Nr. 68.
Amis- und Anzeigeblaii für den OberamisbezirL Calw.
92. Jahrgang.
IrlHetnrinalwets«! Smol wvchknillch. viizllgcnprct«: Im Obrramte- tze-ni Sal>» für dir einspaltig« Zell« 10 Psg^ außerhalb desselben 12 Big., «eklamen Lb Psg. Schluß für Anzeigenannahme v Uhr vonuittag». Fernspr. 9.
Donnerstag, den 22. März 1917.
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Die Vorbereitung Amerikas auf den Krieg.
Militärisches und Politisches aus dem Westen. Zur russischen Revolution.
Bor der Entscheidung in Amerika.
Die feindlichen Generalstabsberichte wissen immer noch von einem weiteren Rückzug der Deutschen zwischen Arras und der Aisnc zu melden, und suchen natürlich den Eindruck zu erwecken, als sei es das Verdienst der feindlichen Truppen, daß unsere Front zurückgenommcn worden ist. Wie wenig sich aber die feindliche Fachpresse zu dieser Anschauung bekennt, das geht aus den täglich sich mehrenden gewissermaßen auf Mißtrauen und Warnung gestellten Artikeln hervor, die sich mit der neuen Lage beschäftigen. General Verraux schreibt von einem beklemmenden Dillemina der gegenwärtigen militärischen Lage. Verfolge man den weichenden Feind schnell, so laufe man Gefahr, sich auf offenem Felde einem offensiven Rückstoß des Feindes auszusetzen, folge man nicht schnell, so laste man dem Feinde Zeit, sich in den vorbereiteten Stellungen einzurichtcn. Der militärische Mitarbeiter der angesehenen englischen Zeitschrift „Truth" schreibt: Der deutsche Rückzug an der Ancre scheint uns die größte Mristerleistung zu sein, die der deutsche Eeueraljtab in diesem Krieg« vollbracht hat, was immer auch unser Hauptquartier darüber denken mag. Eines steht fest: die Militärkritiker sind offenbar gänzlich verdutzt darüber. Es ist uns gar nicht so recht klar, ob wir überhaupt bei der Sache gewonnen habe»". Eine solche Unsicherheit der feindlichen Militärkritik beweist doch bester als alle sonstigen Phrasen vom Endsieg, daß cs bezüglich des „Enderfolgs", der in diesem Sommer erzielt werden sollte, doch nicht so klar in den Köpfen unserer Feinde aussieht. Natürlich hat es sich der französisch« Generalstab nicht nehmen lassen, anläßlich des Rückzugs unserer Truppen die grmeiusten Beschuldigungen gegen unsere Kriegführung auszusprechen. Vor einigen Tagen meldete der französische Tagesbericht, man habe den Teil der Bevölkerung, den man in der Eile nicht mitzuschleppen vermocht habe, ohne Nahrungsmittel zurückgelasscn. Das ist eine gemeine Lüge, denn ein paar Tage vorher hatte unsere Heeresleitung bekannt gegeben, daß sie die zurückgelassene Bevölkerung auf S Tage mit Nahrung versehen hatte. Was die „verschleppte" Bevölkerung anbelangt, so wird cs sich wohl um militärpflichtige Personen gehandelt haben, die selbstverständlich als Zivilgefangen« mitgenommen werden. Von unserer Seite wird die völkerrechtswidrige Handlungsweise der Franzosen im Elsaß sicherlich nicht angcwendct. Weiter behauptet der französische Bericht in heuchlerischer Naivität, der Feind habe alles zerstört in dem von ihm geräumten Gebiet. Erstens sind die meisten Zerstörungen durch die feindlichen Geschosse erfolgt, und dann müßten, die Franzosen wirklich einfältig sein, wenn sie annehmcn würden, wir sollten ihnen auch noch freundliche Untcrkunstsmöglichkciten und Stützpunkte zur Erleichterung ihrer Kriegführung lassen. Ein ganz gemeines Stück aber leistet sich der französische Generalstab, das ganz die verworfene, perverse Denkart der Franzosen kcunzeichnet. indem er behauptet, die deutschen Truppen hätten 5V Mädchen unter 20 Jahren (!) verschleppt. Warum, sagt der ehrenwerte Eeneralstab nicht, aber natürlich kann man es sich doch denken. Und die Phantasie der Franzosen nach dieser Richtung ist bekanntlich unbegrenzt. Und selbstverständlich sollen auch die in moralischer Beziehung sehr wachsamen Neutralen — besonders wenn es sich um deutsche „Greueltaten" handelt — auf die deutschen Missetäter aufmerksam gemacht werden. Nun, der deutsche Eencral- stab wird die Antwort aus die Beschuldigungen wohl nicht schuldig bleiben. Diese französischen Verleumdungsstiickcheu zeigen aber, daß die Pflege des Hasses im französischen Volk noch unentwegt blüht, und daß man unentwegt nach demselben Ziel trachtet, nämlich der völligen Niederwerfung Deutschlands, das beweist die Erklärung der neuen Regierung in Kammer und Senat, die von dem festen Entschluß
Wahrscheinlichkeit der Kriegserklärung Amerikas.
