8. Jahrgang
SAMSTAG, 2. SEPTEMBER 1958
Nummer W
Das Vorwort des Finanzministers
Muß Schaffer von seinem Geld sack „losgeeist" werden?
Von unserem Bonner Dr. A. R.-Vertreter
Die Vorlage des 13-Milliarden-Etats des ich auch, daß der Finanzminister trotz aller
Bundes an das Parlament ist von dem Finanzminister mit der Bemerkung begleitet worden, daß mit diesem Augenblick der Artikel des Grundgesetzes gelte, der alle Beschüsse des Parlaments, die neue Ausgaben erfordern, von der Zustimmung der Bundesregierung abhängig macht. In der Oeffent- lichkeit ist dieser Satz wahrscheinlich nicht sehr beachtet worden; in den parlamentarischen Kreisen wird er desto besser verstanden worden sein. Denn er ist alles andere als eine theoretische Feststellung, er hat sehr unmittelbare und praktische Bedeutung für die kommenden Monate der parlamentarischen Entscheidungen.
Der Bundestag wird jetzt nicht mehr Beschlüsse auf Erhöhung staatlicher Leistungen zum Beispiel mit dem Argument bekräftigen können, daß die Regierung grundsätzlich verpflichtet sei, Beschlüsse des Parlaments durchzuführen. Das Grundgesetz gibt der Regierung das Vetorecht gegen Gesetze und Anträge, die im Haushaltsplan nicht vorgesehene Ausgaben bedingen, und Minister Schäffer hat mit sichtlicher Befriedigung betont, daß dieses Veto vom Tage an gesprochen werden könne, an dem der Etat vorgelegt sei.
Der Finanzminister hat den Ausspruch eines Abgeordneten anscheinend nicht vergessen, daß die Regierung die Mittel zu beschaffen und nicht zu protestieren habe, wenn der Bundestag ein Gesetz beschließe, und er wird solchen Erklärungen künftighin das Grundgesetz entgegenhalten. Er wird ihnen auch die Bestimmung entgegensetzen, die sich der Bundestag selbst gegeben hat, daß gleichzeitig mit einem Antrag auf neue Ausgaben auch nachgewiesen werden muß, mit welchen nguen Einnahmen die Deckung geschaffen werden soll, und er hat bereits die bisher manchmal beliebte Methode für von jetzt ab ungültig erklärt, sich einfach mit dem Vermerk zu behelfen: „Die nötigen Mittel sind im Haushalt zur Verfügung zu stellen.“
Der Kampf zwischen dem Parlament und dem Finanzminister um das Ausmaß der großen Sozialgesetze wird nach Ansicht Schäffers nach der Vorlage des Etats in ein neues Stadium treten, in dem die Ziffern des Etats zur Barrikade gegen Anträge auf Ausweitung der Leistungen werden. Blickt man auf die jetzt schon laut gewordenen Forderungen nach weiteren 600 Millionen für das Bundesversorgungsgesetz und einigen hundert weiteren Millionen für die Verdrängtenhilfe, so zeigt sich die sehr aktuelle Bedeutung dieser Erklärung des Finanzministers in seinen ersten Worten schon zum Haushalt. Es zeigt
stürmischen Kritik, die gegen ihn laut geworden ist, seinen Kurs nicht zu ändern gedenkt, daß sich die Ausgaben nach den Einnahmen, die Leistungen des Bundes nach den Möglichkeiten der Bundeskasse zu richten haben. Mehr als 13 Milliarden aus den Taschen der Steuerzahler und der Verbraucher in der Form der Verbrauchssteuern, neben einigen kleineren, anderen Einnahmen, für den Bernd herauszuholen, scheint dem Finanzminister unmöglich und so wurden die Ansätze aller Ausgaben im Rahmen dieser 13 Milliarden gehalten. An diesem Punkt wird wahrscheinlich jetzt die grundsätzliche Debatte im Parlament einsetzen. Damit aber kann fortan nicht mehr nur über die Notwendigkeit debattiert werden, mehr Geld für die oder jene Gruppe bereitzustellen, sondern muß im gleichen Augenblick auch entschieden werden, daß solche Mehrleistungen durch Steuererhöhungen gedeckt werden müssen.
