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Nr. 138

Samstag, den 15. Juni 1929

102. Jahrgang

Die Sachverständigen berichten in Berlin

Der Kanzler dankt

namens der Reichsregierung

TU. Berlin, IS. Juni. Der Reichskanzler empfing am Freitag die dentsche» Sachverständigen der Pariser Konfe­renz, Reichsbankpräfident Dr. Schacht, Dr. Melchior und Geheimrat Kastl im Beisein der an der Tribntsfrage beteiligte« Minister «nd znständige« Beamten. Der Reichs­kanzler sprach den Sachverständigen den aufrichtigste« Dank der Reichsregierung für die ansopsernde Arbeit in Paris ans und fügte de» Dank an die in erster Linie beteilig­te« Beamte«, insbesondere den Ministerialdirektoren Dorn, Schäffer, Ritter, sowie den Ministerialräten Berger «nb Clanßel Hinz«. Daran schloß sich eine kurze Erörterung der am den Sachverständige»»!«» anknüpfende« allgemeine« Fragen.

Gestern vormittag empfing -er Reichspräsident die deutschen Sachverständigen Schacht, Kastl und Mel­chior zur Entgegennahme des abschließenden Berichtes über' sie Pariser Sachverständigenverhandlungen.

Die Konferenz der Regierungen im Juli. ^

TU. Paris, 15. Juni. Über die diplomatische Konferenz »um Noung-Plan schreibt der Madrider Vertreter des Jour­nals:. Es scheint, daß Dr. Stresemann die Initiative ergrei­fen soll, um die Regirungskonserenz zur Billigung des Noung-Planes und für seine Anwendung einzubernfen, da Deutschland in Wirklichkeit der fordernde Teil ist. Wie in Madrid erklärt wird, kann Deutschland diese Einladung aber nicht ergehen lassen, bevor man durch den Weg der Staats, kanzleien di« Aufnahme des Sachverständigen-Planes durch die interalliierten Regierungen kennt. Es handelt sich in­dessen nur um eine einfache Förmlichkeit und der englische Botschafter in Madrid überbrachte Dr. Stresemann bereits die persönliche Zustimmung Macdonalds. Obwohl Briand vor der Unterzeichnung des Sachverständigenberichts Paris

verlassen hat, konnte er genaue Zusicherungen geben. Nach den Madrider Besprechungen scheint bi« neue englische Re­gierung den Wunsch zu haben, daß diplomatische Verhand­lungen in der zweiten Hälfte des Juli beginnen. Briand hat sich dem angeschlossen.

Wie das Berliner Tageblatt aus Washington berichten läßt, besteht in Senatskreisen ein Widerstand gegen die Ver­strickung Amerikas i« die Frage der europäischen Kriegs- entschädignng. Die aus diesem Grunde geltend gemachten Bedenken gegen die Unterzeichnung des Noung-Planes sollen in Senatskreisen die Erwägung nahegelegt haben, einen Son- dervertrag Amerikas mit dem Deutschen Reich abzuschlietzen.

Die Räumungsfrage

Roch keine Ränmungsvorbereitnngen

TU Wiesbaden, 16. Juni. Wie Reuter aus Wiesbaden berichtet, wird von den englischen Vesatzungsbchörden im Zusammenhang mit den Berichten über Vorbereitungen für die Zurückziehung der englischen Bcsatznngsarmee erklärt, daß vom englischen Kriegsministerium keine Anweisungen ergangen seien, Sie eine Aenderung in dem gegenwärtigen Ausbildungsprogramm der Truppen erforderlich machten. Englische «. französische Manöver im Rheinland beabsichtigt

TU Köln, 16. Juni. Nachdem durch denManchester Guardian" bekannt wird, daß die Engländer im besetzten Gebiet für den Herbst große Manöver beabsichtigen, wird jetzt zuverlässig berichtet, - auch der französisch« Geueral- ftav groß angelegte Manöver vorgesehen hat, die in der Pfalz und im Moselgebiet bis hinein in di« Hocheifel gehal­ten werden sollen. An Liesen Manövern wird ungefähr die Hälfte der im besetzten Gebiet befindlichen französischem Truppen teilnehmend Unter anderem ist auch die Ausstellung eines besonderen Manöverkorps in Stärke und 25 000 Mann geplant, sowie die Beteiligung von technischen Truppen aller Art.

Verkehrsprobleme im Reichstag

Minister Stegerwald über Reichsbahn, Wasserstraßen, Luftverkehr

Berlin, 15. Juni. Der Reichstag nahm gestern die »weite Beratung des Haushalts des Neichsverkehrsministe- rtnms vor. Die Aussprache wurde eingeleitet durch den Reichsverkchrsminister Dr. Stegerwald.

