6. Jahrgang

WIRTSCHAFT

Nummer 157

Aufschwungtendenzen verlangsamt

Zum Monatsbericht der Industrie- und Handelskammern von Württemberg-Hohenzoliern

Dr. K. H. Während im August unter dem Ein­fluß einer starken Nachfragebelebung das Pro­duktions- und Beschäftigungsniveau rasch und beachtlich stieg, verlangsamte sich im September das Tempo der Ausdehnung von Erzeugung und Umsatz, ohne daß aber der Auftragseingang bei den Firmen in Württemberg-Hohenzoliern zu­rückgegangen wäre. Es werden im Gegenteil bei der Industrie teilweise mehr Waren verlangt, als im Augenblick erzeugt und geliefert werden können. Nachdem die Textilindustrie schon im August einen höheren Auftragseingang verzeich- nete als dafür entsprechende Produktionsmög­lichkeiten vorhanden gewesen wären, kann sie bei im September eingegangenen Bestellungen nur noch auf längere Lieferfristen verweisen; in nicht wenigen Fällen lehnt sie sogar eine vor­läufige Bearbeitung der Käuferanfragen ab. Auch aus anderen Branchen wird gleiches berichtet, so vor allem aus der Möbelindustrie.

Kritische Rohstofflage

Die Gründe für einige fühlbare Produktions­beschränkungen in der Industrie im August war übrigens erstmals das Produktionsniveau von 1936 in der Industrie von Württemberg- Hohenzoliern nahezu erreicht liegen bei der angespannten Rohstofflage auf der Hand. Dafür einige Informationen aus der Industrie:Zur­zeit sind Baumwollgarne und Zellwolle nur sehr schwer zu bekommen, berichtet eine Baumwoll­weberei; der Verband der Stricker und Wirker: Mit einer Verknappung der an sich nicht sehr bedeutenden Garnvorräte ist zu rechnen, oder eine Lederfabrik:Argentinien hat den Verkauf von Häuten und Fellen eingestellt. Die Mel­dung aus der Schuhindustrie, daß bei der Be­schaffung feiner Leder, verschiedentlich auch Bo­denleder, Schwierigkeiten bestehen, ist an sich nicht neu, deutet aber auf eine Verschärfung der Lage hin. Besonders nachteilig für den Export wirkt die Nachricht aus der Eisen- und Metall­industrie:Rohstoffschwierigkeiten bestehen in Bezug auf die Beschaffung von NE-Metallen, auch bei Roheisen, desgleichen bei Koks, oder die Feststellung der Metalltuchindustrie:Die Materialeindeckung ist schwierig, endlich aus der Papierindustrie eine Erklärung für den Zell­stoffmangel:Die Vereinigten Staaten haben die schwedischen Produkte aufgekauft.

Allgemein ist die Rohstoffbeschaffung etwas schwieriger geworden. Verständlicherweise hat sich die Rohstoffzufuhr bei den importabhängi­gen Industrien stärker verengt als in den Bran­chen, welche ganz oder überwiegend aus in­ländischen Versorgungsquellen gespeist werden. Das Ausmaß der Verknappung hält sich aber insgesamt in einem Rahmen, der die Fortführung der Produktion in der seitherigen Höhe wenn auch unter gewissen Schwierigkeiten ermöglicht.

Gesicherte Versorgung

Die allgemeine Versorgungslage ist nach Aeußerungen aus der Wirtschaft trotz der labilen Marktverhältnisse nicht ernsthaft gefährdet. Wenn vorübergehend in einzelnen Artikeln Mangelerscheinungen auftreten, wird dadurch die Versorgungslage insgesamt nicht wesentlich beeinträchtigt. Das Warensortiment wurde seit der Währungsreform ständig ausgeweitet, so daß in vielen Fällen bei zeitweiligen Verknappungen einzelner Güter auf Ausweichmöglichkeiten zurückgegriffen werden kann. In der Wirtschaft steht man daher überwiegend mit Vertrauen und Ruhe der künftigen Entwicklung gegenüber. So scheint beispielsweise im Handel kaum eine große Tendenz lebendig zu sein, größere Läger als im ersten Halbjahr 1950 anzulegen. Man steht in diesen Kreisen auf dem Standpunkt, daß die unklare und unsichere Preisentwicklung von selbst zu vorsichtigen Einkaufsdispositionen zwinge. Da im übrigen die gegenwärtige Markt­konstellation sehr stark politisch bedingt ist, ist die Wirtschaftsentwicklung möglicherweise einem raschen Wandel unterworfen.

