Nr. 62 .
Amis- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.
92 . Jahrgang.
»r1chei><ung»wet1-i 0>»al wöchentlich. A»z«l«e>u>rcis l Hm ObtramtL- d«»!rt Laim pir dl« «Inspalrlfi« :!«>>« w Pi»., »usicrknlb deöleiben ILPIü- NeNaiNk» A Psg. SchUitz sUr .1nz«ig«»a,»i>>du>c U Uhr vorm»tag«. gernspr. V.
Donnerstag, den 15. Mär; 1817.
ve-u.irrre'.L: In der Stadt rrN Trögerroyr: Mt, vicrk-ftyrlich
PostdezriM'rckS sur den Ort«- und Nachbarorlevrrkcdr Mt. ' < 0 . .» ^ i-er-werk-isr Mk. ».La. UeitellgeU, tu Wulllemver- K>^.
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Die MboluLion in Rußland.
Unsere gestern ausgesprochen« Vermutung, daß die se» jauonell wirkende Aushebung der Sitzungen der russischen Neichsduma und des Reichsrals von der oppositionellen Mehrheit der russischen Volksvertretung wohl nicht so ohne Weiteres werde hingenonunen werden, hat sich heute schon bestätigt. Die Petersburger Telegrapheuageutur, das amtliche Nachrichtenorgan der bisherigen russischen Regierung, die anscheinend sofort für die Zweite der revolutionären Regierung beschlagnahmt wurde, giebt heute betannt, dag infolge der i» Petersburg ausgebrocheneu Revolution samt liihe Minister ins blesängnis geworfen wnrden und ein aus 12 Dumamitgliedcru bestehender Ausschuß die Regierungs gewalt der Revolutionäre ausüb«. Die liberale Mehrheit »er Duma hat also recht schnell aus die von der Regierung unternommenen Versuche der Ausschaltung der Volisvertre- lung geantwortet, und zwar mit einem »och radikaleren Nittel der Gegenwehr als die Negierung, Am einen Schlag »on so ungeheurer Tragweite sichre» zu tönurn, muhten sich «ic Revolutionäre aber doch ihrer Straft bewußt sein, den» rar über ist man sich in Väterchens Zar großem Reich sicher iich ganz tlar, ein verlrachicr Putsch endet ani Galgen. Wir )alte» in den legten Wochen immer wieder von Unruhen ,ud Umtrieben in den Hauptzeulreu Rußlands gehört, zam trößten Teil aber wurde die Mißstimmung den durch die Desorganisation des Verkehrs heroorgerusencn Schwierigsten der Lebensmittelversorgung zugrjchrieüe». Erst in den allerletzte» Tagen traten bestimmte Gerüchte auf, daß bei den Unruhen sehr stark politische Momente in Betracht loiiime», und die Aushebung der Dumasitzungen lieh, über reu Charakter der Erscheinungen keinen Zweifel mehr. Aber »der den Umsang der revolutionären Bewegung war mau »ich im Ausland doch nicht recht klar, weil die russische Re zierung strengste Zenjur übte. Wir habe» allerdings schon verschiedentlich bei Erörterung der inneren russischen Ver 'lältnisse daraus hingcwiesen, dag diejenigen Elemente, welche eine Umwälzung der politischen Verhältnisse in Rußland anstrcbtcn, eine sehr große Anhängerschaft in den Krei i«» der Intelligenz, der Industrie und des Handels hatten. !l»d doch Halle diese moralische Unterstützung leine» Zweck jehabt, wenn die Revolutionäre nicht eine andere reale Macht hinter sich gehabt hätten. Wie cs möglich war, die Petersburger Garnison, von der inan doch hätte annehme» sollen ,daß dasür regierungstreue Truppen ausgewühlt wäre», zum Uebergang zu de» Revolutionären zu bewegen, erscheint im gegenwärtigen Augenblick ganz rätselhast. Die Inszenierung des Umsturzes scheint demnach mit größter Um- ücht vor sich gegangen zu sein.
