Nr. 77 . (Erstes vlatt.) Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 91 . Jahrgang.
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Samstag. de» 1. April 1818.
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Holland «ad Sie Entente!
Was tut Holland?
Die holländische Negierung hat politische und militärische Maßnahmen getroffen, die unverkennbar die Absicht verraten, sich für irgend eine bestimmte Möglichkeit zu wappnen. Holland hatte schon bei Ausbruch des Kriegs einen sog. wachsamen Neutralitätszustand eingeführt, d. h. das stehende Heer auf einen gewissen Stand der Mobilisation gebracht, ähnlich wie die Schweiz, nur nicht in dem Umfang. Im Lauf der Zeit waren gewisse Kontingente wieder entlasten worden, und erst vor einigen Wochen waren die verschiedenen Truppenkörper wieder verstärkt worden. Heute nun wird gemeldet, daß die einberufenen Offiziere und Mannschaften keinen Urlaub mehr erhalten, daß die Heeresverwaltung alle Güterwagen beschlagnahmt hat, und daß plötzlich bedeutsame geheim gehaltene Unterredungen zwischen den höchsten staatlichen und politischen Persönlichkeiten stattgefunden haben, die allen Anzeichen nach die auswärtige politische Lage zum Gegenstand hatten. Es wird versichert, daß es sich bei diesen Vorgängen nicht um den „Tudantia"-Fall handelt, der überhaupt noch nicht aufgeklärt erscheint, sondern daß die Entente, wahrscheinlich auf Grund der Pariser Beschlüsse, an Holland mit Forderungen herangctrctcn ist, die mit seinem Neutralitätsstandpunkt unvereinbar sind. Wir sind bisher nur auf Gerüchte angewiesen, und diese besagen, daß die Entente an Holland das Ansinnen gestellt habe, den Grenzverkehr mit Deutschland vollständig zu sperren, und daß zwecks nachdrücklicher Vertretung dieser Forderung sogar schon englische Truppen bei Vlisstngcn gelandet seien. Andere Lesarten betonen, daß die Entente von Holland die Erlaubnis zum Durchmarsch durch sein Gebiet verlangt habe. Wieweit diese Gerüchte begründet sind, kann natürlich vorerst von hier aus nicht beurteilt werden, denn selbstverständlich wird die holländische Regierung keine amtliche Darstellung der Lage geben, bevor die etwaigen Auseinandersetzungen mit den zuständigen Organen der Ententemächte in ein gewisses Stadium getreten find. Daß aber Holland gewillt ist, bei den notwendig werdenden Verhandlungen seine militärische Macht in die Wagschale zu werfen, das zeigen uns die offenbar getroffenen Vorsichtmaßregeln doch. Es fragt sich allerdings, in wieweit die zuständigen Stellen im Haag gesonnen find, dem Ansinnen der Entente tatsächlichen Widerstand zu leisten, ob man es also auf einen militärischen Konflikt ankommen lasten will. Für Holland stehen bedeutende Kolonialwcrte auf dem Spiel, und wenn mau an den eigentümlichen englisch-japanischen Vertrag denkt, der Japan „verpflichtet", die englischen Interessen zu vertreten, so wäre es sehr wohl möglich, daß das Abkommen auch Niederländisch-Indien einbegreift, auf das Japan bekanntlich schon lange sein Augenmerk aus wirtschaftlichen und militärischen Gründen gerichtet hat. England könnte also einerseits auf Holland einen erpresserischen Druck ausüben, andererseits aber Japan vielleicht für die Entente noch gefügiger machen, wenn es ihm im Falle der Standhaftigkeit Hollands dessen Besitz im indischen Ozean verspricht. Die niederländischen Inseln liegen so geschickt zwischen Hinterindien und Australien verteilt, daß sie bei entsprechender Befestigung gewisser Punkte den gesamten Verkehr zwischen dem indischen und dem stillen Ozean beherrschen und im gegebenen Fall zu verhindern vermögen. Das sind also Gründe genügend, die Japan bestimmen könnten, seine ehrgeizigen Pläne um ein Stück weiter zu verwirklichen, und die Stimmen, die die Wegnahme des niederländischen Besitzes fordern, find in letzter Zeit stark gewachsen. England könnte aber, wenn es diesen japanischen Raub zuliehe, vielleicht auf ein«
Keine Sorge für die Zukunft.