Infolge des höheren Auftragsbestandes bei der Industrie haben sich die Lieferfristen etwas in die Länge gezogen. Bei der Schuhindustrie be­tragen sie beispielsweise derzeit 23 Monate, in der Schwermaschinenindustrie 12 Jahre, in der sonstigen eisenverarbeitenden Industrie 25 Monate, in der Möbelindustrie 34 Monate und in der Seifenindustrie etwa 6 Wochen.

Preisstopp ohne behördliche Einwirkung

Eine große Zahl von Firmen der Textilindu­strie darunter vornehmlich die größeren Be­

triebe haben bei Beginn des Koreakonflikts auf Grund von Vertragsabschlüssen mit festen Preisen ihre Produktion zum Teil bis Jahres­ende, vereinzelt sogar bis zum 1. Quartal 1951, ausverkauft. Die Warenlieferungen dieser Be­triebe Ein den Einzelhandel erfolgten vertrags­gemäß noch zu den alten Preisen ohne Auf­schlag. Von einer allgemeinen Erhöhung des Preisniveaus kann deshalb noch keine Rede sein, zumal neue Kaufkontrakte mit neuen Prei­sen nur sehr zögernd abgeschlossen werden. Diese werden freilich nach dem inzwischen angestie­genen Wieder,beschaffungspreis für Baum- und Zellwolle im Anhängeverfahren berechnet. Auch in anderen Branchen liegen die Verhältnisse ähnlich.

Der Hinweis der Industrie und des Handels, daß die künftigen hohen Preise für die Verbrau­cher nicht tragbar seien und deshalb so weit als möglich zusätzliche Kosten in Kauf genommen werden müssen, bestätigt, mit welchem Ernst die Wirtschaft die von den Weltmärkten ausgehen­den Preisauftriebstendenzen bekämpft. Die mit 25 Prozent über dem Auguststand liegenden Roh- stoffpreise in der Leder- und Schuhindustrie ha­ben z. B. den Schuhhandel teilweise veranlaßt, unter diesen Umständen vorerst keine neuen Aufträge zu erteilen. Andererseits wollen die Kaufhäuser in den Großstädten, die zu den Ab­nehmern der Industrie Württemiberg-Hohenzol- lerns rechnen, über die derzeitige Preislage nicht hinausgehen. Dabei bleibt es allerdings nicht aus, daß sie einen Ausweg in leichtere Qualitäten su­chen. Es braucht nicht noch besonders ausge­führt werden, daß die bereits wirksamen Lohn­erhöhungen in der Lederindustrie um 6 Pro­zent, außerdem gestaffelt in der Eisen- und Me­tallindustrie die Bemühungen um Preisbegren­zungen erschweren, vielleicht sogar wirkungslos werden lassen, wenn weitere Forderungen ge­stellt werden. Ein wesentliches Hindernis für die Hebung des Lebensstandards ist die inzwischen erfolgte Verteuerung der Baukosten um 6 bis 8 Prozent zu bezeichnen, die auch eine Baumüdig­keit nach sich ziehen wird.

Dr. Ho. In Württemberg-Baden, Württemberg- Hohenzoliern und Südbaden kam hinsichtlich der industriellen Produktion im August eine bemer­kenswert gleichlaufende Entwicklung gegenüber dem Vormonat zum Ausdruck. In allen Ländern stieg die Industrieproduktion um rund 5 Prozent an. Gleichzeitig verzeichnete die prozentuale Zunahme der Beschäftigung in der Industrie der drei Länder einen etwa gleich hohen Wert von 2 bis 3 Prozent. Diese Konformität der indu­striellen Entwicklung ist deshalb bemerkenswert, weil in den zurückliegenden Jahren stärker divergierende Entwicklungsstadien beobachtet werden konnten, deren Ursachen u. a. in der Trennung der südwestdeutschen Länder durch Zonen- und Staatsgrenzen zu suchen sind.