Die Frage ist nun die Ist die Revolution aus Petersburg besrhränlt geblieben, bcschräntt sich also die vollziehende Macht der Revolutionäre nur ans die Hauptstadt, oder ist die Bewegung so gut vorbereitet worden, daß auch an andern Orten gleichgerichtete Erscheinungen sich vollzogen haben?! Wir haben von Moskau, Odessa und andern russischen Ver -ehrszentren ebenfalls Nachrichten über politische Umtriebe Erhalten, was ja auch begreiflich ist. denn sämtliche russischen Stadtverwaltungen und deren politische Vertretungen stan- »cn auf Seiten der Liberale», die eine freiheitliche Reform »er russischen Verwaltung verlangten. Die Organisation der Revolutionäre war also politisch durchaus gut ansgcbaut, >ie nächste» Tage werden uns schon zeigen, ob diese politische »,d moralische Ucbcrlegenheit der Revolutionäre ihnen auch ie reale Macht der Exekutivgewalt verliehe,, hat. Vorerst niisse» wir noch amiehmcn, daß der Zar Herr über de» größ- >e» Teil, des Heeres ist, und daß die militärische» Machthaber, die wohl doch nicht zur revolutionären Partei iibcr- egangen sind, Maßnahme^ zur Befreiung der bisherigen kegiernng ergreife» werden. Mit der Ruhe in Petersburg »irb es also wohl kaum lange vorhaften.
Die russischen Minister gefangen gesetzt.
Ein Erckutiv-Ai- schris; ans Duma Mitgliedern gebildet.
(WTB.) Petersburg, 15. Mürz. (Telefon 10 Uhr vormittags.) Petersburg. Telegraphenagcntur: In Petersburg ist die Revolution ansgcbrochen. Ci» aus 12 DumamitgUedern bestehender Exelutivaus- schntz ist im Besitze der Macht. Alle Minister sind ins Vesäuguis gesetzt. Die Eklmson der Hauptstadt, 30 «86 Mann, hat sich mit den Revolutionären vereinigt. Am Donnerstag (Mittwoch ?) dem dritten Tag der Revolution, war dir Ordnung in der Hauptstadt wiederhergefteLt. Der Deputierte Engelhardt ist vom Ausschuß zum ÄemMandanten von Petersburg ernannt worden.
Revolution in Petersburg, Moslau und anbcecn mifttlrussischen Städten.
(WTB.j Berlin, 1.',. Mär;. Nach einer Meldung aus Hnparanda berichten laut „Berliner Lokolauzciger" dort aus Rußland einaetrossene Reisende, daß in Petersburg und Moskau und anderen millclrussisckien Städte» dir Revolution i.usgebrochen sei. Der ganze private Eisenbahnoerlchr sei eingestellt. Am letzten Sonnabend sei Petersburg der Schauplatz ernster Unruhe» gewesen.
Stockholm, 11. März. Die Petersburger Unruhen kehr len, sich, wie der Berichterstatter des „Tag" erfahrt, auch scharf gegen England. Vor der englischen Botschaft fanden lanle Krawalle statt. Zahlreiche Scheiben wurden eingesrbla gen. Eine tausendtöpsige Menge sammelte sich vor dein so genannten Speicher der Lady Buchanan. wo englische Spenden gesammelt werden, um an die «traut zu gehe» Das Ver Wartungspersonal fluchtete. Der Speicher wurde zertrümmert, große Menge» von Verbandzeug aus die Straf«: geworfen und verbrannt. Auch aus den übrigen Teilen des Landes treffen aufregende Nachrichten ei«. In dem Wolgagouoernc- inent wurden zahlreiche Mühlen von den revolutionären Ele- nirnten angezüudct, besonders solche, die groß« Koruvorräte halten. Im Bnsulusler Bezirk sind sämtliche Mühlen abgebrannt. Der Schaden wird auf Hunderte von Millionen Puds berechnet. Die Arbeitergruppe des Zentralkriegsiudustrie toniiiecs wandte sich an die Arbeiter mit der Aufforderung, das Geschehene zu vergesse» uns unverzüglich an die Dreh banke» zurück,zukehrcn. Es wäre ein Verbrechen gegen die Arbeiterschaft, im jetzigen Moment Kräfte zu zersplittern. „Dagens Nyhetcr" teilt mit, daß die Eisenbahnbrncke über de» Rewasluß, das Verbindungsglied zwischen dem finnische» und russischen Eisenbahnnetz, von russischen Revolutionären gesprengt worden ist. — „Svensta Dagbladet" meldet aus Haparanda: Reisende aus Rußland berichten, daß Petersburg seit fünf Tagen in völligem Aufruhr ist. Maschinengewehre sind in vielen Straßen ausgestellt. Die Soldaten weigerten sich wiederholt, ans die Bevölkerung zu schießen.
Wenn nicht alles täuscht, hat England bei diesem Putsch die Hand im Spiel. Schon lange ziehe» bekanntlich die Fäden zwischen der englischen Botschaft in Petersburg und den russischen Liberalen. Der englische Botschafter Buchanan war gerade in den letzten Monaten mit verblüffender Offenheit für die Liberalen eingclretc», nnd man wußte, daß in seiner Hand die Fäden der Intrigen zusammenliefcn, die gegen jedes neue Ministerium gesponnen wurden, das England und den russischen Liberalen nicht genehm war. Die jetzigen Revolutionäre haben nun einmal sich in den Kopf gesetzt, mit Hilfe Englands die politische Ilmwälzung ihres Landes zu erlangen. England dagegen glaubt Grund zu haben, nur durch rsnterstütznng der russMni Liberalen fei». Ziel her -Ne
berwerfung Deutschlands erreichen zu tönn.n, weil es der bisherigen russischen Regierung, ob mit Rechr oder Anrecht, schon seit langem Sondcrsriedensabsichteu zutrautc.
