17. Fortsetzung]

(Nachdruck verboten)

Es ist schon gut, aber wenn ich jetzt nicht aussteige, dann meinen die drinnen, wir seien eingeschlafen. Also warte hier, ich schicke dir jemanden, der dich zur Garage lotst! Dann gehst du anständig essen.

Langsam schreitet der Professor den breiten Kiesweg zum Hause hinauf, ganz ruhig und aufrecht, und wenn er nicht noch ein wenig hinkte, dann würde man ihm von den Ereig­nissen in Rom überhaupt nichts mehr anmer­ken.

Er findet die Tür nur angelehnt. Als häufi­ger Gast und guter Freund Professor Olen- highs kann er es sich leisten, den Klopfer kurz zu betätigen und dann ohne viel Umstände einzutreten. Dann umfängt ihn das gedämpfte Tageslicht und die wohlige Kühle der großen Halle. Ein Mädchen eilt herbei, doch Professor Verconelli beachtet es nicht; denn schon taucht im Obergeschoß über der geschnitzten Brü­stung der Empore ein blonder Lockenkopf auf und bricht nach kurzem Stutzen in einen Schrei freudiger Ueberraschung aus:

Oh, Mister Verconelli, ich freue mich für Sie, daß es Ihnen gelang, aus diesem gräßli­chen Europa zu entfliehen. Treten Sie bitte näher. Dad erwartet Sie und hat schon mehr­mals nach Ihnen gefragt. Ich glaube, Sie sollen zu einem der Werke mit ihm fahren.

Inzwischen ist Lissy Oienhigh im Erdge­schoß angelangt und läutet das Mädchen wie­der herbei, das dem Gast die Garderobe ab­nimmt. Auf Bitten des Professors gibt sie ihm nun den Auftrag, auch für Wagen und Fahrer zu sorgen.

Also zur Westendgarage!, ruft sie der Da­voneilenden nach, und fährt dann zu Verco­nelli gewandt fort:Es dauert doch immer eine ganze Zeit, bis so ein neues Mädchen sich eingelebt hat. Aber wir hoffen ja, daß sie dann ein wenig selbständiger ist als die letzte. Denn Miß Lane ist ja schließlich schon dreißig, während Mary nur neunzehn Jahre war. Doch nun kommen Sie zu Dad; er wartet oben im Arbeitszimmer.

Langsam gehen sie die breite Treppe zur er­sten Etage hoch, während dieNeue mit zu­friedenem Gesicht ihren Lauschposten neben

Nun sitzen sie in bequemen Klubsesseln im Halb­kreis vor dem imitierten Kamin

dem halbgeöffneten Personaleingang verläßt, um den Auftrag auszuführen.

Benno zieht höflich den Hut, als sich das Hausmädchen vorstellt;Ich bin Lane,, ich bin Beschließdame bei Oienhigh. Kommen Sie, ich werde Ihnen die Garage weisen.

Mit elegantem Schwünge sitzt sie neben ihm:

Fahren Sie, ich sage schon Bescheid!

Bald ist der Wagen untergebracht, und sie befinden sich zu Fuß auf dem Rückweg zur Villa. In dem seitlich gelegenen Pförtnerhäus­chen soll Benno ein Zimmerchen haben.

Hier ist Ihr Appartement, und im übrigen bin ich gleich wieder zurück.

Lane ist inzwischen leichtfüßig zur Villa hinübergeeilt. Dicke Läufer dämpfen ihre Schritte, als sie das Haus wieder durch den Seiteneingang betritt. Eigentlich müßte sie ja nun einige Kleinigkeiten und vor allem et­was Eßbares aus der Küche holen, doch vor­erst lenkt sie ihre Schritte einmal nach oben. Je näher sie der Tür kommt, durch die ge­dämpfte Laute angeregter Unterhaltung dringen, desto leiser wird ihr Schritt. Lau­schend bleibt sie vor der Tür stehen-

Die drei da drinnen haben es sich indessen recht gemütlich gemacht. Zu Ehren des Freun­des und seiner Errettung aus der mißlichen Lage vor der Akademie von Rom holte der Professor eigenhändig eine der ältesten Fla­schen aus dem Keller. Nun sitzen sie in be­quemen Klubsesseln im Haikreise vor dem imitierten Kamin, in dem ein elektrischer Heizkörper blecherne Buchenscheite rot glü­hen läßt.