Divergierende Entwicklung auf dem Arbeits­markt

An einigen Zahlenbeispielen kennzeichnet das Volkswirtschaftliche und Statistische Büro der Industrie- und Handelskammer von Württem- berg-Hohenzollern den Weg der Wirtschaft in Südwestdeutschland seit der Geldreform zu aus­geglicheneren Verhältnissen. Es ist bekannt, daß Württemberg-Baden schon vor der Währungs­reform einen größeren Zugang Ein Heimatver­triebenen als Württemberg-Hohenzoliern und Südbaden hatte. Außer stärkeren Belastungen durch die Demontage in der französischen Zone machte sich der verhältnismäßig geringe Zugang von Heimatvertriebenen mit der Zeit in einem Mangel an Arbeitskräften bemerkbar, so daß für die Industrie- vor Juni 1948 weit weniger Ausdehnungsmöglichkeiten in Württemberg-Ho- hohenzollern und Südbaden als in Württemberg- Baden bestanden. Seit Juni 1948 kamen wesent­liche Beschränkungen auch in den Ländern der französischen Zone in Fortfall, so daß das Ar­beitspotential (Beschäftigte + Arbeitslose) hier stärker anstieg (in Württemberg-Hohenzoliern um 20,5 Prozent, in Südbaden um 19,5 Prozent) als in Württemberg-Baden (Zunahme des Ar-

Diie Erhaltung eines niedrigen Preisniveaus ist auch schon im Interesse des Exports notwendig, der einen weiteren günstigen Verlauf nimmt. Insbesondere laufen Bestellungen auf Schwer­maschinen, Metalltücher, Papierhülsen und -spu­len fast im Vorkriegsausmaß aus dem Ausland ein, jedoch nicht in gleich befriedigender Weise auf Textilwaren und Uhren, günstig allerdings auch auf andere Erzeugnisse der feinmechani­schen Industrie, wie Waagen usw. Schwierig­keiten bestehen im Außenhandelsverkehr hin­sichtlich der Akkreditiv-Eröffnung, die sich für den Import hemmend auswirken.

Saisonauftrieb macht sich bemerkbar

Die Herausstellung der kritischen Begleiter­scheinungen der Wirtschaftslage im September mag vor einer Ueberschätzung des allgemeinen Aufschwungs bewahren. Außer den günstigen Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt, die siph in einer Verminderung der Arbeitslosigkeit bund­tun, ist auch der Groß- und Einzelhandel mit dem Septembergeschäft zufrieden. In der Haus­haltswarenbranche wurden größere Umsätze ge­tätigt. Auffällig ist jedoch auch hier ein schlep­pender Wareneingang bei Waren aus NE-Metal­len und aus Porzellan. Die Lieferanten begrün­den die verzögerte Auslieferung mit Exporten. Die Preiserhöhungen werden im großen Ganzen in der Spanne aufgefangen, so bei verzinnten Waren, nicht jedoch bei verknappten Gummi­ringen für Einmachgläser. In der Spielwaren­branche hat das Saisongeschäft schon eingesetzt. Der Großhandel berichtet, daß er bereits nicht mehr alle Wünsche seiner Kundschaft befriedi­gen kann. Leder- und Schuhwaren werden gut gekauft. Nachdem die Hamsterkäufe aufgehört haben, ist eine gewisse Beruhigung in der Um­satzentwicklung eingetreten. Die Knappheit an Textilwaren beschränkt sich vorerst nur bei einzelnen Qualitäten. Ein größerer Mangel ist dagegen bei Wolldecken, Inlets und Damast fest­zustellen.

