8. Jahrgang
Freitag, 23. Juni 1950
Nummer 95
Alt werden und jung bleiben
Ein ernstes Problem im Zeichen der Ueberalterung unseres Volkes
Das Altersproblem hat für uns heute ein ganz anderes Gesicht bekommen als für die früheren Generationen, weil noch niemals in dem von uns überblickbaren geschichtlichen Zeitraum die mehr als 50jährigen einen so hohen Prozentsatz ausmachten.
Seit dem Altertum hat die durchschnittliche Lebenserwartung des einzelnen Menschen sich etwa verdoppelt. Seit dem vorigen Jahrhundert ist es, vor allem durch Schaffung hygienischer Lebensbedingungen, gelungen, diese durchschnittliche Lebenserwartung außerordentlich zu steigern. Allein in den Jahren 1880
jene moderne Auffassung, die sich mehr und mehr bei uns durchsetzt.
Wir bekennen uns zu der Ueberzeugung, daß das Altern nicht mit einer bestimmten Anzahl der Lebensjahre beginnt, sondern daß es vielmehr dann einsetzt, wenn der Mensch aufhört, sich jung zu fühlen, wenn sein Tätigkeitsdrang und sein lebendiges Wirken nachläßt. Im Grunde genommen ist jeder so alt, wie er sich fühlt. Das eigentliche Altern hat noch nicht eingesetzt, solange der Mensch positiv ist und noch freudig mitmacht. Erst wenn er in seinem Denken negativ wird, das
bis 1920 nahm die mittlere Lebenserwartung unmittelbare Interesse am Leben verliert, sich in jedem Jahr um ein halbes Jahr zu, insgesamt konnte sie gegenüber den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts bis jetzt um etwa 20 Jahre gebessert werden.
Wohin diese Entwicklung weitergeht, läßt sich noch gar nicht absehen. Lebensversicherungsstatistiker haben errechnet, daß die jetzt in mittlerem Alter Stehenden die Chance haben, zwei Jahre länger als ihre Väter und sechs Jahre länger als ihre Großväter zu leben, außerdem sind sie wahrscheinlich 16 cm größer als ihre Väter. Viele Wissenschaftler sind der Ansicht, daß das „biologische Alter“ des Menschen, das er eigentlich seiner Natur nach erreichen müßte, bei hundert Jahren, ja sogar darüber liegt.
Vergreisung der Völker?
Pessimisten sprechen schon jetzt von einer „Vergreisung“ der Völker. An uns liegt es, ob die Zunahme der älteren Jahrgänge eine Vergreisung der Völker bedeutet oder nicht. Ein vergreister Mensch ist ein arbeitsunfähiger, hilfloser Alter, der zu nichts mehr nutze ist.
Von entscheidender Bedeutung für unsere künftige soziale Struktur, und unser aller Wohlergehen wird es sein, daß die jetzt in der Mehrheit befindlichen älteren Jahrgänge nicht vergreisen, sondern bis ins höchste Alter brauchbare Glieder des Volkskörpers bleiben.
Das Prinzip unserer Sozialversicherung beruht darauf, daß eine große Mehrheit von jüngeren arbeitsfähigen Mitgliedern eine kleine, nicht mehr arbeitsfähige Minderheit von alten Arbeitsunfähigen durch ihre Beiträge erhält.
Wenn nun dagegen allmählich eine Mehrheit von alten Arbeitsunfähigen von einer Minderheit Arbeitsfähiger erhalten werden sollte, so müßte offenbar die ganze Sozialversicherung zusammenbrechen. Schon aus diesem Grunde müssen die Aelteren alles daran setzen, länger arbeitsfähig zu bleiben, als das bei früheren Generationen notwendig war, sie müssen es auch deshalb, weil ja Unzählige durch die beiden Weltkriege ihr gesamtes Vermögen und alle persönlichen Altersrücklagen verloren haben.
Von entscheidender Bedeutung für uns alle wird es also sein, daß die älteren Jahrgänge ,jung“ bleiben, d. h., daß sie die ihren Jahren entsprechende Altersstufe mit dem ihr zukommenden Reifegrad in jugendlicher Frische,
Spannkraft, Aktivität und Begeisterungsfähigkeit ausfüllen. So müssen wir uns das Jungbleiben der Alten vorstellen.
