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Nr. 141

Mittwoch, den 19. Juni 1929

102. Jahrgang

Der Reichsaußenminister in Paris

Heute Aussprache Stresemann-Briand-Poincare

über die Reparation- und RSumungsfrage

TU. Paris, IS. Juni. Reichsautzenmintfter Dr. Strese mann trifft heute vormittag 9,30 in Paris ein. Nach einem kurzen Aufenthalt auf der deutschen Botschafter wird sich Dr. Stresemann um 10,30 Uhr nach dem Quai d'Orsay be­geben, wo er mit dem französischen Außenminister eine Unterredung haben wird. Anschließend ist Dr. Streseinanu zusammen mit mehreren Mitgliedern der Regierung von Vriand zum Frühstück geladen. Poincare soll beabsichtigen, sich gegen den Schluß des Frühstücks an den Quai d'Orsay zu begeben, wo eine Begegnung stattfinden wird.

Die Begegnung des Neichsaußenminifters Dr. Strese­mann mit dem französischen Außenminister Br Land und dem französischen Ministerpräsidenten Poincare in Paris begegnet in Pariser politischen Kreisen großem Interesse. Ueber ihre Tragweite gehen die Ausfassungen, soweit die Pariser Presse hierüber Aufschluß gibt, ziemlich auseinander. DerTemp s" bezeichnet es als einen Irrtum, wollte man in dem Besuche Stresemanns einen Auftakt für wichtige Verhandlungen sehen, die im Anschluß au die Empfehlungen der Finanzsachverständigen notwendig seien. Die Fühlung« nähme -er drei Staatsmänner könnte in nichts die Verhand­lungen beschränke«, die mit den anderen in Frage kommen­den Negierungen geführt werde« sollen, noch irgend eine grundsätzliche Entscheidung über das Verfahren bringen, das für die Regelung der Kriegsentschädigungen und für die an­dere« geplanten politischen Regelnngc« z« erfolge« hätte. Jede Entscheidung auf diesem Gebiet sei nur in vollem Ein­verständnis mit allen Mächten der Genfer Entschließung zu treffen. Diese Entscheidungen müßten aus dem gewöhnlichen diplomatischen Wege vorbereitet werden, da man sich bei derart' heiklen Fragen nicht dem Zufall überlasten dürfe. Der französische Kabinettsrat nimmt den Aonngpla« an.

TU. Paris, 19. Juni. Der französische Ministerrat prüfte die Frage der Kriegsentschädigung und der auswärtigen Schulden. PoincarS, Briand und CHSron gaben einen all­gemeinen Ueberblick über die Gesamtlage. Die Negierung beschloß einstimmig, die Vorschläge des Sachverständigen» »usschnsies bezüglich der Regelung der Zahlungen z« geneh­migen «nd die Ratifizierung znsammen mit de« übrigen be­teiligten Regierungen zu verfolgen. Der Kabinettsrat einigte sich dann über die Erklärungen, die vor dem Fi. nanzansschnß und dem Auswärtigen Kammerausschuß ab­gegeben werden sollen. Briand erstattete schließlich Bericht über die Madrider Völkerbundsratstagung.

England zur Konferenz der Locarnomächte.

TU London, 19. Juni. In englischen amtlichen Kreisen ist, wie der diplomatische Korrespondent des »Daily Tele­graph" hervorhebt, noch nichts Bestimmmtes über di« be­absichtigte Einberufung einer Nachkonferenz zur Regelung der sich aus den Pariser Sachverständigenverhandlungen er­gebenden Fragen bekannt. In maßgebenden englischen Krei­sen wir- nach wie vor an der Ansicht festgehalten, daß Lon­don der geeignetste Ort für eine solche Kon­ferenz sei. Es werde nicht bestritten, daß die politische Seite der Regelung ebenso wie im Jahre 1924 erheb­liche Schwierigkeiten bereiten werde. Man hoffe jedoch, daß keine der alliierte« Nationen anf der Schaffung einer entmilitarisierten Zone des geräumten Gebietes und der Einsetzung einer ständigen internationalen Kontroll­kommission bestehe« werde. Der Vertrag von Versailles biete keine rechtliche Handhabe für die Schaffung derartiger Kontrollen über das Jahr 1SS4 hinaus. Ebensowenig könne von Dcntschland erwartet werden, daß es solche« znsätzliche« Verpflichtungen znm Versailler Vertrag -«stimme.

Zur finanziellen Seite des Pariser Ab­kommens bewahre man in maßgebenden Kreisen sehr erhebliche Zurückhaltung. Die Prüfung des umfangreichen und schwierigen Uoung-Berichtes und seiner Anhänge sei im Augenblick durch die Minister und Sachverständigen noch nicht abgeschlossen. Inzwischen werde aber bereits der fran­zösische Hinweis stark beachtet, daß die französischen Schul- denabkommen eine Sicherheitsklausel enthalten «nd die Gläubiger Frankreichs den Grundsatz aunehmen müßten, daß die französischen Zahlungen unbedingt mit den Ein­gängen der deutschen Zahlungen in Einklang gebracht wür­den. Churchill habe früher ähnliche Forderungen Caillaux abgelehnt und kein englischer Ministerpräsident könne von diesem Grundsatz abgehen.

