(32. Fortsetzung)

(Nachdruck verBoten)

Klar und deutlich werden seine rhythmi­schen Zeichen in dem Flugzeug der Sänger- Serie aufgenommen. Während 650 Meter unter den eisigen Nordmeerwellen der glühende Wurm der rasenden Elektronen unaufhaltsam ihren Weg bahnt zu den letzten, den beiden Zündpolen der langen Kontaktreihe.

Elf Uhr einundvierzig: Beobachtungslinie überflogen, trägt der Kommandant und Navi­gationsoffizier des schweren, schnellen Fern­bombers ins Logbuch ein.Kurs zehn Grad Nord zu Nordost. Dann beginnt er die Flug­route mitzukoppeln, während das Flugzeug in allmählichem Steigen nach Norden braust.

Der Offizier beginnt zu rechnen. Einhun­dertdreißig Werst noch, das wären bei gleich­bleibender Fahrt dreizehn Minuten. Also An­kunft am X-Ort elf Uhr vierundfünfzig, somit noch sechs Minuten Zeit für einige Vollkreise und Standortkontrolle durch genaue QDM9 der Flugleitzentrale.

Langsam verrinnen die Minuten. Vierzehn­tausend Meter zeigt der Höhenmesser an. Un­ten tauchen die ersten Einheiten der Ver­suchsflotte auf.

Die Maschine fliegt glänzend, und im Bom­benraum stellen die Spezialisten das dunkel­graue, tonnenförmige Etwas ein und machen es scharf.

Roter Oktober wird überflogen.

Ruhig und unbewegt, von" hier aus kaum größer als Nähmaschinenschiffchen, ruhen die stromlinienförmigen Körper auf dem bleier­nen Grau der endlosen Fläche. In der Tiefe aber, fast senkrecht unter diesen Schiffen, vollendet der glühende Tropfenwurm sein Werk.

Noch zwei heile Kontakte trennen den Fres­senden an jeder Seite von den Polen.

Nachdenklich sitzt der Offizier in seiner Vollsichtkanzlei und läßt seinen Blick über die Nußschalen schweifen, vierzehntausend Meter unter ihm.

Noch ein Kontakt!

,Es ist doch wunderlich, denkt der Offizier, denn er genoß gute Schulbildung und denkt gern ein wenig nach, ,das Meer so groß und die Schiffe so klein. Trotzdem dient das Meer ihnen und trägt sie auf dem Rücken wie der Elefant seine Treiber, die er doch mit einer Bewegung abstreifen könnte. Ja, das Meer ist geduldig. Wenn es wirklich einen Gott gibt, der Offizier belächelt seine Gedanken, ,dann hat der es wohl so eingerichtet, daß das Meer den Schiffen der Menschen dient. Aber nein, das stimmt ja nicht, das Wasser war doch zuerst da. Dann müßte Gott also den Men­schen die Schiffe gegeben haben, damit sie das Meer befahren. Die Kriegsschiffe auch? Wenn es ein guter Gott ist, wohl kaum. Und jetzt kommen die Menschen und quälen das Meer, stacheln es auf und peitschen es, wie Hanni- bal seine Elefanten, daß es in blinder Wut die anderen Menschen und ihre Schiffe ver­schlingt. Eigentlich gefährlich so etwas, denn das Meer unterscheidet doch Freund und Feind genau so wenig wie Hannibals Elefan­ten es taten Es wird vielleicht einmal beide verschlingen, wie die Elefanten Karthager und Römer, wild durcheinander, alles ein Brei...

Aber da! Es schüttelt sich ja schon!

Es bewegt sich! Wölbt sich!... nejeeeet!

Wie eine gigantische graue Blase, wie Aus­satz, wie eine Pestbeule, wölbt sich die graue Weite unten plötzlich empor! Von Horizont zu Horizont oder noch weiter hebt sich immer weiter, und in ihr ist ein großes gel­bes und blaues Leuchten, und die Schiffchen kleben auf ihr, wie Fliegen auf einem dicken Luftballon.

Dann platzt die Beule, und in ihrem Innern kocht es und schleudert Milliarden Kubik­

meter glühenden Schlammes, dampfenden Gischtes .und schmelzender Eisgebirge gen Himmel.

