6. Jahrgang
SAMSTAG, 12. AUGUST 1950
Nummer 124
*ten Erscheinungen der letzten Monate und ein Beweis dafür gewesen, daß wir Deutschen politisch bereits erheblich gelernt haben, wenn unsere Delegierten in Straßburg gerade in dieser Frage zu denen gehörten, die nicht für übereilte Lösungen eingetreten sind. Es hätte für manchen von uns vielleicht nahegelegen, im Zeichen der europäischen Sorgen und Krisen eine Konjunktur auszunützen, die es uns ermöglichen würde, über eine aktive Beteiligung an der europäischen Verteidigung unter Umständen schneller als auf dem bisherigen Wege zur vollen Souveränität zu kommen. So verlockend Churchills Vorschläge sein mögen, wir halten es in diesem Falle mehr mit Prof. Schmid und dem Delegierten Gerstenmaier, die der Ansicht sind, ein dringenderes Anliegen als ein deutsches Truppenkontingent sei eine politische Vereinigung Europas. Schaffen wir. zuerst eine europäische Souveränität, dann kann man immer noch über eine europäische Streitmacht, an der auch Deutsche beteiligt wären, sprechen. Vielleicht ist sie dann überhaupt keine große Notwendigkeit mehr, weil ein solches Europa der kommunistischen Bedrohung damit eine wirkungsvolle politische Idee entgegenzusetzen hätte.
So wie die Dinge heute liegen, müssen wir beinahe froh sein, wenn der Ministerrat in Straßbprg jeden Schwung vermissen läßt. Es besteht dadurch eher die Aussicht, daß den meisten von uns, wenigstens im Augenblick, der Gewissenskonflikt erspart bleibt, in den jeder Deutsche nach allem was geschehen ist in der Frage einer deutschen Wiederaufrüstung gestürzt würde. Denn im Grundsätzlichen bliebe sich die Stellungnahme zum Kriegsdienst gleich, ob die Remilitarisierung in der Form einer eigenen deutschen Truppe oder der Beteiligung eines deutschen Kontingents im Rahmen der gesamteuropäischen Verteidigung erfolgen würde.
An der Fehlkonstruktion in Straßburg ändert es allerdings nichts, wenn uns in der Frage der deutschen Wiederbewaffnung eine Verzögerung im Augenblick willkommen sein mag. Was für uns möglicherweise in bezug auf eine Wiederaufrüstung ein Segen ist, weil es uns vorläufig innere Auseinandersetzungen erspart, bleibt doch für Europa im gesamten gesehen eine riesengroße Gefahr je schneller die Zeit verrinnt. Die politische europäische Lösung ist unsere einzige Rettung, der wir aber über Straßburg in der bisherigen Form keinen Schritt näher kommen.
Landarbeiter-Sozialprogramm
Eine Vereinbarung mit dem DGB
HANNOVERSCH-MÜNDEN. Zwischen den landwirtschaftlichen Sozialpartnern und dem Deutschen Gewerkschaftsbund wurde ein Sechspunkteprogramm zur Besserstellung der Landarbeiter vereinbart, das davon ausgeht, daß nur eine größere Massenkaufkraft der Landwirtschaft eine gesunde Lebensgrundlage sichern könne. Gefordert wird, daß die Land^ löhne an die Stadtlöhne angeglichen werden.
Im einzelnen wird gedacht an Erhöhung des Anteils des landwirtschaftlichen Erzeugers am Endpreis seiner Produkte durch Verkürzung des Handelsweges und genossenschaftlichen Zusammenschluß in der Produktions-, Verar- beitungs- und Verteilerstufe; Orientierung der deutschen Agrarpreise nach dem Weltmaß unter Berücksichtigung der deutschen Agrar- und Konsumenteninteressen; direkte Subventionen an die Landwirtschaft, vor allem zur Verbilligung von Düngemitteln; gesetzliche Einführung von Kinderzuschüssen für die Bezieher niedriger Einkommen; Regelung des Lastenausgleichs für die Landwirtschaft; Bereitstellung billiger Mittel für den sozialen Wohnungsbau für Landarbeiter.