Es ist mollig und die vielbesungene Kamin­atmosphäre beginnt sich auszubreiten. Soeben hat Enrico Verconelli seinen Bericht über die Vorgänge in Rom beendet und alle schweigen betroffen, nachdem er das grauenvolle Schluß­bild mit einigen Sätzen umrissen hat.

Professor Oienhigh dreht sein Glas zwi­schen den Fingern und blinzelt ein wenig nachdenklich in die lautlose Glut des Kamins. Wie zu sich selbst spricht er seine Gedanken nun vor sich hin;

Warum muß das eigentlich sein? Zwei Weltmächte, zwei Weltanschauungen, die jede einen guten Teil der Erde beherrscht. Haben wir ein Recht, in Rußland zu missionieren? Natürlich ist unser westliches Ideal der per­sönlichen Freiheit von dem in Rußland gelten­den stark verschieden. Aber warum müssen denn auf beiden Seiten gleich Kanonen ge­baut werden, die dieses Ideal auch dem ande­ren aufzwingen? Jede Partei hält ihre Welt­anschauung für bedroht, der Westen fürchtet sich vor einer Invasion des kommunistischen Gedankengutes und der Osten sträubt sich mit den für ihn charakteristischen Mitteln gegen die Uebernahme der westlichen Ansichten und Gewohnheiten. Allein in dieser Tatsache liegt doch die furchtbare Tragik unserer heutigen Welt. Wie glücklich und zufrieden könnten die Völker leben, strebten sie nach gegenseitigem Verständnis und Frieden. Aber genau so, wie wir das für uns beanspruchen, behauptet es der Osten für sich auch. Eine unvorstellbare Blütezeit stünde uns bevor, gelänge es uns, als Ziel alles Denkens und Forschens die menschliche Freiheit und den Frieden durch­zusetzen.

Das ist alles recht schön und gut, und rosig sind unsere Aussichten nicht; aber was hilft uns alles Grübeln über die Zukunft! Seien wir froh, daß wir die Probleme der Gegen­wart nach bestem Gewissen lösen können, sagt Professor Verconelli. Er steht mit beiden Beinen im Leben, und sein Bestreben ist es. in klarer Sachlichkeit die Dinge an sich her­ankommen zu lassen und seine ganze Kraft an der Stelle einzusetzen, an die seine Pflicht ihn jeweils ruft.

Was hast du, lieber Freund, dir für die nächsten Tage vorgenommen?

Außer der Einladung Dr. Turners zu sei­nem Bakterien versuch ist mein Wochenplan noch leer. Lissy sagte vorhin, wir wollten zu­sammen einige Werke besuchen?!

Professor Oienhigh richtet sich aus seiner nachdenklich-sinnenden Haltung auf;Ich setzte in Washington durch, daß die Siche­rungsmaßnahmen der einzelnen Werke weit­gehend verbessert werden. Auch mein neues Radium R wird dabei verwandt. Ich bitte dich nun, mich auf den einzelnen Flügen zu begleiten und die Durchführung mit mir ge­meinsam zu überwachen.

O. k., und wann gehts los?

Wenn es dir recht ist, morgen früh. Wir fangen in den Clinton-Werken an.

Bei diesen Worten blicht der Professor un­ter den halbgeschlossenen Augenlidern ver­stohlen zu seiner Tochter hinüber, deren Wan­gen sich mit einem leichten Rot überziehen, und auch der Gast kann ein gönnerhaftes Lä­cheln nur schwer verbergen.

Ich denke, wir wollen sie nicht länger bra­ten lassen, sagt Professor Oienhigh gutge­launt.Es soll zwar nicht sein, aber wenn Moses nicht zum Berge kann, dann muß der Berg eben zum Moses gehen. Oder möchtest du nicht?

Ach, du, ruft das Mädchen in kindlicher Befangenheit,von mir aus noch heute abend, aber ich befürchte, daß es dir irgendwie Schwierigkeiten macht.