Steuerlos taumelt das Flugzeug der Sänger- Serie durch den Aether, bis der rasende Luft­strom es mit sich reißt, denn die Männer sind tot, die Motoren schweigen, durchsiebt von dichten Schauern härtester Gamma-Strahlen.

Und die Wassermassen stürmen zum Him­mel. Eine brüllende, brodelnde Säule Meer! Zehntausend, zwölftausend, vierzehntausend Meter.

Radioaktive Protuberanzen fegen nach allen Seiten aus dem Chaos, umklammern die Mücke, das flatternde, welke Blatt, das ein­mal ein moderner Fernbomber war, und wol­len es verschlingen mit seiner Fracht.

Da geht eine zweite Sonne auf. Eine neue Sonne, hoch über dem rasenden Nordmeer?

Das Gewühl in der Main-Road ist lebensge­fährlich. Wie ein Habicht sitzt der Fahrer Benno hinter dem Steuer des dunklen Reise­wagens und läßt die Hupe in immer kürze­ren Abständen gellende Warntöne ausstoßen.

,Sonderbar, denkt er, ,der Professor, sonst ist er die Vorsicht selbt, und heute könntest du hundert Meilen fahren, es genügte ihm immer noch nicht!

Mit kurzem Schrägblick zum Rückspiegel umfaßt er die unruhige Gestalt seines Herrn, der ungeduldig durch die breite Windschutz­scheibe in die menschenwimmelnde Haupt­straße von Santa Fe starrt.

Am Lincoln-Square vorüber geht es weiter, bis dann endlich nach vielem Stoppen und Anfahren der langestreckte graue Steinkom­plex des Memorial-Hospitals erreicht ist.

Professor Verconelli schiebt sich ins Freie.

Mit angstverzerrten Fratzen klammern sie sich aneinander

Zeichnung: E. Springer

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Öder ist Thors Hammer plötzlich niederge­fahren? Ist er es, der die Säule Meer nun mit elementarer Riesenkraft wieder zusammen­preßt? #

Tobende Elemente, Höllentanz der Schöp­fung, und die Wasser rasen zur Erde zurück, stauen sich, daß der felsige Meeresgrund bloß­liegt un(|, wölben sich zu kilometerhohen Ge­birgen auf, die mit Windeseile fortstreben, sich nach allen Seiten wälzen, unaufhaltsam, rollen, gleiten zur rettenden Küste oder nach irgendwo.

Lagen da einmal stählerne Schiffe? Geord­net und verankert nach einem festen Plan?

Lächerlich. Die Schiffe sind gewesen; der Plan gilt nicht mehr.

Stampften da einmal Versuchsboote mit fei­nen Meßgeräten und klugen Menschen? Die feinen Meßgeräte registrieren das Ende nicht mehr, denn niemand ist da, der sich ihrer be­dient. Aber sind das denn noch Menschen? Diese Bündel?

Mit angstverzerrten Fratzen klammem sie sich aneinander und starren der heranrollen­den grauen Wand entgegen, bis die Wand über ihnen ist und sie im Augenblick erlöst.

Die Heizer vor ihren Kesseln, der Funker inmitten seiner Geräte, der Admiral, der Ka­pitän und der Professor auf der Brücke jeder an seinem Platz, und doch alle zu glei­cher Zeit.

Ihm ist elend zumute. Der Anblick des gro­ßen, vielfenstrigen Gebäudes und das stete Kommen und Gehen bedrücken den so* st so selbstsicheren Gelehrten.

Dort drinnen liegt sie also, denkt er. Wenn es nicht Olenhighs Tochter wäre, würde ich diesen Gang liebend gern anderen über­lassen.

Die Blumen, Herr Professor! ruft Benno und reicht den sauber eingewickelten Strauß durchs Fenster.

Dann geht Enrico Verconelli langsam den mosaikgepflasterten Pfad zum Hauptportal hinauf.

Wo finde ich Miß Oienhigh, bitte? fragt er durch das kleine Fenster der Auskunft.

Zweiter Stock, Station IV, Zimmer 9, gibt die junge Schwester zurück und schaut dem Davonschreitenden nach, bis er hinter der gläsernen Flügeltür verschwindet.

Der Mann tut ihr leid, denn sie weiß, daß Professor Oienhigh seit gestern vermißt wird und wahrscheinlich zu den Opfern der Kata­strophe gerechnet werden muß.

