Aus Stadt und Land

Calw, den 13. Juni 1929.

Der Stand der Feldsrüchte.

Mit großer Zufriedenheit besichtigt der Landmann ge­genwärtig seine Felder. Er freut sich über, den guten Stand der Foldfrüchte. Die Fruchtfelder stehen außerordentlich lchön. Winter- und Sommerfrucht haben sich sehr gut be­stockt und stehen noch vollständig aufrecht, nur der Roggen ist infolge der vielen Schlagregen und der starken Winde gefallen, leider meist vor dem Beginn der Blüte. Wenn die Früchte verblicht haben, ist der Schaden durch das Lagern auf dem Boden nicht so bedenklich, obgleich gewöhnlich die Fruchtköruer sich nicht vollkommen ausivachsen und leicht »-leiden. Auch die Kleeäcker liegen wie gemäht da. Einen günstigen Stand -eigen die Hackfrüchte. Die Kartoffeln haben sich sehr gut entwickelt, sind bis jetzt von Krankheiten verschont geblieben und werden gegenivärtig behackt. Be­sondere Freude macht dem Landmann der gute Stand der Wiesen. Entgegen den früher gehegten Befürchtungen, als ab tms Gras im Wachstum Zurückbleiben werde, haben die Niederschläge so günstig eingcwirkt, daß eine Menge Bo­dengras vorhanden ist. Die Wiesen zeigen ein dichtstehen­des Gras. Bei den durch ^>en harten Winter vollständig ge­leerten Heustöcken ist eine gute Heuernte sehr erwünscht. Be­reits haben einige Landwirte mit dem Mähen der Wiesen begonnen, doch war die Witterung in den letzten Tagen nicht günstig. Es sollte bald wieder freundlicher Sonnen­schein herrschen.

Versammlung der DarlehenSkassenvereime in Neubulach.

Auf letzten Freitag waren auf Veranlassung der Zen­tralkasse der landw. Genossenschaften die Mitglieder der Darlehcnskassenvereine der Umgebung zu einem Vortrag überSchollenspareinrichtung", welchen Herr Kopp von der Zentralkasse hielt, nach Neubulach einge. laden. Herr Kopp führte einleitend aus, daß die Schollen- lpareinrichtung eigentlich nichts neues sei wie vielfach an­genommen werde, in England bestehe eine ähnliche Ein­richtung schon seit 200 Jahren und habe zur Folge, daß dort ^3 Prozent aller Einwohner ans eigenem Grund und Bo. den Hausen. Der Vortragende erläuterte nun in längeren Ausführungen an Beispielen die Grundlagen eines Spar- Vertrags. Es sind zwei Wege möglich, jährliche Einzahluw- i<en von 2 und 4 Prozent der Vertragssumme, es können jedoch jederzeit größere Beträge geleistet werden. Bedin­gung für Zuteilung eines Darlehens ist die Mindesteinzah­lung von 28 Prozent der Vertragssumme, die Einzahlun­gen werden mit 2 Prozent verzinst, die Restsumm« des zu. .geteilten Darlehens wird mit 6 Prozent (4 Prz. Zins und 2 Prz. Abzahlung) berechnet, so daß je nach Einzahlung das .'.kapital in 1316 Jahren abgezahlt ist. An der folgenden Aussprache beteiligten sich die Herren Schultheiß Stockin- ger - Schönbronn, Darlehenskassenvorst. Hanselmann. ; Liebelsberg, Hirschwirt Dürr-Wart, Darlehenskassen- rechncr Oh n g e m a ch-Altbulach und Darlehenskassenvor­steher S teppe r-Oberhaugstett, welche sich sämtlich mit den Ausführungen des Redners einverstanden erklärten und versprachen, in ihren Vereinen für Abschließung von Schol- lensparcinrichtungen zu werben. Zum Schluß dankte der Vorsitzende dem Redner für seine Ausführungen und glaubte aussprechen zu dürfen, daß dieselben ans fruchtba­ren Boden gefallen seien.

Vom Liederkranz Simmozheim.