ATHEN. Ein Prozeß gegen 61 Kommunisten vor dem Kriegsgericht in Athen endete am Donnerstag nach 24tägiger Dauer mit der Verurteilung der 12 Hauptangeklagten zum Tode. Die übrigen erhielten größtenteils hohe Gefängnisstrafen; 17 Angeklagte wurden freigesprochen. Die Anklage lautete auf Sabotage, Terrorakte und Vorbereitung der Ermordung.
Keine Interzonenpässe
Innenminister beraten KPD-Verbot
BONN. Die Innenminister der elf westdeutschen Länder haben auf einer Tagung in Bonn am Donnerstag beschlossen, den 1500 westdeutschen Delegierten vom Berliner Nationalkongreß der „Nationalen Front“ am 25. August die Ausstellung von Interzonenpässen zu verweigern. Außerdem haben sich die Innenminister auch über ein eventuelles Verbot der KPD in Westdeutschland unterhalten. Bundesinnenminister Heinemann erklärte hierzu nach der Tagung: „Ein Verbot der KPD kann nur vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochen werden. Dieses besteht aber noch nicht und dürfte kaum vor November seine Tätigkeit aufnehmen.“
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums führte aus, die Tagungsteilnehmer hätten „Beobachtungen über die kommunistische Infiltration nach Westdeutschland ausgetauscht und engste Zusammenarbeit in der Anwendung von Abwehrmaßnahmen beschlossen“.
Schließlich erfuhr man, die Konferenz habe sich auch mit der Frage der Inserate westdeutscher Firmen und Industrieunternehmen in kommunistischen Zeitungen beschäftigt.
Dem Innenministerium sei Material vorgelegt worden, aus dem hervorging, daß 22 bekannte westdeutsche Unternehmen in der kommunistischen Zeitung „Freies Volk am Wochenende“ inserierten. Verschiedene westdeutsche Zeitungen haben diese Handlungsweise westdeutscher Geschäftsleute bereits angegriffen und erklärt, daß auch solche „Persil- Scheine“ im Falle eines Machtwechsels in Westdeutschland wenig Nutzen hätten. In der Frage der Vergrößerung der Polizeieinheiten der westdeutschen Länder um rund 10 000 Mann kam man überein, die Kosten — etwa 70 Millionen DM — anteilmäßig auf den Bund und die Länder zu verteilen.
Vier KP-Zeitungen verboten
Gefängnisstrafen für Plakatkleber
HAMBURG. Die Besatzungsmächte haben nunmehr im Bundesgebiet im Laufe des August insgesamt vier KPD-Zeitungen für drei Monate verboten. Es sind dies die hessische „.Sozialistische Volkszeitung“, die „Hamburger Volkszeitung“, das Düsseldorfer „Freie Volk“ und die Kölner „Volksstimme“. Für die gleiche Zeit dürfen die Druckereien und die Verlegerfirmen dieser Zeitungen gleichfalls
ihre Tätigkeit nicht ausüben. Die Verbote wurden damit begründet, daß die betreffenden Zeitungen Artikel veröffentlicht hätten, die das Prestige und die Sicherheit der alliierten Besatzungstruppen beeinträchtigen. Dies entsprechend der Ankündigung der alliierten Hohen Kommission, keinen kommunistischen Widerstand gegen die Besatzungsmächte im Bundesgebiet zu dulden.
In Düsseldorf verurteilte ein britisches Gericht vier Kommunisten zu Gefängnisstrafen bis zu 7 Monaten, weil sie Plakate mit der Aufschrift „Ami go home“ geklebt hatten.
Auf dem Bremer Hauptbahnhof kam es zu Auseinandersetzungen zwischen FDJ-Mitglie- dern, die mit Fahnen und Transparenten erschienen waren, und der Polizei. In Mainz verbot der Regierungspräsident eine zum Wochenende einberufene Versammlung des kommunistischen „Landesausschusses Rheinland-Pfalz für ein einiges Deutschland“.