„Vernünftiger Kummer erhält am Leben“
Wir tun gut, uns die Lebensanschauung des Arztes Dr. Martin Gumpert zu eigen zu machen, der in seinem unlängst in New York erschienenen Buch „Sie sind jünger, alsSie glauben“ mit aller Entschiedenheit betont, es sei- falsch, zu glauben, daß der Mensch mit 60 oder 70 Jahren zum alten Eisen gehört. Gumpert sagt: „Wir müssen mit den überlieferten Vorstellungen vom Altsein aufräumen“ und stellt weiterhin erstaunlicherweise sogar fest:
„Glauben Sie keinen Augenblick daran, daß Sorgen und Mühen das Leben verkürzen, vernünftiger Kummer erhält den Menschen am Leben.“ Er hält die innere Einstellung zum Alter für wesentlich und das ist wohl auch
mehr mit seiner Vergangenheit als mit Gegenwart und Zukunft beschäftigt und wohl gar von passivem Pessimismus erfüllt wird, dann ist er alt.
Der Geist ist entscheidend
Es ist eine tröstliche Erkenntnis, daß der Geist es ist, der den Körper baut und erhält und daß es zu einem guten Teil an der von uns selbst abhängigen Geisteshaltung liegt, ob wir jung bleiben, oder vorzeitig alt werden.
Die Erkenntnis, daß nicht die Zahl der Jahre für den Beginn des Alterns entscheidend ist, sondern die innere Geisteshaltung, wird uns vor jeder „Torschlußpanik“ bewahren. Es ist lediglich \Veltanschauungssache, wie man zu dem Alter steht In USA herrscht in weiten Kreisen geradezu panische Furcht vor dem Altwerden, während umgekehrt in China das Altwepden als ein großes Glück gilt. Mir scheint, in Europa haben die Engländer am ehesten das Geheimnis entdeckt, schön und würdevoll zu altem. Nach meinen Beobachtungen gibt es in keinem europäischen Lande so viele Menschen, die in Schönheit alt geworden und dabei innerlich jung geblieben sind wie in England.
Geistig beschränkte Menschen sterben früher
Es hat sich herausgestellt, daß gesunde Lebensbedingungen allein noch keine Aussicht auf ein höheres Alter eröffnen. Entscheidend ist vielmehr die Geistesverfassung. Ferner hat sich erwiesen, daß die Arbeiter nach Vollendung des 40. Lebensjahres im direkten Verhältnis zur Schwere ihrer körperlichen Arbeit sterben. Die hochqualifizierten Geistesarbeiter
dagegen können mit größter Wahrscheinlichkeit auf ein längeres Leben rechnen. So werden Universitätsprofessoren zum Beispiel in der Regel älter als Berufssportler. Geistig beschränkte Menschen sterben früh. Alt werden ist also bis zu einem gewissen Grade Uebungs- sache, nämlich Sache des geistigen Trainings.
Pensionierung, besonders auch Zwangspensionierung, ist beinahe gleichbedeutend mit einem in Kürze vollstreckten Todesurteil. Die amerikanische Nervenärztin Dr. Edrita Fried stellte auf Grund von Reihenuntersuchungen an Männern und Frauen fest, daß Langeweile für Menschen über 60 eine lebensgefährliche Krankheit ist. Auf alle Fälle ist Arbeit ein erprobtes Rezept, um sich jung zu erhalten und sich das Leben zu verlängern.
Moderne Großmütter
Geradezu ein Wunder, ist mit unseren der Zahl der Jahre nach älteren Frauen geschehen. Es gibt jetzt bei uns einen Typ der modernen Großmutter, der wirklich bewundernswert ist. Man denke nur an einige bekannte Schauspielerinnen von Bühne und Film. Aber auch „gewöhnliche“ Großmütter bleiben heutzutage oft erstaunlich lange rüstig und im übertragenen Sinne „jung“, besonders wenn sie in ihren alten Tagen eine Aufgabe als ihre Pflicht erkannt haben. Es ist ja auch eine bekannte Tatsache, daß eine Aufgabe den Menschen jung erhält.
Uns ist es heute geradezu unverständlichgeworden, daß Balzac seinen Roman von der alternden „Frau von 30 Jahren“ schreiben konnte, denn für die heutige Frau von 30 Jahren gibt es noch längst kein Altersproblem.
