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Nr. 136. Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 91. Jahrgang.

<i^ch«1nu»g«i>>etse: Snial wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamtr- öezirk Calw für di« einspaltige BorgiSzeile lOPsg., außerhaid derselben ILPsg., -»»»men LL Psg. Schluß für Jnseralannahme IO Uhr vormittags. Telefon s.

Mittwoch, den 14. Zuni 181k.

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Griechenland rüstet ab.

Zur italienischen Kabinettskrise.

Die Haltung Griechenlands.

Der Abgang des Kabinetts Salandra hat sich unter Umständen vollzogen, die deutlich zeigen, daß die Mißstim­mung in Italien infolge der italienischen Niederlagen in Eüdtirol einen hohen Grad erreicht hat. Allerdings darf man aus den Vorgängen nicht schließen, daß Kriegsmüdig­keit die tiefere Ursache des inneren Konflikts gewesen ist, die Meldungen über die Tumultszcnen in der Kammer und über die wieder auflebenden Demonstrationen auf der Straße lassen den wohl richtigen Schluß zu, daß der plötzliche Wie­derausbruch derVolksstimme" nur der Ausfluß der Ent­täuschung und der Furcht wegen des Umschwungs der mili­tärischen Lage ist. Die Kriegshetzer, die gerade vor einem Jahre den Krieg auf den Straßenvolkstümlich" gemacht hatten, haben auch diesmal wieder den Anstoß zu den Tu­multen gegeben. Sie empfingen Salandra in der Kammer mit Zurufen und Anschuldigungen. Es hieß.Der Ange­klagte hat das Wort",Mit solchen Resultaten wagen Sie vor di« Kammer zu treten?",Wer sich blamiert hat wie Sie, der habe wenigstens soviel Schamgefühl zu schweigen!", Sie gehören vor das Gericht!" und so ging es fort, so daß Salandra nicht mehr sprechen konnte. Als er aber die Schuld für die italienischen Niederlagen auf die militärische Leitung abwälzen wollte, da brach erst das Wetter los :Das ist ein Verbrechen!" schrien verschiedene Abgeordnete;Sie ver­setzen dem vor dem Feinde stehenden Generalissimus einen Dolchstich in den Rücken". Und im Ehorus brüllten die Kriegshetzer dann wieder:Vors Gericht, vors Gericht". Im Gegensatz zu der Kriegspartei (Republikaner und Reform­sozialisten) griffen die offiziellen Sozialisten die Kriegs­politik Salandras an. Enrico Ferri, der bekannte italieni­sche Universitätsprofessor und Sozialist, warf dem Kabinett die Plünderungen im Mai 1915 in Mailand vor. die Sa­landra und Genossen auf dem Gewissen hätten, wie dieses Kabinett überhaupt die Verantwortung für das leichtsin­nige Heraustreten Italiens aus der Neutralität zu tragen habe. Man steht also, worauf wir gestern schon hingewiesen haben, einheitliche Gesichtspunkte lassen sich für die Gründe des Sturzes des Kabinetts Salandra nicht anführen, denn die Kammermehrheit, die Salandra das Vertrauen entzogen hat, bestand aus Elementen, deren Interessen einander direkt diametral gegenübcrstehen. Die Kriegshetzer wollen den engeren Anschluß an die Entente, weil sie darin die Grundlagen für den Enderfolg sehen, und in der bisherigen Zurückhaltung Italiens in militärischer Beziehung nur Hin­dernisse für die bessere Zusammenarbeit des Vierverbandes erblicken. Aus dieser italienischen Reserve leiten 'die Kriegs­hetzer auch das Mißtrauen der Alliierten gegen Italien her, das sich in der schlechten wirtschaftlichen Versorgung Italiens kundtue. Die echten Sozialisten aber wollen den Frieden, und bekämpfen deshalb das Kabinett, das den Krieg be­gonnen hat, wobei sie aber, wie das öfters bei formeller Ver­tretung eines Prinzips geschieht, jetzt wohl gerade das Ge­genteil erreicht haben, von dem.was sic wollen. Nur die Rechte und das Zentrum suchten das Kabinett zu stützen, «eil sie sich wohl bewußt waren, daß der Terrorismus der Nationalisten keine für das Wohl des Volkes günstige neue Lage schaffen würde. Es hat nun den Anschein, als sollen sich die Maitage wiederholen, d. h. die Politik soll wieder aus die Straße getragen werden, um die Neubildung des Kabinetts zu beeinflussen. Die Kriegshetzer wollen ein Ministerium, in dem Eiolittis Einfluß vollständg ausge- schaltet ist. In dem bisherigen Kabinett waren immer noch < Minister gesessen, die als Freunde Giolittis verdächtig waren; sie besaßen zwar nur Portefeuilles der inneren Ver­waltung, aber den Kriegshetzern galt eben ihre bloße An­wesenheit im Ministerium schon als genügender Grund für ihre Befürchtungen. Man will nun reinen Tisch machen. Die Nationalisten wollten ihre sicheren Leute am Rnder wissen und deswegen wird mit Demonstrationen gearbeitet.