Dafür laß mich sorgen. Du fliegst eben als ,blinder Passagier nach dem Motto; ,Ich seh dich nicht, ich hör dich nicht, und wenn wir erst gelandet sind, dann wird man dich nicht gleich auffressen. Im übrigen stehst du ja dann

unter seinem Schutz. Und er zieht das seine m dabei so genießerisch in die Länge, daß sie mit drohend erhobener Hand schel­misch auf ihn zuspringt. Ihre schlanken, wei­chen Arme umschlingen den Hals des lachend Widerstrebenden, und sie bedeckt sein Gesicht mit dankbaren Küssen, bis er hochrot nach Luft ringt.

Ich danke dir tausendmal, du geliebter, be­ster aller Dads!

Als sie das Zimmer verlassen, ist es Profes­sor Verconelli, als beWege sich am Treppen­aufgang ein Schatten. Doch er achtet nicht darauf, und Lane ist froh, dem plötzlichen Aufbruch der belauschten Runde glücklich ent­kommen zu sein.

*

Gedämpft dringen die Laute des Verkehrs und das Tönen aus den weiten Werkhallen in das kleine, gemütliche Privatkontor des tech­nischen Leiters der Clinton Engeneer Works.

Kommen Sie her und setzen Sie sich"

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Um den niedrigen, runden Tisch, auf dem bunte Skizzen und Pläne ausgebreitet sind, sit­zen Professor Verconelli, Oienhigh und noch zwei Beamte der technischen Sicherheitsab­teilung. Dr.-Ing. Andre Foucault erläutert mit kurzen, klaren Worten die Anlage des Werkes und die bereits getroffenen Sicherheitsmaß­nahmen. Kreuz und quer huscht sein Bleistift über die große Karte, um dann immer auf vergrößerten Nebenskizzen Ausschnitte und Einzelheiten herauszugreifen. Dann ist seine Aufgabe beendet. Die Kommission kennt das Werk und muß jetzt ihre Entscheidungen tref­fen.

Ich fasse noch einmal zusammen, sagt er und richtet sich auf:Die einfachen Streifen und Posten haben sich trotz ihrer Ausrüstung mit Hunden und allen erdenklichen Hilfsmit­teln als unzureichend erwiesen. Wir sprachen eingangs schon davon, daß ein wirklich wirk­samer Schutz sowohl der einzelnen Werksge­bäude als auch der Zugänge zum Gesamtkom­plex nur durch den weitgehenden, sinnvollen Einbau von Photozellen, Geißlerröhren und anderen elektrotechnischen Hilfsmitteln mög­lich ist. Das nötige Material steht zur Verfü­gung, und mein Plan wäre folgender: Eine komplette Röntgenanlage wird sowohl an sämtlichen Ausgängen zur Außenwelt, als auch in den einzelnen Gebäuden und Hallen einge­baut. Sämtliche Angestellten und Arbeiter ha­ben diese Kontrolle nach Arbeitsschluß zu pas­sieren. Auf diese Weise muß es unmöglich sein, irgendwelche Metallproben, Zeichnungen oder Werkstücke nach draußen zu schmuggeln. Daneben werden alle Tore und auch die wich­tigsten Verbindungstüren zwischen den ein­zelnen Ressorts innerhalb der Gebäude mit Geißlerröhren versehen. Dadurch wird es un­möglich, auch nur ein einziges Milligramm ra­dioaktiver Substanz aus den Räumen zu schaf­fen. Für die Sicherheit bei Nacht sorgen Bo­lometer, die jedes Eindringen eines Fremden melden. Im übrigen: nach wie vor strengste Geheimhaltung. Jeder darf nur zu dem Ma­terial Zutritt haben, das er zur Lösung seiner speziellen Aufgaben benötigt.

Ich weiß, daß wir hier auf Schwierigkeiten stoßen, weil unsere Arbeiter die ewigen Kon­trollen und damit verbundenen Unbequem­lichkeiten schon gründlich satt haben. Aber

diese Maßnahmen sind notwendig. Sie müssen durchgeführt werden ohne Rücksicht auf den einzelnen.

Ihr System ist recht gut durchdacht, und ich glaube auch sicher, daß Sie Erfolg damit haben. Um das Uebel jedoch vollzumachen, möchte ich doch von mir aus eine Einrichtung einführen, die auf einer kürzlich von mir ge­machten Entdeckung beruht.

