einen Frieden ohne Annexionen aus, soweit es den fernen Osten betreffe, da Japan keineswegs gewillt wäre, in die Rückgabe der deutschen Kolonien in China und der Südsee einzuwil- ligen.

Warum Liberia den Krieg erklären mußte.

(WTB.) Köln, 30. Mai. Der bisherige dssilomatische Vertreter Liberias schildert in einer Zuschrift au dieKöln. Zeitung" die Zwangslage Liberias, als es sich entschloß, die Beziehungen zum Deutschen Reiche abzubrechen. Er sagte u. a.: Aus der Botschaft des Präsidenten Wilson vom 15. De­zember 1915 au die beiden Häuser des Kongresses geht klar hervor, welche Mühe sich die Regierung des Landes gegeben hat, strengste Neutralität zu bewahren, aber je mehr der Heuchler Wilson Farbe bekannte, desto kritischer wurde die Lage für Liberia, das einfach vor die Wahl gestellt wurde, sich dem großen Gründer und Besitzer in Amerika anzu- schließen, oder als selbständiger Staat vom Erdboden zu ver­schwinden. Jedenfalls setzt er aller Heuchelei und Nieder­tracht die Krone auf, wenn Reuter jetzt verbreitet, daß Li­beria schon lange den Wunsch gehegt habe, die Beziehungen zu Deutschland abzubrecheu. Im weiteren legt die Zuschrift die ununterbrochenen Kämpfe Liberias gegen seine Kolonial- nachbarn England und Frankreich unter Anführung von Ein­zelheiten dar und kommt dann zu dem Schluß, daß der deut­sche Handel sich im Gegensatz zu den englischen monopolisti­schen Konzessionsgesellschaften ohne Monopole und besondere Konzessionen 70 Prozent des Handels in Liberia erobert hat. Die Liberianer wissen, was sie dem deutschen Handel zu dan­ken haben. Gerade weil der deutsche Handel so bedeutend war, ist der Präsident gezwungen worden, das von Wilson diktierte Telegramm mit demselben Vorwände loszulassen, mit dem die amerikanischen Staaten sich auf die Seite der Entente stellten.

Vermischte Nachrichten.

Ein Ministerium Wekerlö.

(WTB.) Wien, 30. Mai. (Wiener Korr.-Bur.) Per eheWiige ungarische UiMerpräsideift ,Dr. Ale­

xander von Wekerlö ist heute Vormittag vom Kaiser l» Audienz empfangen worden. Für heute ist kein weite­rer Empfang ungarischer Politiker anberaumt.

Freies Geleit für norwegische Schisse.

(WTB.) Christiania, 30. Mai.Astenposten" und ..Sjö- farts Tidende" teilen mit, die deutsche Regierung wolle den norwegischen Schissen, die am 1. Juli England nach Nor­wegen verlassen können, freies Geleit anbieten.Astenposten" fügt hinzu, das Angebot sei im wesentlichen übereinstimmend nit dem Angebot von Ende April, das die Schisse wegen der Kürze der Frist nicht hätten benützen können, und sei ohne Bedingungen gestellt worden.

Carnegie im Sterben.

(WTB.) Berlin, 30. Mai. Nach Meldungen Pariser Blätter aus Washington liegt Andrew Carnegie im Sterben.

Aus Stadt und Land.

Calw, den 31. Mai 1917.

Kriegsauszeichnung.

Leutnant der Reserve Julius Widmaier von Calw, im Grenadierregiment Nr. 119, hat das Ritterkreuz 2. Klasse des Friedrichsordens mit Schwertern erhalten.

Das eiserne Kreuz.

Unteroffizier Paul Weiß aus Althengstett, Fahrer im Res.-Jnf.-Reg. 119, ist zum Sergeanten befördert und mit dein Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet worden.

Ausdehnung der Jnvalidenversicherungspflicht auf selbständige Handwerker.

Aus den Kreisen der selbständigen Handwerks­meister machten sich seit langer Zeit Bestrebungen nach Ausdehnung der Jnvalidenversicherungspflicht aus die selbständigen Handwerker geltend. Dem Vernehmen nach steht die Reichsregierung diesen Bestrebungen jetzt geneigter gegenüber: die Ausdehnung der Versiche­rungspflicht in gedachtem Sinn wird in den beteiligten Kreisen erwartet.

