6. Jahrgang

Freitag, 12. Mai 1950

Nummer 72

Das Loch in der Kasse

Der Streit zwischen dem Bund und den Ländern

Von unserem Bonner A. R.-Mitarbeiter

ln dieser Woche steht wiederum eine Bud­getberatung auf der Tagesordnung des Bun­destages. Nachdem vor einigen Wochen die Kosten der neuen Bundesministerien für die Monate vom September bis März bewilligt worden waren, muß jetzt der Nachtragsetat für die sogenanntenalten Ministerien für diese Zeit nachträglich verabschiedet werden. Es handelt sich um die Ministerien des Bun­des, die aus den ehemaligen Zweizonenver­waltungen hervorgegangen sind und an sich bis zum Beginn des ersten Budgetjahres des Bundes am 1. April mit dem Etat dieser Ver­waltungen arbeiten mußten. Es war aber schon, als noch der Wirtschaftsrat im Som­mer 1949 diesen Haushalt beschloß, klar, daß zusätzliche Mittel in einem Nachtragsetat an­gefordert würden, und dieser Nachtrag hat jetzt die stattliche Höhe von einer halben Mil­liarde erreicht.

Dabei handelt es sich nur in sehr kleinen Beträgen um eigentliche Verwaltungskosten. Allein das Finanzministerium muß einen ge­wissen Ausbau erfahren, aber auch mit eini­gen anderen Erhöhungen im Personalaufwand zusammen beträgt dieser Posten noch nicht einmal eine Million, Größer schon ist der Po­sten von rund 7 Millionen, der als erste Rate der Kosten der Verlegung der Verwaltungen von Frankfurt nach Bonn eingesetzt ist. ein erster Hinweis auf das Geld, das die Wahl Bonns beanspruchen wird. Aber all diese Sum­men, wie auch der Beitrag zur Ruhrbehörde mit 400 000 DM für diese neun Monate, die Kosten der landwirtschaftlichen Betriebszäh­lung und der Registrierung der verdrängten Beamten mit zusammen annähernd 800 000 Mark, der Etat der Bundesdruckerei in Ber­lin mit 3 Millionen verschwinden neben den beiden großen Ausgaben von 310 Millionen für die Subventionierung der eingeführten Le­bensmittel und Düngemittel und von 184 Mil­lionen für die Weiterführung der Berlihhilfe. Durch diese Forderungen ist der Nachtragsetat auf 534 Millionen angeschwollen, von denen nur 34 durch Einsparungei im Etat einge­bracht werden können.

So bleiben 500 Millionen zu decken. Die Haushaltsexperten haben sehr scharf nachge­rechnet. Sie haben ein höheres Aufkommen aus der Kaffeesteuer eingesetzt als ursprüng­lich veranschlagt worden war. Sie haben ein verhältnismäßig hohes Teesteueraufkommen angenommen. Das Notopfer Berlin wird durch seine Verlängerung 134 Millionen erbringen und als größter Einnahmeposten sind die Zölle mit 174 Millionen eingesetzt. Dennoch bleibt nach Abzug mit Sicherheit zu erwartender Mindereinnahmen ein Maximum neuer Ein­nahmen von 284 Millionen übrig. Das heißt, es bleibt ein Defizit von 215 Millionen.

Auf dem Papier ist dieses Defizit dadurch ausgeglichen, daß in den Nachtragsetat ein PostenAbgabe der Länder in dieser Höhe eingesetzt worden ist. Aber die Länder haben

Reisefreiheit gefordert

Kein Verkehrsmonopol für Bundesbahn

FRANKFURT. Bundesverk ehrsminister S ee- b o h m forderte vor der Industrie- und Hsh- delskammer die Reisefreiheit für alle Deut­sche. Den Deutschen müsse endlich auch die Möglichkeit gegeben werden, ins Ausland zu fahren. Meistens sei es noch immer so, daß ein Paßantrag erst dann bewilligt werde, wenn der Termin für die Reise längst verstrichen sei.