Henry Ford schrieb in einem seiner Bücher: „Jeder, der aufhört zu lernen, ist alt, mag er zwanzig oder auch achtzig Jahre zählen. Jeder, der weiter lernt, bleibt nicht nur jung, sondern wird ständig wertvoller — ungeachtet der geringeren physischen Leistungsfähigkeit.
Hans Künkel sagt dazu: „Der Mensch besitzt eine ans Wunderbare grenzende Regenerationskraft, eine Kraft der inneren Wiederund Neugeburt, und ist darin allen anderen Lebewesen der Erde überleget!. Bis ins hohe Alter hinein kann er sich durch Einwirkung seines lebendigen Geistes verjüngen.“
Dies ist nach dem heutigen Stande unserer Erkenntnis der Weg, alt zu werden und dabei jung zu bleiben. Dr. F. E. Olimsky
Afrikanische Elefanten haben keine Zeit
Erfahrungen auf einer Elefantenstation
König Leopold II., Herzog von Brabant, reiste einst nach Ceylon. Er lernte dort den Elefanten kennen als ein sehr wertvolles Tier in Land- und Forstwirtschaft, beim Straßenbau und sogar beim Militär. Was für Indien gut war, konnte für Afrika nicht verderblich sein, und so beschloß er, da man im Kongo ohnehin ein seuchenfestes Trag- und Zugtier benötigte, dort ebenfalls Elefanten zur Arbeit einzusetzen.
Da sich jedoch in ganz Afrika nicht ein einziger Elefant auftreiben ließ, der freiwillig arbeiten wollte, importierte man eben vier Musterstücke aus Indien — die allerdings, kaum den Zoll passiert, das Zeitliche segneten. Das war Anno 1879. Jahre später kam Leopold zu Ohren, daß man auf einer afrikanischen Missionsstation einen jungen Elefanten pflege. Sofort wurde ein wackerer Hauptmann mit der Wartung dieses jungen Elefanten und mit der Gründung einer Elefantenstation betraut. „Station de domestication des elephants“ heißt sie heute und feierte vor kurzem ihren 50. Geburtstag.
Allerdings fehlt auch bei diesem Jubiläum nicht der berühmte Wermutstropfen. Erst heute stellte man fest, daß die afrikanischen Elefanten trotz aller Bemühungen keine
brauchbaren Arbeitstiere abgeben, so berichtet die „Umschau in Wissenschaft und Technik“ in Heft 10
Die verschiedensten landwirtschaftlichen Geräte, einst auf Elefantendimensionen zuge- schnitten, verrosten heute in windigen Schuppen als Zeugen der vielen fehlgeschlagenen Versuche, Elefanten arbeiten zu lassen. Und der Grund für,die Arbeitsuntauglichkeit: Die afrikanischen Elefanten haben keine Zeit! (Das klingt fast europäisch-modern.) Für die Nahrungsaufnahme benötigen diese Epikureer allein 12—16 Stunden, 3—4 Stunden schlafen sie, und die tägliche Toilette — Zähneputzen! und Baden — nimmt auch Stunden in Anspruch. Hinzu kommt, daß heutzutage kein Tier mehr konkurrenzfähig ist gegenüber Motoren, und außerdem läßt sich eine komplizierte Maschine leichter handhaben, als ein afrikanischer Elefant.
Aber der Schweiß jenes Hauptmanns, der zuerst Menschen bezähmte und es dann mit Elefanten versuchte, ist nicht umsonst geflossen. Die beabsichtigte wirtschaftliche Bedeutung der Elefantenzähmungsstation hat sich — nolens volens — in eine wissenschaftliche verwandelt, und sie wird uns als solche noch manche wertvollen Aufschlüsse über die Biologie der Elefanten vermitteln.
Chaneta wird gekidnapt
Negerbaby von einer 18jährigen geraubt
„Achtung! Achtung!“ tönt es aus dem Lautsprecher. „Wir unterbrechen unsere Sendung und geben eine wichtige Meldung durch! — Vor einer Stunde wurde im Lincoln-Hospital in New York-Bronx ein schwarzes Baby geraubt! Es heißt Chaneta Holden und wiegt nur zwei Pfund und elf Unzen. Für das Kind besteht größte Lebensgefahr, da es außerhalb des Brutapparates, aus dem es entwendet wurde, nicht leben kann. Der Täter wird gebeten, das Baby vor allem warm zu halten und folgende Direktiven zu beachten —“.
