Amts- und AnzeigeblE für den Oberamtsbezirk Calw.
Nr. 29.
91. Jahrgang.
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Die militärische und politische Lage.
Führende Staatsmänenr unserer Feinde haben in der letzten Zeit das Bedürfnis gefühlt, sich über die Aussichten des Krieges auszusprechen. Auf Grund statistischer Erfahrungen zeigt sich diese Mitteilsamkeit bei unfern Feinden gewöhnlich dann am meisten, wenn die Stimmung bei ihren Volksgenossen oder sonstwo in der öffentlichen Meinung nicht gerade rosig ist. So hat einer der Haupturheber dieses Krieges, Präsident Poincarü, wieder einmal vom Siege der Alliierten gefaselt und von der Zurückeroberung der „geraubten" Provinzen in einem Augenblick, da die militärische Hilflosigkeit der Entente auf dem Balkan so glänzende Orgien gefeiert hat, und da die Franzosen an wichtigen Teilen der Hauptfront gerade in letzter Zeit ganz bemerkenswerte Einbußen erlitten haben. Wie hoch diese Phrasen im eigenen Lande bewertet werden, das sieht man aus den stark pessimistischen Artikeln der französischen Militärkritiker über die deutschen Erfolge an der Westfront. Die französische Fachpresse verlangt eine stärkere Teilnahme der Engländer im Westen, ja man spricht sogar davon daß man auch die jetzt „frei" gewordenen Serben und Montenegriner zur Verteidigung der Front brauchen könnte. Wie solche Forderungen mit der in aller Welt als feststehende Tatsache herumgeredeten Phrase von dem „Erschöpfungskrieg" gegen Deutschland in Einklang gebracht werden können, das zu erklären müssen wir der Advokatenkunst des Herrn Poincars und Genossen überlasten, die es ebensogut fertig bringt, selbst die Geschichte offiziell zu fälschen, indem man sich erdreistet, immer und immer wieder vom Elsaß als vom geraubtem französischen Gebiet zu sprechen. Man weiß eigentlich schon beinahe nicht mehr, ob die unverschämten Ansprüche Frankreichs auf Elsaß-Lothringen wirklich auf Grund einer bewußten Lüge von den Machern der französischen Politik gestellt werden oder ob das nicht doch mehr als Krankheitserscheinung des auf absteigender Linie befindlichen Volkes ausgefaßt werden muß, das durch Blutzufuhr sich wieder neue Lebenskräfte schaffen möchte.
Auch in Italien scheint man vorerst keine allzu großen Hoffnungen aus den baldigen Sieg zu setzen, denn auch dort bangt man vor einer Offensive von unserer Seite her. und die verschiedenen Vorstöße unserer Verbündeten am Jfonzo mit dem Erfolg von Stellungsverbesterungen in der letzten Zeit haben bei den Italienern wohl auch den Eindruck verstärken wüsten, daß ihre militärische Kraft nicht dazu geeignet ist, in dem Kampf gegen die früheren Verbündeten das Zünglein an der Wage zu spielen. Es scheint, daß nicht nur weite Kreise des italienischen Volks sich ernüchtert haben, selbst de Regierung scheint Schwierigkeiten zu spüren, die nach außen hin noch nicht so recht sichtbar sind, die aber schwerwiegender Natur sein mästen, sonst würde Salandra wohl kaum von Rücktrittsabsichten des ganzen Kabinetts in aller Oeffentlichkeit gesprochen haben. Es scheint, daß neben der andauernden militärischen Erfolglosigkeit an der italienischen Hauptfront namentlich der vollständige Zusammenbruch der Tn- tentepolitik auf dem Balkan, der gerade- Italien besonders schwer getroffen hat, sine kriec^müde Stimmung in Italien hervorgerufen hat. die auch noch dadurch genährt wird, daß Italien nicht nur militärisch zu kämpfen hat, sondern auch wirtschaftlich. und eigentümlicherweise nach dieser Richtung amen seinen eigenen Bundesgenosten England, der die wirtschaftliche Schwäche Italiens und seine Ab
hängigkeit von der überseeischen Einfuhr in schamlosester Weise ausnützt. Was kümmert sich auch schließlich England um solche Kleinigkeiten. Die Hauptsache war doch, daß Italien seinerzeit die vollständige militärische Niederlage der Entente aufhielt, nun man das erreicht hatte, hatte man kein Intereste mehr an italienischen Sorgen. Ob heute wohl auch noch die graziösen Kußhändchen der Gemahlin des englischen Gesandten in Rom das Volk in patriotische Verzückungen zu versetzen vermöchte! Heute hat die englische Freundschaft ein anderes Gesicht aufgesetzt; das holdselige Lächeln ist einer grinsenden Fratze gewichen. Und diese Fratze haben bisher alle Freunde Englands zu sehen bekommen, die auf seine Aufrichtigkeit vertraut hatten.