Zu der Situation der Bundesbahn erklärte der Minister, die Bundesbahn könne keines­falls ein Verkehrsmonopol auf Schiene und Straße für sich beanspruchen. Der Kampf der einzelnen Verkehrsträger untereinander müsse aufhören. Vor allem sei eine andere Tariford­nung notwendig, die nach Feststellung der tat­sächlichen Selbstkosten der Verkehrszweige geschaffen werden müßte.

diesem Posten schon lebhaft widersprochen. Sie bestreiten nicht, daß die Länder verpflich­tet sind, ein Bundesdefizit auszugleichen. Aber sie erklären, daß die Länder nicht mehr als 100 Millionen an die Bundeskasse zahlen kön­nen. Der Bundesrat hat sich deshalb sehr ein­gehend mit diesem Nachtragsetat befaßt und mit allen Kräften eine Verminderung der Ausgaben zu erreichen versucht. Es sind ihm einige Abstriche gelungen,, die auch von der Bundesregierung berücksichtigt worden sind. Aber diese Abstriche sind bereits in die jetzt dem Bundestag vorliegende Vorlage mit dem Defizit von 215 Millionen eingerechnet und es bleibt das Fazit, daß die Länder nur die Hälfte des Defizits decken wollen.

Bei dieser Lage wird sich die Beratung die­ses Haushalts wahrscheinlich über die eigent-

th. STUTTGART. Der Entwurf des Gesetzes zur Volksbefragung über den Südweststaat sollte am Mittwoch im Stuttgarter Landtag be­raten werden. Der Punkt mußte von der Ta­gesordnung gestrichen werden, weil die Regie­rung den Gesetzentwurf dem Landtag nicht zugeleitet hatte. Ministerpräsident Dr. Maier erklärte dazu, der Gesetzentwurf sei zwar vom Kabinetteinstimmig gebilligt'* worden, doch stünde die Antwort aus Tübingen und Freiburg auf den Vorschlag der Stuttgarter Regierung noch aus, als Termin der Abstim­mung den 24. September im Gesetz festzu­legen. Das Kabinett werde sich am kommen­den Montag nochmals mit dem Gesetzentwurf befassen müssen. Diese Erklärung hat bei den meisten Abgeordneten Befremden hervorge­rufen. Mehrere Sprecher kritisierten dasTau-

BEBENHAUSEN. Der Landtag von Württem- berg-Hohenzollem tritt am Donnerstag, 25. Mai, zu seiner nächsten Sitzung in Bebenhausen zu­sammen. Innerhalb der umfangreichen Tages­ordnung wird auch das Gesetz zur Volksbefra­gung über die Neugliederung im südwestdeut­schen Raum zur Beratung stehen.

WIESBADEN. In einem Prozeß entschied das Wiesbadener Schöffengericht in seiner Urteilsbe­gründung:Die deutsche Wehrmacht existiert nicht mehr und kann deshalb nicht beleidigt wer­den.

KÖLN. Der Oberste Gerichtshof für das briti­sche Besatzungsgebiet hat die Revision der im Mai vorigen Jahres viermal zum Tode verurteil­ten Giftmörderin Kuschinsky-Swinka verworfen. An Stelle der viermaligen Todesstrafe tritt je­doch viermal lebenslängliche Zuchthausstrafe.

HAMBURG. Im Hamburger Haushaltsplan 1950 sind 37 Millionen DM für Wiederaufbau und Aus­bau des Hafens vorgesehen. In den nächsten 2 Jahren soll die jährliche Umschlagskapazität des Hafens von gegenwärtig 9,6 Millionen Ton­nen auf etwa 15 Millionen Tonnen (vor dem Kriege 26 Millionen Tonnen) erhöht werden.

HAMBURG. Die Deutsche Angestelltengewerk­schaft hat schon jetzt ihren vorjährigen Antrag an alle Fraktionen des Bundestages wiederholt, die Lohnsteuerfreigrenze für Weihnachtsgratifi­kationen von 100 auf 300 DM zu erhöhen, um zu verhüten, daß wie im Vorjahr ein Beschluß des Bundestages wegen Zeitmangel nicht ausgeführt wird.

BREMEN. Ein deutsches Reisebüro in Bremer­haven hat das 18 000 Tormen große italienische SchiffEsmeralda zum Transport von deut­schen Rompilgem nach Civitavecchia gechartert. Die erste Reise soll das Schiff von Bremerhaven aus am 1. Juni mit 1050 Passagieren antreten.

