Rußland. - Die Wirk»»« dks Mvotlnegr.
Die siiachricht von der Aufhebung der Sitzungen der russischen Reichsduma und des Rechsrats ist geeignet, ein sensationelle Wirkung zu zeitigen. Kaum einberufen, werden die russischen Volksvertreter wieder heimgeschickt mit der Aussicht, im April wieder tagen zu dürfen. Im Hinblick auf die Haltung der beiden gesetzgebenden Körperschaften in der letzten Zeit wird man nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß die scharfen Kritiken an der Unfähigkeit der Regierung, die wirtschaftliche Lage zu bessern, diese bewogen haben, die beiden öffentlichen Organe, deren Einwirkung auf das Volk wohl als gefahrbringend angesehen wurde, auszuschalten, weil, wie ein russischer Minister sich kürzlich so geschmackvoll aus- gedrückt haben soll, diese fortwährenden Redereien doch keinen Wert Hütten. Es wird jetzt auch bekannt, daß die gemeldeten Unruhen nicht allein in der Lebensmittelnot ihren Ursprung haben, sondern, daß auch politische Beweggründe darin zu suchen seien. Unruhen aber unter gleichzeitiger Tagung einer Volksvertretung, deren Mehrheit der Regierung direkt feindselig gegenübersteht, und deren Haltung noch von fremden mächtigen Kräften unterstützt wird, eine solche Gefahr für ihre Position wird die Regierung natürlich so schnell wie nwalich zu beseitigen gesucht haben. Ob aber diese offensichtliche Mißachtung des Charakters der Volksvertretung keine Folgen zeitigt, darüber sind wir vorerst nicht zu urteilen in der Lage. Wenn auch sonst der russische Polizeigeist gut funktioniert, die Bewegung gegen das selbstherrlich Regierungssystem und seine Äuf- rechterhaltung durch willkürliche Machtbefugnisse nimmt von Tag zu Tag zu und hat namentlich im Krieg, der die Ohnmacht dieses Systems auf organisatorischem Gebiet offenbart hat, gewaltig an Kraft gewonnen. Die Gärung scheint allgemein zu sein, und scheint auch schon das Heer ergriffen zu Hatzen, denn es wird gemeldet, die Truppen, die zur Sicherung der „Ordnung" in die Großstädte gebracht wurden, seien von den erregten Massen stürmisch begrüßt worden, und hätten die ihnen gebrachten Ovationen ebenso stürmisch erwidert, daß sich also die Dinge in Rußland weiter entwickeln, wäre nicht so außerhalb des Bereichs der Möglichkeit, wenn wir auch diesen Faktor heute noch nicht in unsere politische Rechnung stellen möchten. Des Zaren Reich ist nämlich auch hellte noch zu weit für zuverlässige politische Kombinationen.
Der kl-Bootkrieg marschiert, rvenn man so sagen darf, das sehen wir an den glänzenden Erfolgen unserer tl-Boote. das hören wir täglich ans den Stimmen der öffentlichen Meinung der feindlichen Länder und aus den Beratungen und Maßnahmen der feindlichen Regierungen und Volksvertretungen bezüglich des U-Bootkrieges. Wie Staatssekretär Hcliferich kürzlich einem ungarischen Iorn-alisten gegenüber sich äußerte, sind die Erwartungen unserer Admialität weit übertroffen worden durch die tatsächlichen Leistungen unserer U-Boote. Lloyd George habe ja selbst zugestanden, daß der deutsche U-Voöt- krieg die grimmigste Gefahr sei. die England je bedroht habe. Er habe anerkannt, daß es nur ein Mittel gebe, der Gefahr zu entgehen, und das sei, daß sich England schnellstens von aller Einfuhr unabhängig mache. Wo wolle aber England die Arbeitskräfte für die Beschaffung von 6^4 Millionen Tonnen Holz hernehmen, die es im vorigen Jahr ein- aefübrt habe. Wenn es anstatt der bisherigen hochhaltigen Eisenerze aus Spanien und Schweden nur seine geringwertigeren Eisenerze verwenden- wollte, müßte es dazu extra neue Hochöfen bauen. Weiter wurden bisher 70 bis 80 Prozent Lebensmittel für England von: Ausland gedeckt, und Lloyd George stellte fest, daß „im gegenwärtigen Augenblick die englischen Lebensmittelbestände alarmierend niedriger seien, als jemals zu dieser Jahreszeit." Selbst wenn nun alle Anstrengungen es fertig brächten, daß die künftige Ernte England vor dem Schlimmsten schützen würde, bis zur nächsten Ernte bleibt England auf die Zufuhr vom Ausland angewiesen, in einem Maße wie nie zuvor, und hier sollen unsere U-Boote die Lebensader des Inselreichs treffen. England ist durch rigorose Einfuhrverbote dazu iibergeaangen, sich selbst zu blockieren, aber die dadurch erzielte Tonnaaeersparnis macht nur 3 Prozent der Einfuhr in Friedenszeiten aus. Wir dürfen nach allen diesen Erwägungen, so sagte der deutsche Staatssekretär, guten Mutes sein, denn die englische Großsprecherei sei im Hinblick auf die von der Regierung gemachten Geständnisse über die Lage Englands. schon sehr klein geworden.
