6. Jahrgang

Montag, 10. Juli 1950

Nummer 105

Ein Abenteuer auf der Flucht

Von A. E. Johann

Die Entflohenen wanderten hastig mit ge­dämpften Schritten dahin. Das Sternenlicht drang kaum bis auf den Grund des Waldes, den sie durcheilten. Es war sehr dunkel unter der Bäumen; gerade war der Pfad noch als blasses Band am Boden zu erkennen. Der Wald schwieg; Schatten, unbestimmbar, durch­wogten das Unterholz.

Mit einem Male wußten sie wieder, was sie in der traumhaften Viertelstunde des ersten Aufatmens im Schutz des hohen Grases fast vergessen hatten: wir sind auf der Flucht; wir sind in Gefahr! Sie wußten, daß sie etwa eine Stunde durch den Wald zu wandern hatten; hier waren sie ziemlich sicher, denn die ge­legentlichen Patrouillen, die nachts den Um­kreis des Lagers abstreiften, machten sich nicht die Mühe, den steilen Talrand zu er­steigen. Wo man sich nicht als amerikanischer Soldat im Jeep auf vier Autorädern fortbe­wegen konnte, da war man ohnehin vor Über­raschungen ziemlich sicher, solange kein Alarm gegeben wurde; Alarm aber war aus­geblieben; das hatten sie im Grase über dem Tal erwartet. Für diesen Fall hatten sie sich längst vor der Flucht schon einen anderen Plan zurechtgelegt; der war nun vergessen; sie hatten das Lager heimlich verlassen; nie­mand hatte bisher Verdacht geschöpft Wenn wir dann, dachte Paul weiter, den Wald hinter uns haben, müssen wir die große Straße nach Charleston überqueren; da hört der Pfad auf; dann kommen Maisäcker und Tabakfelder, dann die Eisenbahnlinie von St. Pleasant nach Norden und dahinter kann es nicht mehr weit zum Ohio sein Teufel noch eins!

Er war in der Dunkelheit gegen einen Baum gerannt. Peter rannte auf ihn auf:

Junge, eine Düsternis! schimpfte er leise. Ich wollte, wir wären erst aus diesem Wald! Wie spät mag es sein? Schon nach Mitter­nacht?

Sicherlich! In drei, vier Stunden wird es hell. Dann müssen wir schon auf der andern Seite des Flusses sein; dann fangen sie hier an zu suchen.

Und unsere elenden Lumpen mit dem P. W. müssen wir vorher loswerden, sonst kön­nen wir uns nirgends sehen lassen.

Erst mal weg, Peter, von dem verdamm­ten Lager, weit weg! Wenn nicht anders, müssen wir uns tagsüber wieder verstecken.

Vier, fünf Tage reicht unser Provi-

Peter legte dem Freunde fest die Hand auf den Mund; flüsterte:Still, es kommt je­mand!

Das Unterholz war sehr dicht rechts und links und völlig lichtlos, ein Ausweichen nicht mehr möglich. Ein Schatten bewegte sich -vor ihnen ein .Mann er pfiff leise; dann sang er gedämpft in hohen Kehl tönen; er fürchtete sich offenbar.

Peter griff zum Boden hinunter, nahm zwei trockene Stück Holz auf, drückte eins Paul in die Hand, murmelte:Da, deine Pistole! Es ist ein Schwarzer! Laß mich machen.

Er schob ihn auf die andere Seite des Pfa­des. Der Neger war schon heran.

Nimm die Flossen hoch! sagte Peter halb­laut in dem schneidend rauhen Ton, den er von den amerikanischen Wachmannschaften gelernt hatte. Er sprang vor den Mann mit einem Satz, zugleich drückte ihm Paul von hinten diePistole in die Rippen.

Der Neger hob die Hände hoch und stand stocksteif.Hu! hatte er gemacht und ent­setzt den Atem eingezogen.

Peter fragte so grob, wie nur die Militär­polizei zu fragen imstande ist:

Was treibst du dich nachts hier herum? Wie heißt du?

John James, Herr!

Wo kommst du her?