Und während der Sprecher noch die Anweisungen für die Behandlung der kleinen Cba- neta gibt, durchsuchen .einige Dutzend Detektive das Areal des Lincoln-Hospitals nach dem gekidnapten Kind — ohne Erfolg. Es ist und bleibt spurlos verschwunden. Erst am nächsten Tage meldet sich ein Taxichauffeur, der eine junge Negerfrau mit einem Baby zu einer Ueberländ-Busstation in Manhattan gefahren haben will. Die Polizei nimmt die Spur auf und macht auch den Wagen und seinen Chauffeur ausfindig: Jawohl, die Frau ist nach Virginia gereist, und das Kindchen könnte die kleine Chaneta sein!
Während die Nachforschungen weiter gehen, verzehren sich die Eltern Holden in Sorge und Qual. Nur ein einziges Mal hatten sie ihr kleines Mädchen gesehen, da es als Frühgeburt sofort in den Wärmeapparat mußte, um am Leben erhalten zu werden. Endlich, nach vier langen Wochen, wird die Kindesentführerin verhaftet: Es ist die 18jährige Evelyn Jordan, die vor einem Jahr selbst Mutter von Zwillingen geworden war. Da ihre Kinder kurz nach der Geburt starben, faßte sie im Einverständnis 'mit ihrem Mann den verzweifelten Plan, ein schwarzes Baby zu rauben und es an Kindesstatt großzuziehen. Sie holte die kleine Chaneta aus dem Brutapparat, versteckte sie unter ihrem Mantel und verließ unangefochten das Hospital. Daheim pflegte sie das Kind getreu den Vorschriften, die das Radio durchgegeben hatte, richtete ihm mit Hilfe von Wärmeflaschen und elektrischen Heizkissen einen behelfsmäßigen Wärmeofen ein und vergaß auch nicht, durch ständig kochendes Wasser der Luft den notwendigen Feuchtegrad zu geben. Als man die junge Frau verhaftete, erlitt sie einen Nervenzusammenbruch und mußte in eine Heilanstalt überführt werden, wo sie nun auf ihre Aburteilung wartet. Die Eltern Chanetas, dankbar für die günstige Wendung des Schicksals, wollen bei Gericht Fürsprache für Evelyn einreichen. _ K-
Streiflichter, bunt gewürfelt
Ein Osloer Gericht verurteilte zwei Studenten dazu, einem Mädchen 500 DM Schadenersatz für eine erlittene Gehirnerschütterung zu zahlen. Die Studenten hatten mit ihr Jitterbug getanzt. — Ein Freilichtkino in Austin (USA) wurde während der Vorstellung von einem heftigen Sturm zerstört. Es lief gerade der Film „Vom Winde verweht“. — Weil er das Gebiß seiner Frau regelmäßig zum Abschneiden der Zigarrenspitzen gebrauchte, wurde in Chemnitz ein Mann als schuldiger Teil geschieden. — Um seine Zuhörer bei den Vorlesungen geistig zu entspannen, schießt Prof. Ehrlich in New York ab und zu mit einer Schreckschußpistole. Die eingeschlafenen Studenten fahren entsetzt hoch; ihr Geist ist entspannt. — Ein 13jähriger Junge in Tiver- ton in England schlug während der Mathematikstunde aus Wut seinen Lehrer regelrecht k.o. Der Lehrer lebt.
Das ging zu weit
Bei einem Besuch der englischen Königin Elisabeth in Bebington war der Fahrer eines Müllwagens hinter der königlichen Droschke hergefahren und hatte genau wie die Königin dem Volk huldreich zugewinkt. Wegen dieses Verhaltens wurde er nun wegen Majestätsbeleidigung aus seiner Stellung entlassen und seine Pensionsberechtigung aufgehoben.
„In dieser lieben Sommerzeit...“
Sonnwendfeierliche Betrachtung von Thäddäus Troll
Wir feierten am Mittwoch den Rekord des längsten Tages. Der Sommer bekommt seine Zuzugsgenehmigung. Der Frühling hat sich ausgelebt.
