Nr. 90.

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

91. Jahrgang.

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My»tag. Le» 17. April 1918.

Srftellgeld

Aalten. Die Politik Wilsons.

Die italienische Kammer Hai wieder ihre Tagungen begonnen, und da sich seil ihrem letzten Zusammensein Anlang Dezember keine militärischen Ereignisse zuge­iragen haben, die Anlaß geben könnten, dem Drang der Kammer nach hochgemuter Stimmung zu ent. sprechen, so haben sich die italienisci)en Kriegsmachcr wieder mit Nculchruck aus das alte Thema: Deutsch­landItalien gestürzt. Alan beeilte sich wieder festzu- stellcn, daß über die Uebercinstimmung zwischen Italien und seinen Vundsgeiwssen natürlich kein Zweisel be­stehe, wenn auch zwischen Italien und Deutschland keine ausdrückliche Kriegserklärung bestehe. Einerseits wurde an diese sehr weitdeutigc Feststellung die Bemerkung geknüpst, daß der Bierverband (heute!) keineswegs (mehr) die Absicht habe, die deutsche Nation zu zer­schmettern, wie man ihr einreden wolle, um dem Stim- mungsumschwung in der Oeffentlichkeit, dessen Anzeichen schon bemerkbar seien, zu begegnen, andererseits wurde aber von den unentwegten Kriegshetzern die alte For­derung der Kriegserklärung an Deutschland uird der weiteren Beteiligung Italiens auf andern Kriegsschau­plätzen (im Westen) aufgestellt, weil eben der deutsche Militarismus zerschmettert werden müsse. Angesichts der Bestrebungen Italiens auf dem Balkan und an der österreichischen Grenze ist es interessant, zu beobachten, wie gerade die schlimmsten Imperialisten sich für die Unabhängigkeit und Freiheit der kleinen Nationen ein- setzen. Also wieder einmal Theater. Die Kammer er­wartete aber mit Ungeduld die Erklärungen Eonninos, des Ministers des Auswärtigen, nach der Pariser Kon- fereuz, von welcher man Mancherlei für Italiens Stellung im Kriege erhoffte. Die einen eine bessere wirtschaftliche Gestaltung, die andern aber die ersehnte Kriegserklärung an Deutschland/" Und dann sprach Sonnino. Wir wissen zwar nicht, ab das Wolffbureau schon den ganzen Inhalt seiner Rede wiedergcgeben hat, aber das, was wir heute zu lesen bekamen, war nichts weniger als eine Klärung der Lage, wie sie die Kammer erwartete. Sonnino sprach, nachdem, was wir bis jetzt wissen, nnr van derBeteiligung" Italiens «n der Balkanaktion der Entente. Und was er sagte, das mußte die, die es anging, wie ein schlechter Witz an­muten, besonders wenn man sich erinnert, wie die Ser­ben und Montenegriner vor ihrem völligen Zusammen­bruch förmlich nach der Hilfe des Biervcrbands und namentlich der Italiener geschrieen haben. Sonnino beschrieb mit behaglicher Umständlichkeit dieBe­mühungen Italiens um die Verteidigung der Unab­hängigkeit Serbiens", die darin bestanden, im Einver­nehmen mit den Alliierten die Versorgung des serbi­schen Heeres mit Lebensmitteln und Munition zu sichern und seine Konzentration zu erleichtern. Nachdem es den Serben wegen der großen Uebermacht der Geg­ner nicht gelungen sei, den Feind auszuhalten, und da ein Widerstand in Skutari und Albanien als unmög­lich erkannt wurde, so sei bekanntlich der Abtransport der serbischen Armee nach Korfu beschlossen worden. Und dann habe Italien wieder eine sehr schwierige Aufgabe zu leisten gehabt, nämlich die Wicderver- sorgung der Serben mit Kriegsmaterial und Lebens­mitteln. lieber 100 Dampfer hätte man dazu gebraucht. Ein noch schwierigeres Unternehmen sei dann aber der Abtransport der serbischen Truppen selbst gewesen, die ein neues Ruhmesblatt der italienischen Marine bil­den. Im ganzen seien über 250 000 Personen und 10 000 Pferde über das adriatische Meer transportiert wor­den, worunter Tausende von Flüchlingen, Verwundeten und Kranken, ferner diegroße Masse" der von der serbischen Armee mitgebrachten österreich-ungarischen Gefangenen. Alles das sei gemacht worden trotz der großen Gefahr der feindlichen Unterseeboote, und der Tätigkeit der feindlichen Flotte. Die wiederhergestellte serbische Armee bilde die feierliche Versicherung, daß