Man kann es verstehen, wenn die Entente alle Hebel in Bewegung setzt, um der U-Bootgefahr ent- gegenzuwirken. Da bisher noch keine wirksamen Gegenmittel gefunden wurden, so sollen wie immer die Neutralen mithelfen, die U-Boottätigkeit zu bekämpfen. Amerika hat nach den heutigen Nachrichten ja schon den Anfang gemacht, indem es eine An
weisung an amerrkanijche Dampfer gegeben hat, daß sie sofort bei Sicht eines U-Vootes von ihrer Waffe Gebrauch machen dürften. Damit hat sich die ameri konische Regierung direkt unfern Feinden angeschlos- sen. Einen Anlaß zum Krieg wird sie ja dann schon bei der etwaigen Torpedieung von Munitionsdampfern finden. Sie will aber noch andere Gründe anführen für ihre Haltung, nämlich angebliche große deutsche Verschwörungsabsichten in Amerika und in Südamerika gegen die Sicherheit der Vereinigten Staaten.
Ueberall werden jetzt Schlupfwinkel unserer kl- Boote vermutet, und unsere Feinde suchen mit sol chen Anschuldigenen die Neutralen in ihre Dienste
' hon. Der mexikanische „Fall" ist ja noch in aller Erinnerung, und schon weiß die „Kölnische Zeitung" von einem neuen „Fall" zu melden, den die wachsamen Alliierten in Spanien gefunden haben wollen. Die spanische Geheimpolizei wurde benachrichtigt, daß im Kap Tinoso, bei Cartagena (ander Südostküste Spaniens) sich ein Mann verdächtig mache. Die spanische Geheimpolizei verhaftete den Mann, und es zeigte sich nach näherer Untersuchung, daß in einem ihm gehörgen Boot sich deutsche Briefschaften befanden, die an die deutschen Konsuln in
Spanien bestimmt waren.
Die Sachlage ist nun wahrscheinlich so, daß die deutsche Regierung, um der spanischen Unannehmlichkeiten zu ersparen, den Verkehr mit ihren Konsuln unter der Hand vermittelte, wozu sie gegenüber einem neutralen Staat volles Recht hatte. Als Amerika noch neutral war, hatte man ja auch eine Uebermittlung der diplomatischen Post mit 1l- Booten geplant. Das also waren die Tatsachen, die die Alliierten zu den größten Verleumdungen benützten. Der spanische Marineminister protestierte gegen alle falschen Nachrich ten. Er meinte, man wolle Spanien offenbar mit Hilfe dieser Uebertreibungen und Entstellungen auf eine abschüs sige Bahn drängen, während die Regierung sich bemühe, die Neutralität nach beiden Selten hin aufrechizuerhalten. In Spanien scheinen die Ententemachenschaften also nicht auf so fruchtbaren Boden zu fallen, wie in Amerika. O. ?.
Zum verschärften U-Bootkrieg.
Ein Beweis für die Wirkung des U-Vootkriegs im Mittelmeer.
(WTB.) Stockholm. 11. März. „Sveuska Dag- blidet" schreibt: Reuters Behauptung, daß die Unterseebootblockade der Saloniki-Expedition ungefährlich sei, steht in direktem Widerspruch zu den Tatsachen. Die Untersrebootegefahr im Mittelmeer wird am besten beleuchtet durch die Verlegung des Güterverkehrs auf französische und italienische Eisenbahnen.
Spanien und die U-Boottätigkeit im Mittelmeer.