MÜNCHEN. Alle im Bundesgebiet lebenden Sudetendeutschen werden von derArbeitsge­meinschaft zur Wahrung sudetendeutscher Inter­essen*', München 15, Heinrichstr. 2, aufgefordert, eidesstattliche Erklärungen über die Gescheh­nisse vor, während und nach der Austreibung aus der Tschechoslowakei einzusenden. Aber nicht

liehe Vorlage hinaus zu einer grundsätzlichen Behandlung der Verpflichtung der Länder für den Bund ausweiten. Sie wird auch das Pro­blem der Länderfinanzen aufwerfen. Denn entgegen der Meinung des Bundesrates ver­tritt die Bundesregierung den Standpunkt, daß die Länder die 200 Millionen zahlen kön­nen. Die Ansicht des Bundesrates, daß die Länder ihre Ausgaben aufs äußerste gedros­selt hätten, wird demnach von der Regierung nicht geteilt und auch im Bundestag werden sich Zweifel in diesem Punkt erheben. Die grundlegende Schwierigkeit dieser. Frage liegt darin, daß die Berlinhilfe und die Subven­tionen zur Preisverbilligung feste Posten für diese vergangenen 9 Monate sind, bei denen alle Einsparungskünste versagen müssen. Das Loch in der Kasse ist kein Anzeichen allzu großer Ausgabenfreudigkeit. Es zeigt, daß die Decke zu schmal ist, alle die deutschen. Nöte zuzudecken, und in diesem Sinn wird auch dieser Streit zwischen dem Bund und den Ländern, woher die 200 Millionen zu nehmen seien, ein Spiegelbild der deutschen Lage.

ziehen zwischen Stuttgart und Freiburg und verlangten eine Abstimmung in kürzester Frist. Der 24. September sei jedenfalls zu spät. Die Beratung über den Gesetzentwurf soll in der nächsten Sitzung des Landtags, am Mitt­woch, eröffnet werden.

Konferenz der Innenminister

FRANKFURT. Am Donnerstagnachmittag waren die Innenminister der Bundesländer unter Vorsitz des Bundesinnenministers Dr. Heinemann zu einer Besprechung zusam­mengetreten. Vor allem wurde die Sicherheit der Bundesrepublik erörtert. Außerdem wur­den der Grenzschutz, der Verfassungsschutz, das Flaggengesetz, das Versammlungsord­nungsgesetz und das Parteiengesetz bespro­chen.

nur Greueltaten, sondern auch Zeugnisse mensch­licher Handlungsweise sollen 'verzeichnet wer­den.

WÜRZBURG. Unbekannte Täter haben indem außerhalb der Stadt gelegenen israelitischen Friedhof einige Grabsteine umgeworfen und die Gräber verunreinigt. Die Polizei hat für die Er­greifung der Täter eine Belohnung von 1000 DM ausgesetzt.

DEN HAAG. Eine aus acht Luftwaffenofflzie- ren der Unterzeichnermächte des Brüsseler Ab­kommens zusammengesetzte Kommission wird ab 1. Juni die fliegerische Ausbildung in den fünf Ländern der Westunion überwachen.

LYON. Mit 821 Stunden und 20 Minuten stell­ten in einem Dauertanztumier ein Spanier und eine Korsin einen neuen Dauertanzweltrekord auf. 4000 Zuschauer wohnten denletzten Zuk- kungen der vollständig erschöpften Dauertänzer bei.

ROM. Fünf italienische Witwen, deren Männer von der SS erschossen worden waren, legten am Mittwoch in einem Dorf bei Foggia an dem Grab fünf gefallener deutscher Luftwaffenoffiziere Blumen nieder. Das Dorf beging einenTag der christlichen Vergebung.

ROM. In der Nähe von Ravenna ist die dick­ste Frau der Welt, die 292 kg wog, im Alter von 33 Jahren einem Herzschlag erlegen.

LONDON. Das britische Luftfahrtministerium hat im Unterhaus den Vorschlag abgelehnt, die Bombardierung der Insel Helgoland durch die britischen Luftstreitkräfte einzustellen. Der kon­servative Abgeordnete Lindsay sagte, die wirk­same Ausbildung der Bomberbesatzungen sei wesentlich wichtiger als dieUnbequemlichkei­ten für ein paar Deutsche.

NEW YORK. Ein auf dem Grunde eines 6 m tiefen Brunnenschachtes verschütteter Italiener ist 5 Minuten vor seiner Rettung, die 26 Stun­den in Anspruch nahm, gestorben. Er hatte, als ein Verwandter ihm an einem Seil eine bren­nende Zigarette hinunterließ, durch eine Explo­sion noch zusätzlich schwere Verbrennungen er­halten.