Berlin. 22. Marz. In den über die Vorgänge in Amerika unterrichteten Kreisen in Bern hält man es, wie dem „Berliner Tageblatt" mitgeteilt wird, für gewiß, dag die Union das Verhältnis zu den Mittelmächten im Sinne des Krieges klären wird.
Wieder ein Termin für die Entscheidung Amerikas.
(WTB.) Washington, 21. März. Reuter meldet: Wilson hat eine außerordentliche Session des Kongresses auf den 2. April einbcrufen.
Die amerikanischen Vorbereitungen.
Berlin, 22. März. Nach einer Genfer Depesche des „Berliner Tageblatts" wird demchLyoner „Pro- gres" ans Rewyork gemeldet, das amerikanische Kriegsdepartement habe den Befehl zur Vorbereitung der Mobilmachung der Milizen aller Staaten der Union erlassen.
(WTB.) Washington. 2t. Mürz. Reuter meldet' Das Mannedepartement hat auf den Marinewerften den Bau von 280 kleinen U-Bostjägern bestellt; 200 weitere sollen bei priemten Werften in Auftrag gegeben werden.
spricht, die ehemals geraubten (!) Provinzen wieder zu gewinne», und noch gebührende Wiedergutmachungen und Bürgschaften zu erlangen. Wir glauben, da werden wir auch noch ein Wort mitznrcden habe», jetzt aber sollen sich die Franzosen darauf gefaßt machen, daß wir die Wiedergewinnung geraubter Provinzen verlangen. Uedrigeus verfehlt die neue Regierung auch nicht, aus den Ernst der finanziellen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten hinzuweisen. Natürlich wird auch in der Negcrnngscrklärung die Bolksbesreinng Rußlands begrüßt.
Was aber den Wunsch anbelangt, daß sich die politische Umwälzung in Rußland ohne Gewalt und Blutvergießen vollziehen möge, so scheint er nicht in Erfüllung gehen zu wollen. Es wird gemeldet, daß schon jetzt die Revolution ü bis 7000 Tote und Verwundete gekostet hat. Und was die Wiederherstellung der staatlichen Ordnung anbelangt, so hat cs wirklich nicht den Anschein, als ob dieser Zeitpunkt in Bälde zu erwarten sei. Die sozialistischen Arbeiterorganisationen sind fest an der Arbeit; sie drängen die neue Regierung dazu, Frieden zu schließe», und ihr Vertreter im Ministerium, der Justizmiaister Krrenski wird als Wortführer dieser Gedanken betrachtet. Kercnski hat wegen seines Anhangs natürlich starken Einsluß im Kabinett. Aber man hat doch schon nach echt russisch-englischer Art ihn zu bc seitigcn versucht. Ein Major verlangte Eintritt zu ihm, um ihm einen Brief z« überreichen. Er wurde untersucht, wo bei man wohl einen Revolver aber keinen Brief fand. Die Arbeiterorganisationen scheinen einen gewaltigen Druck aus die Regierung anszullbcn; sic sollen erklärt haben, nur zu einem Kompromiß in der Frage der Errichtung einer Republik bereit zu sein, wenn die Dumarcgicrung in bestimmter Frist Friedcnsverhandlungen einleite. Gegen die radikale Acnderung der politischen Verfassung im Sinne einer Rcpu blik sind aber die meisten militärischen Führer, die eben im mer noch den Ausschlag zu geben vermögen. So wird jetzt schon gemeldet, daß die Kommandeure der Armee, Brusiilow, Rußki, Cvcrih und Eurkow, sich weigern, das revolutionäre Manifest der Dumaregieruug zu unterzeichnen. Also so sicher scheint die neue Regierung der Armee doch nicht zu sein. Dazu kommt, daß infolge der Revolution der ganze Nachschub der russischen Armee ins Stocke» gekommen ist, und auch, in wirtschaftlicher Beziehung eher eine Verschlimmerung eingetreten ist. Die Unsicherheit im Lande ist auss Höchste gestiegen. Alle Menschen haben sich aus den Arsenale» mit