Von Addison, Herr. Wir hatten eine Zu­sammenkunft.

Was für eine Zusammenkunft?

Von unserer Kirche, Herr! Hallelujah-Singen, eh?

Herr Simon griff nach Hut, Mantel und Handkoffer, küßte das nette Gesicht seiner jungen Frau und verließ die Wohnung. Ma­dame begleitete ihn vor die Tür. Eben kam eine Nachbarin daher, mit der man ein paar freundliche Worte wechselte. Da es meist län­gere Zeit zu dauern pflegt, wenn zwei Damen miteinander zu sprechen beginnen, verab­schiedete Herr Simon sich eilig, denn er mußte erst noch ins Büro, um dort einiges zu erledi­gen und dann zum Bahnhof, von wo aus er eine dreitätige Geschäftsreise antreten würde.

Hallo rief ihm seine Frau nach,vergiß nicht!

Was soll ich nicht vergessen? fragte der Mann, den Schritt hemmend und sich umdre­hend.

Nun, du weißt schon, meinte sie mit ei­nem Seitenblick auf die Nachbarin.Es ist eine zarte Mahnung, daß du unser süßes Geheim­nis nicht vergißt. Der Siebenundzwanzigste.

Ach, so, aha! rief Herr Simon zurück, winkte und ging rasch davon. Er wußte aber gar nichts. Der Siebenundzwanzigste? Süßes Geheimnis? Er hatte ein furchtbar schlechtes Gedächtnis für liebevolle Daten, wie Geburts­tag, Hochzeitstag. Jahrestag des ersten Kus­ses und andere weiblicherseits sehr ernst ge­nommene Erinnerungsfestlichkeiten. Irgend­etwas würde es schon sein, für alle Falle wollte er sich nach seiner Rückkehr daheim mit einem zarten Geschenk einstellen. Die Geschäftsreise dauerte diesmal länger als \*>r- gesehen. Herr Simon schickte seiner Frau ein Telegramm mit der Mitteilung, daß er erst am Neunundzwanzigten kommen könnte.

An diesem Tag kehrte er auch tatsächlich zurück. Zuerst begab er sich in seine Firma,

Ja, Herr; die Alten sind in Addison ge­blieben, und die Jungen lagern am Fluß; wir Männer auf dieser Seite, die Mädchen auf der anderen. Es geht eine Fähre hinüber. Wir haben noch geübt; morgen haben wir ein gro­ßes Chorfest. Aber ich konnte nicht dablei­ben. Ich muß morgen früh zur Arbeit. Ich bin bei der Eisenbahn. Ich wohne in Cologne am Kenawha. Meine Eltern und meine Geschwi­ster sind noch-

Ach, halts Maul! Wollen deine Geschichte gar nicht wissen. Weißt du nicht, daß jeder verhaftet wird, der sich eine Meile im Um­kreis des Kriegsgefangenenlagers blicken läßt Hast du den Passierschein?

Nein, Herr! Keinen Passierschein. Ich wußte das nicht.

So ? Wußtest nicht, eh? Wir nehmen ihn mit, was, Paul? Er kann sich einen Tag lang im Loch überlegen, was er hier wollte!

Paul antwortete so dumpf und böse wie möglich:Klar, wir nehmen den Bastard mit! Der Schwarze fing an zu wimmern; noch immer streckte er seine Arme über den Kopf: Oh, Herr, Nicht mich mitnehmen! Ich bin ganz unschuldig. Ich heiße John James. Ich war Soldat. 733. Transportabteilung. Ich komme auch nie wieder hierher! Wenn ich morgen um sieben Uhr nicht auf der Station bin, werd ich bestimmt entlassen; der Stations­meister ist ein strenger Mann.

Jetzt möchte ich aber endlich wissen, was Sie von mir wollen, sagt der Polizeikommis­sar, der aus alledem, was die ihm gegenüber­sitzende, reichlich verwelkte, spitznasige Be­sucherin entrüstet hervorgesprudelt hatte, nicht klug werden kann; und Fräulein Eme­rentia, die ihren Redeschwall unterbrochen hat, um Atem zu schöpfen, schnappt sofort wieder ein:

Herr Kommissar, weils wahr ist. Ein Skandal ist sowas! Wenn ich nur daran denke, treibt es mir die Schamröte ins Gesicht, und ich bin doch kein Kind mehr! Das Ehepaar Lindner treibt es zu arg!