Oder-Neiße-Grenze unantastbar
Flucht nach Westen geht weiter
BERLIN. Das Mitglied des Politbüros, Franz Dahlem, erklärte vor SED-Funktio- nären in Schwerin, daß jeder es mit der Ostzonenrepublik zu tun bekomme, der es wagen sollte, die Oder-Neiße-Linie als deutsch- polnische Grenze anzuzweifeln
Am Mittwoch sind wieder zwei Landtagsabgeordnete der Ostzonen-LDP, Wilhelm B ü 1 k (Brandenburg) und Hildegard Meißler (Sachsen-Anhalt), nach Westberlin geflüchtet. Sie gaben an, unmittelbar vor ihrer Verhaftung durch den Staatssicherheitsdienst der Ostzone gestanden zu haben.
Ein Bewohner der Ostzone, der sich vorübergehend bei Verwandten in Niedersachsen aufhielt, wurde von der Volkspolizei am Donnerstag erschossen, als er auf dem Rückweg die Zonengrenze bereits überschritten hatte.
Der Staatssekretär im Ostzonenfinanzministerium, Willi Rumpf (SED), beschuldigte am Donnerstag im Haus der Sowjetkultur die Privatwirtschaft, in den letzten vier bis fünf Monaten 450 Millionen Mark Steuern hinterzogen zu haben. Deshalb sei es bisher auch noch nicht möglich gewesen, die Renten der Alten und Kranken in der Ostzone zu erhöhen.
Nachrichten aus aller Welt
MÜNCHEN. In einem Nachlaßverfahren gegen den 1950 verstorbenen ehemaligen SS-Brigade- führer und PG Nr. 8, Ulrich Graf, der Hitler bei dem Marsch auf die Feldherrnhalle mit seinem Körper deckte und dabei schwer verwundet wurde, verfügte die Spruchkammer München am Donnerstag die Einziehung seines gesamten Vermögens. Zur Urteilsbegründung erklärte der Spruchkammervorsitzende: „Bei geringerer Tapferkeit hätte Graf das deutsche Volk vor großem Elend bewahrt.“
MÜNCHEN. Der Rechts- und Verfassungsausschuß des bayerischen Landtags lehnte am Donnerstag nach einer Debatte, von nur 6 Minuten einstimmig einen Antrag des fraktionslosen Abgeordneten Haußleiter (Deutsche Gemeinschaft) ab, die Schaffung einer Bundespolizei zu unterstützen.
ALTÖTTING. Der 59jährige Franz Grill gestand am Donnerstag der Polizei, daß er in der Nacht zum 6. August seine 55jährige Ehefrau Karolina aus dem Bett geholt und mit einem Strick an der Tür aufgehängt habe. Der Mörder, der vom Juli 1949 bis Mai 1950 in einer Heil- und Pflegeanstalt untergebracht war, berichtete, er habe in der Mordnacht seine Frau zu dem Schwur gezwungen, daß sie ihn betrüge, und als sie ihm auf die Frage, was sie dafür verdiene, antwortete „den Strick“, habe er das selbstgesprochene Urteil vollzogen.
BONN. Der Vizepräsident des Bundestags, Prof. Karl Schmid, hat telegrafisch von Straßburg aus die nächste Aeltestenratssitzung des Bundestags für 4. September einberufen. Es wird daher angenommen, daß der Beginn der Parlamentsarbeit um etwa eine Woche verschoben wird.
BIELEFELD. Als dem Insassen eines britischen Personenautos die Mütze vom Kopf flog, bremste der Fahrer scharf, woraufhin ein Lastwagen und Personenwagen auf das Fahrzeug auffuhren und ein weiterer Personenwagen im Straßengraben landete.
LONDON. Der polnische Ozeandampfer „Ba- Jory“, der seinerzeit dem jetzigen Ostzoneninformationschef Gerhart Eisler zur Flucht aus den USA nach Deutschland verhalf, wird in Southampton von Vertretern der USA und Großbritanniens mit Spannung erwartet, da sich an Bord zwei blinde Passagiere befinden sollen, für die man sich interessiert.
AMSTERDAM. Der ehemalige Masseur Heinrich Himmlers, der aus Finnland stammende Dr. Felix Kersten, ist wegen seiner Verdienste um Holland — er benutzte seinen Einfluß auf Himmler u. a. dazu, die Deportation holländischer Staatsbürger nach Polen zu verhindern — mit dem Titel eines Großoffiziers des niederländischen Ordens von Nassau-Oranien ausgezeichnet worden.