Inwieweit sich die Ereignisse in Rußland inbezug auf die Kriegslage bemerkbar machen könnten, ist heute noch nicht zu übersehen. Erst die nächsten Tage nnd Wochen müssen zeige», welche Folgen der gewaltsame Sturz der russischen Regierung im Innern des Landes zeitigen wird, ob durch die Bewegung im Innern auch das Heer an der Front in Mitleidenschaft gezogen wird, und welcher Teil schließlich obsiegen wird. Bekanntlich hat in dem Novcmberabkommen von lütt. in dem die Alliierten sich zu gemeinsamem Frie- oensschluß verpflichteten, Rußland einen Vorbehalt dahin gemacht, daß es bei etwaigen Anruhen im Innern gezwungen werden könnte, Sonderfrieden zu schließe», was aber vorher den Alliierten mitgetcilt würde. Ein solcher Fall könnte ein- treten, wenn die Revolution unterdrückt würde. Sollten aber die Revolutionäre auch die gesamte militärische Macht in ihre Gewalt bringen, so ist es wahrscheinlich, daß Rußland weiter unter dem englischen Joch zieht, denn die russischen Liberalen sind die eifrigsten Vertreter der Eroberrmgsziele Rußlands, die man mir englischer Hilfe glaubt erreichen zu lönncn Aber sei dem, .'wie ihm wolle, die Stoßkraft Rußlands hat gerade jetzt vor Beginn des Entscheid!,«gskairpses doch eine:', gewaltige» Schlag erlitten, der aus die Trimmung der Entente schwer zurnckwirken durfte
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Die Lage ans deu Kriegsschauplätze!!.
Die -rutsche amtliche Meldung.
(WTB.) Großes Hauptquartier, 14. März. (Amttich.) Westlicher Kriegsschauplatz. Nördlich van Arme», ti«res wurden englische Abteilungen durch Feuer verjagt. Im Ancrcgediet griffe« die Engländer nachmittags zwischen Achiet l« Petit und Grevillers nach starkem Fever beiderseits von Baucquoy an, sie wurde« verlustreich abgewiese» und ließen SV Gefangene in unserer Hand Zu der Champagne dauerte« di« Kämpf« südlich »o« Ripont mit wechselnde« Erfolg« an. Aus dem Ostufer der Maas scheiterten Borstöße der Fraupsit» bei St. Mihiel. Einer unserrr Siblußposten wurde zuriickgedröckt.
Oestlicher Kriegsschauplatz. Front des G«- ueralfrldmarschaü« Prinz Leopold von Bayer«: Lebhafte Borseldtötigteit a« mehreren Stellen zwischen Ostsee und Dnjrstr. An der Rarajowta stürmten unsere Stoßtrupps Teile der russischen Stellungen, zerstörten ausgedehnte Mi- neuanlagrn und kehrten mit 2 Offiziere«, 25« Mann als Gefangenen, sowie mehreren Maschinengewehren und Minen- werfern als Bentc zurück. Der Bahuhos Radziwillow nordöstlich »on Brodny wurde ausgiebig mit Bomben beworfen.
An der Front des Generalobersten Erzherzog Josef und der Heeresgruppe des Generalseldmarschalks von Mak- keusen ist nichts besonderes gemeldet.
Mazedonische Front: Mehrere Vorstöße zwischen Ochrida- und Prespasce blieben ergebnislos. Auch starke seindliche Angriffe nordwestlich und nördlich von Mouastir schlugen fehl. An beide» Stellen erlitten die Gegner erhebliche Verluste.
Der erste Geiieralquartiermeister Ludendorsf.
Die gestrige Abendmrldung.
(WTB.) Berlin. 14. März. Abends. Amtlich Wird mitgeteilt: Im Westen bei regnerischem Wetter ruhigerer Tag. Zm Osten lebhafte Artille- rietiitigleit bei Vrczezanq. Neue Entente-Angriffe beiderseits des P r c s p a - S e e s.
Die Leistungen unscrer U-Boote.
(WTB.) Berlin. 14 März. Neuerdings sin» von uliieren Ufllrrjeehopten 17 Pinnpfer, 2. Kegler und