Bitte, der Reihe nach. Ehepaar Lindner, wer ist das?

Der Buchhalter - Lindner und seine Frau. Vor vier Wochen haben sie geheiratet und tun so verliebt.

Na, na, meinte der Polizeikommissar nachsichtig,junge Eheleute sind meistens verliebt.

So? Verliebt? Und in aller Oeffentlichkeit! Ist das ein Gehörtsich? Fräulein Emerentias gelbe Gesichtsfarbe wird rostfleckig.Darum bin ich ja zu Ihnen gekommen, Herr Kommis­sar, weil es nicht anzuschauen ist, was die jungen Leut treiben. Das ist eine Gefähr­dung der körperlichen Sicherheit!

Erlauben Sie! Verliebtsein ist doch keine Gefährdung der körperlichen Sicherheit.

Herr Kommissar, so eine Abknutscherei in aller Oeffentlichkeit

Das kann allerhöchstem eine Verletzung der öffentlichen, Sittlichkeit sein! belehrt der Kommissar Fräulein Emerentia, die ihre Aeuglein weit herausspult.

Das auch, Herr Kommissar, aber zuerst ist es eine Gefährdung der körperlichen Si­cherheit.

Wie kann ein verliebtes junges Ehepaar Ihre körperliche Sicherheit gefährden? So etwas ist mir während meiner langjährigen Dienstzeit noch nicht vorgekommen.

Herr Kommissar, nach dem Nachtmahl setzen sich die Lindners immer auf den Bal­kon und wie nobel sie den Balkon herge­richtet haben: ein Korbtischerl, eine Korbbank und einen Fleckerlteppich wie akkurat wie eine Liebeslaube! Und da sitzen sie dann ganz eng beieinander.

Das soll bei jungverheirateten Ehepaaren öfter Vorkommen.

Und, schnauft Fräulein Emerentia,und daß er den Arm um ihre Hüften legt, und daß

um Bericht zu erstatten. Nach dem Geschäft­lichen ließ er sich einen Vorschuß auf seine Provision ausbezahlen und ging Geschenke einkaufen. Mit einem Karton, zwei kleineren Schachteln, einem Blumenstrauß unter den Armen und je einer Flasche Wein in den Ta­schen seines Mantels kehrte er heim. Leise öffnete er die Wohnungstür, schlich in das Vorzimmer, drehte das Licht an und erstarrte vor Verwunderung. Leer und fremd war der Raum geworden sollte er sich in der Türe geirrt haben? Aber nein, das war ja der Kleiderständer, Wo aber konnten bloß der Schrank und der Spiegel hingekommen sein? Ein merkwürdiger schluchzender Laut ließ das Blut in seinen Adern gerinnen. Mit ei­nem Sprung befand er sich an der Tür zum Wohnzimmer, riß sie auf und stand vor dem Nichts. In der Mitte des Nichts saß seine Frau auf zwei Koffern und weinte. Bei dem energischen Eintritt ihres Mannes sah sie auf, trocknete die Tränen, betrachtete kopfschüt­telnd ihren Eheherren mit Paketen, Blumen und Flaschen und fragte:Was soll dies alles?

Eine kleine Aufmerksamkeit zum Hoch- zeits-, Geburts-, du weißt es schon, zum sü­ßen Geheimnis zum Siebenundzwanzigsten stammelte Herr Simon.Aber sag schnell, was ist hier geschehen? Wo ist die Einrich­tung?

Die wurde heute von der Möbelfirma ab­geholt, weil die drei letzten Raten noch fällig sind und als spätester Zahlungstermin der Siebenundzwanzigste dieses Monats galt. Ich hab dich doch nochmals daran erinnert, so gut dies vor der Nachbarin möglich war, du männliches Heupferd

So, so! Halt ihn in Schach, Paul. Ich will ihn abfühlen.