Nach dem vielbeachteten Erfolg des Liederkranz Simmoz­heim auf dem Stammheimer Gauliederfest erleidet der Ver­ein bedauerlicherweise einen herben Verlust. Der Chorlei- rer, Lehrer A. Fischer, dessen zielbewußter Tatkraft und aufopfernder Arbeit der kleine Landverein seinen Aufstieg ,verdankt, hat sein Dirigentcnamt nieöergelegt. Während sei- 'ues Wirkens in Simmozheim hat der mit feinem Verständ­nis für den Chorgesang begabte Dirigent mit Liebe und un­ermüdlichem Eifer der Pflege der Sangeskunst obgelegen. Mit Freude erinnert man sich des wohlgelungenen Konzer­tes, das er mit seinen Sängern im November 1927 gab als einer musikalischen Tat, von der die Musikfreunde des Be­zirks mit hoher Achtung sprachen. In den beiden letzten Jahren führte er bei Sängerwettstreiten seine Sänger im gehobenen und erschwerten Volksgesang zweimal zu gro­ßen Erfolgen (la Preise). Den Abschluß seiner Tätigkeit bildete nun der prächtige Erfolg in Stammheim, wo der Verein zum ersten Male im einfachen Kunstgesang sin­gend gegen die scharfe Konkurrenz der altbewährten Chöre von Gechingen und Döffingen den zweite« Platz be- ' legen konnte. Angesichts der strengen Bewertung tm Kunst­gesang war die Leistung des Vereins mit 124 Punkten (die Preisrichterbewertungen des Gutachtens lauten durchweg auf 7 --- sehr gut) eine außerordentliche. Wer die Verhält­nisse kleiner Lanövereine kennt, weiß, was dazu gehört, in­nerhalb drei Jahren eine solche Höhe zu erklimmen. Die Sänger, welche, die Qualitäten ihres Chormeisters anerken­

nend, mit großer Hingabe seiner Stabführung folgten, emp­finden sein Scheiden schmerzlich. Der Liederkranz Simmoz­heim wird seinem verdienten Dirigenten ein immerwähren­des treues Andenken bewahren.

Sind weitere Bestimmungen des württ. Landtagswahl» gesetzes verfassungswidrig?

- In der Sitzung des Landeswahlausschusses machte der Vorsitzende der Stuttgarter Zentrumspartei Regierungsrat Walter, als Beisitzer die bemerkenswerte Anregung, der Landeswahlausschuß möge bei der Staatsregierung darauf hinwirken, daß das derzeitige Landtagswahlgesetz genau dar­auf durchgesehen wird, ob nicht noch sonstige Bestimmungen vorhanden sind, die gegen die Reichsverfassung verstoßen, da­mit bei einer künftigen Wahl es dem Lande Württemberg erspart bleibt, evtl, eine Neuwahl vorzunehmen, die auch diesmal gedroht habe. Sehr zweifelhaft sei vor allem, ob es nach Reichsrecht zulässig ist, Landeslisten aufzustellen, die doch auch gegen die Unmittelbarkeit der Wahl, die durch Neichsverfassung verankert sei, verstoßen. Die 24 aus den Landeslisten gewählten Abgeordneten seien weniger gewählt, sondern mehr von den Parteien ernannt. Der stellv. San- deswahlleitsr, Regierungsrat Dr. Fetzer, erklärte hierzu, daß die Staatsregierung das Landtagswahlgesetz zur Zeit von sich aus auf seine Verfassungsmäßigkeit nachprüfe.

Die Lage des Arbeitsmarktes.

Die Aufivärtsbewegung des Arbeitsmarktes hat, wie vom Landesarbeitsamt Siidwestdeutschland mitgeteilt wirb, in der Berichtswoche vom 30. Mai bis 6. Juni weitere langsame Fortschritte gemacht. Bemerkenswert ist die Kurz­fristigkeit der Arbeitsverhältnifse namentlich in den Außen­berufen. Der Stand der Hauptunterstützungsempfänger am 8. Juni war folgender: In der versicherungsmäßigen Ar­beitslosenunterstützung 40 082 Personen (27174 Männer und 13 290 Frauen), in der Krisenunterstützung 9484 Personen (7340 Männer, 2114 Frauen). Die Gesamtzahl der Unter­stützten fiel um 2437. Davon kamen auf Württemberg 12 621 gegen 13189, davon kamen auf Baden 37 297 gegen 39 166. Im Gesamtbezirk des Landesarbeitsamts Südwestdeutsch­land kamen am 6. Juni 1929 auf 1000 Einwohner 9,9 Haupt­unterstützungsempfänger gegen 11,3 am 18. Mai und 10,4 am 29. Mat. Die Nachfrage des Baugewerbes nach Maurern, Zcmentern, Zimmerern und Malern hat auch in der Be. richtswoche rege angehalten: der Bedarf konnte jedoch ge­deckt werden. Für Bauhilfsarbeiter hat sich die Lag« stellen­weise weiter verschlechtert. Eine Anzahl von Erdarbeitern konnte beim Bau des Neckarkanals und beim Bau einer Gasfernleitung untergebracht werden. Die Zahl der Not­standsarbeiter betrug am Stichtag noch 4622.