Parlez-moi de Ruhr!

o. h. Verfolgt man die Haltung der Franzo­sen in der Ruhrfrage während der letzten fünf Jahre, dann könnte man fast bedenklich werden, wenn jetzt der französische Außen­minister Schuman unmittelbar vor der Lon- der Konferenz mit dem sensationellen Plan einer Fusion der deutschen und französischen Kohie- und Stahlindustrie herausrückt. Un­willkürlich sucht man nach den Hintergründen eines solchen Vorschlages, da man sich noch allzu gut daran erinnert, daß Frankreich vom Mai 1945 an bis zur Londoner sechsten Au­ßenministerkonferenz im November 1947 mit aller Entschiedenheit den Standpunkt vertre­ten hat, das Ruhrgebiet müsse von Deutsch­land losgetrennt und internationalisiert wer­den.

Aber auch nach 1947 ist das A und O der französischen Sicherheitspolitik die Frage nach dem Status der Ruhr gewesen. Es hatte seine Berechtigung, wenn man den bekannten französischen SchlagerParlez-moi damour, den Lucienne Boyer so unvergeßlich sang, in Deutschland abwandelte zum Parlez-moi de Ruhr, denn jedes deutsch-französische Ge­spräch endete schließlich in der französischen Aufforderung, von der Ruhr zu sprechen und zu sagen, zu welchem Entgegenkommen Deutschland hier bereit sei. Aber was immer man von deutscher Seite vorschlug, hat bis­her die Franzosen nicht befriedigt.

Eine Einigung der drei westlichen Alliierten in der Ruhrfrage, die wenigstens einigerma­ßen den französischen Wünschen entgegen­kam, wurde erst im Dezember 1948 erreicht, als in London ein Ruhrstatut geschaffen wurde, das eine internationale Kontrolle des wichtigsten europäischen Wirtschaftsgebietes vorsah, an der sich die USA, England, Frank­reich, Belgien, Luxemburg, die Niederlande und Deutschland gemeinsam beteiligen soll­ten. Aber auch das Londoner Ruhrstatut ließ das Problem der Besitzverhältnisse an der Ruhr ungelöst. Zwar hatten England und die Vereinigten Staaten sich dahin geei­nigt, die Entscheidung darüber den Deutschen selbst zu überlassen (Präambel zum Gesetz Nr. 75), aber die bisherigen Verhandlungen der drei Hohen Kommissare über eine Neur fassung dieses Gesetzes haben gerade wegen dieser Streitfrage noch zu keinem Ergebnis geführt. Frankreich wendet sich gegen jede Möglichkeit, auch gegen eine Sozialisierung, die die Gefahr einer Machtzusammenballung in einer Hand und deren Mißbrauch wie zu Hitlers Zeiten in sich birgt. Eine Zusammen­legung der Schwerindustrie der beiden Länder unter gemeinsamer Verwaltung und Staatsaufsicht' würde die Möglichkeit aus­schließen, daß das Ruhrgebiet jemals zu einer Bedrohung für Frankreich wird.

Von dem ursprünglichen Gedanken einer Los­lösung des Ruhrgebiets bis zu dem Vorschlag Schumans ist es auch über die internationale Ruhrkontrolle ein weiter Weg. Die Verschär­fung des ost-westlichen Gegensatzes hat die Wandlung der französischen Politik herbei­geführt. Eine wirtschaftliche Untermauerung des Atlantikpaktes, die unbedingt als Er­gänzung der militärischen Sicherheit notwen­dig ist, kann nur über einen Zusammen­schluß der europäischen Wirtschaften er­reicht werden. Dazu gehört aber auch, viel­leicht sogar in erster Linie, die deutsche Wirtschaft mit der gewaltigen Kraftreserve der Ruhr. Als Mitglied der Atlantikunion sind wir aber den Franzosen noch immer nicht sicher genug. Also versucht Paris durch sein Angebot, das eine zwar noch zu vermeiden, das andere aber doch zu erreichen. Wenn Schumans Vorschlag, dessen Einzelheiten man noch nicht kennt, aber ein Fortschritt auf dem Wege zu einem neuen Europa bedeutet, ist das letztlich wichtiger als es die Motive sind. Auf jeden Fall ist die Initiative, die der französische Außenminister Schuman mit seinem Plan entwickelt hat, schon deshalb zu begrüßen, weil das jetzt beginnende direkte französisch-deutsche Gespräch geeignet ist, die Beziehungen der beiden Völker zu verbessern und manche Mißverständnisse zu beseitigen.