die den ohnehin schon seit Antritt seiner Regierung für den Thron zitternden König einschüchtern sollen, damit er nicht ein sriedensfreundliches Kabinett beruft. Nach den Vorgängen im Mai vorigen Jahres ist anzunehmen, daß die Leute wissen, wie sie ihre niedrige Erpressungspolitik mit Aussicht aus Erfolg handhaben können. Finanziell und moralisch werden sie dabei wie ehedem von der französischen und eng­lischen Botschaft wirkungsvoll unterstützt. Aus Furcht vor Gewalttätigkeiten werden sich 'deshalb wohl die nüchtern dankenden Politiker zurückhalten, und das Feld der Kriegs­hetzer-Clique und dem von ihr aufgepeitschten Pöbel über­lassen. Der Ausgang dieses wiederholten Schauspiels ist dann leicht zu erraten. Es wird sich kein Staatsmann dazu hergeben, diesem Strom entgegenzuwirkcn. Falls aber doch der erste Kandidat für die Kriegshetzer, der Reformsozialist Bissolati, dem König nicht genehm wäre, so könnte man vielleicht trotz allem mit einem Mederaufleben des alten Kabinetts rechnen, in dem allerdings Salandra wohl kaum mehr vertreten sein würde, dagegen aber Sonnino, der sich merkwürdig still in diesem Konflikt verhalten hat, und der auch wohl den Kriegshetzern als Engländerfreund passen würde. Mag jedoch die Kadinettsneubildung ausgehen wie sie will, auf die Haltung Italiens im Krieg wird sie jedenfalls keine unmittelbare Wirkung haben, wenn man auch je nach der Persönlichkeit der etwa neuauftretenden Männer gewisse Schlüsse für die Zukunft, vor allem aber auch auf die Volks- stimmung wird ziehen können.

Besonderes Interesse beanspruchen heute wieder die Vorgänge in Griechenland, wie sie sich in letzter Zeit ent­wickelt haben. Wir erhalten die Nachricht, daß die griechische Regierung auf die teilweise Demobilisation des griechischen Heeres, nun die vollständige Abrüstung hat folgen lassen, und damit einer entsprechenden Forderung des Vierverban­des, die dieser schon lange ausgesprochen hatte, nachgekom­men ist. Der Vierverband hat also mit der Blockade Grie­chenlands erreicht, was er wollte, die vollständige militä­rische Ohnmacht Griechenlands, nachdem es sich bis heute ge­weigert hat, seinen Wünschen nach Teilnahme am Krieg nachzugeben. Wenn also nun von dieser Seite an das mili­tärisch vollständig eingeschniirte Land weitere Forderungen bezüglich der Vornahme von Maßnahmen auf griechischem Landgebiet wiederholt gerichtet werden sollten, so ist die Regierung nicht mehr in der Lage, einem solchen Ansinnen mehr als einen papierenen Protest cntgegenzustellen. Man kann also jetzt ruhig annehmen, daß die Alliierten das grie­chische Gebiet als Operationsbasis ausersehen haben, sei es, daß sie einen Verbindungsweg von der Westküste der Adria (Valona, Korfu) nach Saloniki Herstellen wollen, sei es, daß sie sich den Rücken ihrer Salonikiarmee gegen Eventualitäten von griechischer Seite sichern wollen. Ob nun die Blockade aufgehoben wird, wird die nächste Zeit lehren. Interessant wird es übrigens sein, welchen Erfolg der beabsichtigte Pro­test der griechischen Regierung bei den Neutralen wegen der unberechtigten, völkerrechtswidrigen Blockade der Küsten Griechenlands haben wird, lieber die Stimmung im Volk selbst laufen unkontrollierbare Gerüchte um; man wird gut tun, in der Beurteilung dieser Meldungen vorsichtig zu sein. Die Verbindung Griechenlands mit den Vierbundländern ist größtenteils gestört. Daß aber mit Hilfe des Ententegeldes Venizelos am Werke ist, womöglich den Sturz der Regierung und auch der Monarchie herbeizuführen, ist glaubhaft. Es fragt sich nur, inwieweit die Beamtenschaft und das Heer bei Gelegenheit zur Monarchie halten. Doch darüber zu ur­teilen, fehlen uns vorerst sichere Anhaltspunkte.