Als Enrico Verconelli Station IV betritt, kommt der Abteilungsarzt ihm geschäftig ent­gegen. Er ist lästigen Besuchern durchaus ab­hold und will mit seinen Assistenten acht­los vorübergehen. Doch der Name Oienhigh läßt ihn aufhorchen.

Verconelli, stellt der Professor sich vor, ich möchte mich nach Miß Oienhigh erkun­digen.

Mit einer kurzen Anweisung entläßt der Arzt seine Begleiter und tritt ausweichend ans Fenster, denn eben wird wieder eine weiß­verhüllte Gestalt zum Operationssaal trans­portiert.

Veronelli? Sind Sie der bekannte Atom­physiker?

Ich bin Physiker, und möchte mich nach der Tochter meines verunglückten Freundes und Kollegen Oienhigh erkundigen, wiederholt der Professor.

Der Arzt weist auf eine Tür am Kopfende des Ganges.

Dort drüben, in Zimmer 9 liegt das gnädige Fräulein. So sehr sie um das Schicksal ihres Vaters zu bedauern ist, persönlich hatte sie großes Glück, in letzter Minute den Explosions­bereich verlassen zu haben.

Ein leichter Schock und ein Bluterguß in der Hüfte das ist alles. Ihre Aufnahme bei uns war eigentlich nur eine Formsache. Sie kann morgen nach Hause ...

Der Arzt zögert. Er scheint noch etwas sagen zu wollen. Doch Professor Verconelli achtet nicht darauf. Erregt dreht er seinen Blumen­strauß zwischen den Fingern.

Und wie nahm sie es auf?

Es war ein grausamer Schlag für sie, sagt der Arzt mit ernstem Gesicht.Durch die Red­seligkeit einer Schwester erfuhr sie bereits gestern alles. Bis zum Zeitpunkt ihrer Einliefe­rung wußte sie ja noch von nichts. Sind Sie persönlich gut bekannt mit ihr? Ich meine, sie hat letzte Nacht kein Auge zugetan, und wir wollen ihr jede Aufregung ersparen.

Ich kenne Vater und Tochter seit Jahren und wohne auch selbst im Hause Oienhigh. Die nächsten Verwandten leben in Milwaukee. Doch ich befürchte, ' sie sind noch gar nicht über das Unglück informiert.

Ein Klingelzeichen vom Operationssaal unterbricht das Gespräch, und der Arzt streckt dem Professor die Hand entgegen.

Die Arbeit ruft. Also schonungsvoll bitte, eine Viertelstunde. Und morgen nehmen Sie sich ihrer an. Es fällt ihr schwer, sich in das Furchtbare zu schicken.

Er geht schnellen Schrittes davon, und En­rico Verconelli nähert sich langsam der weißen Tür. Sein Blick haftet an der kleinen schwar­zen9 und vielerlei Erwägungen gleiten durch sein .Hirn.

Dann holt er tief Atem und tritt ein. Leise und vorsichtig zieht er die Tür hinter sich zu.

Der kleine, schmale Raum ist in lichtem Blau gehalten und wirkt beruhigend auf Auge und Gemüt. Das schlichte, zweckmäßige Mo­biliar leuchtet in blendendem Weiß.

Lissy Oienhigh liegt mit halbgeschlossenen Augen, die Arme hinter dem Kopf ver­schränkt, in den weißen Kissen. Die Umrisse ihres Körpers zeichnen sich auf der dünnen Steppdecke ab.

Zentimeterweise wendet sie den Kopf zur Tür. Da erkennt sie den Besucher.

Ihr erstes, impulsives Bestreben ist offen­bar, ihm entgegenzueilen, wie früher. Doch dann scheint sie sich der veränderten Situation zu erinnern und läßt den Kopf zurücksinken.

Miß Lissy! (Fortse tzung folgt.)

..SONNTAGS-ZEITUN G"

Herausgeber: Will Hanns Hebsacker, Dr. Ernst Mül­ler und Kar) Kim in der Schwäbischen Verlags­gesellschaft m. b. H. Redaktionünd Verlag. Tübingen, Uhlandstraße 2. Telefon 2141 Druck: Tübinger Chronik. Druckerei und Verlags­genossenschaft eGmbH. Tübingen

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