MAILAND. In einer Mailänder Papierfabrik wurden bei einem Großfeuer elf Arbeiter verletzt, zwei weitere werden vermißt. Eine neue Maschinenanlage im Werte von 450 Millionen Lire wurde vernichtet.
WASHINGTON. Der demokratische Abgeordnete Poage brachte am Donnerstag im Repräsentantenhaus einen Gesetzesantrag ein, der Präsident Truman die Vollmacht erteilen würde, Angehörige fremder Länder einschließlich Deutschlands und Japans in die Streitkräfte der UN aufzunehmen.
Seltsam — oder doch nicht*
cz. Eine seltsame Geschichte: Drei Stunden und 45 Minuten nachdem das Kommunique des sowjetisch lizenzierten Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienstes (ADN) durch Bekanntgabe das Licht der Welt erblickt hatte, wurde es ohne Begründung zurückgezogen. Das Kommunique, nach dem die Ostzonenregierung die Sowjetunion um Schutz gegen Abwurf von Brandbomben durch amerikanische Flieger gebeten hatte.
Wahrscheinlich stimmt die alliierte Vermutung, daß die eifrige Ostzonenregierung zu weit vorprellte und zurückgepfiffen wurde. Möglich ist aber auch, daß man auf diesem Umweg zeigen wollte, wie es kommen könnte, wenn man... nur wollte. 1938 hat Oesterreich auch NS-Deutschland um Hilfe gebeten. Unter etwas anderen Umständen, aber insofern dasselbe, als auch hier von Hörigen eines Systems um Schutz ersucht wird und Eroberung gemeint ist.
Die unmittelbaren Folgen solcher Schritte, die doch in jedem Falle abgesprochen sein dürften, könnten recht ernster Natur sein, zuerst für Berlin, dann für die ganze Welt. Auf solche Weise entstehen Kriege.
Was auch die Gründe für die Zurückziehung des Schutzersuchens gewesen sein mögen, dieser Vorgang ist wie ein Wetterleuchten. Gewitter und Hagel haben uns noch einmal verschont, doch am Horizont zucken grelle Lichter, die Gefahr bedeuten.
Gründe für das Verhalten der Ostzonenregierung werden nicht gegeben. Wozu auch? Gründe sind ja meist doch nur Kulissen. Wozu auch? Man sagt einfach wie der ADN- Redakteur, „die Zurücknahme ist dasselbe, als wäre die Meldung nie gebracht worden“. Wer jetzt noch nicht Bescheid weiß, dem ist eben nicht zu helfen.
Man fragt sich nur, wer sich denn diese absurde Geschichte mit den Brandbomben wohl ausgedacht haben mag und kommt zu dem Ergebnis, es kann nur der Erfinder des Kartoffelkäferkrieges sein. Soweit sind wir jetzt. Kein Mittel bleibt unversucht, von dem man sich bei irgendwelchen Leichtgläubigen einen Erfolg verspricht.’ So leben wir denn in einer einzigen Wolke von Unwahrheiten, Unsicherheit und Furcht vor dem, was noch alles kommen könnte. Eine glorreiche Welt. Stimmts?
Was kostet die Rüstung!
Unter dem Eindruck des Koreakonfliktes, so stellt die britische Zeitung „Financial Times“ fest, ist Westeuropa gezwungen, seine Militärbudgets zu erhöhen. Damit erhebt sich für die Nationen, die noch an den Lasten des letzten Krieges tragen, ein schweres Problem.
Nach dem Jahresbericht der Bank für Internationalen Aufbau betrug die Höhe des für die Verteidigung der westeuropäischen Länder erforderlichen Betrages im Durchschnitt pro Kopf der Bevölkerung 5 Prozent des Nationaleinkommens. Die höchste Pro-Kopf-Rate entfällt auf Großbritannien, das damit noch vor den USA rangiert. Der letzte britische Budgetvoranschlag setzt für 1950/51 eine Summe von 781 Mill. Pfund gegen 741 in 49/50 an.