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Zu Salandras Rücktritt.

(WTB.) Bern, 13. Juni. Mailänder Blättermel- Lungen zufolge kam es in der gestrigen Kammersitzung, die eigentlich nur für die Mitteilung der Demission des Kabinetts bestimmt war, zu äußerst stürmischen

Zwischenfällen. Tuvcrtt griff die Regierung wegen der Nichtunterdrückung der Maiunruhen in Mailand im Jahre 1915 an, wobei der Pöbel sich an dem Privat­eigentum der deutschen und österreichischen, ja selbst der Schweizer Bürger vergriffen habe. Wir hoffen, schloß Turati wörtlich, datz solche Eewalttätigkeniten, wie sie die Regierung in Mailand gestattete, nicht mehr Vor­kommen. Bei diesen Worten sprang Salandra erregt auf und schrie Turati ins Gesicht: das ist eine Lüge und eine Gemeinheit. Hierauf entstand ein allgemeiner großer Tumult. Die verschiedenen Gruppen riesen ein­ander die heftigsten Beleidigungen zu; die Sozialisten insbesondere wandten sich gegen Salandra. Der alte Präsident Marcora war nicht imstande, den wüsten Lärm zu übertönen. Salandra wiederholte immer er­regter seine obigen Worte. Die Sozialisten antworteten mit anderen Beschuldigungen und Beleidigungen. Schließlich ergriff Salandra sein Portefeuille und ver­ließ den Platz, während die Sozialisten weiter lärmten. Am Ausgang des Saales warf Salandra sei» Porte­feuille empört aus einen kleinen Tisch, während Abge­ordnete ihn umringten und zu beruhigen suchten, worauf Salandra den Saal verließ.

(WTB.) Rom, 14. Juni. (Ag. Stef.) Bosselli hat gestern Morgen Schritte zur Billmng des Kabinetts be­gonnen. Er hat im Laufe des Tages den Besuch einiger Politiker empfangen, die er zur Besprechung der Läge zu sich berief.

(WTB.) Bern, 13. Juni. DasGiornale d'Jtalia" ver­breitet das Gerücht, daß der Abgeordnete Boselli den amt­lichen Auftrag erhalten habe, oder ihn erhalten werde, ein Kabinett zu bilden. Man wisse nicht, ob Boselli geneigt sei, die Bildung zu übernehmen. Wenn ja, jo würde er ejn Kabinett auf nationaler Grundlage bilden, wie es die Stun­de verlange. Man glaube, daß Boselli, der von allen Par­teien sehr hoch geschätzt werde, sofort die nötige Unterstützung finden würde.

(WTB.) Bern, 13. Juni. Soweit sich die Schweizer Blätter mit der italienischen Kabinettskrise befassen, erwar ten sie ein stärker nach links orientiertes Ministerium und damit eine verschärfte Kriegspolitik. Die Sorge für den Sieg der Alliierten wird, derNeuen Züricher Zeitung" zu folge, mehr als bisher vor der Sorge für die Interessen Italiens den Vorrang erhalten. Nicht ausgeschlossen ist da bei, daß sich dies bereits auf der Pariser Mrtschastskonfcrenz bemerkbar machen wird. Eine Schwenkung in der italieni­schen Haltung zu Montenegro und Serbien wäre für den Ausgang des Krieges von noch größerer Bedeutung. Man entdeckt in den Ereignissen vom Samstag unschwer die Finger des englischen und des sranzösischen Botschafters in Rom.

Sonnino, Englands Günstling

Lugano, 13. Juni. Der MailänderAvanti" meldet, lautVoss. Zeitung", aus Rom, daß die der englischen Bot­schaft nahestehenden Kreise sich sehr dafür «insctzen, daß Sonnino die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten bei­behalte. Das Blatt spricht die Hoffnung aus, daß das Ge rücht unwahr sei und die betreffende Botschaft sich keine Einmischung in italienische Angelegenheiten erlaubt habe. Für alle, die wissen, wie sehr die englische Botschaft sich seit 1X> Jahren in die italienischen Angelegenheiten einmijcht, ist die Ironie dieser Bemerkung verständlich, llcberdies ist ein Teil'der Meldung von der Zensur gestrichen. (Sonnino galt von jeher als von den Engländern bestochen. Er hat bekanntlich eine Engländerin zur Frau.)

Die Kriegshetzer auf dem Plan.

Lugano, 13. Juni. In Mailand fanden lautBer­liner Tageblatt" gestern Straßenkrawalle statt. Die

Kriegsparteiler verprügelten die Sozialisten und ver-