In Ordnung, Peter!

Mit schnellen Griffen tastete Peter den schwarzen Chorsänger von oben bis unten ab. Dabei berührte er in der hinteren Hosen­tasche einen Gegenstand, der sich wie eine Geldbörse anfühlte. Das brachte ihn auf ei­nen Gedanken. Er sagte:Gut, damit du nicht deine Arbeit verlierst! Einen Tag Haft oder 20 Dollar Strafe. Er könnte sie gleich bezah­len, was, Paul? Gib ihm eine Quittung!

Paul sagte:Quittung kann er haben!

Der Neger meinte noch aufgeregter:20 Dollar? Oh, meine Herren! 20 Dollar! Das ist mir zu teuer! Dann sitze ich lieber einen Tag im Loch!

Paul verlor die Geduld; es blieb ihm leider nichts weiter übrig. Er knirschte scheinbar mit all der wütenden Verachtung, wie sie die Müitärpolizei aller Länder und Breiten für alles, was Zivil trägt, empfindet:Hols der Teufel, Peter, ich hab keine Lust, mich länger mit dem Bastard zu befassen. Laß ihn lau­fen! Peter sah die 20 Dollar entschwinden.

Paul drückte dem Schwarzen noch einmal seinePistole in die Rippen und fauchte wütend und die Wut war echt :Lauf, du schwarzer Knochen! Und der Schwarze sagte noch:

Oh, danke schön, Herr! und versphwand, was das Zeug hielt, im Dunkel.

(Das ist eine Leseprobe aus dem neuen Aben­teuerromanSchneesturm, Heimweh und nächt­licher Bambus", der Ende Mai als Bertelsmann- Volksausgabe erschien.)

sie den Mund spitzt und daß sie sich abbus­seln, soll das auch Vorkommen? Ist das er­laubt?

Na, na, versucht der Kommissar Fräulein Emerentia zu beruhigen,die jungen Leute beweisen damit nur, daß sie sich gern haben. Sie haben ja aus diesem Grunde geheiratet. So schlimm, wie Sie es machen, ist ein Kuß nicht.

Nicht schlimm ist es!? Fräulein Emerentia spult die Augen noch weiter heraus.Und wo bleibt bei so einer Abknutscherei in aller Oef­fentlichkeit die Moral?

Kann man das junge Ehepaar von der Straße aus sehen?

Also, das gerade nicht der Balkon ist mit Blumen verwachsen.

Dann ist ja die Oeffentlichkeit ausgeschlos­sen.

Und ich? Fräulein Emerentias spitze Nase zittert.Bin ich vielleicht keine öffentliche Person?

Können Sie diese Flitterwochenzärtlich­keiten sehen, weil Sie in dem der Balkon­wohnung gegenüberliegenden Haus wohnen?

Nein, wir wohnen im selben Haus, Ich wohn im dritten, die Lindners im zweiten Stock, genau unter mir. Ich hab auch einen Balkon.

Und da können Sie so genau sehen, was auf dem Balkon unter dem Ihren vorgeht? zweifelt der Kommissar.

Das ists ja-eben, Herr Kommissar! Darum

Wer die Dschungelbücher Rudyard Kiplings gelesen hat, kennt Mowgli, das Wolfskind, das von einer Wolfsmutter mit ihren Jungen zusammen großgezogen wurde und mit allen Tieren des Dschungels befreundet war. Ich hielt diese Geschichte immer für eine freie Er­findung und für ganz unmöglich in der Wirk­lichkeit. Jetzt erzählte mir ein indischer Freund, der viele Jahre lang Forstmeister auf der Halbinsel Kathiawar im Staate Ju- nadgar gewesen ist, ein merkwürdiges Erleb­nis

Ein ungeheurer Urwald, der Gir, über­zieht die Halbinsel. Panther, Antilopen, Wild­schweine, Elefanten, Wölfe, Pythonsschlangen und dazu die letzten Löwen Indiens leben in dieser Wildnis. Als Forstmeister hatte mein Freund ein großes Gebiet zu überwachen. Er reiste deshalb viel und übernachtete in ein­samen Rasthäusern und in winzigen Dörfern, wo die Einwohner mühevoll Miniatur-Felder aus dem Dschungel gerodet haben. Die Leute leben da in ständiger Furcht vor den wilden Tieren.