Der Minister teilte mit, daß im Lause des Freitag nach­mittag Besprechungen mit dem Präsidenten Schacht über das Pariser Konferenzergebnis stattfinden werden. Erst nach Ihrem Abschluß werde man genau übersehen können, wie sich die Verhältnisse bei -er Reichsbahn gestalten werden. Das öffentliche Verkehrswesen in Deutschland tst ein Spiegelbil­des Leerlaufs, den wir in unserem allgemeinen Wirsschafts­leben finden. Wir müssen hinarbeiten auf größere Einheit­lichkeit, mindestens ans ein besseres Zusammenwirken -er verschiedenen Zweige des Verkehrswesens. Die Reichsbahn war in den letzte« Jahren in wenig glücklicher Lage. Tst« auf ihr ruhenden schweren Geldlasten hinderten den wün. schenswerten technischen Ausbau und auch die notwendigen Maßnahmen znr weiteren Förderung -er Betriebssicherheit.

Einer Tariferhöhung steht die Neichsregiernng ln der gegenwärtige« Stunde ablehnend gegenüber.

Für den Fall, daß -te Pariser Vorschläge Wirklichkeit wer­den, wird der Ausgleichbetrag von 500 Millionen für die Reichsbahn frei werden. Die weitere Entwicklung hängt ab von der Möglichkeit, Anleihe» zu bekommen. Solche An­leihe» würden in erster Linie dazu dienen, die in Angriff genommenen Betriebskonten zu vollenden. Bei dem weite­ren Ausbau der elektrischen Bahnen werden wir vor allem die volle Ausnutzung der bayerischen Wasserkräfte versuchen.

Auf dem Gebiete der Wasserstraßen müssen in erster Linie die begonnenen Bauten vollerrdet werden. Als ein­heitliches Werk betrachten wir den Mittellandkanal, den Rhein-Main-Donau-Kanal, die Neckarkanalijation und die Regulierung der Oder. Für

die Regnliernng des Oberrheins ist mit -er Schweiz bereits ein« Verständigung erzielt. Mit den Arbeiten wird im nächsten Jahre begonnen werde«. Beim Ausbau des Dortmund-Ems-Kanals dürfen nicht allein wirtschaftspolitische Gründe ausschlaggebend sein. Die Entwicklung unserer Seehäfen zwingt zum Ausbau der See- zufahrtsstratzen. Ueber eine Erweiterung der Seeivarte schweben Verhandlungen. Zu den

Fragen -cs Luftverkehrs

wies -er Minister darauf hin, daß in anderen Staaten die Fortentwicklung -es Luftverkehrs /rus dem Heeresetat finanziert werde. Deutschland sei das verboten. Reichszu­

schüsse seien notwendig, weil niemand aus Privaturitteln so kostspielige Experimente machen werde. Im Lrastvcrkchrswesen

sei eine gewaltige Entwicklung -n verzeichnen. Auf jeden sechzigsten Deutschen entfalle heute bereits ein Kraftwagei,'. Bezüglich des Ausbaues des Straßennetzes sei den Länder.* eine Vorlage eingereicht worden. Zum Schluß erklärte der Minister, daß der deutschen Verkehrspolitik im Nahmen der Wirsschaftspolitik in den nächsten Jahren große Auf­gaben bevorstehen. Er hoffe, schon in den nächsten Monaten ein Programm für die wichtigsten Fragen vorlegen zu können.

Im weiteren Verlauf -er Aussprache wurde eine neuer­liche Belastung der Wirtschaft durch «ine Heraussetzung^der Reichsbahntarife lman sprach von 1012 Prozent!) einmütig von den Deusschnationalen bis zur Sozialdemo­kratie abgelehnt. Die Frage des Demokraten Wieland freilich, wie die Lohnerhöhung -er Reichsbahnarbeiter ge­deckt werden soll, ließ der Minister vorerst unbeantwortet. Der Volksparteiler Dr. Hugo verlangte, Laß durch Ans. nähmet«rife die deutsche Konkurrenzfähigkeit erhalten werde. Flüchtig gestreift wurde mehrfach auch di« Tätigkeit -er Lufthansa, der man eine sparsamere Wirtschaft empfahl. Nachdem die Regierung noch Hatte Mitteilen lassen, daß fie mit -er Reichsbahn Verhandlungen eingeleitet habe über Aufträge für di« so schwer bedrohte Lokonwtivindustrte, wurde die Aussprache geschloffen. Heute will man sich mit der Beratung des Wehretats befassen.

Aus dem Ältestenrat des Reichstages.

In -er gestrigen Sitzung -es Ältestenrates des Reichs­tages bestanden die deutschnationalen Vertreter mit allem Nachdruck darauf, daß noch vor der Sommerpause die An­träge über di« Maßnahmen zugunsten der Land­wirtschaft erledigt werden müssen. Die -eutschnationa- lcn Vertreter konnten sich darauf berufen, daß vor einiger Zeit der Reichsernährungsminister auf eine Anfrage im Plenum die Erledigung dieser Anträge noch vor -er Ernte zugesagt hat. Präsident Löb« wies allerdings darauf hin, daß der Reichstag bis zum 28. Juni mit dem Haushalt vollauf beschäftigt sein werde und bezweifelte, ob nach dem 29., dem Feiertage Peter und Paul, in der neuen Woche noch ein beschlußfähiges Haus zusammeyzuhalten sein würde. Die deutschnationalen Vertreter verlangten aber, daß aus jeden Fall auch nach dem 29. Juni der Reichstag nötigenfalls noch einige Tage tagen müsse, um die landwirt­schaftlichen Anträge zu erledigen. Die endgültigen Disposi­tionen darüber werden in einer der nächsten Sitzungen des Ältestenrats zu vereinbaren sein.