Die folgende Aufstellung zeigt das Verhältnis der Militärbudgets im Westen:
Pro-Kopf-: Großbritannien 7,4 ’/i
Niederlande 6,1 0/0
USA 5,9 °/o
Türkei 5,8 "/•
Frankreich 5,0 "/•
Italien 3,8 •/«
Schweden 3,6 ’/o
Kanada 3,0 •/•
Schweiz 2,7 */•
Norwegen u. Belgien Je 2,5 •/« Dänemark 1,9 °/o
Luxemburg 1,5 “/«
Irland 1,1 •/•
■Rate Budgethöhe 2,072 Mill. Dollar 224 Mill. Dollar 13.000 Mill. Dollar 146 Mill. Dollar 1.000 Mill. Dollar 400 Mill. Dollar 171 Mill. Dollar 385 Mill. (kan. *) 113 Mill. Dollar 38 bzw. 125,6 Mill. Dollar 45.1 Mill. Dollar
Inzwischen dürften sowohl in England als auch in Frankreich die angegebenen Zahlen bereits überholt sein, da in beiden Ländern eine erhebliche Heraufsetzung des Militärbudgets angekündigt bzw.. bereits beschlossen ist.
3 0. Fortsetzung
„Wie Herr Thomaschek mir vor einigen Tagen nach Paris schrieb, verkehrst du mit Ihm und seiner Tochter.“
„Ja
„Wie gefällt dir Margot Thomaschek?“
„Es geht an_“
Das klingt nicht sehr begeistert!“ Und da Lauren nichts entgegnete: „Wie steht Fräulein Thomaschek zu dir?“
„Anfangs war sie sehr zurückhaltend_
neuerdings scheint sie Interesse an mir zu nehmen_“
„Nicht übel! Trude Wenckhaus wäre mir zwar als Frau für dich lieber gewesen, sie hat ein natürlicheres Wesen als das unnahbare
Fräulein Thomaschek_“
„Was letztere Eigenschaft betrifft“, wandte Lauren ein, „so hat' Margot Thomaschek sich neuerdings erheblich gewandelt; Herr Thomaschek glaubt, wie er mir gegenüber erklärte, diese Wandlung auf meinen Einfluß zurückführen zu sollen.“
„Da wärest du ja auf dem besten Wege, dein Glück zu machen, Peter!“
In Lauren revoltierte etwas.
„Ob es gerade mein Glück sein würde, bliebe abzuwarten! Ein gutes Geschäft wäre es jedenfalls!“
Carola Munck war hellhörig. Etwas wie Schmerz glaubte sie aus Laurens Worten herauszuhören. Sie hatte Peter bisher als frischen, unbekümmerten Menschen gekannt; weshalb jetzt diese sentimentale Redensart?
Ein Gedanke zuckte in ihr auf. Unvermittelt blieb sie stehen.
„Liebst du eine andere?"
Lauren gab nicht gleich Antwort; er hatte den Kopf gesenkt.
„Ja...“, kam es dann widerstrebend über seine Lippen.
„Ist sie hier?“
Lauren bejahte.
„Wer ist es?“
k I ** £ ROMAN VON HERMANN WEICK.
ROMAN VON HERMAN
„Eine Amerikanerin, die ihre Ferien in Norderney verbringt.“
„Hat sie Geld?“
„Nein...“
„Also eine ideale Liebe!“
Lauren fuhr auf.
„Du sollst nicht spotten, Tante! Für mich ist die Sache ernst genug!“
„Hast du die Absicht, die Amerikanerin zu heiraten?“
„Heiraten? ..,Er lachte höhnisch auf. „Du weißt so gut wid ich, daß, so wie die Dinge bei uns zu Hause stehen, an diese Heirat nicht zu denken ist! Nur keine Angst — ich werde euch nicht enttäuschen, sondern die reiche Margot Thomaschek heiraten, wenn sie mich will! Bist du jetzt zufrieden?“
Carola Munck legte den Arm um Laurens Schultern.