Die sozialdemokratische Oppostion hat schon davon gesprochen. Auch die Opposition gegen den Finanzminister in den Reihen der Regierungsparteien wird sich vor diese klare Frage gestellt sehen, hinter der die andere Frage steht, inwieweit erhöhte Steuern auch erhöhte Einnahmen bringen. Die Erfahrungen haben gezeigt, daß es ein Maximum der Steuerlast gibt, von dem ab die Einnahmen nur sinken, wenn die Abgaben erhöht werden. Die Grundfrage aller Auseinandersetzungen im Bundestag mit dem Finanzminister wird nun werden müssen, ob dieses Maximum erreicht ist, wie es die Regierung glaubt, oder ob die augenblicklichen Sätze noch unter ihm liegen, wie die Opposition annimmt. Erst die Antwort auf diese Frage muß allen Fragen nach weiteren Leistungen des Bundes vorangehen. Damit aber werden die parlamentarischen Debatten und Entscheidungen in die Atmosphäre der Realität und der Klarheit treten, nachdem bisher manchmal fast in der Fiktion gesprochen zu werden schien, daß der Finanzminister auf seinen Geldsäcken sitze und von ihnen losgeeist werden müsse.
Eine wichtige Rolle allerdings wird auch die Prüfung der Frage sein, in welchem Maß durch belebte Kreditschöpfung Mittel gewonnen werden könnten; aber unbestritten im allgemeinen muß das Motto aller Beratungen bleiben, daß weder das Parlament noch der Finanzminister, sondern die Gesamtheit aller Staatsbürger das Geld gibt und sowohl eine Ausgabenfreudigkeit des Parlaments wie eine Ausgabenverweigerung des Finanzministers Angelegenheit aller Steuerzahler sind.
Hermann Blumenau, Kolonist in Brasilien
Zum 100jährigen Gründungstag der Kolonie Blumenau am 2. September 1950
Von Dr. phil., Dr. rer.
Von den Deutschen, die im 19. Jahrhundert in Südamerika für den wachsenden Bevölkerungsüberschuß Raum zu schaffen versuchten, ist keiner so populär geworden wie Hermann Blumenau, der vor 100 Jahren den Grundstein zur Siedlung Blumenau im brasiliani- Staate Sta. Catharina legte. Wir haben heute besonderen Grund, dieses weitblickenden und tatkräftigen Mannes zu gedenken. Denn seine Gründung gehört zu unseren wenigen überseeischen Kolonialleistungen von großer Beständigkeit.
Blumenaus Erfolg hat auf gründlichem Wissen, sorgfältiger Vorbereitung und uneigennütziger Durchführung seines bedeutenden Siedlungsprojektes beruht. Dieser Braunschweiger, der eigentlich Apotheker werden sollte, war von Jugend an ein planender und wagemutiger Geist gewesen. Bereits mit 23 Jahren — B. wurde am 26. 12. 1819 geboren — trat er als Teilhaber in die chemische Fabrik von H. Trommsdorff in Erfurt ein — auch dieses bedeutende Unternehmen besteht noch heute —, holte das Studium nach und erwarb sich den philosophischen Doktorgrad. Seit 1842 verwendete er seine freie Zeit auf das Studium des Auswandererwesens, trat mit dem Verein zum Schutz germanischer Einwanderer“ zu Hamburg in Verbindung und ging alsbald in seinem Auftrag nach Brasilien, um geeignetes Land für eine Gemeinschaftssiedlung ausfindig zu machen.
Blumenau hat viele Eigenschaften besessen, die ihn für den Beruf des Kolonisators geeignet machten; die wertvollste war seine sachliche Unvoreingenommenheit, verbunden mit schöpferischer Phantasie. Beinahe alles ist in seinem Leben anders gekommen, als er ursprünglich geplant hatte; da er aber kein Doktrinär war, paßte er sich, wenn es Schwierigkeiten gab, mühelos der neuen Lage an.