i Waffen und Schießbedarf versehen, und die Solldatcn im ! Innern wollen Frieden. Also der Wunsch der Entente nach einer Klärung der Verhältnisse in ihrem Sinn scheint noch I nicht sogleich in Erfüllung gehen zu wollen
Nun scheinen sich auch in Italien die Anzeichen zu ver mehren, die auf ähnliche Zustände wie sie in Rußland vor der Revolution herrschte», Hinweisen. Die Not in allen italienischen Städten wachse von Tag zu Tag unaufhaltsam, und schon werden Unruhen aus den größeren Städten gemeldet. Es ist also höchste Zeit, daß der Hauptaktionär des Ententegcschästes, Amerika, auf den Plan tritt. Die neuesten Meldungen lassen auch darauf schließen, daß das bald ge schehen wird. Die Regierung in Washington betrachte die Torpedierung der drei amerikanischen Dampfer als Kriegsfall. Eigentümlich ist aber, daß die ganze amerikanische Miliz aufgeboten. werden soll. Das muß mit den Beziehungen zu Mexiko Zusammenhängen. Angeblich traut man den Mexikanern nicht. Es mache sich dort der deutsche Einfluß immer niehr geltend. Wir stehen also vor großen Entschei düngen in den nächsten Tagen und Wochen.
V. L
Die Lage auf den Kriegsschauplätzen. *
Die deutsche amtliche Meldung.
(WTB.) Großes Hauptquartier, 21. Mirz. (Amtlich.) Westlicher Kriegsschauplatz. Bei Regen und Schneetreiben geringe Gesechtstätigkeit. Zwischen Arras und Bertiucourt, nordöstlich von Ham, und nördlich von Caissons zwangen unsere Sicherungen einzelne gemischte Abteilungen - der Gegner zu verlustreichem Zurückgehen. Aus dem rechten Maasufer find heut« früh zwei Vorstöße der Franzosen am Fosseswalde gescheitert.
Oestlicher Kriegsschauplatz: Borfelvgefechtt ohne Bedeutung.
Mazedonische Front: Teilangrisse der Franzose» bei Nizopolc, Trnova und Raftani (westlich und nördlich von Monastir) wurden durch unser Feuer niedergehalten oder ab- gewiese». Kürzlich in Feindeshand verbliebene Höhen nordöstlich von Trnova und Snegovo wurden von uns im Stur« zuruckgewonnen. Der Gegner räumt« darauf das Zwischen- gcläade. Seine nächtlichen Versuch«, die Höhen wieder zu gewinnen, schlugen fehl. Im Ternabogen brachte unser Ar- tillrriefcuer eine» Fesselballon brennend zum Absturz.
Der erste Generalquartirrmeifter Lndendorfs.
Die gestrige Bbendmekdung.
(WTB.) Berlin. 21. März. Abends. Amtlich wird mitgeteilt: Anger Gefechten im Somme- Oisegebiet keine besonderen Ereignisse. Z« Osten gelang ein eigener Vorstoh an der Beresina im vollen Umfang. Nördlich von Monastir ist wieder gekämpft worden.
Der französisch« Bericht.
(WTB.) Paris. 21. März. Amtlicher Bericht von ge ftcrn abend: Von der Somme bis zur Aisne nutzten unsere Truppen ihre neue» Erfolge nachhaltig aus und schritten zur Besetzung der wiedererodcrten Zone nördlich der Somme.
Unsere Kavallerie stieß bis in die Gegend von Rouny vor,
7 Kilometer von Saint Quentin, wo sie deutsche Neiter- patrouillen vertrieb. Nördlich von Chaulny besetzte unsere Infanterie Tcrgnier und überschritt im Lause des Tages den Kanal bei Saint Quentin Einige ziemlich lebhafte Scharmützel mit feindlichen Abteilungen verliefen für uns günstig.
Jni Verlauf dieser mehrtägigen Verfolgung haben wir an der Gesamtfront nur ganz geringe Verluste erlitten. Ueber all aus unserem Vormarsch konnten wir die Beweise eines planmäßigen Vandalismus jeststellen. Die vom Feinde aus geführten Zerstörungen haben meistens keinen militärischen Zweck. Am Nachmittag meldeten unsere Flieger, daß die