Als der Forstmeister eines Abends in das Dörfchen Tellala kam, stand plötzlich der Dorfälteste vor ihm, anscheinend in großer Erregung, und berührte bittend seine Füße Dann brachte er ein unheimliches Anliegen vor der Fremde möge ein Wolfskind ab­schießen, das unter den Herden seines Dor­fes großen Schaden anrichte. Voll Staunen hörte mein Freund nun, was sich zehn Jahre zuvor in Tellala zugetragen hatte. Mit ihrem einjährigen Sohne war eine Frau zum Fut­terholen in den Dschungel gegangen. Während sie, auf einem Baume hockend, eifrig Blätter schnitt, schlich eine Wölfin herbei, packte das Kind mit dem Maule und verschwand damit im Dickicht. Man konnte nur folgern, was mit dem Kinde weiter geschehen war. Die Wölfin muß das Menschenkind mit ihrem eigenen Wurf großgezogen haben, bis es gelernt hatte, seinen Lebensunterhalt selber zu suchen.

Zum ersten Male hatte man das Kind ge­sehen, als es etwa acht Jahre alt war. Es schlich nachts um das Dorf und raubte Läm­mer und Zicklein. Durch einen Biß in die Gurgel tötete es seine Beute, die es dann roh verschlang. Bald waren die Verluste der Herde so groß, daß etwas getan werden mußte. Aber die Dorfbewohner waren nicht imstande, das Wolfskind zu fangen, da es schneller war als sie. Der Dorfälteste konnte sich nicht entschließen, es zu erschießen. Es war das Kind seiner Schwester! Daher der Appell an meinen Freund.

Der Forstmeister wollte die Geschichte zu­erst nicht glauben. Doch eines Nachts sah er das Wolfskind. Lautlos und geschmeidig wie

Weißer Flieder

Von Grit Karell

Eine kleine Bank in einem großen Park... Das heißt, Park ist eigentlich zuviel gesagt, man könnte es eher als Grünanlage bezeich­nen, denn außer ein paar Rasenflächen ist von Bäumen nicht viel zu sehen. Doch halt vergessen wir nicht unsere kleine Bank ...

Um sie herum stehen ein paar Sträucher, und wir erraten es an ihrem Duft, daß es Flieder ist.

Ein junges Mädchen kommt des Wegs da­her. Einen Augenblick sinnt sie, dann läßt sie sich auf der Bank nieder. Sie ist schmal, ein wenig erschöpft blicken ihre Augen. Am Tage arbeitet sie in einem großen Kaufhaus und abends erwartet sie eine mürrische Wirtin. Doch nun steht sie auf, steckt ihren Kopf in die weiße Blütenpracht, atmet hungrig den Duft ein, diesen betäubenden und so be­glückenden Duft. Ein paar Worte fallen ihr ein, die sie einmal irgendwo gelesen hat:

Der jungen Wiesen erstes Grün.

Des weißen Flieders lockenden Duft,

Und dieses Abends stillen Frieden Nimm tief in deine Seele auf:

Daß du in öder Tage Lauf,

Wenn der Regen fällt in wehenden Strähnen Und dir den Frohmut will vernichten Und einen Schleier vors Auge ziehen Mit heißen, unverstandenen Tränen ...

Daß du, wenn du so traurig bist,

Das hast, dich daran aufzurichten!

Und mit einem Lächeln in den Augen, be­schwingten Schrittes, geht sie ihrer kleinen Heimstatt zu.

Schon hat wieder jemand auf der Bank Platz genommen. Diesmal ist es ein Arbeiter; verhärmte Wangen und müde Augen sagen, daß er sicher manchen Abend hungrig ins Bett geht.