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Keine Ratifizierung deS Sachverständigengntachtens durch de« Washingtoner Kongreß erforderlich.

TU. Newyork, 19. Juni. Wie aus Washington gemeldet wird, ist Präsident Hoover der Ansicht, daß eine Ratifizie­rung -es Pariser Sachverständigengutachtens durch den Kongreß überflüssig ist. Die Zustimmung des Kongresses soll lediglich bezüglich der Ermäßigung der amerikanischen Besatznngsansprüche eingeholt werden.

Das Finanzprogramm Hilferdings

Reue Aufgaben in der Finanzpolitik

Der Aonngpla» im Vordergrund der Anssprache.

TU. Berlin, 19. Juni. Auf der Tagesordnung der oe7- ttgen Reichstagssihnng stand di« zweite Beratung des Haus­halts der allgemeinen Finanzverwaltung. Reichsftnanz- minister Dr. Hilferding leitete die Beratungen etn und gab nochmals die Gründe an, aus denen die Regierung eS für notwendig hielt, einen Defizitetat zu vermeiden. ES bleibt noch ein Fehlbetrag von 22 Millionen. Darüber hin­aus würden bis zur dritten Lesung noch einige Erhöhungen auf der Ausgabenseite nötig sein, die durch außerplanmäßige Ausgaben, beispielsweise durch die Lohnerhöhung für die Reichsarbeiter, verursacht seien. Der Minister ging dann z» den allgemeinen Fragen der Finanzpolitik über. Die Schwierigkeiten der Kassenlage hätten durch die steuerfreie Anleihe eine starke Erleichterung erfahren. Er begründete nochmals die Notwendigkeit dieser Anleihe, er­innerte an die Schwierigkeiten des Geldmarktes und wies weiter daraus hin, - -ie Befürchtung eines Scheiterns der Pariser Verhandlungen eine gewisse Panik erzeugt hatte, die durch eine verantwortungslose Agitation, die mm ge­wisser Seit« in der Oefsentlichkeit getrieben worden sei, noch gefördert worden sei. Kurzfristige Anleihen in Deutschland seien damals kaum möglich gewesen, aber auch die lang­fristige Anleihe habe inzwischen «ine Erleichterung erfah­ren, -ie dentsche Währung habe stch als absolut gesichert er« wiesen. »Die Beunrnhignng der Oefsentlichkeit über unsere Kaffenlage müsse endlich anfhöre«, denn sie schädige anch de« Kredit der deutschen Wirtschaft. Wenn beispielsweise von deutschnationaler Seite verbreitet worden sei, das Reich sei bankerott, so könne man eine solch« Aentz«r«ng n«r als ver­antwortungslos bezeichnen. (Hört, hört!)

Um solchen Schwierigkeiten, wie wir st« in der letzten Zeit durchmachten, für die Zukunft vorzubeugen, werde es not- wendig sein, wieder einen BetriebsmtttelfondS an- zusammelu. DaS Ergebnis der Pariser Verhandlungen stelle

uns vor «ene Aufgaben anch in der Finanzpolitik. I« erster Linie sei die Klärung der Finanzlage notwendig. Das ans 1928 übernommene Defizit von 160 Millionen müsse noch aus den Ergebnissen dieses Etatjahres abgesetzt werden. DaS Finanzministerium müsse darüber wache« können, daß di« einzelnen Ressorts die notwendige Vorsicht in ihre« Auf­wendungen anwenden. Leider sei die Haushaltsordnng, die dem Finanzministerium die dafür erforderliche« Kompeten­zen geben solle, noch nicht verabschiedet. Er Hofs«, daß dies in -er Herbsttagung geschehe.

Für 1SS9 müßte« wir z« einer Klärung deS finanzpoli­tischen Verhältnisses zwischen Reich und Länder« komme«. Die zum Teil recht großen Abfindungen, di« dt« Länder vom Reich verlangten, sollten in einem Gesetzentwurf geregelt werden, der demnächst vorgelegt werbe. Notioendtg sei auch di« baldige Verabschiedung des Steuerverein» hettlichungsgesetzeS. Auch die Veränderung der Stellung der Reichsbahn erfordere ein« finanzpolitische Re­gelung. Auf Einzelheiten könne er, der Minister, erst «in- gehen, wenn die Verhandlungen abgeschlossen seien, dt« sich mit der Verwirklichung des AvnngplaneS befasse«. Sin er­schöpfendes Fmanzprogramm werde er, der Minister, vor­legen z» dem Zeitpunkt, wo er politisch« Handlungsfreiheit habe. Dieses Finanzprogramm solle gehalten sei» im Sinne der soziale« Gerechtigkeit «nd der Erhöhung der Produk­tivität unsere, Gesamtwirtschaft.