Aber einmal wird sich auch über England das Geschick erfüllen, das es sich in einer Jahrehunderte langen ungestraft verübten See- und Landräubertätigkeit verdient hat. Daß hinter der vorgeblichen Beschützerrolle Englands gegenüber den kleinen Staaten ganz andere Motive stecken, das haben die kleinen Staaten, die sich durch dieses englische Schlagwort haben übertölpeln lasten, schon längst am eigenen Leibe verspüren wüsten, und daß England hinter den Phrasen von seiner Pflicht als Beschützerin der Kultur nichts als den nacktesten Egoismus und die brutalsten menschlichen Instinkte verbirgt, das hat uns und allen denen, die es sehen wollen, seine bisherige Kriegführung gezeigt. Zuerst behandelte man uns mit der beinahe wohlwollenden Nachsicht des überlegenen Sportsmanns. als man aber mit der Zeit einen merkbaren Puff um den andern erhielt, da war es aus mit dem „fairen" Spiel, da begann England sein wahres Gesicht zu zeigen. Und wir können sagen, in dem Grade, in dem England getroffen wurde, in dem Grade hat es auch seine Verstöße gegen das Völkerrecht, gegenüber dem Feind wie gegenüber den Neutralen, in dem Grade hat es auch seine Verstöße gegen die Humanität und die von ihm so viel gepriesene Zivilisation ausgeübt. Selbst der englische bemann, der bisher immer noch als der erste Träger vornehmen Charakters in England galt, hat sich zum feigen Mörder seines Gegners herabgedrückt, weil er nicht die Macht in sich fühlt, ihm auf andere Weise beizukommen. Der „Baralong"-Fall, die Angriffe auf U-Boote unter falscher Flacme und fetzt wieder das unmenschliche Verhalten britischer Seeleute gegenüber der Mannschaft eines unserer Marineluftschiffe läßt uns einen Blick tun in die abgrundtiefe Verdorbenheit der englischen Volksseele, wie sie sich gerade in diesem Krieg geoffenbart hat. _—_ O-
Die Lage auf den Kriegsschauplätzen.
Die deutsche amtliche Meldung.
(W.T B.) Großes Hauptquartier, 4. Februar. (Amtlich). Westlicher Kriegsschauplatz. Einer der nordwestlich vou Hulluch Po« unS besetzte« Trichter wurde durch eiue erneute euglische Sprengung verschüttet. Bei Loos und bei Neuville lebhafte Haudgrauatenkämpfe. Die feindliche Artillerie entwickelte au vielen Stelle« der Krönt, besonders in de« Argoune«. lebhafte Tätigkeit. Westlich von Marle fiel ei» französischer «ampsdoppeldecker. dessen Führer sich verirrt hatte, ««versehet i« ««sere Ha«d.
Oestlicher Kriegsschauplatz. Seine besonderen Ereignisse.
Balla«kriegSschauplatz. Uusere Flieger beobachtete« i« Wardartale südlich -er griechische« Grenze und bei -er A»lagestelle im Hase« vo» Saloniki «msa«gretche vrü«de. Oberste Heeresleitung.