Kundgebung zum 28. Juni.

SCB. Stuttgart, 12. Juni. Unter dem Vorsitz von Land­tagspräsident Pflüger fand im Landtagsgebäude eine Be­sprechung über eine am 28. Juni, dem 10. Jahrestag der Unterzeichnung des Versailler Vertrages, gemeinsam zu veranstaltende Kundgebung gegen die Kriegsschuldlüge statt. An der Besprechung nahmen Vertreter der Staatsregierung, der Stadt Stuttgart, des Württ. Offiziersbundes, der Ge­werkschafen und sonstiger Organisationen und Vereine teil. Am 28. Juni sollen im ganzen Reich aus Anlaß der lOjäh- rigen Wiederkehr des Tages der Unterzeichnung des Ver­sailler Diktates solch« öffentliche Kundgebungen stattfinden. Diese Kundgebungen, die die Entstehung, Grundlagen und Auswirkungen des Diktates zum Gegenstand haben, sollen das deutsche Volk an dessen verhängnisvolle Bedeutung für sein politisches, wirtschaftliches und kulturelles Leben er­innern: sie sollen aber vor allen Dingen auf die öffentliche Meinung des Auslandes einwirken. Bei der Besprechung ergab sich Einmütigkeit über die Veranstaltung einer schlich­ten und unparteiischen Kundgebung im Schloßhof.

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SCB. Pforzheim, 12. Juni. Auf der Kreisstraße bei Nie­fern verlor gestern abend der verheiratete Schlosfermeister Wilhelm Barth di« Herrschaft über sein Motorrad mit Bei­wagen, so daß dieses in eine Schar hetmkehrender Arbeiter und Arbeiterinnen geriet und dann gegen einen Telephon­mast prallte. Barth flog, wie die Pforzheimer Presse be­richtet, im Bogen ins Feld und blieb bewußtlos liegen. Er hat schwere Verletzungen am Kopf und au den Armen davon­getragen. Drei Mädchen, Emilie Haber, Emma Engelsber­ger und Lina Gräßle, wurden verletzt, während die gleich­falls vom Motorrad mit fortgerissene Anna Kröner mit dem Schrecken davonkam. Rudolf Bach brachte die Verletzten nach Pforzheim ins Krankenhaus, wo Schlossermeister Barch bald hernach starb. Er war erst W Jahre alt, verheiratet und Va­ter zweier noch kleiner Kinder. Von den Mädchen ist die 17jährige Poltseuse Emilie Huber aus Niefern am schwersten verletzt,- sie hat einen Bruch des rechten Unterschenkels da­vongetragen.

Haiterbach, 12. Juni. Bet der bisherigen Schießbahn ha­ben sich trotz des an und für sich günstigen Geländes im

Laufe der Zeit mancherlei Mißstände ergeben, insbesondere war die weite Entfernung für die Abhaltung der Schießübuw gen von Nachteil, so daß sich eine Verlegung in den näher gelegenen, an der Straße nach Nagold befindlichen Zweren­berg als notwendig erwiesen hatte. Dank dem Entgegenkom­men der Stadtgemeinde konnte daselbst die Errichtung einer neuen Bahn in Angriff genommen werden. Die Einweihung sollte in Verbindung mit einem öffentlichen Preisschießen am vergangenen Sonntag stattfindcn. Die Veranstaltung wurde aber infolge der Ungunst der Witterung verschoben.

Mühlhausen a. d. W., 12. Juni. Am letzten Sonntag er­eignete sich hier ein Unfall. Der jungverheiratete Karl Burghardt und sein.Freund Karl Lutz, beide von Bad Lie- benzell, fuhren, vom Musikfest kommend, mit ihren Fahr­rädern gegen 6 Uhr abends nach Hause. Ungefähr 100 m vor Mühlhausen verlor der Erstgenannte die Herrschaft über sein Rad und prallte auf einen Stein. Er blieb be­wußtlos auf dem Platze liegen. Sein Freund Lutz eilte in den Ort, um Hilfe hcrbeizuholen. Der Verletzte wurde in die Ortschaft getragen. Im städtischen Krankenhaus Pforz­heim, wo er nach zwei Stunden die Besinnung wieder­erlangte, stellte der Arzt eine Gehirnerschütterung fest. Außerdem wurde Burghardt an Nase und Mund so zuge, richtet, daß er genäht werden mußte.