Naduichtenaus aller Welt

Tauziehen um Wahltermin

VIVECA sucht das Olück

VON CHARLOTTE KAUFMANN

20] Copyugh; by Ctrl Ducker, Berlin Wll

Ich muß tanken, Herr, sagte der Chauf­feur.Das Benzin geht zu Ende. Hier gibts wohl was.

Wo sind wir?

Forsthaus Trolnaes.

Aho ..."

Der Chauffeur verschwand hinter dem Haus, und Björklund stieg aus dem Wagen, um die Glieder zu strecken.

Forsthaus von Trolnaes.... er kannte es doch. Nicht, daß er schon drinnen gewesen wäre. Aber aus den Erzählungen der Männer kannte er es. Und wenn man alle Jahre ein­mal zu dem alten Elgström fuhr, kam man daran vorbei.

Die Nacht war überraschend kalt. Und sehr dunkel. Kein Stern zwischen den Baumwip­feln. Vor der Tür des Hauses, von der roten Lampe wie mit einem Scheinwerfer be­strahlt, stand eine große, schlanke Frau. Als fl sie ansah, lächelte sie.

Guten Abend, Doktor, sagte sie.

Er kannte sie, als er aufsah, wußte aber nicht gleich, wer sie war. Ah, doch, natür­lich. Es war Bertil Löfström, die einmal seine Sekretärin und ein halbes Jahr seine Freun­din gewesen war. Es war schon lange her, und das Verhältnis war nicht sehr befriedi­gend gewesen. Er zog etwas steif den Hut.

Das ist eine nette kleine Ueberraschung, Sie hier zu treffen. Bertil.lächelte.

Björklund erklärte, um sogleich falsche Vermutungen zu zerstreuen, daß sein Chäuf- feur nicht genügend Benzin im Tank habe und versuche, hier etwas zu bekommen.

Das wird er wohl, meinte Bertil.Soll ich den Knecht rufen? Und um ihrerseits

Gedanken zu verscheuchen, die Björklund vielleicht hätte haben können, fügte sie hinzu: Ich wohne hier im Hause.

Björklund, durchaus nicht gewillt, sich mit Bertil in ein Gespräch einzulassen, konnte sich nicht entschließen, sie zu brüskieren und sich wieder in den Wagen zu setzen.Er wird den Knecht schon finden. Abseits, unter einem dunklen Baum, stand eine Bank, und Dr. Björklund ließ seine Augen, die brann­ten, darauf ausruhen.

Bertil sagte:Ich wohne schon zwei Jahre hier. Oben, unter dem Dach. Billige Herberge, wissen Sie. Nur in der Nacht ein bißchen laut.

Björklund antwortete nicht.

Bertil zuckte die Achseln.Da habe ich mir einfach angewöhnt, am Tage zu schlafen und in der Nacht auf zu sein. Wenn ich mich langweile, spüle ich in der Küche Geschirr und Gläser. Wenn ich nicht mag, tue ich nichts. Dann stehe ich hier und schau den Wagen zu, die kommen.

Björklund sah auf die Bank, deren Füße mit Moos bewachsen waren.

Bertil redete weiter:Ich bin verheiratet. Ich habe vor zwei Jahren geheiratet. Das wissen Sie wohl nicht? Mein Mann fährt zur See. Er ist immer fort. Seiner Schwester ge­hört das Haus hier. Man wird verrückt, wenn man hier wohnt. Nichts als Wald ringsherum und nachts lauter Liebe. Und der eigene Mann ist auf See. Wollen Sie nicht einen Brandy mit mir trinken? Oder einen Gin Fizz? Ich hätte tatsächlich Durst darauf.

Björklund hatte keine Lust auf Alkohol, aber er wußte nicht, in welches Gewand er seine Ablehnung kleiden sollte. Er antwortete nicht gleich.

Der Gin Fizz ist ganz ausgezeichnet. Wir brauchen uns gar nicht hineinzusetzen. Kön­nen ihn gleich an der Bar trinken. Ich ... ich kann ihn auch herausbringen.