Professor Oienhigh hat sich erhoben und entnimmt seiner Aktenmappe einige zusam­mengefaltete Pläne und eine kleine Bleischa­tulle:

Sämtliche Sicherungsmittel, die uns bisher zur Verfügung stehen, sind nur mehr oder weniger als Schutz- und Alarmanlagen geeig­net. Ein wirksameres Mittel gibt uns jedoch die Eigenschaft dieses von mir in unserem ,Atomknacker erzeugten Technetiumisotops. Ich habe Ihnen eine Probe des äußerst stark radioaktiven Materials mitgebracht und das weizenkorngroße Stück aus Sicherheitsgrün­den in diesem Bleibehälter verwahrt.

Heißt das nicht, Eulen nach Athen tragen, wenn Sie radioaktive Substanz aus dem We­sten zu uns herüberbringen? erkundigte sich Dr. Foucault.

Radioaktiv und radioaktiv sind zweierlei. Dieser Stoff übertrifft alles seither Bekannte an Strahlungsintensität um das Zwei- bis Dreihundertfache. Die Reichweite der Strah­len beträgt etwa zehn Meter. Ihre Wirkung auf lebendes Gewebe, ja auf Lebewesen über­haupt, sind durchschlagend und von Fall zu Fall lähmend oder tödlich.

Bei diesen Worten geht eine Bewegung durch den Kreis der Männer und mißtrauische Blicke treffen den Gegenstand in der Hand des Pro­fessors, der jedoch zum Beweise der augen­blicklichen Ungefährlichkeit des Kästchens es J wie einen Schatz an sein Herz drückt:So­lange eine mindestens zwölf Millimeter starke Bleiwand die Strahlung abschirmt, ist sie völ­lig ungefährlich.

Die anderen haben immer noch nicht recht begriffen.

Wie gedenken Sie dieses Teufelszeug denn bei uns anzubringen? erkundigt sich besorgt einer der Herren.

Mein Vorschlag geht dahin, daß sämtliche wichtigen Durchgänge und Tore am oberen Stützbalken mit einem kleinen Quantum die­ser Materie versehen werden. Und zwar wird die Strahlung durch ein geeignetes Spiegel­system von der Größe einer hohlen Hand, eventuell auch durch einen Satz von Spulen und Magneten so. fokussiert, also gebündelt, daß die gesamte Oeffnungsfläche des Tores von ihr bestrichen wird. Damit wäre jede Pas­sage für ein lebendes Wesen gleichbedeutend mit dem Tode.

Einen Augenblick herrscht nachdenkliche Stille im Raume. Der Kreis dieser Männer ist sich der ungeheuren Verantwortung, die der­artige Mittel auf sie lüden, wohl bewußt. Der Ingenieur ist der erste, der seine Bedenken äußert:

Ich bin überzeugt davon, verehrter Herr Professor, daß wir auf diesem Wege ein Höchstmaß von Sicherheit erhalten. Aber ist die Gefahr, der wir harmlose Passanten, An­gestellte und Arbeiter damit aussetzen, nicht allzu groß? Und vor allem kann ich mir nicht vorstellen, wie Sie das Element bei Tage bän­digen wollen.

Ihre letzte Frage ist am leichtesten zu be­antworten, ergreift der Professor wieder das Wort,denn das ist durch einen simplen Blei­schirm möglich, dessen Größe kaum über zehn Quadratzoll hinauszugehen braucht. Die Vor­richtung wäre also nur nachts in Betrieb.

Damit ist die Besprechung beendet, und je­der geht wieder an seine Arbeit. Der Profes­sor und Dr. Foucault fahren gemeinsam zum Aufenthaltsraum hinüber; denn dort wartet Lissy schon über zwei Stunden auf sie.

Die letzten Vororte von Chikago bleiben in einem flimmernden Lichterwald zurück, doch die Bahn rollt weiter, von Station zu Station.

Weit draußen, außerhalb der Stadt, wo bu­schige Platanen die wenig belebte Michigan- Promenade säumen, geben sich seit einiger Zeit Lane Kelly und Henri Warnock ihre heim­lichen Rendezvous. (Fortsetzung folgt)

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