Es ist Zeit für den Sommer, aber keine Sommerzeit. Dieses Geschenk ersparten uns diesmal die Alliierten, wenn man sie noch so nennen darf. Denn alliiert heißt verbündet. Wo sie doch eher zerbündet sind. Aber ersparen wir ups die Ausflüge in die Politik, die auf unserem Rük- ken stattfindet. Fliegen wir lieber in den Sommer aus, wie uns Paul Gerhardt rät: „Geh aus mein Herz und suche Freud, in dieser lieben Sommerzeit.. .“ Da haben wir sie schon wieder, die mitteleuropäische Sommerzeit. Widmen ihr deshalb einen kleinen Nachruf.
Sie war ein Eingriff in die Rechte’ der Natur. Sie schenkte uns einen längeren Tag und raubte uns eine Stunde vor der Zeit die Nachtruhe. Einmal plagte sie uns sogar verdoppelt. 1947, als uns die doppelte Sommerzeit terrorisierte, war es um Mitternacht noch Tag, und die Hexen, die in der Johannisnacht zum Blocksberg ritten, trugen Sonnenbrillen und ritten auf Sonnenschirmen statt aut Besen. In der Gewerkschaft der Gespenster konnte man sich nicht einigen, ob man konservativ zur Normalzeit, liberal zur Sommerzeit oder fortschrittlich zur doppelten Sommerzeit spuken solle.
Nun ist die Zeit normal und der Gehalt des Bieres verdoppelt worden. Die Gespenster brauchen nicht mehr mangels Romantik in den Generalstreik zu treten. Das alles verdanken wir unserer D-Mark. Vergessen wir nicht, daß sie zur Sommersonnenwende Geburtstag hat.
Sie kam vor zwei Jahren wie ein Wunder über Mittsommernacht. Damals waren unsere Geldbeutel dick und unsere Taillen dünn. Heute ist es umgekehrt. Wir gingen aus und suchten Freud (nicht Sigmund) und bekamen Kopfgeld. Kopfgeld nannte man früher das, was auf den Kopf eines Mörders ausgesetzt war. Unser karges
Kopfgeld wurde selbst zum Mörder. Die Schlangen fielen ihm zum Opfer. Sie veranstalteten noch einmal eine Großkundgebung vor den Geldquellen und starben dann an Unterernährung. Die D-Mark brachte längere Röcke, kürzere Schlangen und weitere Taillen. Wir gingen aus und gingen aus dem Leim. Mancher hat sich in den zwei Jahren ein Bäuchlein angemäst’. Unser Sprachschatz schrumpfte. Der Aufruf, die Zuteilung, der Selbstversorger und das Kleinstkind gingen dahin.
Der Engpaß der entrahmten Frischmilchversorgung wurde von der Milchschwemme hinweggespült. Neue Wörter entstanden: der Lastenausgleich, die Theaterkrise, das Jedermann- programm und die Soforthilfe. Wenn ich einmal ins Wasser falle, möchte ich von keinem Soforthilfedienst gerettet werden.
Die Höflichkeit ist vor zwei Jahren wieder ins Land gezogen. Der Geist ist immer noch billig und geht nach Brot. Aber das Fleisch ist nicht mehr knapp.
Nun haben wir wieder eine Sommersonnenwende, die weniger aufregend ist als die vor zwei Jahren. Die Tage werden kürzer. Die Sauregur- kenzeit naht. In früheren Jahren pflegte um die Zeit der großen Hitze regelmäßig das Ungeheuer von Loch Neß oder die falsche Zarentochter Anastasia in den Zeitungen aufzutauchen. Im vergangenen Jahr hat Goethe alle Sauregurken- nachrichten verdrängt. Er diente als Stofflieferant in den heißesten Tagen. Heuer wird uns nichts anderes übrig bleiben als Fliegende Untertassen zu sichten.
Mit solchen Aussichten auf Kaffeegeschirr können wir dem nahenden Sommer getrost ins Auge blicken.
Mit einem Wort gesagt
Lakonische Antworten gesammelt von Erich Kunter
Zu allen Zeiten machten sich in der Literatur Dilettanten und Kitschverfasser breit. Vor etwa zwanzig Jahren erschien über das Machwerk eines solchen Schriftstellers wohl die kürzeste
und dabei treffsicherste Kritik, die je veröffentlicht wurde. Man konnte da lesen: X, Y., Wahnsinn. Novellen. — Stimmt.