Ein deutsches V-Boot in der Themsemündung'
(W.T.B.) Berlin, 4. Februar. Am 3l. Ja», und 1. Februar hat ein deutsches Unterseeboot in der Themsemündnng einen englischen armierte» Bewachungsdampfer, eiueu belgischen und 3 englische, zu Bewachungszwecken dienende Fischdampser, versenkt.
Marineluftschiff L 19 verloren.
Das Marineluftschiff L IS ist von einer Ans-, klärnvgsfahrt nicht zurückgekehrt. Die angestelltea Nachforschungen blieben ergebnislos DaS Luftschiff wurde «ach einer Reutermelduug am 2. Februar von dem in «rimsby beheimateten englischen Ftsch- dampfer King Stephen in der Nordsee treibend, angetroffen. Gondel und Lnstschisfkiirper teilweise unter Wasser. Die Besatzung befand sich auf' dem über Wasser befindlichen Teile des Luftschiffes. Die Bitte am Rettung wurde von dem englischen Fischdampser abgeschlagen unter dem Borgeben, daß seine Besatzung schwächer sei al- die des Luftschiffes. Der Fischdampser kehrte vielmehr nach GrimSby zurück.
Der Chef des Admiralstavs der Marine gcz. Behacke.
Zum Untergang des L 19.
Berlin, 1. Febr. Aus Rotterdam meldet der „Lokal- Anzeiger": „Nieuwe Rotterdamsche Courant" meint, daß der verloren gegangene Zeppelin dasselbe Luftschiff sei, welches vor einigen Tagen die Znsel Ameland überflog und von der Küstenwache beschossen wurde. Der Zeppelin fuhr damals nur in einer Höhe von etwa 100 Metern über dem Boden.
- dag die Küstenwache meldete, der Zeppelin sei durch ihre Beschießung getroffen worden.
London, 1. Febr. DieAdmiralität teilt mit, ein Fischdampfer habe heute den Seebehörden gemeldet, daß er in der Nordsee einen Zeppelin in sinkendem Zustand bemerkt habe.
Erimsby, 1. Febr. Der hier eingetroffene Fischdampfer „King Stephen" berichtet, daß er am Mittwoch Morgen den Zeppelin „I, 19" in der Nordsee bemerkte. Seine Gondel und ein Teil der Hülle waren unter Master. Die Besatzung, die l7 bis 20 Köpfe stark war, war auf der Spitze der Hülle versammelt und bat um Aufnahme. Da die Besatzung des Zeppelins der Besatzung des Fischdampfers an Zahl überlegen war, lehnte der Kapitän des Fischdampfcrs ab, der itte zu willfahren. Er kehrte sogleich nach Erimsby zurück, um die Angelegenheit den Seebehörden mitzuteilen.
(MTB.) Erimsby, -I. Febr. Reuter meldet: Zwei Marineflugzeuge, die nach dem Schauplatz des Zcppelin- unglücks geschickt worden waren, sichten die Nachbarschaft genau ab und sandcn keinerlei Spuren vom Luftschifs. Man schließt daraus, daß der Zeppelin gesunken ist.
Berlin, 5. Febr. Nach einer Rotterdam«! Meldung des „Berliner Tageblatts" meldet die „Daily Mail": Ein englischer Trawler traf „L. 19" 420 Meilen von Spurnhead entfernt, das östlich Ame- land liegt. Die Deutschen boten dem Trawlerschiffer Geld an. wenn er sie retten wolle. Aber da ^ Mann auf dem oberen Schiff anwesend waren «nd aus lautem Hämmern hervorging, daß noch weitere Personen anwesend waren, wagte der Schiffer es mit seiner neunköpfigen Besatzung nicht, etwas zu tun. Er sichtete das Luftschiff Mittwoch früh und erstattete Donnerstag Nachmittag. Bericht.
Der österreichisch-ungarische Tagesbericht.
(WTB.) Wien, 4. Febr. Amtlich wird verlant- bart vom 4. Februar 1918. mittags:
Russischer Kriegsschauplatz. Ein österreichisch-ungarisches Flugzeuggeschwader hat de« östlich von Kreuieniec liegenden russische« Etappe»- ort Szuwsk mit Bomben beworfen. Zahlreiche Ge-