Der hohe Güterumtausch, der von der Eisen­bahn an den wichtigen Verkehrsknotenpunkten in Württemberg-Hohenzoliern festgestellt wird, läßt auf eine hohe Aktivität in der Wirtschaft schließen. Die Eisenbahn hofft für den Herbst­verkehr gerüstet zu sein, nachdem Schwierig­keiten in der Wagengestellung beseitigt werden konnten.

beitspotentials um 13,2 Prozent). Dementspre­chend stieg auch die Gesamtzahl der Beschäftig­ten in den südwestdeutschen Ländern der fran­zösischen Zone stärker an als in der US-Zone, nachdem wesentliche Hemmnisse für das wirt­schaftliche Leben (z. B. Rohstoffmangel) besei­tigt worden waren, die in Württemberg-Baden schon früher nicht in gleicher Weise bestanden. Dagegen erhöhte sich etwa im gleichen Ausmaß die industrielle Beschäftigung in den drei südwestdeutschen Ländern. Württemberg- Baden mit einer größeren Industriekonzentra­tion zog bei einem schon im Zeitpunkt der Wäh­rungsreform höheren Beschäftigungsniveau rela­tiv weit mehr Arbeitskräfte an sich, als Würt- temberg-Hohenzollern und Südbaden, was für eine besondere Produktionskraft Württemberg- Badens spricht.

Ausgleichende Faktoren zwischen Nord und Süd Die Normalisierung der Beschäftigungsstruk­tur z. B. hinsichtlich des Rückgangs der Beschäf­tigung in der Land- und Forstwirtschaft auf den Vorkriegsstand zugunsten der Arbeitsaufnahme in der Industrie, Handel und Verkehr, die un­ter den schlechten Verhältnissen der ersten Nach­kriegsjahre litt, ist kennzeichnend für die Ar­beitsmarktbewegungen in den südwestdeutschen Ländern. Daß die Abnahme der Beschäftigung in der Wirtschaftsgruppe Land- und Forstwirt­schaft in der französischen Südzone in der Zeit vom 30. 6. 1948 bis heute geringer war als in Württemberg-Baden, bestätigt die größere Be­deutung der land- und forstwirtschaftlichen Ar­beit in den Südteilen von Württemberg und Ba­den. Die hohe Bedeutung des Handwerks für das Wirtschaftsleben in den Ländern Württemberg- Hohenzoliern und Südbaden hat andererseits hier zu einem größeren Anteil der Berufstäti­gen in Industrie und Handwerk an der Gesamt­beschäftigtenzahl als in Württemberg-Baden ge­führt. Landwirtschaft und Handwerk schaffen somit in den Südteilen von Württemberg und Baden einen gewissen Ausgleich für die ungleich

DieHamburg lief vom Stapel

GW. Kein besseres Symbol für das Wieder­erwachen des deutschen Seehandels als der Sta­pellauf des NachkriegsschiffesHamburg! Die deutsche Wirtschaft ohne Häfen und Seefahrt wäre ein Baum ohne Wasser. Daher mißt auch die Hansestadt Hamburg den Beschlüssen der Außenministerkonferenz größte Bedeutung zu; denn eine Aufnahme Deutschlands in den Kreis der europäischen Völker ohne Wiederherstellung seiner Hochseeschiffahrt ist nicht möglich.

Wohl ist der Schiffsbau noch auf kleine Ton­nagen beschränkt, wohl fehlt das einst blühende Ostseegeschäft ebenso wie das Hinterland Böh­mens und der Donauländer, welche Hamburg zum dritten Seehandelsplatz der Welt gemacht hat­ten. Aber die Hamburger sind zäh und optimi­stisch. Sie haben die Katastrophe von 1842, den Großbrand, überwunden. Sie haben nach dem Schreckenstag im Juli 1943 nicht resigniert, ob­wohl über die Hälfte der Wohnungen in Schutt gesunken sind. Der Aufbau ist vom alten Hanse­geist beseelt.

Die Hamburger Verwaltung ist vom Typ des Welthandelskaufmanns durchsetzt und daher großlinig und energiegeladen. Die großen Ree­dereien behelfen sich noch mit dem Bau kleine­rer Schiffe, mit Instandsetzung namentlich aus­ländischen Schiffsraums, mit der Herstellung von Brennstofftanks, Behältern und Stahlbau. Im­merhin liegen z. B. auf der Werft der Howaldts- werke fünf neue Schiffe auf Kiel. Auch die Ham­burger Großindustrie erholt sich. In e ; ner Fi­liale der Philips-Valvo-Werke werden in diesem Jahre 60 Millionen Radioröhren hergestellt. In Harburg ist eine neue Raffinierte in Betrieb. Die Shell-AG hat neue Tankanlagen errichtet. Das Tabakgeschäft ist stark in Gang gekommen. Wie es für Hamburg nun gilt, sich wieder um die Weltmeere zu kümmern, so müssen die deut­schen Länder sich um das deutsche Tor zur Welt bemühen.