Dr. Björklund schickte einen raschen Bilde zu der Frau, die noch gut aussah, obwohl seit

damals mindestens acht Jahre vergangen waren. Sie war ganz tüchtig gewesen. Ein bißchen eitel war sie allerdings. Als er, um sie besuchen zu können, ihr eine kleine Woh­nung gemietet hatte, in die er dann ganze zweimal kam, begann sie sehr bald über ihre Verhältnisse zu leben. Sie lud eine Menge Freundinnen und Freunde ein, von denen er nicht wußte, woher sie kamen, und sie machte Schulden, so daß er sich rasch wieder von ihr trennte.

Ich bringe zwei Gläser heraus, erbot sich Bertil.Darauf müssen wir doch anstoßen, daß wir uns ... einmal wieder getroffen ha­ben ... nach so langer Zeit.

Dr. Björklund hatte erwartet, daß sie auf die Vergangenheit anspielen würde. Wo nur der Chauffeur blieb?Meinetwegen, sagte er schließlich.

Sie streckte die Hand aus und verlangte Geld für den Gin.Umsonst oder auf Kredit gibt es nichts ... da drin, sagte sie und zeigte ihre Zähne, die breit und regelmäßig waren.

Er zog die Brieftasche und hoffte, daß der Chauffeur mit dem Benzin eher kommen würde als die Frau mit dem Gin.

Aber der Gin war eher da.Hier, sagte Bertil und reichte ihm ein zartes schalen­förmiges Glas. Geld brachte sie nicht zurück, obwohl er ihr eine hohe Banknote mitge­geben hatte.Auf dein Wohl.

Mißgestimmt über ihre Vertraulichkeit, be­hielt er sein Glas in der Hand, ohne zu trinken.

Schmeckt es dir nicht? fragte sie, als sie ihr Glas leergetrunken hatte.Ach, ich sehe schon, du bist schlecht gelaunt. Deine Frau war gestern nicht so schlecht aufgelegt.

Es war, als hätte sie ihm einen Schlag ver­setzt.

Sie sprach weiter, ohne sich viel zu den­ken.Ich habe sie gleich erkannt, weißt du. Sie kam mit deinem großen, grauen Wagen. Oh, ich kenne nämlich die Dinge, die dir ge­hören. Sie hatte einen Herrn dabei. Hier vor

der Tür hielten sie und überlegten, ob sie hereinkommen sollten. Aber dann fuhren sie lieber in den Wald.

Björklund hatte das Glas so fest umkrampft, daß es zerbrach. Der Gin rann über seine Hände und vermischte sich mit etwas Blut; denn die Scherben hatten ihm die Haut ge­ritzt.

Bertil schrie auf.Ums Himmels willen, das Glas! Und der gute Gin!

Er warf die Scherben fort und schüttelte die Tropfen von seiner Hand.

Da kam der Chauffeur mit einem Kanister. Hat ein bißchen gedauert, sagte er, sich entschuldigend und streifte die Frau mit ei­nem raschen Blick.

Beeilen Sie sich, sagte Dr. Björklund und stieg ein, ohne sich noch einmal nach Bertil Löfström umzusehen.

*

Auf dem Fenstersims im großen Zimmer des von Liljegren gemieteten Appartements im Hotel Bristol hockte eine Fliege. Sie säu­berte ihre Flügel mit den Hinterbeinen und putzte sich dann die Vorderbeine, wusch sie und rieb sie. Frau Thorlak, die neben dem Fenster saß, die Reiseschreibmaschine vor sich auf dem Tisch, sah ihr zu, während sie dar­auf wartete, daß Liljegren den angefangenen Brief zu Ende diktieren sollte.

Aber Liljegren brauchte dazu einen Ver­tragsentwurf, den er nicht finden konnte. Wütend suchte er in den leeren Schränken und in den Koffern, die zur Hälfte gepackt und zur Hälfte wieder «ausgeräumt waren. Die Türen zu den angrenzenden Räumen standen offen, so daß man das Schlafzimmer von Liljegren. sehen konnte und auf der anderen Seite das Zimmer, das Frau Thorlak mit Uonka teilte. Im Badezimmer lief plätschernd Wasser in die Wanne. Ilonka hatte den Hahn aufgedreht und einen verwaschenen Bade­mantel übergezogen. Leise summend wartete sie darauf, daß die Wanne sich füllte.

(Fortsetzung folgt)