Der Pariser Zahlungsplan spie«« in der Debatte etn« große Rolle. Er war sogar fast das Hauptthema. Der dentsAwtional« Abg. Qua atz zeichnete das düstere Bild TOjühriger Schnldknechtschast. Abg. Keil von den Sozial, demokrate» gelobte für seine Partei den Pakt unbesehen ge- wissermaßen als ein Geschenk des Himmels hinzunehmen. Der ZentrumSmann Brüning hielt sich klug anf der mittleren Linie. Man werde gründlich beraten, bevor man eine so schwere Entscheidung treffe. Der Vvlksparteiler Knlenkampss hielt de» G^ialdemokraten, di« der Wirtschaft immer «ne Soziallasten ausbürden möch»

Tages-Spiegel

Neichsautzenminister Stresemann wird heute in Paris mit Briand «nd Poincarö eine« Meinungsaustausch über die Reparations- «nd Ränmnugsfragen habe«.

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In England legt man Wert daranf, daß die Reparations­konferenz z«r Annahme des Aoungplans in London statt- findet.

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Der französische Ministerrat hat gestern das Sachverständi­gengutachten geprüft «nd dessen Vorschläge zur Repara» tionsregelung genehmigt.

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Im Reichstag sprach Finanzminister Hilferding über sein Finanzprogramm «nd die neue« Aufgabe« der Finanz­politik.

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I« England wnrde« gestern englisch-amerikanische Freund» schaftsrede« gewechselt. Ministerpräsident Macdonald, Außenminister Henderson und der amerikanische Botschaf­ter Dawes sprachen stch für FlottenverstSndignng «nd internationale Seeabrüstung ans.

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Die Schweiz, Spanien, Italien, Oesterreich, Norwegen «nd Persien habe« wegen des neuen Zolltarifs der Vereinigte» Staaten Protestnote« nach Washington gesandt.

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Das Luftschiff »Graf Zeppelin- wird voraussichtlich am 18. Juki feine Wettfahrt ««treten.

ten, die Tatsache vor Augen, daß Stenern und soziale Ab­gaben heute 33 gegenüber 12 Prozent vor dem Kriege aus­machen.

Eme Zrvtschenepisode bildete die Abstimmung über dt« zweit« Rate für den Panzerkreuzer > bet der Verabschiedung -es Gröner-Etats. Aber anch diese brachte keinerlei Aufregung. Der Streichungsantrag wurde, wie vorauszusehen war, abgelehnt. Die sozialdemokratisch« Fraktion stimmte für, ihre Minister votierten gegen de« Antrag.

Jnitiativentwnrf der Dentsche« Bolkspartei zum Sofortprogramm?

Nachdem das Kabinett beschlossen hat, das Sofort­programm zur Reform der Arbeitslosenverfichernng auf den Herbst zu vertagen, ist nach demLokalanzeiger" damit zu rechne», daß die Fraktion der DVP. am heutige« Mitt­woch in dieser Frage einen Jnttiativentwurf einbrtngen wird, der die Vorschläge der Partei für die notwendige Re. form der Arbeitslosenversicherung enthalten wird.

Kritik am Doung-Plan

TU. Stockholm, 19. Juni. Im Svenska Dagbladet be­schäftigt sich Prof. Cassel, der bekannte Sachverständig« für internationale Finauzfragen mit der Neuregelung der Tri­butfrag«. I» -er Transferfrage set der Aoung-Plan, so erklärt Cassel, sehr unklar gehalten. Auf der einen Seite set mehrmals von Deutschland selbständiger und aus­schließlicher Verantwortung für Aufbringung und Transfe­rierung der Jahreszahlungen bi« Rede. Auf der anderen Seite bestimme der Plan jedoch, daß di« Zahlungen in Reichsmark auf das Konto Ler Reparationsbank erfolgen sollte». Wie könnte mau jedoch eine Verantwortung über­nehmen, die man schon aus das Konto eines anderen ein­gezahlt habe? Der Aoung-Plan gehe davon aus, - ei» Transfermoratorium nur bei vorübergehenden wirtschaft­lichen Schwierigkeiten nötig sei. Hier scheine eine wesent­liche Fehlbeurteilung der Tributsrage vorzu-' liege». Die Hauptschwierigkeit für Deutschland bestehe darin, baß es nur mit im Anstand geborgte« Geld zahle« könne. Diese Anhäufung von Schwierigkeiten erwecke in keiner Weise de« Eindruck, daß es stch nur «m vorübergehende Schwierigkeiten handle, di« durch ein«» kurzen Anfschnb be­seitig» wert»«» könnt«». Die Transferschrvierigkeite« wür­den bedingt dnrch die Han-elspolitik der Fordcrnngsländcr.

Naturkatastrophe in Columbien

Ei« Erdrntsch fordert SV Tote.

TU. London, 19. Juni. I« Kolumbien hat stch am Diens­tag ein schwerer Erdrutsch ereignet, wobei 80 Personen ge­tötet und zahlreiche verletzt wurden. Di« erste Meldung über da- Unglück aus Popaya gibt noch kein klares Bild. Dem­nach hat ei» Landrntsch Tausende von Tonne» tn den Lauf deS OutlecAe-FluffeS verschoben und hierdurch tst dieser über die Ufer getreten. Die Stadt Sevilla am Flusse Canea wnrde überflutet. Sevilla soll fast völlig zerstört «nd die Bewohner Mr Räumung gezwungen worden fett».