' Interessant ist, daß der Hamburger Uebersee- klub bayerische Wirtschaftsredakteure nach Hamburg eingeladen hat, um die Wirtschafts­bande zwischen Hamburg und dem großen Land im Süden zu kräftigen. Ein eigener Prospekt Bayern und Hamburg wurde geschaffen unter Mitwirkung der Hafen- und Lagerhausgesell­schaft. Es ist wünschenswert, daß auch die schwäbische Wirtschaft, die mit ihren hochver­edelten Erzeugnissen an Export und Schiffsaus­rüstung beteiligt ist, ebenfalls Kurs auf die Hamburger Kontore, auf die zweitgrößte Stadt des Bundes nähme.

größere Bedeutung der Industrie in den Nord­teilen.

Inlands- und Auslandsmärkte

Eine verspätete, jedoch sichtbare Aufwärts­entwicklung im Südteil der französischen Zone zeigt die Umsatzentwicklung der Industrie in den drei Ländern. Württemberg - Hohenzollern vergrößerte das industrielle Umsatzvolumen in den beiden Jahren nach der Geldneuordnung um 61 Prozent, Südbaden um 54 Prozent, dagegen Württemberg-Baden nur um 38 Prozent. Die günstige Entwicklung in Württemberg-Hohen- zollern und Südbaden kam allerdings mehr den Inlandsmärkten zugute. Württemberg-Baden da­gegen nahm eine führende Rolle im Export ein und schuf damit wesentliche Vorbedingungen für die Einfuhr von Rohstoffen für die stärker roh­stoffabhängigen Verbrauchsgüterindustrien in Württemberg-Hohenzoliern und Südbaden.

Die Einnahmen an Steuern entwickelten sich dm Zusammenhang mit dem Auftrieb in der französischen Zone seit der Währungsreform in Württemberg-Hohenzoliern und Südbaden in der Weise, daß bei der Umsatz- und Einkommen­steuer in Württemberg-Hohenzoliern und Süd­baden zwischen Juni 1948 und Juni 1950 ein grö­ßerer Zuwachs sichtbar wurde als in Württem­berg-Baden.

Wirtschaftliche Entwicklung im Gleichklang

Die vergleichbaren Daten- der wirtschaftlichen Entwicklung in den südwestdeutschen Ländern nehmen in gewisser Hinsicht zu den wirtschaft­lichen Problemen in Südwestdeutschland Stel­lung. Der Ueberblick klärt darüber auf, daß die Differenzierungen zwischen den Ländern Würt­temberg-Baden, Württemberg-Hohenzoliern und Südbaden, die noch vor etwa einem Jahr zum Nachteil der beiden letztgenannten Länder eine einheitliche Entwicklung verhinderten, weitge­hendst schwinden.' Uebrig geblieben sind nor­male konjunkturelle Schwankungen und Diffe­renzierungen, die zweifellos durch das Bestehen von drei Wirtschaftsverwaltungen in Südwest­deutschland verstärkt werden.