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Ein Günstling Ludwigs XIV., der als Minister seine Machtfülle oft mißbraucht hatte und deshalb überall verhaßt war, lag im Sterben. Einem seiner Mitarbeiter, der ihn besuchte, klagte er über unerträgliche Schmerzen: „Ich leide Höllenqualen ..„Schon?“ fragte der Besucher mit beißendem, mitleidlosem Spott.
*
König Karl von Württemberg bekam einmal Besuch aus Rußland. Der Großfürst, ein Verwandter seiner Frau, führte sich mit seinem ganzen Gefolge in einer Weise auf, die dem deutschen Begriff von Anstand und guter Sitte gerade entgegengesetzt war. Am württembergi- schen Hofe atmete daher alles auf, als die so übel hausenden Gäste wieder gingen. Am Tage nach der Abreise gab der König die Parole heraus: „Schweinfurt“.
Für den Bücherfreund
Bibliothek Denken und Wissen
Pachtner,, Beherrschtes Leben (Zauberer am Pflanzenwuchs). Verlag für Wirtschaft und Kultur, Ernst Jaster, Berlin. Halbl., 246 S.
Gelehrte, Züchter, Bauern, Pioniere, Abenteurer — sind die Männer, deren Arbeit der Autor in ungemein fesselnder Weise schildert. Wer dieses Buch gelesen hat, weiß viel von den Dingen der Natur, die für den Einzelnen so alltäglich und selbstverständlich erscheinen und die doch so rätselhaft und wunderbar sind.
Pachtner, Nervenstränge der Erde (Wege über die Welt). Verlag für Wirtschaft und Kultur, Ernst Jaster, Berlin. Halbl., 250 S.
Heute spannen Eisenbahn, Auto, Telefon, Radio und Flugzeug ein gigantisches Netz um den Erdball. Wie dieses Netz mit Mut und großem Einsatz in seinen Einzelteilen aufgebaut wurde, wird hier in spannenden Geschichten geschildert. Ueber 9000 Zeitungsausschnitte der letzten 100 Jahre wurden für das Werk verarbeitet.
Das Mädchen aut der Wiese
Wie in einem grüngestrichnen, buntgeblümten Mauernbette liegt mein Mädchen auf der Wiese, noch mit schlaf befangnen Wangen.
Um des Haares dunkle Locken wirbeln ihr die bunten Falter, und die Schwalben, leise zwitschernd, kreisen über ihrem Lager. —
Höchst verliebte Kletterzüge macht an ihrer runden Wade eine bunte Spannerraube, und die alte braune Hummel hält des Liebchens kleine Zehe für ein rotes Rosenknöspchen.
Da die Vögel, Hummeln, Falter ausnahmslos in dich veAiebt sind, kann es anders sein mit mir?
F. von Zerboni di Sposetti
nun mtiinmim im mmiuiHiiniiimiiiMi mi Intimi ii nimm hihi im mi mimmmimmii um in
Im Dienste der Gesundheit
Edi P o 1 z , Gymnastik für Sie. Alwin Fröhlich Verlag, Hamburg. Brosch. 96 s.
Der bekannte Wiener Sportlehrer gibt hier in allgemein verständlicher und frischer Form gymnastisch-hygienische Ratschläge für eine entspannungverschaffende, korrigierende und aufbauende Haus- und Gruppengymnastik.
Dr. Eduard Strauß, Gesicht— Gewicht — Geblüt — Gemüt. Alwin Fröhlich Verlag, Hamburg. Brosch 115 S.
Es soll der Beweis erbracht werden, daß das Aeußere des Menschen (Gesicht) in Verbindung mit den grundlegenden Lebensvorgängen des Stoffwechsels (Gewicht) und des geregelten Kreislaufs (Geblüt) sowie seine seelische Verfassung (Gemüt) das Lebensglück entscheidend beeinflußt.
Dr. Hans Krauß, Tuberkulose . . . verhütbar und heilbar. Alwin Fröhlich Verlag. Hamburg.
Ein neuzeitliches, volkstümliches Büchlein über Entstehung, Behandlung und Bekämpfung der
AMe Alarmetaden u.Qefoe* „u/OpGlCtQ