SCB. Stuttgart, 12. Juni. Die Henkel von Donners- marcksche Verwaltung in Neudeck (Oberschlesien), die seiner­zeit das Gelände des alten Stuttgarter Bahnhofs von der württ. Staatsbahnverwaltung gekauft hat, hat gegen die Ge­sellschaften, die von ihr Teile des Geländes erworben habe», Aufwertungsprozesse im vorläufigen Betrage von 8 Millio­nen. Rm. beim hiesigen Landgericht anhängig gemacht. Durch diese Prozesse dürften die Terraingeschäfte der Stadt Stutt­gart einen üblen Nachgeschmack bekommen, da die Prozesse zweifellos nicht ohne eine gewisse Aussicht auf Erfolg an­hängig gemacht worden sind.

SCB Friedrichshafen, 12. Juni. König Fuad, der zur» zeit in Deutschland weilt, wird, nach einer Meldung der Oberschwäb. Volkszeitung, voraussichtlich auch nach Frie­drichshafen kommen undGraf Zeppelin" besichtigen.

Geld-, Volks- und Landwirtschaft

Berliner Briefkurse.

100 holl. Gulden 168,75

100 sranz. Franken 16,43

100 schweiz. Franken 80,82

Börsenbericht

SCB Stuttgart, 12. Juni. Bei geringem Geschäft gab es heute an der Börse teilweise leichte Kurserhöhungen.

Produktenbörse und Marktberichte des Landwirtschaftlichen Hanptverbandes Württemberg und Hohenzollern E.B.

L.C. Berliner Produktenbörse vom 12. Juni.

Welzen märk. 209210; Roggen märk. 183187: Futter- gerste 176182,- Hafer märk.: Weizenmehl 2428.28: Rog- genmehl 26.2017.60: Weizenkleie 11.7812: Roggenkleie 11.7612: Viktoriaerbsen 4048: kleine Speiseerbsen 28 bis 84,- Futtererbsen 2123: Peluschken 2826,- Ackerbohnen 22 bis 24: Wicke» 2730,- Lupinen blaue 18.6019.30,- gelbe 2728.60,- Rapskuchen 18.60: Leinkuchen 21.3021.60,- Trok- kenschnitzel 11L5,- Soyaschrot 18.7019.60,- Kartoffelflocken 16.9017.20: allgemeine Tendenz: schwächer.

Calwer Bich- «nd Schweinemarkt.

Bet dem am Mittwoch stattgefundenen Vieh» und Schweinemarkt waren insgesamt 209 Stück Rindvieh -»geführt. Darunter befanden sich 24 Stück Ochsen, 14 Stiere, 96 Milchkühe, 36 Kalbinnen, 41 Stück Jungvieh. Be­zahlt wurde für Ochsen 12001600, Stier« 9001200 ^ t» das Paar, Milchkühe 380860, Kalbinnen 380600, Jung­rinder 180320 je pro Stück

Auf dem Schweinemarkt waren insgesamt 291 St. Milchschweine und 44 Läufer zugeführt. Bezahlt wurde für Milchschweine 78180 für Läuferschweine 110160 so pro Paar. Sowohl auf Sem Vieh- als auch auf dem Schweinemarkt wurde bet hohen Preisen lebhaft gehandelt.

Viehpreise.

Blaubeuren: Kühe 320410, Jungriuder 210370, Kab­beln 360490 Laupheim: Kälber «nd Boschen 230

347, Kalbeln 400, Ochsen und Stiere 480, Farren 400, Mutter- schwetne 235, Milchschweine 8462, Läufer 80100

Schweinepreise. ^

Backnang: Milchschwei ne 4166, Läufer 86 Blau­beuren: Milchschweine 4666 Buchau a. F.: Milch,

schwetne 4652 Bühlertann: Milchschweine 4268

Ludwigsburg: Milchschweine 4056 Mnrrhardtr

Milchschweine 8566 Oberstenfeld: Milchschweiu« 38

bis 62 ^il. Tettnang: Ferkel 40-60 Walds«: Milch-

schwetne 8066

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