Produktionssteigerung um 50 Prozent

Gleichlaufende Entwicklung in der südwestdeutschen Wirtschaft

Wunder des herbstlichen Vogelzuges

Die Zugvögel verlassen jetzt bis zum Novem­ber hin ihre Sommerheimat in den nördlichen Ländern, um nach Süden zu streben und dort unter der wärmenden Sonne bis zum nächsten Frühjahr zu bleiben. Man sieht sie in den verschiedensten Formationen dahinfliegen, Wildgänse und Kraniche im Keilflug und die Enten in einer Eins. Bei Tag und Nacht schwärmen sie mit Geschrei, Zirpen und Flö­ten. Am frühesten verlassen uns die Mauer­segler, Stare, Kiebitze, auch die Störche und Schwalben; ebenso fliegen viele Singvögel wie die Nachtigall und Graßmücken fort, die nachts und stumm ziehen. Vom großen Dros­selflug zittert in dunklen Nächten oft ein lei­ser Vibrierlaut zu uns herab. Bei Tages­grauen fallen die Vögel in Wälder ein und suchen Beeren. Sie fliegen in ganz verschiede­nen Flughöhen, im allgemeinen nicht höher als 1000 Meter, abgesehen von den Sumpf- und Wasservögeln; die großen Vögel erreichen hierbei Höhen von 2000 Meter, sie wählen die höheren Luftschichten wahrscheinlich, um günstigeren Wind zu suchen, da sie bei ihren Flügen mehr schweben. Es ist geradezu un­glaublich, welche Leistungen selbst die klein­sten dieser gefiederten Lebewesen vollbrin­gen. Ein Reiseweg von 15 000 Kiometer ist keine Seltenheit, das Tagespensum liegt zwi­schen 50 und 400 Kilometer. Einige Vögel er­reichen dabei eine Stundengeschwindigkeit bis zu 75 Kilometer.

Die Zugvögel gehorchen einem Gesetz, des­sen letzte Gründe der menschlichen Erkennt­nis bis heute noch verschlossen geblieben sind. Eine unmittelbare Beziehung zu den Witte­rungsverhältnissen besteht jedenfalls nicht, denn die ersten machen sich schon Anfang August auf den Weg, wenn in unseren Zonen noch schönstes Sommerwetter herrscht. Man nimmt an. daß diese Gewohnheit, der zahl­reiche Vog'darten mit e ; ner geheimnisvoll wir­kenden Pünktlichkeit folgen, in der Eiszeit

ihren Anfang genommen hat, die den Vögeln bittere Kälte und äußerste Nahrungsnöte brachte und sie zwang, ihren Standort zu wech­seln und nach wärmeren Landstrichen zu wan­dern. Was frühesten Generationen härteste Notwendigkeit wurde, vererbte sich späteren Geschlechtern fort. Seitdem ist ihnen der Fern­trieb im Blut und er ergreift sogar die in der Gefangenschaft hinter den Gitterstäben leben­den Artgenossen mit einer Macht, daß die Tiere bisweilen wie von Sinnen sind.

Es ist noch nicht ergründet worden, warum der Flugtrieb in den Vögeln vorzeitig einsetzt. Die Forschung neigt neuerdings zu der Auf­fassung, daß im Körper der Vögel um diese Zeit bestimmte Hormone zu wirken begin­nen. Ebenso geheimnisvoll bleibt die Tat­sache, daß der Flugtrieb sogar stärker ist als die Instinkte der Raubgier, so daß Falke und Drossel. Sperling und Fink Seite an Seite gen Süden ziehen, ohne daß die sonst so gefürch­teten Würger ihre leicht erreichbaren fried­fertigen Wandergesellen überfallen. Die tief­sten Feindschaften haben während dieser Zeit keine Gewalt mehr, und alle fliegen vereint dem Ziel zu, nach einem geheimen Befehl. Eine Schulung für diese große Wanderung scheint es nicht zu geben, ja es ist bekannt, daß die jungen Stare als erste, kaum daß sie flügge geworden sind, den Weg nach Süden antreten, vielleicht weil sie für die gewalti­gen Entfernungen eine längere Zeit brauchen. Von den Meisen und Amseln wissen wir. daß im allgemeinen nur die jungen Tiere fort­ziehen.

Die Vogelzüge erfolgen auf bestimmten We­gen. Zeichnet man auf einer Landkarte den Verlauf der verschiedenen Wanderungen ein, so wird man feststellen, daß sich die Linien an einigen Punkten zu dicht zusammenfallen­den Strahlen bündeln. Solche Stauungen gibt es bei der kurischen Nehrung und in der Ge­gend von Helgoland. Die erste große Flug­strecke geht von Finnland, Estland über Po­

len, Balkan, den Bosporus durch Kleinasien die Küste entlang nach dem Nil, die zweite von Skandinavien und England westlich der Weser über Frankreich, Spanien, und die Meerenge von Gibraltar nach Afrika. Auf diesem wichtigen Gebiet der Vogelkunde hat sich die Fußberingung als eines der wirksam­sten Mittel erwiesen; mit ihrer Hilfe ist es gelungen, die Reisewege nach dem Süden und die Winterquartiere der einzelnen Vogelarten zu ermitteln. Schon von klein auf sind die Vögel an ihre bestimmte Flugbahn gebunden; man hat Jungstörche aus Rossitten mit Wagen westlich der Weser auf die Ruhrwiesen von Essen transportiert und freigelassen, aber sie haben nicht den westlichen Weg über Gibral­tar genommen, sondern sich beeilt, die öst­liche Flugstraße über den Bosporus, die Flug­straße ihrer Eltern, zu erreichen. K.