(WTB.) Bern. 13. März. Lyoner Blätter melden aus Madrid, die spanischen Dampfer „Jslene" und „Formenlerra" hätten Befehl erhalten, die Häfen der Insel Mallorca zu überwachen zwecks Verhinderung der Verproviantierung deutscher und österreichischer Unterseeboote. Der spanische Kreuzer „Estremadura", sowie mehrere Torpedoboote seien zur Küsteubewachung nach Mallorca entsandt worden. (Mallorca ist die mittlere der Balleareninsel- gruppe im Mittelmeer in der Nähe der nordspanischen Küste. Nördlich davon liegt der Golf von Lyon mit dein größten französischen Seehafen im Mittel- mecr. Marseille. Wahrscheinlich hat Frankreich den Verdacht ausgesprochen, daß unsere U-Boote sich auf den Palearen verproviantieren. Die Cchriftl.)
Anerkennung der Leistungen unserer U-Boote.
(WTB.) Stockholm, 11. März. „Stockholm Dag- bladet" schreibt die deutsche Minenlegung an der Küste von Ceylon und von Afrika sei ein erstaunlicher Beweis für die rücksichtslose deutsche Energie. Die englischen Rationierungsbestimmungen und die Klagen der französischen Kammer beweisen, wie wenig die nüchtern Denkenden in beiden Ländern den Glauben teilen, daß der Unterseebootkrieg seinen Höhepunkt bereits erreicht habe. Es sei noch immer ungewiß, wann der Kriegsausbruch mit den Bereinigten Staaten von Amerika zu erwarten stehe.
Versenkte norwegische Dampfer.
(WTB.) Christian««, 1,1. März. (Noriveg. Tel.-Bur.) Der Haugesunder Dampfer „Lars Fostenäs" wurde in der Nordsee außerhalb der Eefahrzone versenkt. Die Mannschaft wurde in Pembroks gelandet. Das Grinistader Segelschiff „Silas" (750 Bruttoregistertonncn) wurde versenkt. Der Christiansunder Dampfer „Asbjörn" (515!) Bruttoregistertonnen) wurde in der Nordsee außerhalb der Gefahrzone versenkt. Ein Schiffsoffizicr wurde getötet: drei Leute sind krank oder verwundet. Das Schicksal der übrigen Besatzung' ist unbekannt. Das Toedestrander Segelschiff „Spartan" (2287 Vruttoregrstertonnen) wurde außerhalb des Nordsee-
gebicts versenkt. Die Mannschaft wurde in Irland gelandet.
Keine englischen Handels-U-Boote.
(WTB.) Berlin, 13. März. Eine Anzahl englischer Wersten hatte, wie die „Vossische Zeitung" meldet, Pläne
zum Bau von Haiitzelsunterseebovte» ausgearbeitet. Bon ihrer Aussiipcuug ist Abstand genommi..« wo-d«,!, d:: e! . ige Ergebnisse gegenüber der steigenden Fracht,au«,inoi bedeutungslos sein müßte». Dagegen« wurde der Bau von Stau- dardschifsen nach dein Vorbild der Massenherstellung im Auiomobilwesen möglichst gefördert.
Die Lebensmittelschwierigkeiten in England.
(WTB.) Berlin. 14. März. In einem Artist-! über die englische Nahrungsmitteikrise erklärt ein Kriegskorrespondent in einem englischen Blatt, daß er das Unglück gehabt habe, die Lebensmittelnot in Rumänien und in Rußland entstehen zu sehen. In England seien gegenwärtig dieselben Anzeichen vorhanden, die in Rußland und Rumänien zu der fürchterlichen Hungersnot führten.
(WTB.) Rotterdam, 14. März. In Englauo werden jetzt vielfach Steckrüben statt Kartoffeln gegessen. Sie werden in London um 1—2 Pence das Pfund verkauft. Auf dem großen Kartoffelmarkt in London wurden am letzten Dienstag nur 100 Tonnen Kartoffeln zum Verkauf angeboten. gegenüber einer durchschnittlichen täglichen Anfuhr von 660 Tonnen Kartoffeln vor dem Kriege. Ein Kartoffel- Großhändler hat der „Daily Mail" gesagt, daß die Kartoffeln wahrscheinlich im April zu Ende sein würden. Die ersten neuen Kartoffeln kämen mitte Mai ans Jersey. Die dortige Ernte betrage gewöhnlich 6000 Tonnen. Die Regierung habe bereits ein Drittel davon beschlagnahmt.