Serbien trotz dec>.Mißgeschicks seiner Waffen ungebeugt werterlebe. Mtürlich sei die unvermeidliche Folge des serbischen Rückzugs der feindliche Einmarsch in Mon- 1««egro gewesen. Auch die montenegrinischen Truppen eien nach Korf» gebracht worden, um dort neu­organisiert zu werden. Wenn die Serben und Monte­negriner dis aus den letzten Mann geopfert werden, so denkt man in Nom, werden sie uns an der Adriaküfte in absehbarer Zeit keinen Widerstand mehr entgegen­setzen könne», lieber die aktive Teilnahme Italiens an de« Balkanunternehmungen aber drückte sich Sonnino sehr kurz und sehr vorsichtig aus. Bezüglich der Er­wartungen, Italien werde eine Truppencxpedition nach Montengro senden zum Schutze des Bundesgenos­sen. meinte Sonnino, eine solche Annahme hätte der einfachsten Kritik nicht standgehalten. Ueber den itali­enischen Rückzug aus Durazzo sagte der Minister nur, daß"inan dorthin zur Unterstützung der Flotte Truppen gesandt habe' nun aber würden die italienischen Land­streitkräfte in Valona zusammcngezogen, um die itali­enischen Interessen auf dem jenseitigen Ufer des adria- tischen Meeres zu sichern. Das ist alles, was Sonnino über Las Balkanabenteuer Italiens zu sagen wußte. Mit diesen Erklärungen dürften sich aber die Kriegs­hetzer kaum zufrieden geben; auf dieser Seite erwartet man die Bekanntgabe der Entschlüsse der Pariser Kon­ferenz, die für die Stellung Italiens, im Enteuterate von besonderer Bedeutung gewesen sein sollen. Wie man zwar nachträglich erfahren hat, soll die heilige Einigkeit innerhalb der Entente während der Kon­ferenz schwere Stöße auszuhalten gehabt haben, und im Hinblick auf den sehr gedämpften Ton, auf den vorerst die italienische Kammertagung gestimmt ist, ist auch nicht annehmen, daß sonderlich große Entschlüsse gefaßt morden wären, die Italien vielleicht zu einer Erweiterung seiner bisherigen militärischen Energie- entfaltung veranlassen könnten. Wie skeptisch nüchtern denkende Italiener die Lage ansehen, geht aus den Aeußerungen Giolittis hervor, der bei einer Unter redung mit dem deutsch-freundlichen italienischen Na, tionalökonom. Professor Ordo, der Meinung Ausdruck gab, das Mißtraue» der Alliierten untereinander sei nach der Konferenz stärker als zuvor. England wolle trotz seiner Phrase von der Vernichtung des deutschen Militarismus die Vernichtung der deutschen See­macht und die Erhaltung der deutschen Landmacht zum eventuellen Kamps gegen Rußland. Rußland wünscht die Vernichtung der deutschen Landmacht, aber Er­haltung der deutschen Seemacht zum eventuellen Kampf gegen England. Rußland wünscht eine serbische Adria. Italien wünscht eine italienische Adria. England wünscht die Erhaltung Oesterreichs. Rußland wünscht Oesterreichs Zerschmetterung. Japan verlangt freie Hand in China. England verlangt freie Hand in China. Rußland verlangt freie Hand in China, llnd Amerika verlangt China zu schützen. Italiens Unabhängigkeit aber sei jetzt auf Jahre hinaus vernichtet. An Stelle der Abhängigkeit von Deutschland und Oesterreich, die tatsächlich nur leere Einbildung war, (denn man könne es nicht als Abhängigkeit ansehen, wenn durch Deutschland, und Oesterreich ins Land jährlich zwei Milliarden kommen), sei die Abhängigkeit von Eng­land und Frankreich getreten. Das Volk werde früher vdcr später von der Regierung den Preis für das viele vergossene Blut verlangen. So spricht ein italienischer Staatsmann, der trotz allem die Mehrheit des italieni­schen Volkes und der Volksvertretung hinter sich hat.