Er hebt den Kopf und seine Augen blicken geradeswegs in das Meer der vielen kleinen weißen Blütensterne. Und mit einemmal sind diese Augen nicht mehr müde, und er wird gleich mach Hause gehen, den Duft in der Nase, und er wird der Frau und den Kindern erzählen von einer kleinen Bank mitten in der großen Stadt, umgeben von Rasenflächen und ein paar duftenden Fliederbüschen!

bin ich ja zu Ihnen gekommen, weil ich diese schamlose Gesellschaft wegen Gefährdung der körperlichen Sicherheit anzeigen will.

Jetzt hören Sie aber schon einmal auf mit der Gefährdung der körperlichen Sicherheit! Dem Polizeikommissar reißt allmählich der Geduldsfaden.In diesem Falle käme aller- höchstens eine Verletzung der öffentlichen Sittlichkeit in Frage.

Was? Das soll keine Gefährdung der kör­perlichen Sicherheit sein!? Fräulein Emeren­tias Begriffe von Moral schreien nach Sühne. Und was sagen Sie dazu, daß ich gestern beinahe auf die Straße hinuntergefallen wäre, so weit muß ich mich hinausbeugen, wenn ich sehen will, was auf dem Balkon unter dem meinen geschieht!?

ein Raubtier lief es auf ein Dornengehege zu. Es sprang mühelos über die zwei Meter hohe Umzäunung und war in Sekundenschnelle mit einem jungen Lamm verschwunden. Auch mein Freund konnte sich nicht dazu entschließen, das Kind abzuschießen. So wurde eine Treib­jagd mit Netzen angestellt, und man fing das seltsame Wild.

Das Kind war weit über seine Jahre ent­wickelt, besaß erstaunliche Kraft und mehrere Männer mußten es festhalten, damit man ihm eine Kette anlegen konnte. Es stieß knurrende Laute aus, die an die Sprache der Wölfe er­innerte. wehrte sich wütend gegen jede Be­rührung. Da mein Freund noch vor dem Be-

..titiiiiiiiiimtiiiiiimimiiitt

Traum durch die Dämmerung

Weite Wiesen im Dämmergrau;

Die Sonne verglomm, die Sterne ziehn:

Nun geh ich zu der schönsten Frau,

Weit über Wiesen im Dämmergrau,

Tief in den Busch von Jasmin.

Durch Dämmergrau in der Liebe Land;

Ich gehe nicht schnell, ich eile nicht;

Mich zieht ein weiches, samtenes Band Durch Dämmergrau in der Liebe Land,

In ein blaues, mildes Licht.

OTTO JULIUS BIERBAUM mm im tun hihi timt im

ginn des Monsuns seine jährliche Rundfahrt durch den Gir beenden mußte, blieb ihm nichts anderes übrig, als das Wolfskind so lange mit sich zu führen, denn er hatte die Absicht, das abenteuerliche Geschöpf indischen Wissenschaftlern zu übergeben. Er bemühte sich, den kleinen Wildling sprechen zu lassen oder wenigstens menschliche Reaktionen in ihm zu erwecken, doch alle Mühe war vergebens. Am Tage wurde das Wolfskind von zwei Eingebo­renen an Stricken geführt, nachts lag es an ei­ner Kette.

Eines Morgens erwachte mein Freund von einem unbeschreiblichen Tumult vor seinem Zelt. Alle Einwohner waren hier zusammen­geströmt. Das Wolfskind hatte sich nachts von seiner Kette befreit, ein vierjähriges Mädchen geraubt und das Kind in der Nähe des letzten Hauses zerrissen und sein Fleisch gefressen. Nun gab es keine Wahl mehr das Wolfskind mußte abgeschossen werden. Mein Freund nahm die Büchse und ging an eine Stelle, von der man den Schauplatz des abscheulichen Vorgangs überblicken konnte. Er sah das schreckliche Geschöpf über dem Kadaver sei­nes Opfers kauern an den Beinen blitzten die Ringe der zerbrochenen Kett» Sein Schuß fiel und traf. Die beiden Leichen wurden nach Landessitte verbrannt.

Nur moralisch sein

Von H. K. Breslauer

Das süße Geheimnis

Von Ralph Urban

Das Wolfskind von Tellala

Von Dr. Ulrich Mohr