Von all ihren Verwandten war Peter ihr der liebste; seit jeher hatte er ihrem Herzen am nächsten gestanden. Nun fühlte sie Mitleid mit ihm; sie ahnte, wie schwer der Konflikt war, in dem er sich befand.
„Meinst du, so wie es dir jetzt ergeht, sei es anderen nicht auch schon ergangen, Peter? .... Glaubst du, es sei damals für mich leicht gewesen, als ich mit meinen neunzehn Jahren den reichen Doktor Munck heiraten mußte, damit wir aus den zerrütteten Verhältnissen herauskamen, in die wir durch die langjährige Krankheit meines Vaters geraten waren?
-Ich bin trotzdem an dieser Heirat nicht
zugrunde gegangen! Vielleicht wäre ich, wenn ich einen Mann bekommen hätte, den ich liebte, kein so überspanntes Frauenzimmer geworden, vielleicht ist darauf meine ewige Unrast zurückzuführen_ Mit der Zeit findet
man sich aber mit allem ab, heute bin ich mit
meinem Los zufrieden-so wird es auch
dir eines Tages ergehen, Peter! Das Leben versetzt uns mancherlei Püffe; wir müssen nur immer den Kopf oben behalten und dürfen uns nicht an Unmögliches verlieren!“
■ Etwas Mütterliches war in Carola Muncks Worten gewesen; so hatte Lauren sie noch nie reden gehört. Immer hatte er sie als gutgelaunten, höchst zufriedenen Menschen gekannt — nun erschien sie ihm plötzlich in ganz anderem Licht.
Durfte er weniger tapfer . sein als diese Frau? Wäre es nicht feige, noch länger zu jammern und zu klagen?
„Mache die keine Sorgen meinetwegen, Tante“, sagte er entschlossen; „ich werde schon den Kopf oben behalten — komme, was kommen mag!“
„Eine schönere Ueberraschung, als Ihr Kommen es für mich bedeutet, hätte dieser Tag mir nicht bringen können!“ sagte Thomaschek zu Frau Munck, die ihm auf der Terrasse seiner Villa gegenübersaß.
„Deshalb suchte ich Sie so rasch auf; gute Freunde soll man nicht warten lassen!“
„Sie rechpen mich zu Ihren guten Freunden, gnädige Frau?“
„Ja“, antwortete sie und sah ihn offen an, „ich freue mich, wieder ein paar Tage mit Ihnen zusammen zu sein!“
Thomaschek fühlte, daß sein Herz wie das eines Zwanzigjährigen schlug.
Grenzenlose Verehrung empfand er für Carola Munck; die Tage, die er in Nizza mit ihr verbracht hatte, hatten ihm mehr bedeutet als nur ein flüchtiges Ferienerlebnis. Seitdem hatte er immer wieder, wenn auch sich selbst kaum bewußt, mit dem Gedanken gespielt, wie schön es sein würde, einen Menschen wie Frau Munck zur Seite zu haben; Margot würde über kurz oder lang heiraten und ihn verlassen, dann würde er allein sein
_wie gut wäre es dann, jemanden um sich
zu wissen, der zu ihm gehörte-aber war
es bei seinem Alter nicht vermessen, sich solchen Gedanken hinzugeben?
„Wie geht es Ihrer Tochter?“ fragte Carola Munck in sein Grübeln hinein.
„Danke — sehr gut! Im Augenblick befindet sie sich auf einem Spaziergang; Baron von Hasse, den Sie ja von Nizza her kennen, holte sie ab.“
Frau Munck, die durch Thomaschek von der wenig rühmlichen Rolle wußte, die Hasse seit Jahren bei Margot Thomaschek spielte, lachte.
„Der unvermeidliche Baron scheint die Hoffnung, die Zuneigung Ihrer Tochter zu erlangen, noch immer nicht aufgegeben zu haben!“
„Es sieht ganz danach aus; dabei bekommt er jetzt täglich vor Augen geführt, daß Margots Interesse sich in ganz anderer Richtung bewegt“, und da Carola Munck ihn in gemachter Verständnislosigkeit anschaute: „Ihr Neffe, Herr Lauren, steht bei meiner Tochter in hoher Gunst!“ (Fortsetzung folgt)