Eine offensichtliche Verletzung der niederländischen Neutralität durch ein englisches bewassnetes Handelsschiff
(SHTB.) Berlin, 13. März. Nach Meldungen aus Holland wenden sich einige Zeitungen gegen das Wolsftele- gramm, das der deutschen Oefsentlichkeit Aufschluß über die Rechtslage gab, die infolge Einlaufens des englischen bewaffneten Danipfers „Prinzeß Melita" entstanden war. Die Zeitungen melden aber gleichzeitig, daß nach der amtlichen Erklärung des holländischen Reichsmarinestabes „Prinzeß Melita" am 5. März, abends, in Hoek van Holland einge- laufcn und erst nach ausdrücklicher Aufforderung dazu wie- gör ausgelaufen ist. Am 6. März sei sie dann wegen angeblichen Wassermangels und Krankheit an Bord wieder eingelaufen. Nichts ist besser geeignet, die Rechtsauffassung, «vie sie in dem Wolfstelegramm zum Ausdruck kam, zu unterstützen. als diese Feststellung. „Prinzeß Melita", ein bewaffnetes und deshalb einem Kriegsschiff gleichzustellendcs Schiff, hat hiernach mit voller Absicht und ohne durch Havarie oder Seenot gezwungen zu sein, den holländischen Hafen angelaufen und hat sich hierfür auch nicht einmal, wie früher gemeldet wurde, auf Wassermangel oder Krankheit an Bord berufen. Ein Blick in die niederländische Neutralitätserklärung zeigt aber, daß dainit der Tatbestand der Uebertretung des Artikels 4 erfüllt war, daß also eine offensichtliche Verletzung der niederländischen Neutralität vorlag. (In seiner Neutralitätserklärung hat Holland bestimmt, daß Kriegsschiffe kriegführender Staaten nicht in seine Häfen einlaufen dürfen, es sei denn, wenn sie durch Havarie dazu gezwungen sind. Bewaffnete Handelsschiffe würden Kriegsschiffen gleich geachtet. Dem englischen Handelsdampfer mußten selbstverständlich diese Bestimmungen bekannt sein. Er hat also bewußt die holländische Neutralität verletzt. Wahrscheinlich wollten die Engländer praktisch erproben, ob es Holland ernst ist mit seiner Erklärung. Die Schristl.)
Die Lebensmittelrat'oiiierung. in Italien.
(WTB.) Bern, 13. März. „Nuovo Eiornale" veröffentlicht die Regieruiigsinstruktionen an die Präfekten für die Einführung von Karten ans Fleisch, Fette, Zucker, Mehl und Brot. Gemäß den Instruktionen ist für die drei letztere» Nahrungsmittel Sparsamkeit dringend notwendig. Für Brot oder Mehl können täglich jeder Person 200 bis 250 Gramm in Städten und 400 bis 500 Gram», auf dem Lande zugeteilt werden. Wo Maismehl verbraucht wird, soll die Zuteilung geringer sein. Personen, die notorisch Getreide oder Mehl besitzen, dürfen keine Karten erhalten.
Vermischte Nachrichku.
Eine Aeuderunz des Charakters des pre« ß-schcn Herrenhauses auch von sreikonservatioer Seite verlangt.
* In der freikonservativen „Post" tritt ein „bekanurer Parlamentarier", wahrscheinlich der Führer der Freikonser- vatioen, Frhr. v. Zedlitz, folgendermaßen für eine Reform nn Herrenhaus ein: Die Ablehnung der Aufwandsentschädigungsvorlage durch das Herrenhaus führt notwendig zu folgender politischer Schlußfolgerung: Wenn es dessen noch bedurft hätte, so «st jetzt der Beweis für die Notwendigkeit einer gründlichen Reforin des Herrenhaujes unwiderleglich erbracht, daß das völlig unberechtigte Uebergewicht des ost- elbischen Kleinadels beseitigt und den bisher stiefmütterlich behandelten anderen Kräften unseres Landes, Handel, Industrie und Gewerbe, Bauernschaft, organisierter Arbeiterschaft usw., der ihnen gebührende Raum eingeräumt wird. Aber damit nicht genug. Im Hinblick auf die bevorstehenden großen gesetzgeberischen Aufgaben nach Friedensschluß, insbesondere die Reform des Wahlrechts, wird die Staatsregie- rung ernstlich zu erwägen haben, ob sie es verantworten