Aus Amerika kommen wieder von englischer Seite verbreitete Sensationsnachrichten, die darauf schließen lassen könnten, daß sowohl die öffentliche Meinung als auch die Regierung der Vereinigten Staaten mit der deutschen Note über die letzten Torpedierungen feind­licher Dampfer, aus denen Amerikaner gewesen sein sollen, nicht zufrieden sei, ja als ob sogar eine sehr energische Haltung -er Washingtoner Regierung zu er­

warten sei. Wilson soll wieder einmal sehr kriegerische Reden gehalten haben, und es unterliegt beinahe keinem Zweisel, daß sie sich gegen Deutschland richten. Denn, was die Beziehungen zu Mexiko anbelangt, fo scheint hier schon wieder abgebaut zu werden; in Wa­shington denkt inan, Mexiko geht uns nicht aus, und wenn es sich noch etwas zerfleischt, so kann das nur von Vorteil sein. Natürlich kann mit einem Schlag die Lage in Mexiko ein anderes Bild Hervorrufen, denn das mexikanische Volk wacht eifersüchtig über seine Freiheit, und die letzten Zusammenstöße haben gezeigt, wie sehr heikel dieses Problem für die Amerikaner ist. Ein großer Teil der amerikanischen Presse wendet deshalb auch sein ganzes Interesse der mexikanischen Frage zu, aber die englisch-amerikanische Presse setzt ihre ganze Kraft zu einer skrupellosen Hetze gegen Deutschland ein. die natürlich eine Verständigung erschwert. Der deutsche Standpunkt ist bekannt; angesichts der feindlichen Ab­sichten einer völkerrechtswidrigen Abschließung Deutsch­lands vom Handel mit den Neutralen, die sich nicht da­gegen zur Wehr setzten, wird der deutsche ll-Bootkrieg in der angekündigten Form geführt, und wenn mau in Wafhingwn glaubt, immer nur Deutschland gegenüber die Faust zeigen zu müssen, so wird mau drüben wohl erleben, baß es auch bei uns einBis hierher und nicht weiter" gibt. Vorerst will inan in Washington noch weitere Nachrichten über die letzten Fälle adwarten.

O. 8.

Eine neue Note aus Washington.

Rewyork. w April. Da Wilson die Zeituugser örterungen aus Anlaß des Jahrestages derLusitania" fürchtet, wird er, lautDeutscher Tageszeitung", eine neue Note an Deutschland richten, in der neue Garan­tien für die Sicherheit der Amerikareifendeu verlangt werden. Es werden 65 Fälle aufgezählt werden, in denen die Tauchbootsführer die notwendigen Vorsichts­maßregeln vernachlässigt haben sollen. Die Note wird nicht zeitlich befristet, soll aber Amerikas letztes Wort bedeuten.

Die Amerikaner in Mexiko.

MTV.) London, 15. April. DerMorning Post" wird aus Washington gemeldet: Unter dem Befehl des Majors Topkins marschierten am Mittwoch mittag 150 amerikanische Reiter in Porral ein. trotzdem zwischen der mexikanischen und der amerikanischen Regierung vereinbart worden war, daß die Strafexpedition in kein Dorf oder Stadt einrücken solle. Den Aufklärern des Majors Topkins war nämlich be­richtet worden, daß Villa in Parral Zuflucht gesucht habe und Topkins glaubte sich deshalb berechtigt, von seinen Zn struktionen abzuweichen. Der Hauptplatz war verlassen, als die kleine Reiterabteilung in die Stadt einzog. Topkins, der dieser Ausgestorbenheit nicht traute, ließ seine Soldaten halt machen. Kaum war das geschehen, als aus den Häusern rings herum Soldaten hervorbrachen und aus den Straßen, die ans den Platz münden, Banden von Mexikanern auftauchten, die mit allen Waffen ausgerüstet waren und sich auf die Ameri­kaner stürzten. Die amerikanischen Reiter legten große Kalt­blütigkeit an den Tag. Sie stiegen schnell ab, suchten Deckung und begannen ruhig und mit Uebcrlegung zu feuern. Nach dem letzten Bericht liefen die Amerikaner Gefahr, umzingelt und bis auf den letzten Mann aufgerieden zu werden. Sie schwere Verluste. Das Kriegsdeparteinent ist sehr beunruhigt, da noch keine amtliche» Nachrichten eingelaufen sind. General Funston hat auf eine vom Kriegsdepartement an ihn gerich­tete Depesche noch nicht geantwortet, und man fürchtet, daß die telegraphische Verbindung abgeschnitten ist.

(WTB.) London, 16. April. Wie dieMorning Post" «us Washington meldet, entstand die sehr ernste Lage zwischen den Vereinigten Staaten und Carranza dadurch, daß dieser verlangte -atz die amerikanische» Truppen Mexiko räumen sollten, da der Zweck der