Kulturelle Nachrichten

Der in deutsch-italienischer Gemeinschaftspro­duktion entstandene Luis-Trenker-FilmDuell in den Bergen wurde am Donnerstag in Stutt­gart für Deutschland uraufgeführt. T r e n k e r, der als Regisseur, Mitautor und Darsteller in dem Film sein Können zeigt und seine Neuent­deckung, die junge Ostpreußin Marianne Hold, waren bei der Uraufführung anwesend.

Der Führer der ehemaligenDeutschen Glau­bensbewegung, Professor Dr. Jakob W. Ha u e r, Tübingen, ist vor einiger Zeit auf einer Tagung der von ihm geleiteten Arbeitsgemeinschaft für freie Religiorisforschung und Philosophie in Stutt­gart-Rohr wieder an die Oeffentlichkeit getreten.

Für den Bücherfreund

Ro-Ro-Ro Taschenbücher Joergen Frantz Jaeobsen, Barbara und die Männer. 235 S.

Graham Greene. Orientexpreß. 234 S.

Joergen Frantz Jaeobsen eine der früherlo­schenen großen Hoffnungen der dänischen Lite­ratur erschöpft sein ganzes. Leben in einem einzigen großartigen und bedeutenden Werk,

dem hier vorliegenden Roman, dessen Original­titelBarbara lautet. Mit Recht rühmt die Kri­tik die kreatürliche Schönheit Barbaras als einer jener großen Liebenden, der Frau Marie Grub-be und der Madame Bovary ebenbürtig. Der kul­turhistorische Roman spielt in der Zeit Fried­richs V. vor dem Hintergrund der wilden Natur und des eigenartigen Volkslebens der Nordmeer­inselin. Greene ist nach seinemAm Abgrund des Lebens mit demOrientexpreß jetzt in der inzwischen auf 12 Nummern gewachsenen Reihe der flexiblen Taschenbücher schon zum zweiten Mal vertreten. Er schildert, wie in allen seinen Büchern, die Dämonie des modernen Le­bens faszinierend. Nichts ist erregender als die­ser den Kontinent durchrasende Orientexpreß, der in seinem stählernen Gehäuse Exponenten aller Länder und Lebenskreise fernen Zielen zuträgt.,

Füllhorn des Humors

Anton Graf, Knyphausen,Benedikt und Berenice. Roman. Mit Illustrationen von Willy Wldmann. 228 S.

Was Knyphausen hier in verspielten Kapiteln erzählt, ist ganz einfach die Geschichte einer Liebe. Der Skilehrer und Journalist Benedikt lernt das Mädchen Berenice kennen, sie wird seine Frau und folgt ihm aus ihrer Heimat Rom in seine Heimat Wien. Das ist im Frühling. Es wird eine bezaubernde Ehe, aber als der Schnee fällt und ihnen der Sohn geboren wird, muß die junge Mutter sterben. Um diese schlichte Ge­schichte rankt der Autor mit den Phantasiespielen der Liebenden seine Arabesken, welche dartun, daß rechte Liebe von Ewigkeit zu Ewigkeit währt, daß ein solches Liebespaar sich von Adam und Eva her immer wieder begegnet und daß es für solche Liebe kein Aufhören gibt. Eine große Hei­terkeit erfüllt dieses Buch, jene echte Heiterkeit, der auch der Tod nichts anhaben kann. Knyp­hausen weiß eine weltmännisch-anmutige Feder zu führen, und es gibt unter den deutschen Schriftstellern nicht gerade viele, die sich darin miit ihm vergleichen lassen. Das richtige Ge­schenkbuch für Liebesleute; besonders reizvoll durch die einigestreuten ganzseitigen Fedorze ; ch- nungen des bekannten Illustrators Willy Wid- mann.