Tages-Spiegel .

Die deutschen Sachverständige« haben gestern der Reichs» regier«»« und dem Reichspräsidenten über de« Verlauf «nd das Ergebnis der Pariser Konferenz Bericht erstattet.

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Nach einer Madrider Meldung soll die politische Konferenz, welche über die Annahme des Sachverständigengutachtens M entscheiden haben wird, in der zweite« Hälfte des ^a- »sf stattsinden.

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Die englischen wie die französischen Vesatznngstrnppe« pla­ne« anch für dieses Jahr große Manöver im Rheinland. Von Ränmnngsvorbereitnnge« kann also keine Rede sei«.

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Auf der Madrider Ratstagung führte die Frage der Liqui­dation deutsche« Eigentums in Pole« z« einem scharfe« Zusammenstoß zwischen Stresemann «nd Zaleski.

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Der Reichstag erledigte gestern de« Berkehrsetat «nd will heute de« Wehretat in Angriff nehme«.

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Im Berlin wnrde gestern das preußische Konkordat von Mi­nisterpräsident Brau« «nd Rnntins Pacelli unterzeichnet «nd bekanntgegebe«.

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Bei einem Essenbahnnnsall im Hanptbahnhof München wnr, de« 13 Personen leicht verletzt. Der Sachschaden ist er­heblich.

. Scheitern des Sofortprogramms für die Arbeitslosenversicherung

TU Berlin, 18. Juni. Die Verhandlungen -er Regie­rungsparteien des Reichstags über das Sofortprogramm für die Arbeitslosenversicherung find am Freitag nachmittag er­gebnislos abgebrochen worden, well eine Verstän­digung über die Beitragserhöhung nicht erzielt werde« konnte.

Dte Deutsch« Volkspartei lehnt nach wie vor jede Bei­tragserhöhung entschieden ab, während die Sozialdemo­kratie ihrerseits die Erhöhung unbedingt fordert. Di« Haltung der Demokraten hat sich augenscheinlich geändert, sodaß auch diese Partei jedenfalls nicht geschlosstn für eine Beitragserhöhung zu haben ist.

Die Initiative geht nunmehr an die Regierung zurück. Sie wird, wie man in parlamentarischen Kreisen annimmt, jetzt von sich aus eine Vorlage einbringen und es den Par­teien überlassen, Abänderungsanträge einzubringen. Wie der vom Reichsarbeitsminister Wissel erwähnte Entwurf im einzelnen aussehen wirb, ob er das Sofortprogramm umfas­sen wird, auf das sich das Kabinett seinerzeit geeinigt hat, tst im Augenblick noch völlig ungewiß. Wahrscheinlich wird man sich vorerst mit einer Teilregelung begnüge» «nd die eigentliche große Reform auf den Herbst vertagen.

Wieder ein Eisenbahnunglück

vor dem Münchener Hauptbahnhof

TU München,. Juni. Gestern vormittag ereignete sich im Betrieb beS Münchener Hanptbahuhofes ein Essen» bahnnnfall. Dem um 9.80 Uhr «ach Fürstenfeldbruck abge­lassene«, nnr mäßig besetzte« Personenzng fuhr alsbald «ach Verlasse« des Hauptbahnhofes eine Rangierabteilung in die Flanke. Rach der amtliche« Meldung sin- im ganzen 18 Per, fone« leicht verwundet worden. Die Untersuchung über die Ursache des Unglücks ist «och im Gange.

Der französische Ozeanflug geglückt

DerGelbe Vogel" an der Nordküste Spaniens gelandet.

TU Paris, 16. Juni. Wie derNewyork Herabü" meldet, ist das französische FlugzeugGelber Vogel" bei Camillas tu der Nähe von Santander an der Nordküste Spaniens gelandet. Wer derNewyork Herald" weiter meldet, bestä. tigt es sich, daß sich au Bord des Flugzeuges ein blinder Passagier eingeschlichen hat, der nun den Flug über Len Ozean mitmachte.

Kriegsgefahr im Femen Osten?

Einmarsch sowjetrnssischer Streitkräfte in die Mandschurei.

TU London, 16. Juni. Wie ein amtlicher englischer Funkspruch meldet, haben nach Berichten aus Schanghai russische Streitkräfte Tfchasser (Mandschurei), eine Station an der mandschurischen Eisenbahn, etwa 140 km von der Grenze entfernt, besetzt.

Das Einrücken russischer Truppen in die Mandschurei hat in Peking große Aufregung verursacht. Eine amtliche Benachrichtigung von dem Einmarsch hat die chinesische Ne­gierung noch nicht erhalten. Sie hat den chinesischen Ge­schäftsträger in Moskau beauftragt, Erkundigungen bei der Sowjetregierung einzuzicheu.