Anzcigepslicht beim Schlachtviehverkauf.

DerStaatsanzeiger" enthält eine Verfügung der Fleisch- versorgungsstelle über die Anzeigepflicht beim Schlachtvieh­verkauf. Darnach ist jeder Viehhalter verpflichtet, jeden Ver­kauf eines Stückes Schlachtvieh (Großvieh, Jungvieh (Rin­der), Farren, Ochsen, Stiere, Kühe, Kälber, Schweine, Schafe) spätestens binnen 24 Stunden nach der Entfernung des Tieres aus seinem Stall der Ortspolizeibehörde anzu- zeige». Die Einführung dieser Anzeigepflicht hat sich zur Gewinnung statistischer Grundlagen über die Verteilung der Schlachtviehverkäufe auf die verschiedenen Bezirke des Lan­des für die Sicherung der Schlachtviehaufbringung als not­wendig erwiesen.

Mutmaßliches Wetter am Freitag und Samstag.

Der Hochdruck erhält sich, aber auch die von Westen ausgehenden Störungen haben wieder zugenommcn. Für Freitag und Samstag ist unbeständiges und zu Gewittern geneigtes Wetter zu erwarten.

f- Calw, 31. Mai. Ein schönes Beispiel opferfreudiger wohltätiger Gesinnung ist aus der Gemeinde Aichelberg-Berg- orte zu berichten. Dort haben die Heuer konfirmierteW Mäd­chen, um ihren vor dem Altar in der Kirche bekannten Glau­ben gleich durch die Tat zu bekräftigen, in der Gemeinde gegen 100 Eier, einige Pfund Mehl, Butter, Fleisch, zwei paar Würste und Aepfel gesammelt und die Liebesgabe durch Vermittlung des Pfarramts nach Calw an das Dekanatamt gesandt, zur Verteilung an besonders bedürftige Familien der Stadt. Es konnten durch den Frauenverein 50 allein­stehende ältere und kränkliche Frauen und bedürftige Fami­lien aus diesen Gaben erfreut werde». Später kam noch ein­mal eine Sendung von 4 Zentnern Kartoffeln, einige Eier und Himbeersaft, welche auf die gleiche Weise an 20 bedürf­tige Familien in Lalw verteilt werden konnten. -Im Lauf des letzten Herbstes waren von den Schulkindern in Aichel­berg Arzneikräuter gesammelt worden. Der Erlös wurde durch den Herrn Hauptlehrer dem Bezirkswohltütigkeits- verein zu gunsten der Fürsorge für Kriegerfamilien des Be­zirks zugesandt. Den Kindern in Aichelberg sei öffentlich gedankt. Wenn irgend etwas geeignet ist. den Gegensatz zwi­schen Stadt und Land zu Überdrücken, so ist es eine solche edle schöne Handlungsweise.

Licbelsberg, 27. Mai. Heute feierten hier ihre goldene Hochzeit Joh. Georg Wentsch, »0 Jahre alt und Anna Maria geb. Ottmar, 76 Jahre alt. Der hochbetagte Jubilar ist fast völlig erblindet. Die kirchliche Feier fand in seiner Wohnung statt. Der König ließ ein Gnadengeschenk von 40 -tl über­reichen und bereitete durch diesen Beweis seiner landesväter­liche,r Huld große Freude. Die Gemeinde Liebelsberg be­glückte das Jubelpaar mit einer Ehrengabe von 25 -tt.

(SCB.) Stuttagrt, 30. Mai. Auch die elektrische Stra­ßenbeleuchtung wird bis auf weiteres außer Betrieb gesetzt werden, erstmals in der Nacht zum 1. Juni ds. Js. Nur in der Innenstadt werden noch einzelne Lampen brennen.

Für die Schrift!, verantwort!. Otto Seltmann, Calw. Druck u. Verlag der A. Oelschlnger'schen Puchdruckerei, Calw.