(WTB.) Berlin. 31. März. Im Hauptausschutz des Reichstags machte der stellvertretende Kriegsminister von Wandel u. a. eine Reihe vertraulicher Ausführungen über unsere Verluste, Ersatzverhältniste und Munitionsversorgung, die bewiesen, daß wir mit vollem Vertrauen der weiteren Entwickelung des Krieges entgegensetzen können.
Das Ozeankabel gestört?
Berlin. 1. April. Eine Rotterdamer Meldung des „Berliner Tegablatts" besagt: Zn London ist eine Depesche über den telegraphischen Dienst mittels des Kabels im Atlantischen Ozean eingetroffen. Auf der Linie herrsche eine Störung. Mit aller Macht versucht man, die Verbindung wieder in Ordnung zu bringen.
Die Bereinigten Staaten fragen weiter.
(WTB.) Washington, 1. April. Die Bereinigten Staaten haben bei Deutschland angesragt, ob ein deutsches Unterseeboot den „Manchester Engineer" versenkt habe.
stärkere japanische Beteiligung am Krieg rechnen, und das wäre angesichts der sich täglich verschlechternden militärischen Lage der Entente wenigstens vorderhand ein moralischer Erfolg.
Mit einer derartigen heimtückischen Haltung Englands hat Holland also zu rechnen, wenn es sich den Ententeforderungen widersetzt. Die niederländische Negierung stände demnach vor folgeschweren Entschlüssen, wenn sich die obengenannten Gerüchte bestätigen sollten. Daß diese in Anbetracht der bisherigen Rücksichtslosigkeit der Egtente gegenüber den Neutralen nicht außerhalb des Bereichs der Möglichkeit liegen, darf füglich angenommen werden, und heute umsomehr, als unsere Feinde ihr militärisches Ansehen tagtäglich weiter schwinden fühlen, und anscheinend keinen andern Ausweg wissen, als sich durch neue Gewaltaten bei den Neutralen wieder in Respekt zu versetzen. Die nächste Zukunft wird es wohl zeigen, welchen Erfolg dieser neueste Schritt der „Beschützer der kleinen Staaten" zeitigen wird. Holland hat ja genügend Gelegenheit gehabt, den wahren Charakter dieses Schutzes kennen zu lernen, und es wird wohl auch am besten zu beurteilen wissen, von welcher Seite ihm die größte Gefahr droht. Aber mögen die nächsten Tage bringen, was sie wollen, wir haben das Vertrauen zu unserer Regierung, daß sie für alle Fälle bereit ist. O. 8.
Holländische Maßnahmen.
(WTB.) Amsterdam, 31. März. Heute wurden telegraphisch alle Urlaube, die Offizieren und Mannschaften der Land- und Seemacht - außer denen, die vom Kriegs- oder Marineminister erteilt worden sind — zurückgezogen. — Aus dem Haag wird hierzu gemeldet: Wie das Korrespondenzbureau erfährt, werden vorläufig bei der Land- und Seemacht keine Urlaubs mehr erteilt werden. Die höchsten Stellen der Land- und Seemacht hielten heute früh eine wichtige Konferenz ab. Der Minister des Innern hatte heute früh eine Unterredung mit dem Direktor des Kabinetts der Königin und mit dem Minister des Aeritzern. Wie verlautete, soll eine Ge- heimfitzung der Zweiten Kammer unmittelbar bevorstehen.
(WTB.) Amsterdam, 31. März. „Handelsblad" meldet: Die Güterwagen, die seit dem 1. August 191-1 zur Verfügung der Militärbehörden gestellt werden mutzten, aber seither vorübergehend frei gegeben waren,
wurden heute von den Behörden reqniriert. Wagen, die
heute um 6 Uhr abends zur Abreise fertig waren, durften noch befördert werden. die anderen wurden wieder ausgeladen.