Eigentlich hatte er nicht beabsichtigt, selbst das Risiko einer Kolonie-Gründung zu übernehmen, aber als sich der Hamburger Verein auflöste, ging der mäßig begüterte Mann selbst ans Werk, das er auf einer Reihe von Großbetrieben aufzubauen gedachte. Sobald er sah, daß dies der ökonomischen Lage nicht entsprach, schuf er Kleinbauemstellen. Auch der Gedanke des Gemeinschaftsunternehmens erwies sich auf die Dauer als unvorteilhaft; ohne Zögern bot Blumenau die Kolonie nach
Atom — Theater
In Chikago wurde das erste Atom-Theater der Welt gebaut. In ihm werden die Besucher mit den Grundproblemen der Atom- Wissenschaft vertraut gemacht. Vorgeführt wird ein großes dreidimensionales Atom- Modell, ein kleiner Atom-Zertrümmerer, ein elektrostatistischer Atom-Meter und eine sogenannte Mausefallen-Bombe.
pol. Franz Thierfelder
zehn Jahren der brasilianischen Regie "eng zur Uebernahme an und ließ sich vom Staat als Kolonialdirektor anstellen. 33 Jahre widmete er dem Unternehmen seine besten Kräfte. Als er sah, daß seine Schöpfung auf eigenen Füßen stehen konnte, führte er die Munizipalverfassung ein und kehrte 1884 nach Braunschweig zurück, um nun von der Heimat aus den Auswandererstrom in die Gebiete zu lenken, deren Wert er gründlich kennen gelernt hatte.
Seine Schöpfung war zum Kernstück und Vorbild für die deutschen Siedler in Brasilien geworden, und man muß den Weitblick der Pariser Weltausstellung von 1867 bewundern, die schon so früh Blumenau einen der zehn Großen Preise für sein Siedlungswerk zuerkannte. An Ehrungen hat es ihm auch in der Folgezeit nicht gefehlt; schon in jungen Jahren hat der vollbärtige scharfsinnige Mann einen starken Eindruck auf seine Zeitgenossen gemacht. Das freie Deutsche Hochstift zu Frankfurt ernannte ihn bereits 1859 zum Ehrenmitglied und Meister.
Nicht er, sondern Kaiser Pedro II. von Brasilien ordnete an, daß die neue Kolonie Blumenaus Namen tragen solle. Sie trägt ihn auch heute noch, und aus den ersten 17 Einwanderern sind inzwischen zehntausendmal soviel geworden. Das Siedlungsgebiet hatte sich innerhalb von hundert Jahren verdreifacht und umfaßte 10 600 qkm; nach europäischen Begriffen war es ein stattliches Herzogtum geworden. 1934, als im Zusammenhang mit den politischen Wandlungen in Deutschland eine starke Spannung eintrat, wurde das Munizip Blumenau in sechs Verwaltungsbezirke geteilt. Die Stammsiedlung Blumenau schrumpfte wieder auf den zehnten Teil zusammen und zählte 1939 35 000 Einwohner. Der äußere und innere Charakter der Siedlung ist deutsch geblieben, auch wenn zahlreiche Familien zur portugiesischen Sprache übergegangen sind. Es ist bemerkenswert, daß Blumenau in seiner 1846 unter fremdem Namen veröffentlichten Schrift „Deutsche Auswanderung und Kolonisation“ besonders der Gefahr Vorbeugen wollte, daß Auswanderer die alte Heimat in politische Konflikte ziehen könnten. Daß einst der umgekehrte Fall zur schwersten Erschütterung des Deutschtums in Brasilien führen werde, war zu Blumenaus Lebzeiten nicht vorauszusehen.
Die schweren Jahre schmerzhafter Spannung sind nun vorüber. Deutschsprechende und portugiesischsprechende Bürger werden heute in der Ehrung eines Mannes wetteifern, der beiden Völkern angehört. Die schönste Ehrung Blumenaus wäre es freilich, wenn die Hundertjahrfeier den Auftakt zu einer Reihe von Neusiedlungen bilden würde, durch die das übervölkerte Deutschland entlastet und das noch aufnahmefähige Brasilien bereichert werden könnte.
Endlich wieder
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bas bewährte M/afchmitfei ftr alle Wäfche
P123e/50