Ein Ultimatum der Entente an Holland?
Berlin, l. April. Wie dem „Berliner Tageblatt" aus Haag berichtet wird, traf die holländische Re» grcrung Maßnahmen, da England den Durchmarsch durch Holland verlangte.
Berlin, 1. April. Aus Haag wird dem „Berliner Tageblatt berichtet: Die Ententemächte haben an die holländische Regierung die Aufforderung gerichtet, die Grenze gegen Deutschland gegen jeden Warenverkehr z» sperren. Diese Aufforderung hat angeblich den Charakter eines Ultimatums. Es ist anzunehmen, daß dieser Schritt der Entente in Paris in der gemeinsamen Konferenz beschlossen wurde. An der Börse in Rotterdam und in Amsterdam herrschte gestern panikartige Aufregung. Diese Aufregung wurde dadurch gesteigert, daß mehrfach Besprechungen zwischen den leitenden holländischen Persönlichkeiten der Militär- und Marineverwaltung stattfanden. Gerüchtweise verlautet, daß jeder militärische Urlaub aufgehoben sei. Gleichzeitig gehen Gerüchte über andere militärische Maßnahmen um.
Berlin, l. April. Der „Vosfischen Zeitung" wird unter dem 31. März aus Amsterdam berichtet: Heute früh hatte her Vorsitzende der Zweiten Kammer eine lange Konferenz mit dem Kriegsminister, der zur Zeit der Vorsitzende des Ministerrats ist. Im übrigen ver sagen es sich die Morgenblätter, sich schon jetzt ein Ur teil über die Tragweite der aus Holland gemeldeten Vorgänge zu bilden. Der „Berliner Lokalanzeiger" schreibt: Wir können nicht annehmen, daß Holland aus dem bisherigen Verlauf des Krieges nichts gelernt hat. Jedenfalls wird man in Deutschland der weiteren Entwickelung der Dinge mit ruhiger Festigkeit entgegensetzen. Bon holländischer, wenn auch nicht diplomatischer Seite werden wir daraus hingewiesen, daß Holland schon mehrfach Gelegenheit nahm, in London keinen Zweifel darüber zu lassen, daß es sich mit der Waffengewalt jedem Bruch seiner Neutralität widersetzen würde, gleichviel welche Mächtegruppe etwas derartige« versuchen sollte.
Holländische Preffestimmen.
(WTB.) Amsterdam, l. April. Das „Handelsblad" meldet aus Haag: Gestern früh hat auch der Vorsitzende der Zweiten Kammer, Goeman Borgesius, mit dem Ministerpräsidenten van der Linden eine Unterredung gehabt. Ueber die geheime Sitzung der Kammer sei gestern Nachmittag noch keine Entscheidung gefallen. Gestern wurde ein außerordentlicher Ministerrat ab. gehalten. Die Verfügung betreffend die Zurückziehung der Urlaube bestimme lediglich, daß die noch nicht angetretenen Urlaube rückgängig gemacht und keine neuen Urlaube erteilt werden. — Der Haager Korrespondent des „Handelsblad" sagt, man dürfe die gestrigen Ereignisse nicht mit der „Tubantia"-Angelegenheit in Zusammenhang bringen. Ebensowenig sei an eine plötzliche Spannung zwischen den Niederlanden und einer der kriegführenden Mächte zu denken. Der Zustand sei für Holland sehr ernst geworden, es bestehe aber kein Ursache, eine unmittelbar bevorstehende Gefahr als wahrscheinlich anzunehmen. — Der „Maasbote" schreibt wie der „Nieuwe Courant", die getroffenen Maßregeln stünden mit der Pariser Konferenz im Zusammenhang. — Die „Tijd" hofft, daß eine amtliche Erklärung der Unruhe bald ein Ende mache. Jedenfalls sei es voreilig, die Verfügungen der Regierung so auszulegen, als ob auch Holland im Begriff stehe,, in den europäischen Konflikt verwickelt zu werden.